(Enztalbote)

Amtsblatt für M'ddad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag uud Schriftleitung Th. Gack in Wildbad

Kummer 226

Fernruf 17S

Wildbad, Freitag, deu 28. September 1923

Fernruf 179

58. Jahrgang

, Tageskpiege^

Der Reichskanzler empfing die Berliner Veckreker der Verbandsmächte. um mit ihnen im Anschluß an die Einstel­lung des passiven Widerstands über die innerpolitische Lage dW Reichs zu sprechen.

Poincare wird bei der Eröffnung desx Generalrakg des Maasdeparlemenls in Lar-le'-Duc eine politische Rede halten.

Der Papst Hit den Besuch des französischen Generals Eaftelnau empfangen.

Dis neue Regierung in Spanien hat alle Geschworenen­gerichte aufgehoben» da sic bestechlich gewesen feien.

Der Ausschuß der amerikanischen Bankenvereinigung er­klärte sich dagegen, daß die Regierung der Vereinigten Staa­ten sich von den europäischen Angelegenheiten fern halte.

ZMlWM md MrlWMgdeil.

Jnflasim, Stabilisierung der Mark, Goldwährung, Nog- xensteuer, wertbeständige Löhne,' Währungsverfall, Erfassung der Sachwerte, mit unbarmherziger Wucht li.ängen sich solche Worte und Vorstellungen in unsere Gedanken hinein und er­füllen gerade die Frauen, die sich in diesen Vegriffsbezirken heiriatfremd fühlen, mit Grauen und Entsetzen.

Was heißt es für zahllose Familiemnütter, wenn die Zmmm ihn-n. die Kunde, bringt, daß dis Milch plötzlich 6 200 000, die Butter 60 Millionen, das Einheitsbrot 8 Mil­lionen Mark kostet? Da das Einkommen des Mannes diesen Wetllauf mit dem Dollar" nicht mitmacht, wird die Milch- rcckion gekürzt der Butterpreis interessiert nur noch kleine Kreise unserer Bevölkerung der Vrotverbrauch muß ganz erheblich eingeschränkt werden. Aber der Ehemann muß seine Mahlzeiten haben) die Kinder brauchen nicht nur Gerichte, sondern auch Nährwerte. Es beginnt das immer neue Rech­nen, wie das Mindestmaß von Lebensmitteln mit dem zur Verfügung stehenden Gelds zu beschaffen ist. Jeder Gang zum Metzger, zun: Kaufmann, zum Gsmüsestand avird zur Qual, und dieser Leidensweg muß an jedem Morgen von neuem angeireten werden. Wenn glücklich eingskauft ist, was für den Tag reicht, dann geht im Hause das ängstliche Spähen an, daß die Gasflamme auch ja nicht Heller brennt, als unbe­dingt erforderlich ist, daß das elektrische Licht nur angedreht wird, wenn es sich nicht vernieiden läßt.

Sparsamkeit ist an sich gewiß nichts Beklagenswertes, aber die Art von S p ar en m ü ss en, die uns durch die Zahlenentwicklung der letzten Monate auferlegt ist, macht kleinlich, vergrämt, verängstigt. Durch die Träume geht das kargen, wie lange die Stiefelsohlen der Kinder noch halten und was das nächste Besohlen kosten wird, geht das lieber- legen, wie das Winterzeug für die Kinder beschafft werden kann, woher das Geld für die Kohlen und Briketts kommen soll. Nein, das stolze HuttenwortCs ist eine Lust zu leben" hat sich wahrlich für unzählige deutsche Menschen verkehrt in das ohnmächtige EmpfindenEs ist eine Last zu leben."

Das gilt gar nicht nur für die Familien mit sehr be­schränkten Mitteln. Es trifft auch auf Menschen mit einem zeitentsprechenden Einkommen zu. Welche Unruhe trägt allein dievorteilhafteste Anlage" des Geldes ins Haus! Bringt der Hausherr eine größere Gehaltssumme einmal nach Hause, dann gehts sofort in die verschiedenen Geschäfte, um Vorräte 'einzukaufen. Zuerst wird die Speisekammer bedacht, dann die Bekleidung, und in der Angst, daß die nächste Dollar­entwicklung die einzelnen Gegenstände unerschwinglich macht, wird manches erstanden, was nicht unbedingt erforderlich ist. Oder es werden, weil man ihrer Wertbeständigkeit traut, nutzlose Dinge gekauft, nur um das Geld vor der Entwertung zu retten. Ein paar Tage dauert zumeist die Freude über den Besitz, dann setzen kritische Erwägungen ein, die sich ver-

- stärken, wenn das Bargeld durch die ersten großen Ausgaben knapp wird. Nun hebt das Wehklagen an um die unvernünf­tige Einteilung und das Sorgen um das Beschaffen der Mittel, die bis zum nächsten Gehaltsempfang wenigstens die tägliche Ernährung sichern. Alle diese Gefühlswirren trägt am tiefsten die Frau, und was ihr Gemüt bewegt, was ihre Gedanken beschäftigt, strömt auf die Familie über, wirkt sich in der Erziehung und in dem Beispiel aus.

Wir haben in unseren Schulen nicht nur körperlich, wir

- haben auch geistig unterernährte Kinder. Die Schule allein kann nicht dic ganze für das geistige und seelische Wachstum erforderliche Kost verabreichen. Das Haus muß helfen. Wenn «der die tägliche Unterhaltung Preisklagen ausmachen, wenn die Kinder nur von den Gegcnwartssorgcn, aber nichts mehr von den unverlierbaren Gütern unserer Geistesschätze und unsere- Natursck-önheiten hören, dann verkümmert etwas in Se-le und Gemüt, was nie mehr zum Leben erweckt werden kenn, weil der Wachstumsboden unfruchtbar geworden ist.

In den ständigen Soraen um das Gegenwärtige vergessen

Ausnahme-Verordnungen.

Verordnung des Reichspräsidenten.

In der Nacht zum 27. September wurde eine Verordnung des Reichspräsidenten veröffentlicht, die auf Grund des Art. 48- Abs. 2 der Reichsverfassung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für alle Reichsgebiete bestimmt, daß die Artikel 114, 115, 117, 118, 129 und 153 der Reichsverfassung bis auf weiteres außer Kraft gefetzt werdon. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Frei­heit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-,. Post-, Telegraphen- und Fernsprech­geheimnis, sowie die Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig. Die vollziehende Gewalt geht auf den Reichswehr- miniskr über, der sie auch Militärbefehlshabern übertragen kann. Im Einvernehmen mit dem Reichswehrminister des Innern kann der Reichswehrminister zur Mitwirkung bei der Ausübung der vollziehenden Gewalt auf dem Gebiete der Zivilverwaltung Regierungskommissare ernennen. Für Zuwiderhandlungen gegen die im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen Anordmmgm des Reichswehr-Ministers oder des MstitärHrfichlehabmx werden, sthnrs»? Feeihrsts- und Geldstrafen angedroht. Wenn die Zuwiderhandlungen den Tod eines Menfchew verursachen, wird der Täter mit dem Tvk«, bei mildernden Umständen mit Zuchthaus nicht unter wei Jahren bestraft. Die im Strafgesetzbuch mit lebensläng- ichsm Zuchthaus bedrohten Verbrechen werden mit dem Tode bestraft, wenn sie nach der Verkündigung der Verordnung begangen sind. Auf Ansuchen des Inhabers der vollziehenden Gewalt sind durch den Reichsjustizminister außerordentliche Gerichte zu bilden. Die Verordnung tritt mit ihrer Verkün­digung in Kraft.

Bekanntmachung des WehrTreiskommandanLen

Uebertragung dsr vollziehenden Gewalt aus den militärischen Befehlshaber

Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten hak der Reichswehrminrster die vollziehende Gewalt im Wehrkreis 5 (Hessen-Nassau, Reg-Bez. Erfurt, hohenzollern, Württem­berg, Baden, Hessen. Thüringen und Waldeck) dem General­leutnant Reinhardt für den Bezirk dieses Wehrkreises über­tragen.

Hiezu bestimme ich:

1. Sämtliche Behörden bleiben in ihrer Tätigkeit. Der Gang der Verwaltung bleibt unverändert.

2. Von der Bevölkerung erwarte ich, daß sie den etwa er­forderlich werdenden Anordnungen unbedingt Folge leistet; jeden Versuch, die öffentliche Ordnung und Ruhe zu stören, werde ich unterdrücken.

Der militärische Befehlshaber: gez. Reinhardt, Generalleutnant, Befehlshaber im Wehrkreis 7 und Kommandeur der 5. Division-

Diktatur in Bayern

Einsetzung v. Kahrs als Generalstaakskommlssar

München, 27. Sept. Der Ministerrat hat gestern nach, mittag beschlossen, die vollziehende Staatsgewalt einem G e - n e r a Ist a a t s k o m m i s s a r zu übertragen und in diese- Amt den früberen Ministerpräsidenten, jetzigen Prälidenter

von Oberbayern, Herrn v. Kahr, zu berufen. Durch Ver­ordnung des Reichspräsidenten sind verschiedene Artikel der Reichsverfassung, die die Freiheit der Person, der Versamm­lungen, der Presse usw. betreffen, aufgehoben, und auch für Bayern werden die entsprechenden Bestimmungen der Lan­desverfassung zeitweilig außer Kraft gesetzt. Die Behörden üben ihre Tätigkeit weiter aus, haben aber den Anordnungen des Staatskommissars Folge zu leisten, mit Ausnahme oer Gerichtsbehörden. Der Kommissar ist berechtigt, Amtshand­lungen jeder Art vorzunehmen, Rechtsmittel gegen seine An­ordnungen sind ausgeschlossen, auch kann er Schutzhast, Aufenthaltsbeschränkung usw. verfügen.

' Bekanntmachung v. Kahrs*

Generalstaatskommissar v. Kahr erläßt folgende Bekannt­machung:

In ernster Stunde übernehme ich, meiner vaterländi­schen Pflicht folgend, das Amt des Generalstaatskommissars für Bayern. Meine Amtshandlungen werden getragen sein von heißer Liebe zur bayerischen Heimat, zum deutschen Volke und zum großen deutschen Vaterland. Ich will mich dabei stützen auf alle Kreise, die deutschen Klammes sind und für' ihr Vaterland, gleich mir, eintreien wollen gegen alle vaterlandsfeindlichen Handlungen und gegen Widerstand gegen meine Anordnungen, gegen die ich mit meinen Macht­mittels rücksichtslos vorgehen werde."

Der Bericht Smllings

München, 27. Sept. Im gestrigen Ministerrat berichtete Ministerpräsident von Knilling über die Verhandlungen der Ministerpräsidenten in Berlin. Er (Knilling) habe ganz bestimmte Forderungen zur Bedingung gemacht und erklärt, daß er sich auf den Willen der bayerischen Regierung, der Koalitionsparteien und der großen Mehrheit des bayeri­schen Volks stützen könne. Die Einstellung des passiven Wider­stands solle als innere Angelegenheit des Reichs betrachtet und dem Verband nicht amtlich mitgeteilt werden. Es sollte die Bedingung gestellt werden, daß die Eingekerkcrten frei- gegeben mrd die Ausgewiesenen zurückgerufen werden. Als beide Forderungen von den übrigen Ministerpräsidenten abgelehnt worden seien, habe er gefordert, daß mit der Kapitulation wenigstens nicht die Erklärung verbunden werde, daß die Reichsregierung zu meckeren Verhandlungen mit Frankreich bereit sei. Auch diese Forderung wurde ab­gelehnt.

Die Betriebsräte Münchens beschlossen die Einberufung von Betriebsrats-Vertretern aus ganz Bayern. DieMünch. Post" berichtet, der völkische VerbandOberland" babe aus Freitag früh 4 Uhr einenAppell" in München angeordnet. Fürst Karl Wrede erläßt imVölkischen Beobachter" einen Aufruf an alle, ehemaligen Kavalleristen, in Sturmreit rrab- teilungen sich zu melden.

Verfammlungsverbot

München, 27. Sept. Der Staatskommissar o. Kahr hat die für heute abend angesagten 14 Versammlungen der Na­tionalsozialisten verboten. Auch die von anderen Parteien beabsichtigten Versammlungen dürfen nicht abgehalten werden.

Bei den heute unter Vorsitz des Generalstacckskommissars v, Kahr stattgehabten Besprechungen, in denen auch der Landeskommandant, General v. Lossow, sowie Oberst Seysfer von der Landespolizei teilnahmen, ergab sich erneut die Ge­wißheit, daß für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ord­nung in Bayern die Reichswehr und die Landespolizei unbe­dingt verläßlich sind und dem Generalstaatskommissar zur Verfügung stehen: In diesem Sinn sprachen sich auch die anwesenden Führer der vaterländischen Verbände ohne Vor­behalt aus mit Ausnahme des Kampfbunds, der sich seine Stellungnahme vorbehielt.

wir das Zukünftige. Wir denken auch nicht daran, daß die geistige Spannkraft der Hausmutter ebenso wichtig ist wie ihre körperliche Leistungsfähigkeit.

Cs wird sich niemand der Täuschung hingeben, daß ein« Markfestigung einen nachdrücklichen Preissturz bringt, oder daß wir garzu Friedenspreisen zurückkehren werden. Frie­densverhältnisse, wie sie in unserer ausschmückenden Erinner­ung leben, blühen uns und dem nachkommenden Geschlecht nicht mehr. Aber es wäre schon unendlich viel gewonnen, wenn ein gewisses Gleichmaß der Preise uns von der Unrast der Zahlencmalt erlösen würde. Wenn wir uns n'-bt mebr

bei jeder neuen-Verteüerung in eine zunehmende Verbitterung hineinsorgten.

Entbehrungen und persönliche Einschränkungen scheuen die Frauen nicht die heute m sich berechtigt halten, eine üppige Lebensführung in Selbsi nigsamkeit und oberfläch­licher Genußsucht zu führen, scheiden aus jeder Wirschaften Betrachtung aus sie haben es in den Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit zur wahren Künstlerschaft gebracht in der Anpassung an immer neue Verhältnisse, in der Ein­stellung auf immer neue Voraussetzungen. Was aber für viele untragbar geworden ist. das ist die Paviercreld«

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