Deutscher Reichstag
Bedeutungslose Sitzung
Berlin, 28. Sept.
Nach der Eröffnung der gestrigen Sitzung um 5^ Uhr (statt 3 Uhr) durch den Präsidenten L ö b e — die Verspätung war. durch besondere Beratungen der Regierung, des Aeite- stenrats und der Fraktionen verursacht — beantragt Abg. v. Gräfe (Deutschoölkisch), die Sitzung zu vertagen bis der Reichskanzler zur Stelle sei, um vor dem Volk Rechen- schaft über die Einstellung des passiven Widerstands ablege und erkläre, aus welchen Gründen der Belagerungszustand verhängt worden sei, ohne daß der Reichstag befragt wurde- Jn dieser ernsten Stunde sei es nicht angebracht, daß der Reichstag seine Zeit mit Kleinigkeiten vertrödele, wie sie die Tagesordn ung aufweise. Im Interesse der Bürger an VH ein und Ruhr solle man nicht lange reden, sondern Handelm Abg. Bartz (Komm.) stellt einen ähnlichen Antrag. Abg. M a r x (Zentr.) erklärt, in Preußen seien jahrelang die Rechte des Rheinlands mit Füßen getreten worden von den Freunden des Abg. Gräfe, seine Ermahnungen seien überflüssig. Abg. N e u h a u s - Düsseldorf (Deutschnat.): Seine Partei habe mit Rücksicht aus das Rheinland eine sofortige Aussprache verlangt; es sei vielleicht der letzte Augenblick, wo man über das deutsche Rheinland sprechen könne. Die Worte des Abg. Marx könne der Einheit des Reichs nicht dienlich sein. Abg. Stöcker (Komm.): Die Bergarbeiterschaft sei über die Aufhebung des passiven Widerstands nicht befragt worden, sondern nur die sozialdemokratischen Parteifunktionäre. Zehntausende von Bergarbeitern seien deshalb in den Streik eingetreten, um gegen die Kapitulation Widerspruch zu erheben. Es sei sehr fraglich, ob der Reichstag am Dienstag noch ein Beschlußrecht über die Rheinlande haben werde. — Beide Anträge werden nach einer Aussprache von einer Stunde gegen die Stimmen der Rechten und der äußersten Linken abgelehnt. Darauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein. In rascher Folge werden die Vorlagen angenommen: Abrundung der Postscheckkonten auf 1000 Mark, monatliche Auszählung der Beamtengehäl- ter bis 31. März 1924. Abg. Dietrich (Deutschnat.) be- kämpft die Abänderung, die ein Eingriff in wohlerworbene Rechte der Beamten sei. Der Entwurf findet indessen die nötige Zweidrittelmehrheit. Ferner wird eine Entschließung angenommen, daß ab 1. Oktober die Teuerungszuschläge wie- der in halbmonatlicher Frist gezahlt werden sollen, die sozialen Zulagen und die Grundgebühr dagegen vierteljährlich. — Nächste Sitzung Freitag 4 Uhr. Anträge der Deutschnationalen und der Kommunisten auf Aufhebung der Ausnahmeverordnungen des Reichspräsidenten und der Bayerischen Ausnahmeverordnung, Abänderung des Vankgesetzes.
Neue Nachrichten
Baldwins Begeisterung für die französische Freundschaft ^
London, 28. Sept. In einer Rede in Overstone sagte Erstminister Baldwin, in der Unterredung, die er mit Poin- care in Paris gehabt habe, sei es ihm gelungen, das Vertrauen zwischen Frankreich und England wieder herzustellen. Wie er glaube, erkenne man jetzt in Paris wie in London die Bedeutung des Verbands an, ohne den die Regelung der europäischen Verhältnisse weit schwieriger sein würde. Die beste Gewähr für eine gute Lösung liege in den innigen Beziehungen zwischen Frankreich und England.
Vom Skaalsgerichlshof
Leipzig, 28. Sept. Auf Grund des Ausnahmegesetzes zum Schutz der Republik wurde der bekannte Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift, „Der Hammer", Theodor Fritsch in Leipzig vom Staatsgerichtshof wegen Beschimpfung Rathenaus in einer Schrift „Anti-Rathenau" zu 4 Monaten Gefängnis und 5 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt.
Neue Gewaltkalen
Münster, 28. Sept. Bei dem Oberweichensteller Meißner in Bochum raubten die Franzosen 70 Milliarden Lohngelder, Meißner wurde verhaftet. In Recklinghausen sind in der vorigen Woche insgesamt 134 Milliarden geraubt
Aus Münchens guter alter Zeit
(l-ex mihi ans — Die Kunst mein Gesetz)
Musikroman von l>r. Hans F i s ch er - H 0 h e n h a n s e n.
«) (Nachdruck verboten.)
Die Hände des im Klavierspiel völlig ausgebildeten Komponisten flogen über die Tasten, daß die beiden Streicher kaum Schritt halten konnten, und das Kammermusikschifflein schwankte heftig. Bei dem rasenden Tempo konnte man gar nicht drei zählen, die Rythmik schien der Takteinteilung zuwider und Dissonanzen beherrschten den Satz, von denen die beiden Streicher freilich nicht immer wußten, ob sie gewollt oder ungewollt waren. Das ganze Scherzo wetterte und blitzte wie Sprühfeuer. Prim, kleine Sekunde und große Septime erklangen oft gleichzeitig und auf einem von den Streichern ausgehaltenen Fis-dur-Akkord sprang lustig ein Thema in O-moll aus dem Klavier herum ... aber es packte die Mitwirkenden, die gar nicht wußten, wie sie unter dem Bann ihres Schulkameraden standen. Es war ein wahrer musikalischer Hexensabbath!-
Jetzt war es auch im Nebenzimmer bemerkt worden, daß das Stück, welches im Musikzimmer gespielt wurde, im Hause Heller noch nicht bekannt war, und teils neugierig, teils geärgert kam Dr. Heller herbei, nachdem er endlich Heit gefunden hatte, vom Empfang seiner Gäste loszukommen.
„Iungens, was treibt Ihr denn da? Was spielt Ihr für konfuses Zeug?" Mit diesen Worten ging er auf seinen Sohn Leo zu, der alle Mühe hatte, in seinem Violinpart nicht aus dem Takt zu kommen.
„Etwas Neues, Vater!"
„Du bist ein unartiger Junge! Das will ich ja gerade wissen!"
„Frag' meinen Bruder Wilhelm; ich komm' sonst aus dem Takt."
Der saß neben Richard am Klavier und blätterte um.
„Wilhelm, Du bist hier der Aelteste und solltest ver
lvorden. Dem Kreissekretär inTri e r wurden 1134 Milliarden Mark entrissen, mit denen Beamtengehälter, Löhne und Erwerbslosenunterstützungen bezahlt werden sollten,
Schwerte, 28. Sept. Mittwoch abend gegen 10 Uhr drangen 4 Offiziere und 20 Mann französische Soldaten in das unbesetzte Gebiet in den Stadtteil von Schwerte westlich der Bahnlinie ein und verlangten von den Einwohnern Straßenausweise und mißhandelten eine Anzahl von Leuten in den Wirtschaften durch Schläge mit Gummiknüppeln unii Gewehrkolben. Plötzlich fielen auch Schüsse. Der 15jäh> rige Arbeiter Hübner wurde getötet, vier andere Arbeite» verletzt. Die Franzosen flüchteten nach Abgabe der Schüsse.
In Duisburg raubte die Besatzungsbehörde 272 Milliarden Mark, die Eigentum der Straßenbahn waren. 190 Eisenbahnbeamte, Angestellte und Arbeiter sind mit Familien ausgewiesen worden.
Havas meldet, in Brakel seien von französischen Zollwächtern 118 560 Milliarden Mark (durch Verrat jedenfalls) entdeckt und beschlagnahmt worden.
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Deutscher Verhandlungsankrag
Berlin, 28. Sept. Nachdem gestern den Verbandsmächten die Einstellung des passiven Widerstands amtlich bekannt gegeben wurde, hat das Reichskabinett über einen Antrag nach Paris und Brüssel über unmittelbare Entschädigungs- Verhandlungen beraten.
In Trier, Mainz, Rheinhefsen und Nassau, soweit letztere Länder besetzt sind, ist heute die Arbeit allgemein wieder ausgenommen worden, ^
Abänderung der Devifenverordnung
Berlin, 28. Sept. Der Kommissar für Devisenerfassung hat'unter dem gestrigen Datum die Verordnung über Devisenbanken vom 11. Sept. dahin geändert, daß die Devisenbanken auch vor dem. 12. Sept. 1923 nach 8 1, Absatz 1 der Valutaspekulations-Verordnung Devisenbanken gewesen sein nüssen. Für die Banken und Bankiers, die nach der Verordnung vom 11. September nicht mehr Devisenbanken sind, aber einen Antrag äuf weitere Zulassung als Devisenbanken bei der zuständigen Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle gestellt haben, wird die Abwickelungsfrist bis zum 13. Oktober verlängert.
Neuregelung der Löhne der Reichs- und Slaalsarbeiker
Berlin, 28. Sept. Nach den gestrigen Verhandlungen im Reichsfinanzministerium mit den Spitzenorganisationen der Reichsarbeiter beträgt die Lohnmeßzahl für die laufende Woche 37 700.
Erschossen
Barmen, 28. Sept. Vor einem Lokal, in dem der Jung- deutsche Orden eine Zusammenkunft abhielt, sammelten sich Mitglieder der kommunistischen Jugend und warfen die Fenster des Lokals ein. Von innen fiel ein Schuß, der den kommunistischen Führer tötete.
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75jährige Gedächtnisfeier der Inneren Mission
ep. Wittenberg, 27. Sept. Am Sonnig fand hier in der Schloßkirche unter der Leitung von Unio.-Prof. D. Dr. Seeberg und der Teilnahme von zahlreichen Vertretern der Reichsregierung, der Universitäten, der Wvhlfahrtsverbände und der evang. Kirchen des In- und Auslands die 75jährige Gedächtnsfeier der Gründung des Zentralausschusses für die Innere Mission statt. Univ.-Prof. D. Mahling gab in seiner Festrede einen geschichtlichen UeLerblick: Reichsminister Oeser hob die Bedeutung der Inneren Mission für den Staat hervor. Fünf verdienten Facharbeitern der Inneren Mission wurden akademische Ehrungen zttteil. Am Montag trat die kontinentale Konferenz für Innere Mission und Diakonie zu wichtigen Beratungen zusammen.
Württemberg
Stuttgart, 28. Sept. Jubiläumsfeier des Vereins für ärztliche Mission. Im Hause seines Gründers und Vorsitzenden Dr. med. h. c. Paul Lechler feierte
nünftiger sein, wie die andern! Was spielt Ihr denn da?" sprach der Vater.
„Ein Trio von unserm Schulkameraden und Quartettgenossen Richard."
„Sooo!" bemerkte Dr. Heller abfällig. „Gibt's nicht genug klassische Musik? Habt Ihr das alles schon gespielt? Muß Unfug getrieben werden?"
„Umwenden!" schnauzte der Pianist vom Flügel und erschrocken wandte sich Wilhelm zu ihm.
„Wenn Ihr bei mir spielt," sprach Dr. Heller mit unterdrückter Stimme zu Wilhelm, „wäre es mir schon lieber, wenn Ihr keine Experimente macht. Auch den Gästen schulden wir Rücksicht. Während er das Zeug da komponiert hat, hätte er viele griechische Verba auf „mi" repetieren können, was unter allen Umständen vernünftiger gewesen wäre!"
„Sei doch gut, Vater," suchte Wilhelm zu vermitteln. „Wir spielen nachher wieder klassische Stücke, die Du liebst. Ohne unartig zu sein, konnten wir den Vorschlag des jungen Strauß, seine Komposition zu spielen, nicht ab- schlagen."
„Die wäre besser unterblieben!" grollte der Vater immer noch weiter. „Höre doch, was das für Harmonien sind! Der macht's ja noch schlimmer als Richard Wagner! Solche Kakophonien habe ich nicht mal im Ring gehört. Kammermusik ist das mal gewiß nicht; ich bitte mir aus, daß nach diesem Satz Schluß gemacht wird; ich wünsche solche schülerhaften Stümpereien in meinem Hause nicht. Klavierspielen kann Richard Strauß — von der Komposition aber versteht er gar nichts!"
Damit wandte er sich und ging ins Nebenzimmer. Er trat an Frau Manxtel heran und bat sie, ob sie nicht etwas singen wolle.
Die alte Operndiva hatte fast gar keine Stimme mehr und trat seit vielen Jahren nicht mehr auf. Aber im kleinen Raum klang ihr wunderbar geschultes und geschontes Organ noch immer bestrickend ... als Vortragskünstlerin war sie unübertroffen.
am Mittwoch der Verein für ärztliche Mission sein 25jährtger Bestehen. Ein geschichtlicher Rückblick zeugte von dem segens- reichen Wirken des Vereins, der unter der Leitung seine» Vorsitzenden und durch die eifrige Arbeit seiner Geschäft», führer Oberreallehrer K a m m e r e r-Stuttgart und Fra»
Dr. Liebendörfer den Gedanken der ärztlichen Mis- sion als eines christlichen Liebesdienstes für die Bevölkerung nichtchristlicher Länder volkstümlich gemacht, zahlreiche Mis. sionsärzte und Missionskrankenschwestern unterstützt und den Anstoß gegeben hat zur Gründung der Tübinger Anstalten, zur Ausbildung der Kräfte für ärztliche Mission und zur Pflege von Tropenkranken. Die bisher ersammelte Juki, l.äumsgabe von 919 Millionen Mark und 1619 Franken soll für den Beginn einer ärztlichen Missionstätigkeit auf dem neuen Gebiet der Basler Mission in Borneo verwendet i werden. 1
Stuttgart, 28. Sept. Versammlungsverbot. / Auf Grund des Ausnahmezustands hat das Polizeipräsidium eine für heute anberaumte Versammlung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Festsaal der Liederhalle verboten. Diese Versammlungen sind gewöhnlich so stark besucht, daß Tausende keinen Zutritt mehr bekommen können, wobei leicht Zusammenstöße mit Linksradikalen sich entwickeln.
Die Devisenjagd. Das Wucheramt hat in den letzten Tagen 25 Devisenschieber erwischt und zur Anzeige gebracht. Dabei wurden beschlagnahmt 267 Dollar, 1000 ung. Kronen, 100 OM österr. Kronen, 200 tschechische Kronen, 206 schweiz. Franken,
212 franz. Franken, 4'/- engl. Pfund, 83>l holl. Gulden, 10 ital. Lire, 175 span. Peseten sowie über 2 Milliarden deutsche Papiermark.
Wie es in Bayern bereits der Fall ist, wird auch Württemberg und Baden je seinen eigenen Devisentommissar mit dem Sitz in Stuttgart und Karlsruhe erhalten. Auch in and«- : ren Bundesstaaten werden besondere Kommissare ausgestellt, j Das wird.die Devisenjagd doch ziemlich kostspielig machen.
Gekreideaufkauf. Die Landesoersorgungsstelle ist ermächtigt.worden, für die Reichsgetreidestelle nach deren Einkauss- bedingungsn Brotgetreide in größeren Mengen gegen Barzahlung aufzukaufen. Auf Wunsch wird das Getreide in Gold anlei he bezahlt, mit der die Landabgabe bei den Finanzämtern entrichtet werden kann.
Um die Brotoersorgung auch nach dem 15. Oktober, wo die Brotkarten aufhören, zu sichern, ist es notwendig, daß fortlaufend ein Ueberblick über die jeweils lagernden Getreidevorräte möglich ist. Das württ. Ernährungsministe, rium hat daher verfügt, daß sämtliche Getreidehändler, Mühlenbesitzer, Mehlgroßhändler, Genoss mjchasten und sonstige Lagerhalter von Getreide bis auf weiteres zum 5.. jeden Monats der Landesversorgungsstelle, Abt. Getreide, in Stutt« gart ihre am »letzten Tag des Vormonats für eigene oder fremde Rechnung lagernden Vorräte an Brotgetreide und Mehl anmelden. Verstöße haben Sttasr md Einziehung der Vorräte zur Folge. Nicht meldepflichtig sind landwirt- I schliche Erzeuger, die ausschließlich selbstgebautes Getreide auf Lager haben. .
Der Markenbrokpteis. Die württ. Kommunalverbände sind ermächtigt worden, den Markenbrotpreis bis auf 8 Millionen Mark zu erhöhen, nachdem dis Reichsgetrei>dsstelle ihren Abgabepreis beinahe versechsfacht statt verfünffacht hat.
Einbruch. Im Wirtschaftskeller des Schützenhauses der Schützengilde in Heslach wurden in der Nacht zum Mittwoch viele Konservenbüchsen, Schaumwein, Likör u. a. durch Einbrecher gestohlen. Die Diebe kamen mit einem Kraftwagen angefahren. Vermutlich die gleichen Diebe versuchten einen Einbruch in einem Geschäftshaus in Heslach. Sie wurden aber durch die erwachten Bewohner verjagt.
Zum Schutz gegen die Hundelollwukgefahr hat das Polizeipräsidium die strenge Durchführung der Maulkorb- und Halsbandpflicht angeordnet. Es ist verboten, Hunde in Wirtschaften und LLo...^»üttLlgeschäfte oder auf Wochenmärkte mitzunehmen.
Maulbronn, 28. Sept. Württ. Weinbauvereiu- In der Hauptversammlung des Württ. Weinbauvereins erklärte Krämer-Stuttgart, es sei im allgemeinen kaum ein Drittel- bis ein Viertelherbst zu erwarten. 75—90 Prozent der Weingärtner hätten im vorigen Jahr ihren Wein verkauft zu einem Preis, daß mit einem Viertellitterpreis von heute (in der Wirtschaft) voriges Jahr 200 Eimer gekauft werden konnten. Wenn für die Zukunft etwas erzielt und ge- leill^ werden soll, dann muß der Wein einaeleat werden.
Anfangs sträubte sich die alte Dame, aber eine Bühnenkünstlerin freut sich immer über Anerkennung und Beifall und beides fand sie in dem Kreise sicher. Nach anfänglicher Widerrede gab sie sich überwunden und galant bot Dr. Heller der einst Vielaefeierten den Arm und führte sie ins Musikzimmer, wo eben der zweite Satz des neuen Werkes zu Ende geführt war.
Bevor die Spieler recht abgesetzt hatten, bevor die Hörer fragen konnten, was für ein sonderbares Werk eben I zur Wiedergabe gelangt war, schnitt Dr. Heller jede Bemerkung und Frage damit ab, daß er wie ein Herold sich hinstellte und in verkündendem Tone rief:
„Unsere hochgefeierte Primadonna will uns den künstlerischen Genuß bereiten, etwas zu singen; ich bitte aber um gespannteste Aufmerksamkeit. — Darf ich die Ehre haben, Sie zu begleiten?"
Mit den letzten Worten verneigte er sich tief vor Frau Manxtel, indes die jungen Spieler schleunigst verschwunden waren. Dr. Heller setzte sich an den Flügel und präludierte. Schnell waren auch Gesangsnoten da und mit der hinreißenden Art, wie sie die große Künstlerin aus ihrer besten Zeit bewahrt hatte, begann sie:
„Dulde, schweige, mein Herz I Nie verrate den Schmerz ... ,"
Es war die große Arie aus „Katharina Cornaro", die Lachner für sie komponiert hatte. So leise ihre Stimme klang, so sang sie doch mit tiefer Empfindung und manches Auge füllte sich mit Tränen. Als sie geendet, brach stürmischer Beifall unter den Gästen aus. Dr. Heller stand vom Klavier auf, ging mit ausgebreiteten Armen auf die alte Dame zu und dankte ihr für den hohen Kunstgenuß. Ls
war allgemeiner Jubel und Begeisterung_viele Gäste
küßten dieser Priesterin echtester Kunst die Hand_sie
bildete mit einem Mal den Mittelpunkt des Kreises.
(Fortsetzung folgt.)