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(Enztalbote)
Amtsblatt für W^dbad. Chronik unb Anzeigenblatt
für das obere Cnztal.
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn-«. Feiertags. Bezugspreis im September: 4. Mache Mk. 5 500 000. frei ins Han» geliefert,' durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr ..... zuzügl. Postbestellgeld. Einzelnummern 900 000 M. u Girokonto N. 50 bei der Oberamtssparkafse Neuenbürg, Zweigstelle Wildbad. Bankkonto: Enztalbavk Komm.-Ges Häberle u. Eo. Wildbad. Postscheckkonto Stuttgart Nr. 29174.
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 225 Fernruf 17';
Tagesspiegel
' Am ZS. SepkZmber soll in Düsseldorf die Rheinische Re- publik ausgerufen werden.
Die Bergsrbsittr haben den letzten Schiedsspruch ln der Lohnregelunri für dasMlLrgebiet abgelehnt.
Defp- Völkerbund wurde in einer geheimen Sitzung ei» Plan vorgelegt, 5S LOS Armenier aus der Türkei usw. in der ^armenischen Kaukasusrepublik anzusiedeln. Das Sekretariat wurde mit der Ausarbeitung eines Berichts beauftragt.
Umsonst!
^ Cs gibt nichts Erschütternderes als das wehmütige Wört- rhen „umson st!" Umsonst der passive Wider st and von achteinhalb Monaten. Umsonst die unsagbaren Leiden von 4 Millionen Deutschen, umsonst die fürchterlichen Opfer, die die vielen Eingekerkerten, Verurteilten, Verhafteten, Geiseln, Ausgewiesenen um ihres Vaterlandes willen gebracht hatten. Umsonst der unersetzliche Verlust an Hab und Gut, der Ausfall an Einkommen und Gewinn, der Stilli'and von Geschäften, der Zerfall von Industrie, und Kulturwerken: kurz, die ungezählten Milliarden, die an Sachwerten an Rhein und Ruhr zugrunde gingen und in absehbarer Zeit nicht wieder gutgemacht werden können. Umsonst die großen Opfer, die du und ich, wir alle im unbesetzten Deutschland für unsere Brüder und Schwestern in der gewissen Hoffnung, dH sie nicht vergeblich fein möchten-, gebracht Hutten. Umsonst die Vernichtung von Menschenleben in diesem Ruhrkrieg! Umsonst der Heldentod Schlageters!
Warum? Es ist eigentlich müßig, nach den Ursachen dieses zweiten Zusammenbruchs, den das deutsche Volk innerhalb eines Jahrzehnts erleben muß, zu forschen. Und doch kann es nichts schaden, wenn wir uns darüber klar werden.
Vor allem haben wir es verloren, weil wir den Kampf nicht folgerichtig führten. Halbheiten führen stets zurNiederlage. Wie war es im Weltkrieg mit dem Tauchbootkrieg, mit der Zurückhaltung unserer Flotte zu Wasser und in den Lüften, mit der Bekämpfung der Unruhen und Meutereien? Wenn man nun einmal den passiven Widerstand machen wollte, dann hätte derselbe mit allen Mitteln, die überhaupt ein Volk in der Notwehr — man denke an das Beispiel der Irländer — aufbringen und anwenden konnte, rücksichtslos und mit zunehmender Schärfe, ja zuletzt in verzweifelter „Aktivität" durchgeführt werden müssen, so zielbewußt, daß der Femd genötigt gewesen wäre, weiter und tiefer in unser Vaterland einzu- . dringen, bis ihm — der Atem ausgehen mußte. Aber gerade ^ das haben wir unterlassen. Wir waren zu zaghaft, zu schonend, hatten zu wenig Selbstvertrauen, zu wenig Mut und zu wenig Einigkeit. Der Flaumacher warm auch diesmal zu viel. Millionen von Deutschen standen abseits mit Zittern und Zagen, als wollten sie sagen: es hilft ja doch nichts; der Feind ist zu mächtig.
" Da haben wir das richtige Wort. Nicht Recht, sondern Macht entscheidet in der Welt. Ein deutsches Witzblati Zeigte unlängst eine auf den Knien flehende Germania. Reden ihr ist eine Riesenkanone. Ein französischer Offizier zeigt mit der Reitpeitsche auf deren unheimliche Mündung mit dem brutalen Wort: „Auf diesen Mund hört die Welt."
Daß doch wir Deutsche endlich, endlich dies einsehen wollten. Dies einsehen heißt aber sich vorbereiten, sich so vorbereiten, wie unsere Väter es vor hundert Jahren getan haben, als sie Napoleons Joch abschüttelten. An diesen Vorbereitungen haben wir es in diesen acht Monaten fehlen lassen. Wir warteten, wie Poincare einmal richtig sagte, auf Englands Hilfe, auf die Einsprache der Neutralen und des sogenannten „Weltgewissens" und auf ein „Wunder". Alles blieb aus. Und zuletzt schüttelte man uns ab mit dem grausamen Trost: „Was gsht's uns an, da siehe du zu!"
Was nun? Wir unterwerfen uns Frankreich auf Gnade und Ungnade. Von crsterer werden wir herzlich wenig zu spüren bekommen. Werden unsere Gefangenen und Verurteilten freigegeben werden? Werde» sie und dis anderen Geschädigten entschädigt werden? Werden die Ausgewiesenen zurückkehren dürfen? Wird die deutsche Hoheit an Rhein und Ruhr wiederhergestellt werden? Werden wir.wieder freies Versügungsrecht über das Nuhrgebiet und seine Industrie erhalten? Oder wird Poincaros Faust erst recht hart und schwer drücken? . ^ ^ „
Eines ist gewiß: Saar und Mosel, Rhein und Ruhr, all dies deutsche Land bleibt zunächst — Gott weiß, wie -ange?
französisches „Pfand", so tange, bis wir den letzten Heller bezahlt haben oder bis — wir es wieder mit dem Schwert m der Faust zurückholen können und werden.
Den Weltkrieg verloren! Den Ruhrkneg auch verloren! Annes deutsches Volk, kannst du und wirst du auch das er- tragen? >v. rl.
Wildbad, Donnerstag, den 27. September 1923 Fernruf 179
58. Zahrganq
Die Erklärung der ReichsregrerrmZ
An das deutsche Volt!
Am 11- Januar haben französische und belgische Truppen wider Recht und Vertrag das deutsche Ruhrgsbiet besetzt. Seit dieser Zeit hatten Ruhrgebiet und Rheinland schwerste Bedrückungen zu leiden. lieber 180 000 deutsche Männer, Frauen, Greise und Kinder sind von Haus und Hof vertrieben worden. Für Millionen Deutsche gibt es den Begriff der persönlichen Freiheit nicht mehr. Gewalttaten ohne Zahl haben den Weg der Besetzung begleitet. Mehr als 100 Volksgenossen haben ihr Leben dahingeben müssen; Hunderte schmachten noch in Gefängnissen. Gegen die Unrechtmäßigkeit des Einbruchs erhob sich Rechtsgefühl und vaterländische Gesinnung. Die Bevölkerung weigerte sich, unter fremden Bajonetten zu arbeiten. Für diese dem Deutschen Reich in schwerster Zeit bewiesene Treue und Standhaftigkeit dankt das ganze deutsche Volk. Die Reichsregierung hatte es übernommen, nach ihren Kräften für die leidenden Volksgenossen zu sorgen. In immer steigendem Maß sind die Mittel des Reichs dadurch in Anspruch genommen worden. In der abgelaufenen Woche erreichten die Unterstützungen für Rhein und Ruhr die Summe von 3500 Billionen; in der laufenden Woche ist mindestens die Verdoppelung dieser Summe zu erwarten. Die einstige Produktion des 'Rheinlands und des Ruhrgebiets hat aufgehört. Das.Wirtschaftsleben, im besetzten und unbesetzten Deutschland ist zerrüttet. In furchtbarem Ernst droht die Gefahr, daß bei Festhalten an dem bisherigen Verfahren die Schaffung einer geordneten Währung, die Aufrechkerhaltung des Wirtschaftslebens und damit die Sicherung der nackten Existenz für unser Volk unmöglich werden.
Diese Gefahr muß im Interesse der Zukunft Deutschlands ebenso wie im Interesse von Rhein und Ruhr abgewendet werden. Um das Leben von Volk und Staat zu erhalten, stehen wir heute vor der bitteren Notwendigkeit, den Kampf
abzubrechen. Wir wissen, daß wir damit von den Bewohnern der besetzten Gebiete noch größere seelische Opfer als bisher verlangen. Heroisch war ihr Kampf, beispiellos ihre Selbstbeherrschung. Wir werden niemals vergessen, was diejenigen erlitten, die im besetzten Gebiet duldeten. Wir werden niemals vergessen, was diejenigen aufgaben, die lieber die Heimat vrließen, als dem Vaterland die Treue zu brechen.
Dafür zu sorgen, daß die Gefangenen freigegeben werden, daß die Verstoßenen zurückkehren, ist die vornehmste Aufgabe der Reichsregierung. Vor allen wirtschaftlichen und materiellen Sorgen steht der Kampf für diese elementaren Menschenrechte. Deutschland hat sich bereit erklärt, die schwersten materiellen Opfer für die Freiheit der deutschen Volksgenossen und die deutsche Ehre auf sich zu nehmen. Diese Freiheit ist aber kein Gegenstand für Verhandlungen oder für Tauschgeschäfte. Reichspräsident und Reichsregierung versichern hierdurch feierlich vor dem deutschen Volk und vor der Welt, daß sie sich zu keiner Abmachung verstehen werden, die auch nur das kleinste Stück deutscher Erde vom Dcu^chen Reich loslöst. In der Hand der Einbruchsmächte und ihrer Verbündeten liegt es, ob sie durch Anerkennung dieser Auffassung Deutschland den Frieden wiedergeben oder mit der Verweigerung dieses Friedens all die Folgen herbeiführen wollen, die daraus für die Beziehungen der Völker entstehen müssen.
Das deutsche Volk fordern wir auf, in deu bevorstehenden Zeiten härtester seelischer Prüfung und materieller Not treu zusam m e nzustehen. Nur so werden wir alle Absichten auf Zertrümmerung des Reiches zunichte machen; nur so werden wir der Nation Ehre und Leben erhalten, nur so erst die Freiheit wiedergewinnen, die unftr unveräußerliche« Recht ist.
Berlin, dcn 26. September 1923. "
Reichspräsident Ebert. Die Reichsregierung.
Eine Stimme des Rheinlandes.
Die erste Entscheidung über unser Schicksal ist gefallen so schreibt ein Rheinländer der „D. A. Z." Bor vierzehn Tagen noch standen nach unserm Grenzmarkengefühl am Rhein zwei Wcge offen, d.' beide denSlaats- und Reichsgedanken im besetzien Gebiet in eine bessere Zukunft retten konnten, wenn auch der Entschluß dazu im Innern Deutschlands ein recht erhebliches Verantwortungsgefühl des ganzen Volkes voraussetzte. Entweder beantwortete man die letzte Herausforderung des angeblich „interalliierten" Rheinlandausschusses uni einer Zurückweisung, die auch in den Augen der Bevölkerung den im passiven Widerstand geweckten sittlichen Kräften entsprach, oder man gab offen diesen Widerstand aus. In beiden Fällen konnten wir uns auf unsere zukünftige Stellung zu den Bcsatzungsmächten einrichten und konnten die Erinnerung und das Vertrauen an das Deutsche Reich wahren. daS sich nach neunjährigem Heldenkamps als besiegt erklären mußte.
Alle d iese Hoffnungen und Erwartungen sind heute Verflogen. Bitter und schmerzlich rächt sich aufs neue, wie unendlich gering auch jetzt noch in der Reichshauptstadt das Verständnis für die wahre Lage und Stimmung in der Grenzmark ist. Außenpolitische Probleme, deren Lösung wir uns in unmittelbarer Fühlung mit dem Feind nur in „machtpolitischer Wendung" denken können, gewinnen das Bild parlamentarischer Kompromisse. Jede einzelne Berussgruppe und Partei, deren Vertreter nach Berlin berufen werden, sucht dort nur sich allein als wahrhaft national und rechtgläubig hinzustellen, während in Wahrheit die. ganze. Bevölkerung unter dem gleichen Joche seufzt, von der gleichen Not des Alltags zu Zugeständnissen getrieb.n wird. Seit man drinnen im Reich eine weitere' finanzielle Stützung für unmöglich erklärte, ist unsere Stellung unhaltbar geworden. Nicht vom Rhein herüber, sondern von amtlicher Stelle in Berlin kam der erste Anstoß und die erste Aufforderung zum „Abbau des passiven Widerstandes", der heute bereits voll im Gauge ist.
Wie es scheint, dachte man damals, vor drei Wochen noch, ganz ernsthaft an ein regelrechtes Zurückziehen einiger Verordnungen, die sich längst als unhaltbar erwiesen. Ter Verweigerung der Lohnsicherung sollte eine Aufnahme solcher Arbeit folgen, die an sich für die Franzosen nutzlos sei und überdem keiner größeren Kvh-
lenvorräte bedürfe. Vielleicht haben diensteifrige Amtsstellen zugleich einen richtiggehenden Rückzugsplan aus- gearbeitet, der uns jedoch glücklicherweise nicht bekannt wurde. Die uralte Wahrheit, die doch der Weltkrieg auch drinnen in der Heimat Tag für Tag predigte, ward vergessen: Daß eine Umgruppierung der Front im Gefecht selbst zu den schwersten Operationen gehört und nur von einer Truppe geleistet werden kann, die wirklich fest in der Hand eines bewährten und geachteten Führers, gut genährt, mit Munition und Kriegsmaterial wohl versehen und vor allem bester Stimmung ist. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, so wird der Rückzug in eine rückwärtige Stellung verlustreicher als selbst die vollständige Niederlage aus dem Schlachtfeld. Fehlt gar die Mehrzahl dieser Voraussetzungen, so wird in der Regel die Leitung völlig versagen. Jeder einzelne Gefechtsabschnitt und schließlich jede Kampftruppe sorgt für sich selbst und beginnt Sonderverhandlungen mit dem Feind, wenn sic nicht die starke Hand der Führung und der Reserven hinter sich fühlt, und wenn gleichzeitig die Verbindung mit deu Nachbarabteilungen verloren geht.
In dieser Lage aber befindet sich im letzten Stadium des Weltkrieges, deu Frankreich um den Gewinn der Rheiugrenze entfesselte, die Bevölkerung des altbesetzten Gebiets sowie des Brückenkopfes Düsseldorf-Duisburg, während iw Ruhrrevier andere Voraussetzungen und damit auch andere Möglichkeiten zu einem hinhaltenden Gefecht geg eben sind. Mit und ohne Genehmigung der deutschen Verwaltung haben allenthalben die Verhandlungen mit Franzosen und Belgiern begonnen. Von einem planmäßigen Abbau ist längst keine Rede mehr, sondern wirr und regellos beschlichen Vertreter des Handels und der Industrie, der Arbeiterschaft und der Beamten die Aufnahme der Tätigkeit für die Besatzung. Wie vor neun Monaten die wirklich spontan entfachte Auflehnung der rheinischen Bevölkerung erst durch Zustimmung der Reichsregierung zum ordnungsmäßigen „passiven Widerstand" winde, so zerfließt dieser sachlich und rechtlich sanktionierte Kriegszustand in sich selbst, sobald von Berlin ans das erste entscheidende Wort fiel. Das besetzte Gebiet ist nicht mehr „tot", wie die „Times" vor einigen Tagen noch urteilte, sondern es ist zum Leben erwacht, zu einem Ver- zweiftunaskampf um die Sicherung der alltäglichsten