' Unruhen ln Oberschlesien
Beuchen. 4. Okt. In Hindenburg sammelten sich gestern zahlreiche Arbeiter in der K^onprinzstrahe an, die mit den in den Betrieben erhaltenen Vorschüssen nicht zufrieden waren. Die Lage wurde sehr bedrohlich, als die Menge gegen Geschäfte vorging. Die Läden wurden eiligst geschissen. Die Schutzpolizei suchte die Leute zu zerstreuen. Mehrere Personen sollen erschossen, andere zum Teil schwer verletzt worden sein.
Ein Deutscher Tag verboten
Domberg 4. Okt. Oberbürgermeister Wächter, der der Bayerischen 'Bolkspartei angehört, hat die Abhaltung des in Bamberg geplanten Deutschen Tags verboten.
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Poincare baut vor
Paris. 4. Okt. Has-as berichtet aus London, der französische Botschafter Hab« dem Minister des Auswärtigen Lord Curzon einen einstündigen Besuch abgestattet. Die Aus- spräche dürste sich auf die vertraulichen Mitteilungen bezogen haben, die Curzon am Freitag in der britischen Reichs- konserenz geben werde.
Der Prozeß gegen die Dato-Nördex
Madrid. 4. Okt. Am Montag wurde der Prozeß gegen die Mörder des früheren Ministerpräsidenten Dato eröffnet. Einer der Hauptschuldigen, Matheu, war in Berlin verhaftet worden, ein weiterer, Nicolas, wurde in Spanien sestgenommen. Casanella entkam nach Rußland und ist letzt Offizier im bolschewistischen Heer. Außerdem sind einige andere Mittäter in Haft. Der Staatsanwalt beantragte für einen der Verbrecher Todesstrafe, für den anderen lebenslängliches, für die übrigen je 20 Jahre Zuchthaus. — Dato war am 6. März 1921 erschossen worden, als er aus dem Abgeordnetenhause nach Hause zurückkehrte.
Die Regierung hat alle Gemeinderäte des Landes auf- gelöst und Neuwahlen einschließlich dpr Bürgermeister angeordnet.
Kämpfe in Marokko.
London, 4. Okt. „Daily Expreß" meldet, die Riffkabylen haben die Spanier angegriffen und von drei Seiten die spanischen Stellungen umzingelt. Verstärkungen seien abge- sandt worden.
Die Düsseldorfer Schutzpolizei aufgelöst
Düsseldorf, 4! Okt. General Denvignes hat dem Re- sierungspräsidenten mitgetoilt, daß die Düsseldorfer Schutzpolizei aufgelöst fei. Die Stadtverwaltung habe nach französischer Weisung die Genwindepolizei zu verstärken. Die Angehörigen der Schutzpolizei sind in Verwahrung gebracht.
Ganze Trupps von Sonderbündlern plünderten in den Nachtstunden die Felder und Gärten in der Umgebung Düsseldorfs.
Me Enttäuschung der Ruhrarbeiker
Münster- 4. Sept. In Düsseldorf werden Abordnungen aller Gewerkschaften durch den Adjutanten des Generals De- goutte empfangen. Wegen der Wiederaufnahme der Arbeit wurden sranMischerseits folgende Bedingungen gestellt: 1. Abschaffung des Vetriebsrätegejetzes, 2. Einführung der lOstündigen Arbeitszeit und Akkordarbeit, 3. Aufnahme jederzugewiesenen Akkordarbeit, widrigenfalls Ausweisung erfolgt, 4. für die E i s e n b a h n e r gelten die bereits bekanntgegebenen Bedingungen, 5. Unterdrückung jeder Auflehnung mit Waffengewalt. 6. Verschärfung des Stadtschützes.
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Mannheim, 4. Okt. Die Badische Anilin- und Sodafabrik hat 1365 im unbesetzten Gebiet wohnende Arbeiter der Zeitlag« wegen entlassen müssen.
Württemberg
Aus der Landeshauptstadt
Stuttgart, 4. Okt. Dienstjubläum. General der Infanterie a. D- Freiherr v. Soden konnte am Dienstag sein bvjähriges Militärdienstjubiläum feiern. Im Krieg führte er zunächst die 26. Reserve-Division und dann das L.
s Münchens guter alter Zeit
!X mifti SLS - Die Kunst mein Gesetz)
nan von Or. Hans Fischer-Hohenhausen.
11) (Nachdruck verboten.)
„Willst Du denn auch Musiker werden? Du bist doch schöpferisch gar nicht begabt!" spöttelte Richard, „oder Du hast Deine Egeria noch nicht gefunden."
„Aber ein guter Musiker." antwortete Hans mit Betonung, „kann ich deswegen doch werden; namentlich, ein tüchtiger Kapellmeister. Solche Leute braucht man auch. Denk an Deinen Vater!"
Bei der Bezugnahme auf seinen Vater zuckte Richard doch wieder etwas zusammen — obwohl er ihm einmal seine Meinung sagen wollte! Wie behandelte ihn der Alte auch! Er hatte sich nicht gescheut, ihm in Gegenwart seines Kameraden mit dem Stock zw drohen! Und das auf der Straße h Wenige Minuten später war Frau Nitschak gekommen --- wenn die das noch gesehen hätte!
„Also komm mit." lud er trotzig und dem ausdrücklichen Befehl seines Vaters zuwider den Kameraden ein, heraufzukommen und mit ihm vierhändig zu spielen.
Beide Knaben gingen hinauf und in der Wohnung angekommen öffnete Richard den Flügel und holte Musikalien.
„Traust Du Dich das mit mir zu spielen?" damit schob Richard dem Hans ein Notenheft hin. Dieser las:
„Gewitterzauber und Einzug der Götter in Walhall" er stutzte.
„Ist Dir wohl zu schwer" spöttelte Richard.
„Nein! Ich wundere mich nur, daß Du auf einmal Wagnermusik treibst."
„Einerlei — willst Du das mit mir vierhändig spielen?"
„Gern!" mit diesen Worten nahm Hans das Notenheft in Empfang.
„Gib' Acht, was Da fällt?" und hob ein beschriebenes Notenblatt auf, welches auf den Boden gefallen war.
Reservekorps. Bei Offizieren und Mannschaften erfreute er i sich allezeit großer Beliebtheit und höchsten Ansehens. Seine s Sorge um die ihm unterstellte Truppe war mustergülig.
Stuttgart, 4. Okt. Die statische Spar- und Giro- kasse hat den Zinsfuß für gewöhnliche Spareinlagen auf 40 Prozent, für Guthaben im Giro- und Kontokorrentverkehr auf 36 Prozent erhöht. Neue Depositeneinlagen werden mit 40 bis 60 Prozent, größere Beträge noch höher verzinst.
Wieder eine Fleischpreiserhöhung. Vom Freitag ab kostet je das Pfund: Ochsen- und Rindfleisch 1. 45 Mill. (bisher 36), Rindfleisch 2.: 42 (32), Kuhfleisch 1.: 36 (30), 2.: 26—28 (24—25), Kalbfleisch 50 (42), Schweinefleisch 64 (60), Hammelfleisch 44 (40), Schaffleisch 22—30 (24—30) Mill.
Blindenhilfe. Vom Reinertrag des vom Landesverband der Württ. Iägervereinigmigen veranstalteten Ersten Schw. Landesjagdschießens konnten 415 'Millionen der Hauptfürsorgestelle zur Uebermittlung an bedürftige Kriegsblinde und 100 Millionen dem Blindsnasyl auf der Doggenburg abgeführt werden.
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Aus dem Lande
Vaihingen a. A., 4. Okt. Jubiläum. In richtiger Würdigung der heutigen Zeitverhältnisse feierte der Vertag der „Allgemeinen Filder-Zeitung" im engsten Kreise das 25jährige Jubiläum. Der Verleger, Herr Karl Scharr, fand morgens seinen Platz mit einem prächtigen Blumenstrauß geschmückt. Anschließend an die Arbeit versammelte er seine Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Mittagessen in der Wohnung. Erinnerungen mancher Art, die an den Verlauf der letzten 25 Jahre mahnten, wurden gegenseitig ausgetauscht. Sämtliche Arbeiter erhielten als äußeres Zeichen der Wertschätzung eine schöne Jubiläumsgabe in Geld.
Heilbronri. 3. Okt. Schuhdiebe. Der 29jährige Bägle von Basel, der 40 Jahre alte Stanzer Bühler von Braunsbach und die 25jährige Dienstmagd Marie Schmid von Sindelfingen hatten in einer Heilbronner Schuhfabrik letzten Monat Schuhwaren und Rohmaterial im Wert von 30 Milliarden entwendet. Alle drei wurden festgenommen.
Mergentheim. 4. Okt. Kartoffeldiebstähle. Noch nie wurde so viel über Kartoffeldiebstähle geklagt wie in diesem Jahr. Die Diebe machen sich lt. „Tauberzeitung" gar nicht erst die Mühe, die Kartoffeln au--zugraben, sondern stehlen einfach die bereits in Säcke gefummelten Kartoffeln vom Felde. — Ein Martelshetmer Landwnt hatte sich zum Mittagessen begeben. Ein auf diese Scunde wartender Dieb nützte die Gelegenheit, füllte sich aus einem Sack auf dem Acker seinen Rucksack und suchte das Weits. Der Täter wurde aber vom Bauern eingeholt und der Name festgestellt; ec hatte die Kartoffeln bereits w e i t e r» e r k a u f t. — In Herrenzimmern wurden einem Bauern Zwei Säcke mit Kartoffeln über Nacht vom Acker gestohlen. Als Dieb wurde ein junger Bursche ermittelt, der die Kartoffeln verkaufen wollte. — In der Nacht auf Dienstag stahl man einem Landwirt aus Deubach nicht weniger als mhl gefüllte Kartoffelsäcke vom Acker.
Tübingen, 4. Okt. Verhaftet. Zwei Hausburschen eines Gasthofes, der 17jährige Robert Birk aus der Nähe von Aalen und der gleichaltrige Paul Jäger aus Eningen, hatten aus dem Koffer eines Ängestelltm Silberbestecke.und viele Millionen Bargeld entwendet. Jäger konnte sestgenommen werden.
Nagold. 4. Okt W e i z e n w 8 h r u n g. Die Hebammen des Bezirks Nagold haben vereinbart, an Stelle der staatlichen Gebührensätze als Entgelt) für eine regelmäßige Geburt und Nachbehandlung von 8 Tagen einen Zentner Weizen, oder dessen Geldwert am Tag der Bezahlung zu berechnen-
Schramberg, 4. Okt. In der Blüte geknickt. In Lehengericht wurde ein 13 Jahre alter Hirtenknabe tot auf der Weide aufgefunden. Neben ihm lag ein Revolver, mit dem er offenbar verbotenerweise gespielt hatte.
Schramberg, 4. Okt. Reiche Spende. Anläßlich der Vermählung seiner Tochter Elisabeth wurde von Fabrikant Schlauder dem Kath. Stadtpfarramt die Summe von 1,2 Milliarden übergeben zur Verteilung an Arme der Pfarr- gemeinde. Auch dem Evang. Stadtpfarramt wurde ein Betrag zugestellt.
Dietenheim, OA. Laupheim, 4. Okt. Ernennung. Diözesanvräies Svobn in Stuttgart. Hausgeistlicher des
Hans besichtigte es und las:
„Der Spielmann; Lied von Richard Strauß; seiner innigst verehrten mütterlichen Freundin und Gönnerin gewidmet."
„Aaaa! Aha! — Egeria? Also darum— hm hm."
Wütend riß ihm Richard das Blatt aus der Hand.
„Was soll denn das heißen?" bruttelte Hans.
„ Daß Dich das nichts angehtl" knurrte Richard.
„Was kann ich dafür, wenn Du Deine Noten so 'rum- fahren läßt?! Denke, wenn Dein Vater das gefunden hätte!" spöttelte Fischer.
„Jetzt laß mi' einmal in Ruh' mit mei'm Vater!" platzte Richard heraus.
Hans wußte, daß mit Richard nicht zu streiten war, wenn er seinen Rabiaten hatte; da war's am besten die Töne reden zu lassen; denn auf dem Gebiet verstanden sich die Knaben! So begann denn Fischer als der Se- condospieler auf dem Klavier den tiefen Paukenwirbel, das Tremolo auf fis, welchem er das Alberichmotiv folgen ließ, und balo waren beide Spieler im besten Eifer und Gelingen. Beide Knaben regten sich gegenseitig an, und vor den Augen ihrer Phantasie erstanden unter den Klängen dieser Musik die Äsen, die Rheintöchter, bereiteten sich die Götter zum Beschreiten des Regenbogens vor. Während Fischer gegen den Schluß das Göttermotiv mit aller Kraft im Baß herausarbeitete, war Richard mit Erfolg bemüht, das Tremolo der Geigen in der Höhe so täuschend wie möglich nachzuahmen und von Begeisterung getragen flutete das Spiel dahin.
Was aber jetzt folgte, ist nicht so schnell zu beschreiben, als es geschah.
Der Alte kam früher zurück, als er erwartet wurde. Schon auf der Treppe vernahm er die Klänge des Dreimalheiligen I In seinem Haus wagte es sein Bub so etwas und verführte dazu noch einen ganz unschuldigen Kameraden, statt Lateinisch zu lernen und in der Schule aufzupassen. Wütend stürzte er in das Musikzimmer.
„Ich werd' Dir den Bayreuther Musikteufel austreiben!"
Kath. Gesellenhauses, ist auf die hiesige katholische Psarrstslle ernannt worden.
Baienfurt, 4. Okt. Aus Schwermut. Di« Frau d« Schlossermeisters Sorg suchte in einem Schwermut«anf»8 den Tod in der Wolfegger Aach.
Stemental, OA. Leutkirch, 4. Okt. S elbstjustiz. Der flüchtige Käser Ke mp sie hat sich in seiner Wohnung m Augsburg, wohin er sich nach seiner Bluttat geflüchtet hat, erschossen.
Vom Bodensee, 4. Okt. So wird's gemacht. Ein Herr M. aus Ulm kaufte in einer Konstanzer Mehlhandlung Mehl im Betrag von etwa 30 Milliarden Mark, die ihm einige Banken vorstreckten. Das in Frage kommende Mehl wurde von der Mehlhandlung tags zuvor den Bäckern zum Kauf angeboten. Da ihnen der Preis zu hoch war, griffen sie nicht zu. Herr M. bot nun dasselbe Mehl von Ulm aus den Bäckern als Auslandsmehl zu ungefähr dem doppelten Preis an, und nun griffen die Bäcker sofort zu und kauften es. Mit diesem sonderbaren Mehlhandel wird sich demnächst die Staatsanwaltschaft beschäftigen.
Aus dem Varkeilcben
Stuttgart. 4. Okt. Bürgerpartei und Bauer n- bundzurLage. Am 1. Okt. trat die Fraktion der Bürgerpartei und des Bauernbunds zusammen. Der Fraktionsvorsitzende, Abg. Bazille, führte aus, der Widerstand an Rhein und Ruhr sei zusammengebrochen an der Schwäche des nationalen Willens. Träger der nationalen Willensschwäche, dieser Todsünde der Völker, sei die Sozialdemokratie. Diese Willensschwäche zeige sich auch in der inneren Politik. Da in der großen Koalition die doktrinären Auffassungen und die menschlichen Sorgen der Sozialdemokraten als „höhere Gewalt" gelten, sei unsere Lage ohne Hoffnung. Die Ausgabe der Politik in einer Zeit, die die Entziehung neuer Lebensformen der Völker bringe, sei es, den Uebrr- gang dem Volk so erträglich als möglich zu machen. Hirz« seien im Deutschen Reich diejenigen Länder berufen, die nach ihrem politischen und sozialen Aufbau in der Lage dazu sind. Bayern sei gegenwärtig mit dieser Arbeit beschäftigt, indem es unter Unterdrückung aller Sonderbestrebungen eine einheitliche feste Staatsgewalt sich schaffe. Der große Irrtum der württ. Politik,, den das württembergische Volk schwer zu büßen haben werde, sei u. a. eine falsche Auslegung des Begriffs der Reichstreue. Reichstreue heißt Treue zu dem im Deutschen Reich vereinigten Volk; diese Treue erfordert gegenwärtig auf den den Ländern verbliebenen Gebieten eine Politik der festen Hand durch Schaffung einer auf alle ehrlichen erhaltenden Kräfteffich stützenden und sie zu gemeinsamer Arbeit zusammenfassendsn Staatsgewalt. Letzte Ausgabe der Fraktion sei es, falls es nicht bereits zu spät ist, die Auflösung des Landtags durch Volksabstimmung herbsizuführen, um dem Volk Gelegenheit zu geben, aus der Erfahrung der letzten Jahre seine Schliffst bei der Wahl zu ziehen. In der Aussprache trat die Fraktion diesen Ausführungen bei.
Sknttgark, 4. Okt. Kundgebung der Deutschen Volkspartei. Der geschästsführende Ausschuß der. Deutschen Volkspartei in Württemberg hat eine Kundgebung an die Parteifreunde im Lande beschlossen, worin der Abbruch des Abwehrcampfes an der Ruhr aus finanziellen Gründen gebilligt wird. Die Erhaltung der Reichseinheit sei oberste Aufgabe und heiligste Pflicht. Die Partei verlange eine starke Staatsautorität und ein rücksichtsloses Vorgehen gegen alle, die d'ese Autorität bedrohen, gleichgültig von welcher Seite der Ansturm kommt. Die Parteifreunde werden gewarnt, sich von denen betören zu lassen, die des Vaterlandes tiefste Not mißbrauchen, um Parteigeschäfie zu machen. Bei der Besprechung i n n e r p o l i t i s ch e r Fragen wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß neben einer schleunigen Währungsreform eine steuerliche Entlastung des durch öffentliche Lasten aller Art hart bedrängten gewerblichen Mittelstands durch Beseitigung unerträglicher Härten, besonders aber durch den sofort einzuleitenden Abbau dem ganz unhaltbaren Betriebssteuer dringend notwendig ist. Ebenso wurde die endliche Beseitigung des Achtstundentages gefordert, da in diesem eine der wesentlichsten innerpolitischen Ursachen unserer wirtschaftlichen Not- l:rge zu erblicken ist.
Dem Reichskanzler Dr. Stresemann wurde vollste» Vertrauen ausgesprochen.
Bei diesen Worten griff er mit rauher Faust ein. Richards beste Vorsätze, mit dem Vater ein mannhaftes Wort zu reden, waren wie weggeblasen. Der ließ ihm auch gar keine Zeit zum Reden, sondern packte mit der einen Hand den Krauskopf seines musikalisch entarteten Sohnes, mit der andern ein zufällig daliegendes Lineal und bearbeitete
— ohne sich um die Gegenwart des Gastes zu kümmern
— die Kehrseite des jungen Musikketzers. Dieser heulte und schrie, bat und flehte, aber !der Alte prügelte drauf los, bis er selbst, erschöpft war, und Atem holen mußte. Dem Richard stürzten die Tränen nur so aus den Augen vor Schmerz und Scham, vor einem Schulkameraden so bloßgestellt zu sein, aber auch dieser hatte sich ängstlich in eine Ecke gedrückt; denn bei einem solchen Wutanfall des fanatischen Kammermusikers konnte er nicht wissen, ob nicht auch an ihn die Reihe käme. Und wer weiß, was noch weiter geschehen wäre„ wenn nicht die Mutter auf das furchtbare Geschrei ihres Sohnes nicht ins Musikzimmer gekommen und dazwischengetreten wäre.
„Frantz! Jetzt ist's genug!" rief sie, „es hat alles seine Grenzen."
„ Ist's nicht genug, daß ich den Mist immer im Hoforchester muß, habe ich nicht einmal zu Hause Ruhe!" brüllte der Vater, indes Richard, als er die Stimme der Mutter vernommen hatte, eiligst eine Gelegenheit erspähte, sich den Händen seines Vaters zu entwinden und zu ihr flüchtete. Schutz suchend vergrub er sein Gesicht an ihrer Brust.
„Du kannst ihn schlagen, wenn er etwas Unrechtes getan hat," sprach die Mutter mit Ruhe und Würde zum Vater, „aber mißhandeln lasse ich mein Kind nicht wegen deiner Nerven I Er kann nichts dafür, daß dir die Wagnermusik zum Halse heraus hängt."
(Fortsetzung folgt.)