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(Enztalbote)

Amtsblatt für M'dbab. Chronik und Anzeigenblatt

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Fernruf 179

Wilitbad. Donnerstvg, der- 4. Oktober 1923 Fernruf 17 s 5Z. Iahrqano

Tagesspieqe!

M Deutsche Volksparkei wird nunmehr, nachdem eine Araktionssihung im Beisein Stresemanns abgehalten wurde, im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz stimmen, aber darauf Wert texen, wetchsn Personen die außerordentlichen Vollmachten anvertraut seien.

In der nächsten Sitzung des preußischen Landtags am S. Oktober wird der Ministerpräsident eine Regierungs- erklärung abgeben.

Die pariser^ Presse meint, die gegenwärtige Erregung in Deutschland laufe äus eine «Reaktion" hinaus. Preußen volle Bayern gegenüber nicht auf seine Jahrhunderte alte Stelle als führender Staat verzichten. Da ein Staatsstreich für notwendig erachte? werde, werde Preußen ihn machen. Ara, .reich müsse mehr als je an Rhein und Ruhr ans der Hut sein.

In einer Rede in Okawa (Kanada) kündigte der englische olitiker Lord Virkenhead an, Lloyd George werde in kurzer eit wieder Erstminisier in England sein.

Lord Eurzon wird in der britischen Reichskonferenz ver­dauliche Erklärungen über die Außenpolitik der Regierung, besonders über die EntschU-lhürMfrsM und die Ruhr- lejetzung abgeben.

WertbestandigkeiL der Steuern

Um die Steuern ergiebiger und wertbeständig zu gestalten, ist ein Gesetzentwurf über wertbeständige Steuern und Ver­einfachung des Steuerwesens ausgearbeitet worden. Dieser Entwurf will, nachdem die Einkommens- und Körperschafts­steuer bereits durch die Vervielfältigung der Vorauszahlungen wertbeständig geworden ist, auch die Vermögenssteuer, die Erwerbslosensteuer und Kapitalverkehrssteuer wertbeständig machen. Ferner sollen durch Erhöhungder Umsatz- steuer und durch Einführung einer auf Gold gestellten Börsen st euer dem Reich neue Mittel zugeführt werden. Schließlich enthält der Entwurf auch Vorschriften zur Vereinfachung des Steuerverfahrens.

Die Vermögenssteuer wird in diesem Jahr zum ersten Mal, und zwar auf Grund des Vermögensstands vom 31. Dez. 1922 veranlagt werden und gilt auch für 1924 und 1925. Obwohl die Veranlagung für dieses Jahr noch nicht abgeschlossen ist, läßt sich doch schon übersehen, daß das Er­gebnis der Vermögenssteuer überaus gering sein wird, weil die Bewertungsvorschrift für die Verinögensgegenstände Preise und Werte maßgebend sein läßt, die hinter dem Kurs­wert oder Marktpreis am Stichtag des 31. Dez. 1922 be­trächtlich zurückgeblieben sind. An der im Gang be­findlichen Veranlagung kann trotz des voraussichtlich gerin­gen Ergebnisses nichts geändert werden. Dagegen soll nach dem Entwurf die nächste Veranlagung im Jahr 1924 auf Grund des Vermögensstands vom 31. "Dez. 1923 vorgenom­men werden. Der Entwurf sieht weiter die Möglichkeit einer Veranlagung von Jahr zu Jahr vor. Für die Veranlagung zum 31. Dez. 1923 sollen für die Wertermitt­lung besondere Bestimmungen erlassen werden. Die Bewer­tung des Vermögens soll in Goldmark erfolgen. Dement­sprechend ist im Entwurf auch ein Goldmarktarif vor­gesehen. Die Vermögenssteuer soll jährlich betragen bei phy­sischen Personen für die ersten 10 000 Goldmark des steuer­baren Vermögens 2 vom Tausend, für die nächsten 25 000 Goldmark 4 vom Tausend, für die nächsten 50 000 Gold­mark 6 vom Tausend, für die nächsten 100 000 Goldniark 7 vom Tausend, für die nächsten 500000 Goldmark 8 vom Tausend, für 1 Million Goldmark 9 vom Tausend,,für wei­tere Beträge 10 vom Tausend. Für die nicht physischen Per­sonen sollen die halben Sätze gelten. Wenn das Vermögen 2000 Goldmark nicht übersteigt, soll eine Steuerpflicht nicht bestehen.

Bezüglich der E r b s ch a f t s st e u er ist vorgesehen, daß künftig bei der Bewertung des Vermögens der Erbschafts­steuer die Grundsätze, die der Entwurf für die Vermögens­steuer vorsieht, entsprechend gelten. Dabei soll von dem tat­sächliche« Wert am Todes- oder Schenkungstag ausgegangen weichen. Die Wertstufe des Steuertarifs und die Vefreiungs- grenze sollen gleichfalls auf Gold gestellt werden.

^ Die Umsatzsteuer soll auf "22 Proz. erhöht werden. Bei der Kapitalverkehrs st euer handelt es sich hauptsächlich um Abstellung der Nachteile, die bei Bewertung und Zahlung infolge der Geldentwertung entstehen. Eine neue Steuerquelle stellt die in dem Entwurf vorgesehene Börsen st euer dar. Die Börsenzulassung soll einer ein­maligen, der Vörsenbesuch einer fortlaufenden Steuer unter­worfen werden. Die Steuer ist in Gold zu zahlen. Sie be­trägt für jede Person, die zum Börsenbesuch zugelassen wird, Goldmark mrd außerdem für jeden angefangeneii Ka- stndermonat der Asu«r dss Börssnbesuchs 100 Goldmark.

M Mgiillge in Berlin

Die Reichstagssihung unbestimmt verschoben

Berlin, 3. Okt. Präsident Lobe teilte gestern abend 8 Uhr im Reichstag mit, daß die anberaumte Sitzung, in der die Regierungserklärung abgegeben werden sollte, nicht stattfinden und ein bestimmter Zeitpunkt für die Sitzung noch nicht angegeben werden könne.

Rücktritt des Reichswirtschastsminisiers

Berlin, 3. Okt. Reichswirtschaftsminister von Rau­mer hat sein Entlafsungsgesuch eingereicht.

Der Grund des Rücktritts ist nach den Berliner Blättern in dem scharfen Widerstand zu sehen, der sich ln der Deut­schem Volkspartei gegen die Amtsführung des Ministers zeigte. Auch der Reichsernährungsmimster Dr. Luther soll die Absicht haben, zurückzutreten.

Die Stellung der Parteien

Jin Reichstag herrschte gestern den ganzen Tag große Aufregung. Die Abgeordneten waren, obgleich die Sitzung erst auf cckends 9 Uhr anberaumt war, schon seit den Mor­genstunden gruppenweise in den Wandelgängen in eifrigem Gespräch; in den Fraktionszimmern berieten die Fraktions- führer. Der Fraktionsbeschluß der Deutschen Volks­pa r t « i, den Abg. Dr. Scholz verkündigt hatte, daß Koa­lition und Regierung nach rechts durch die Aufnahme der Deutschnationalen Volkspartei erweitert wer­den müsse, wurde lebhaft erörtert. Im Zentrum scheint eine starke Minderet dafür gch sein/die Mehrheit will an der jetzigenGroßen Koalition" festhalten. Die Deutsch­nationalen ließen wissen, daß sie es ablehnen, nur die Mitverantwortung für die jetzt so verfahrene Lage mittragen zu helfen. Sie seien bereit, in die Regierung einzutreten, aber nur unter der Bedingung, daß die Besetzung der Mini­sterposten ausschließlich nach dem Gesichtspunkt der Be­fähigung, nicht des Parkeistandpunkks erfolge; daß die seit der Revolution als' Stiefkind behandelte Landwirt­schaft wieder den ihr gebührenden Platz erhalte; daß ferner die Ostjuden ausgerviesen und ihre Wohnungen den aus den besetzten Gebieten Ausgewiesenen, den deutschen Flücht­ling m und Kriegsbeschädigten zugeteilt werden. Nur wenn

Der Entwurf enthält weiter Bestimmungen über Steuer­aufwertung und Steuergeldstrafen. Bemerkenswert ist u. a., daß alle Zahlungen, die nach dem 31. Dezember 1923 fällig werden, in Gold geleistet werden müssen, ohne Rücksicht dar­auf, ob die Steuer selbst in Gold zu zahlen ist oder nicht. Schließlich sind in dem Entwurf noch eine Reihe von Verein­fachungen im Besteuerungsverfahren vorgesehen. Die neuen Vorschriften sollen grundsätzlich am 1. Januar 1924 in Kraft treten. Bezüglich der Erbschaftssteuer ist vorgesehen, daß die in dem Entwurf enthaltenen Bestimmungen rückwirkende Kraft ab 1. Juli dieses Jahrs erhalten sollen.

LLnzeiLgemätze Steuerpolitik.

AuS Berlin schreibt man uns:

Steuern können dazu führen, die Produktion zu be­leben. Die Unternehmung n könnn durch Steuern dazu angefeuert werden, gezwungen werden, die Betriebe in technischer und organisatorischer Beziehung zu verbessern, um trotz erhöhter Steuerabführung die Gewinnchancen nicht zu verlieren. Die Voraussetzung bei einer der­artigen Steuerpolitik ist aber, daß sie das Augenmaß dafür hat, wann die Steuerschraube stark genug ange­zogen ist. BoN dem Steucrprogramm der drei frei- gewerkschaftlichen Spitzenvcrbünde'(A, D, G., Afa, A. T. B.) kann man nicht sagen, daß es von diesem Ge­sichtspunkte aus aufgestellt ist. Denn darüber werden sich die Gewerkschaften auch klar sein, daß die Stenern von der Wirtschaft erarbeitet werden müssen.

Offenbar aus agitatorischen Gründen wird noch ein­mal das PlakatErfassung der Sachwerte" groß auf­gerichtet. Alle Körperschaften auf Grund des Körper­schaftssteuergesetzes zur Körperschastssteuerzahlung veran­lagt sollen ihre Kapitalanteile um ein Drittel erhöhen und dieses an das Reich abführen, von jeder weiteren Kapitalserhöhung sollen 25 Prozent ebenfalls in die Neichskasse wandern. Soweit die Körperschaftsbildung noch nicht durchgeführt ist, soll sie zwangsweise vorge­nommen werden bei all den Unternehmungen, die mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigen oder mehr als eine

MW der NeWMilllg.

eine gründliche Umkehr der bisherigen verfehlten Politik, die Deutschland in den politischen und wirtschaftlichen Abgrund gestürzt habe, verbürgt sei, könne die Deutschnationale Volks­partei die Mitverantwortung übernehmen. Die Sozial­demokratische Partei schien anfänglich geneigt, Zu­geständnisse zu machen, dann trat sie aber ihrerseits mit For­derungen hervor: namentlich verlangte sie, daß Hilfir- ding Aeichsfinanzminister bleibe und daß Bayern gezwun­gen werde, seinen Ausnahmezustand aufzuheben, überhaupt solle das Reich zwischen sich und Bayern «ineklare Lage", schaffen. Auch die Demokraten lehnen ein Zusammen­gehen mit den Deutschnationalen ab. Die Verwirrung stei-' gerte sich, als der Rücktritt des Reichswirtschaftsministers v. Raumer, der der Deutschen Volkspart», angehört, br- kauntgegeben wurde.

kabinettsrat

Berlin, 3. Okt. Gestern abend vor acht Uhr besprach sich Reichskanzler Strefemann mit den Führern der Parteien. Soviel bis jetzt festgestellt werden konnte, ist in den wichtig­sten Fragen keine Einigung herbeigeführt worden, nament­lich lehnte die Sozialdemokratie die Aufhebung des Achtstun- den-Arbeitstags ab. Der Kanzler erklärte, daß er die Lage mit dem Reichspräsidenten besprechen werde. Darauf fand eine Beratung des Reichskabinetts statt.

Strefemann mit der Neubildung des Kabinetts beauftragt

Berlin, 4. Okt. Das Reichskabinett ist zurück- getreten, da sich die Sozialdemokratie in der Arbeits­zeitfrage nicht geeinigt hat. Der Reichspräsident hat den Reichskanzler Strefemann mit der Bildung der neuen Regierung beauftragt.

Was also gestern noch als Unmöglichkeit galt, ist heute eingetreten. Die Sozialdemokraten konnten sich von den Fesseln des Achtstundentags nicht losmacheu, was zum Rücktritt des Kabinetts führte.

Million Mark Grundkapital haben. Ferner soll der Grundbesitz im Jnlandc mit einer Grundschuld belastet werden zu Gunsten des Reiches, ausgenommen sind vor­läufig nach die unter die Zwangsbewirtschaftung fallenden Mietshäuser.

Mit dieserErfassung der Sachwerte" sind wir nun glücklich bei der dritten angelanqt. Zunächst hat der Reichskanzler Dr. Strefemann den Re­parationsgläubigern als Pfandvbjekt nicht nur das Ei­gentum der öffentlich rechtlichen Körperschaften ange­boren, sondern er ist darüber hinausgegangen mit dem Versprechen, das Privateigentum dazu heranzuziehen. Zum zweiten wird der deutsche Privatbesitz mit eurer Zwangshypothek belegt zum Zwecke der Bildung einer Uebergangswähnmg. Und mm kommen die Gewerkschaf­ten und wollen aus steuerpvlitisch-en Gründen abermals den Privatbesitz in Anspruch nehmen. Ganz abgesehen da­von, daß der Durchführung einer solchen Steuerbelastung die eben gekennzeichneten außen- und währungspoliti­schen in Äussicht genommenen Maßnahmen entgegen­stehen, werden auch die Gewerkschaften zugeben müssen, daß man über eine gewisse Belastung des Privatbesitzer nicht hinansgehen darf; denn sonst stellt man die Kredit­würdigkeit der Unternehmungen in Frage- Darunter ist nicht nur ausländischer Kredit, som>ern auch inlän­discher Kredit zu verstehen. Uebrlegt man sich weiter, daß es gerade die starke Seite des deutschen Unternehmers ist, in der Ausnutzung des Kredites, nicht zuletzt zum Wöhle der Arbeiter und der stark anwachscnden deirt- schen Bevölkerung, waghalsig zu sein und damit unter Aufsichnehmen großer Risiken die Wirtschaft zu befruch­ten, so genügt allein dieser Hinweis, um zu z igen, welche weittragenden Folgen ein derartiger steuerpoli.sicher Ein­griff haben muß. Es wäre zu wünschen, daß die So­zialdemokratie den ihnen nahestehenden Gewerkschaften die wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten einer geordneten Steuerpolitik klarlegt: denn die Sozialdemokratie ist als Regierungspartei mit verantwortlich für eine derartige Politik, wenn sie zur Tabache werden soll. Der zweite Punkt des Steucrprogramms betrifft die Neuregeluna des