Ctaalsgerichtshos wegen Beteiligung am Kapp-Puffch (13. März 1919) beginnen. Ehrhardt hatte damals die bekannte Marinebrigade Ehrhardt befehligt, die vom Lager Döberitz aus Berlin überrumpelte und die damalige Reichsregierung Scheidemann-Noske-Müller sowie den Reichstag zur Flucht nach Dresden und von da nach Stuttgart veranlaßte. Nach dem Zusammenbruch des Putsches lebte Ehrhardt in Oesterreich, soll aber oft unerkannt über die Grenze auf deutschen Boden gekommen sein. Im vergangenen Spätherbst wurde er unter anderem Namen in München wegen Beteiligung an einer verbotenen Vereinigung verhaftet und schließlich als Ehrhardt erkannt. Ehrhardt war der Gründer und Leiter der im Erzberger-Prozeß vielgenannten „Organisation L".
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Der Oberreichsanwalt hat einen Haftbefehl gegen Ehrhardt erlassen und vom Reichsjustizministerium die Aussetzung einer Belohnungvon2 5 Millionen Mark auf die Ergreifung Ehrhardts erwirkt. Der Gefängnisdirektor ist vorläufig seines Dien st es enthoben Morden.
Württemberg
Stuttgart. 14. Juli. In der heutigen Sitzung des Landtags ereignete es sich, daß der Finanzminister Dr. Schall mit einem Regierungsvorschlag stark in der Minderheit blieb und somit mit der demokratischen Partei eine parlamentarische Niederlage erlitt. Bei der zweiten Lesung der Landessteuerordnung stellte Abg. Winker den Antrag, daß aus dem Landesanteil an der Reichs-Einkommen- und Körperschaftssteuer der Staat drei Fünftel, die Gemeinden zwei Fünftel erhalten sollen, während nach der Regierungsvorlage der Staat zwei Drittel, die Gemeinden ein Drittel erhalten hätten. Der Antrag Winker wurde niit 47 gegen 27 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Die Regierungsvorlage ist also mit großer Mehrheit a b gelehnt. (Bewegung.) — Die nächste Woche bleibt Ausschußberatungen Vorbehalten. Dann wird eine große Ä u s - spräche im Landtag kommen, die möglicherweise in eine Regierungskrise ausmünden wird.
Stuttgart, 13. Juli. Vom Bahnhof. Heute früh herrschte auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof ein Leben und Treiben, wie sonst etwa an einen, schönen Pfingstsonntag. Zug um Zug von Turnern und Turnerinnen rücken an, um mit dem Sonderzug nach München zu fahren. Große Heiterkeit erregte die stattliche Schar der Turner von den Fildern, die ihrer Fahnenstange als Knauf einen Krautkopf aufgeletzt hatten.
Stuttgart, 15. Juli. Todesfall. Im Alter von 73 Jahren ist Hofdekorationsmaler R. Nach bau er, Ehrenobermeister der Malerinnung Stuttgart, gestorben.
Denktnalsweihe. Heute findet auf dem Waldfriedhof die Weihe des Denkmals für die 8000 im Weltkrieg Gefallenen statt.
Tuberkulosebekämpfung. Im Landesausschuß für Tuber- kulosebekämpfung wurde festgestellt, daß die Erkrankungen an Tuberkulose auch in Württemberg zunehmen.
Rohling. In der Marktstraße in Cannstatt stießen zwei Männer aus dem Fußsteig aufeinander. Der eine packte den anderen und warf ihn mit solcher Wucht zu Boden, daß er bewußtlos und blutüberströmt liegen blieb. Der rohe Täter wurde verhaftet.
Oberstenfeid, 15. Juli. Mißglückter Anschlag. Der verheiratete Fuhrmann Karl Fuckel in Oberstenfeid, ein berüchtigter Raufbold, hat gegen das Schlafzimmer des hiesigen Waldschützen Hirsch, als die Familie schon zu Bett lag, zwei scharfe Schüsse abgegeben. Wie durch ein Wunder blieben die Bewohner von den einschlagenden Kugeln verschont. Furkel wurde verhaftet.
Heilbronn, 14. Juli. Mißglückter Selbstmordversuch. Wie vor wenigen Tagen berichtet, hatte die Sattlersfrau Marie Nied einem Bauern in Künzbach zehn Pfund Rauchfleisch gestohlen und es auf dem Bahnhof in Haag in den Abort geworfen, als sie sich entdeckt sah. Aus Furcht vor Strafe öffnete sie in ihrer Wohnung den Gashahnen der Küche, um sich und ihr zweijähriges Kind ums Leben zu bringen. Hausbewohner bemerkten den Geruch und holten die Polizei, die Mutter und Kind rettete, das Kind in Gewahrsam gab und die Mutter verhaftete.
Arnbach. OA.' Neuenbürg, 14. Juli. Verhängnis- voller Reitversuch. Das vierjährige Söhnchen des
er zog« wohl Aer d« Rheis..!"
»»«
(Nachdruck verboten.)
Roman von Erica Grupe-Lörcher jI4
Da wurde er kecker: .Sie hatten mir ja neulich die beglückende Zusage gegeben, mit mir gemeinsam heute abend speisen zu woilenl Diese Loge ist zweifellos noch frei! Was hindert es mich, daß ich noch das Recht auf ihren Besitz für diesen Abend erwerbe? Gerade jetzt, ehe der Schwarm der andern Gäste in dir Nebenlogen kommt, wird unser Souper hier viel angenehmer und ruhiger sein als später. Oder — wünschen Sie nachher in einem der RestaurationSsale zu Nacht zu speisen, unter-?'
Da wehrt« sie temperamentvoll ab. Zwischen all jenen lachenden, schwatzenden, zum größten Teil fremden Menschen sitzen? Aber di« Unbekannten waren schließlich noch angenehmer und bequemer als die vielen, du- man eben doch persönlich oder vom Sehen kannte! And dann den Neckereien der vorüberstreifenden MaSken ausgeseht sein, die unter der Flagge der Maskenfreiheit einem womöglich Konsetttschnitzei ins Weinglas warfen, oder mit einer langstieligen Blum« hinten in den Ausschnitt des Kostüms kitzelten, oder ähnliche meist plumpe, aufdringliche Scherze mehr?
So beschlossen sie den Plan ganz schnell und ohne Bedenken. Melusine blieb gleich hier oben, um nicht etwa im ungeeignetsten Moment ihrem Betker Atteste im di- Arme zu geraten, und Met- ivard erwarb sich durch feierlick-en Kauj einer numerierten Logcn- karte das Anrecht auf diese letzte noch freie Lege unten an der Aaste für die Eintrittskarten. O, cs ging altes so glatt und schnell, weil sie beide derselben Meinung ivaren.
Während sie oben auf seine Rückkehr wartete, ließ sie sich auf einen der vier Stühle nieder, nachde» sie ihn an eine der drapierten Wäiide herangezogen hatte Sie schloß die Angen und lehnte den Kopf mit der großen Schlüvshaubr zurück in dis weichen Stoffvorhänge zur Nebenlog«. War es ein Traum das Ganze? Oder lebte sie das alles in Wirklichkeit durch?
Köstlich, das Leben! Hier oben so nahe der Lebensfreude sein und doch sich wie auf einer kleinen Oase fühlen können. Aus dem großen Tanzsaal schwebten die Melodien herauf und lullten sie ein. Und daß diese blühende junge Männerkraft mit ihr jauchzend durch diese Stunden der Lebensfreude ging, daß er nicht neulich von der eisigen Umarmung d,s Rheinwasters für ewig erstarrt geblieben war! Mar das nicht ein Glück? O, sie wollte Ihm das nachher auch ins Gedächtnis rufenk
Fuhrmanns Friedrich Weiß wurde vom Vater', der im Begriff war, auszufahren, auf seine Bitte aufs Pferd gefetzt, das uug.fähr 200 Meter vom Haus weg scheute. Das Kind kam so unglücklich zu Fall, daß ihm die Räder über den Kopf gingen, was den sofortigen Tod herbeiführte.
Heidcnheim, 15. Juli. Verräter. Der ledige Korbmacher Georg Mack von Sontheim a. Br. hat den Franzosen ein Modell eines schnellschießenden Maschinengewehrs verraten. Das Schöffengericht verurteilte den Verräter zu 2 Jahren Gefängnis.
Die Firma I. M. Voith erstellt 14 neue Wohnungseinheiten, die Stadt 22, die Kattunmanufaktur 4, Firma Plou- guet 9, der Staat 5, Private mehrere, sodaß diesen Sommer 60 neue Wohnungen geschaffen werden.
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Erwerbslofenunkerstühung. Nach einer Bekanntmachung des württ. Arbeitsministeriums sind ab 9. Juli die Höchstsätze der Erwerbslosenunterstützung wie folgt erhöht: für männl. Personen über 21 Jahre, sofern sie nicht im Haushalt eines andern leben, in den Ortsklassen ^ 16200 8 15 000 »ll,
E 13 900 »ll, 8> und 8 12 800 »ll, über 21 Jahre, sofern sie im Haushalt eines anderen leben, in Ortsklasse H. 14 200 -ll, 6 13 300 »lt, E 12 200 »<l, v und 8 11 300 »K, unter 21 Jahren 9900 »st, 8 9200 »st, E 8600 »st, v und 8 7900 -st; für weibliche Personen über 21 Jahre, sofern sie nicht im Haushalt eines andern leben, ^ 1^200 -st, 8 13 300 »st, L 12 200 »st, O und 8 11 300 -st, sofern sie im Haushalt cines andern leben cst 11 900 »st, 8 11 000 -st, 0 10 300 »st, I) und 8 9400 »st, unter 21 Jahren ^ 9000 »st, 8 8300 »st. L 7600 -st, 8> und 8 7000 -st; als Familienzuschläge für den Ehegatten ^ 5900 -st, 6 5800 -st, E 5400 »st. v und 8 5000 -st, für Kinder und sonstige unterstützunasberechtiate Angehörige ^ 4700 »st, 8 4300 »st, L 4l00 -st. v und 8 3800 »st.
Baden
Karlsruhe, 15. Juli. Im Haushaltsausschuß des badischen Landtags erklärte der Finanzminister, die Voranschlags. Periode 1922/23 werde mit einem Fehlbetrag von rund 175 Milliarden abschliehen.
Karlsruhe, 15. Juli, der 22jährige Taglöhner Fritz Nei- ther aus Karlsruhe wurde in Hanau verhaftet. Er hatte vor einigen Tagen die Händlerin Fuchs in Karlsruhe ermordet und beraubt.
Wer jetzt m Karlsruhe ein Glas Bier (0,3 Zehntel) trinken will, muß 4000 »st dafür aufwenden. Eine Flasche Lagerbier kostet 8000 -st.
" Im Albschwimmbad in Karlsruhe ist ein 13 Jahre alter Volksschüler ertrunken. Aus verschiedenen Teilen des Landes werden Todesfälle beim Baden infolge von Herzschlag gemeldet.
Rastatt, 15. Juli. Ein schwerer Autounfall hat sich auf der Rückfahrt der an der Flachrennprüfung des Baden- Badener Autoturniers beteiligten Wagen hier ereignet. Von der Karlsruher Straße kommend nahm ein Kraftwagen, der übermäßig schnell fuhr, die Kurve beim Friedhof nicht richtig, fuhr in den Straßengraben, fällte einen Baum, der samt der Wurzel ausgehoben wurde, und blieb dann stark beschädigt liegen. Von den drei Insassen wurde der Führer stark, die beiden anderen weniger schwer verletzt. Der betreffende Kraftwagen soll nur mittelbar bet dem Flachrennen beteiligt gewesen sein.
Weingarten bei Durlach, 15. Juli. Durch Feuer sind die landwirtschaftlichen Anwesen -er Landwirte Diefenbacher und Göckle und des Viehhändlers Hermann Fuchs zerstört worden. Von den Fahrnissen konnte fast nichts gerettet werden.
Heidelberg, 15. Juli. Aus der Unioerfitäts-Nervenklinik entsprang ein Mann, der schon fünf mißglückte Selbstmordversuche durch Gift gemacht hat. Jetzt probierte er es mit dem Sprung in einen Steinbruch bei Weinheim. Aber auch diesmal wollte ihn der Sensenmann nicht; er kam mit einigen leichteren Verletzungen davon.
Das Wetter
Die Störungen nehmen von Westen her überhand. Di« Wärme )al ihren Höhepunkt erreicht. Am Dienstag sind zahlreiche Gewit- rer und noch zahlreichen Weder schlülj. n auch kühlere Temperaturen zu envarkev.
Der Wein in der Wissenschaft
Der Wein hat schon oft in der Geschichte der Wissenschaften eine große Rolle gespielt. Aber die erste entscheidende Tat, und zwar eine Großtat auf wissenschaftlichem Gebiet, ist zunächst nicht vom Wein selbst ausgegangen, sondern von den Weinfässern. Es war eine echt deutsche Leistung, die des großen und genialen und zugleich ein wenig hausbackenen und schrulligen Johann Kepler. Während andere Größen der Mathematik lediglich an den Gestirnen ihre Leistungen vollzogen, an den Berechnungen der Bahnen der Planeten und Kometen, manche auch an der Berechnung der Erde und ihrer Gebirge, setzte sich Kepler in seinen Weinkeller und berechnete den Inhalt der Fässer, all dieser vielgestaltigen, dick- und dünnbauchigen, runden und schlanken Weinfässer. An, sich wäre dies ja durchaus nicht so etwas Erschütterndes gewesen, den Inhalt alter Weinfässer zu berechnen, aber Johanns Kepler machte es auf eine besondere Art, so, daß diese Berechnung die grundlegende Arbeit für die neuere Mathematik wurde, die erste Arbeit, die mit Entschiedenheit die Betrachtung des Unendlich-Kleinen, die etwas später von Leibniz und Newton vollendet wurde, in Anwendung brachte. Kepler zerlegte, um wenigstens einen oberflächlichen Begriff seiner Methode zu geben, den Inhalt der Fässer in unendlich viele, unendlich dünne Querschnitte, deren Summierung den Inhalt des Fasses ergab. In seiner Abhandlung „Die neue Raumlehre oer Fässer" ist von einer ganzen Schar neu berechneter Körper die Rede. Zitronen und Pflaumen, Aevfel, Birnen und andere fruchtartige Gestalten wurden von Kepler berechnet, und so entstand eine in der Geschichte der Mathematik vielleicht einzig dastehende, bei aller Gelehrsamkeit gleichzeitig höchst amüsante Abhandlung.
Erst sehr viel später tritt der Wein von neuem in der Geschichte der exakten Wissenschaft hervor. Diesmal stand eine andre Frage im Mittelpunkt: die Grundfrage der biologischen Chemie. Liebig hatte die Vergärung des Traubenzuckers als einen Vorgang angesehen, der hervorgerufen wird durch mechanische Kräfte, nämlich die Schwingungen vcn Molekülen, die von der Hefe auf Sen Zucker übertragen werden and seinen Zerfall bewirken. So gewaltig Lievigs Verdienste auf chemischem Gebiet aber auch waren, hier in der Biologie hatte Pasteur den Liefern Einblick. Pasteur erkannte, daß es sich bei der Gärung des Weins um den Lebensprozeß der Hefe handelt, einen Vorgang also, der nur als Stoffwechsel- prozeß, nicht ausschließlich aus seinen chemischen Bedingungen zu verstehen ist. Mit dieser Erkenntnis aber war ein Schritt von ungeheurer Tragweite getan. Nicht mehr war ausschließlich der chemische Vorgang der Zersetzung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure zu studieren, sondern ebenso wichtig wurde es, die Lebsnsbedingungen des diesen Vorgang hervocrusendcn Organismus, der Hefe, zu untersuchen.
Sobald der Most zu gären beginnt, sind eine Reihe von Kleinlebewesen in ihm enthalten, die sich gegenseitig die Nahrung bestreiten. Außer der Hefe sind noch vorhanden Kahmhefen und Schleimbakterien, Schimmelpilze und besonders die gefürchteten Essigbakterien. Um nun eine geeignete Behandlung des Weines zu erzielen, muß inan in dieses bunte Getriebe elngreifen, und das geschieht, indem man die Hefepilze in ihrer Lebenskraft fördert. Man stellt aus dem Most des betreffenden Weins eine reine Hefe her, indem man unter dem Mikroskop eine einzige Heiezelle herausfischt und zur Vermehrung in sterilisierten Traubensaft bringt. Mit solcher Reinkultur wird dann der betreffende Most versetzt und dadurch gleich zu Beginn der Gärung ein solches Ueber- gewicht an wertvoller Hefe geschaffen, daß die andern Lebewesen schnellstens zugrunde gehen. In deutschen Weinbau- gegenden, besonders auch bei den süddeutschen Fruchtincsten, wird dieses Verfahren mehr und mehr angewandt.
Edle Weine sind nur aus alter, edler .Kultur zu erzielen, aus einem Boden, einem Klima, einer Pflege, die alte Ueber- lieferung verkörpert. Wir wissen nicht, welche Stoffe es sind, die dem Wein sein typisches Gepräge geben. Aus schlechter Traube ist niemals ein edler Saft zu erzielen, gleichgültig, welche Mittel man verwendet. Wohl aber kann ein' edler Saft geschützt und gepflegt, die Schar der schädlichen Hefen und Pilze vernichtet und der Gärungs- und Reifungsvor- gang in die richtigen Bahnen gekettet werden Auch vor Krankheiten ist der Wein zu schützen. Solche Krankheiten werden aber nicht nur hervorgerufen durch fremde, den Wein krankmachende Lebewesen, sondern ebensogut durch Krankbeiten der Hefe selbst. Während der Gärung nämlich spielt sjck ^as Leben der Hefe ab.
So versunken war sie in ihre Gedanken, so wenig interessiert für ihre Umgebung, daß sie die leisen, huschenden Schritte draußen auf dem läuferbedeckken schmalen Gang, der zum Eingang der einzelnen Logen führte, nicht beachtete. Der schwarze Seiden- dvmino hatte sich das Lapuchon fest um Haare und Ohren gezogen. Selbst schwarzseidene Handschuhe trug er, um nicht an Händen oder Ringen erkannt zu werden. — Der schwarze Domino hatte den jungen Baron Atteste vorhin im Stich gelassen, oder vielmehr nach einer getroffenen Verabredung sich von ihm getrennt, als eine der Damen der Straßburger Gesellschaft ihn in ein Gespräch zog. Der Baron hatte dem Domino auf die Frage, warum er denn ständig mit seinen Blicken jemand zu suchen schien, geantwortet: es ärgere ihn, daß seine Kusine, die Baronesse Welzin, dauernd so völlig verschwunden und im Gewühl urker- getaucht zu sein schien. Vermutlich sei sie fortwährend von diesen deutschen Offizieren engagiert, von denen immer wieder einige Typs im Maskengewühl auftauchken. So war es dem Domino eine höchst willkommene und interessante Entdeckrung, aus der Streife nach der Baronesse (um von Baron Atteste durch ein Geschenk belohnt zu werden!), hier oben in der Stille der noch unbesetzten Loge die Baronesse mit einem deutschen Herrn zu sehen! Es war der Maske gelungen, den letzten Teil der Unterhaltung aufzufangen. Jetzt hielt sie es für klüger und vorsichtiger, wieder aus dem Gang vor den Logen zu verschwinden, bevor dex deutsche Herr zurück kam, und ihr begegnen konnte. Sie wußte nun genug mit der Verabredung des jungen Paares, hier oben mit einem offenbar gesuchten kleinen tele a tele zu soupieren-!
Nichtsahnend, und in bester Stimmung betrat Dietward v. Schätzer wieder die Loge. Er wies Melusine lächelnd eine kleine bedruckte Karte, welche ihn zum Logeninhaber berechtigte. .Wir haben sehr gut daran getan, uns diesen ruhigen Winkel zu flcher-r, Baroneste, denn unten schwillt das Gedränge, immer mehr an. Ich Hobe noch nie einen Armenball hier mitgemacht, welcher derartig stark besucht war, wie der heutige!'-
.Ilm so bester!' dachte Melusine, .desto schwerer findet mich Atteste. Und desto eher kann ich diese Ausrede haben!'
Gerade als sie sich einander gegenüber an dem schmucken kleinen, dlumengezierten Tische niedergesetzt, betrat ein Kellner die Loge. Er ließ einen schnellen Blick über das junge Paar gleiten, und legte sofort möglichste. DiÄretion in sein Benehmen.
.Was wünschen Sie zu wühlen?" fragte Dietward und reichte ihr di« Speisekarte, welche der Kellner auf den Tisch gelegt. Er vermied absichtlich ihre Anrede als Baronesse.
.Alles! Es ist mir gleich,' lachte sie, .nur nicht das Stammesten aller Restaurants: nur nicht Rostdeaf garniert! Schlagen Sie vor!'
Er überflog die Seit«. .Als Entree: kaltes pain von Gänse-- leber, oder lieber Languste mit Mayonnaise?'
.Ich bevorzuge den Hummer mit Mayonnaise!'
Dann schlug er ihr mehrere Platten vor, die man als zweiten Gang nehmen konnte. Sie entschied sich für Kalbskotelette mit Lhampignongemüse. Zum Nachtisch einen Savarin mit Banill«- creme, eine der köstlichen Sahnenspeisen, wie die Straßburger Konditoreien sie so herrlich herzustellen verstanden.
Auch nachdem sich der Kellner mit seinen Aufträgen wieder entfernt und die Meinsorte ebenfalls gewählt worden war, sprachen sie über den Wein weiter, welchen jeder von ihnen bevorzugte. .Aßmannshäufer!' rühmte Dietward, .roten Aßmannshauser, -der auf der Schieferglut nahe dem Niederwalddenkmak gewachsen ist!'
.Weißer Burgunder ist mein Lieblingswein! Kennen Sie den? Der ist im Glase wie Helles Gold. Ilnd gleitet einem wie Feuer durch den Körper! Meine Großmutter hat einen Vorrat im Keller! Wenn wir den Geburtstag von Raymund bet ihr draußen feiern, läßt Großmutter ihn jedesmal servieren! Dann müßten Sie auch einmal dabei sein, Herr v. Schätzer!"
Dann brach sie plötzlich ab in dem Gedanke»: daß ihre Großmutter wohl nie diesen Sohn einer deutschen Beamtenfamllie als Gast zu sich bitten würde. Vielleicht dachte Dietward in diesem Moment dasselbe. Die starre Haltung der greisen Baronin von Zanunerschlag, welche gegen die einstig« Einverleibung von Elsaß- Lothringen mit Deutschland Opposition machte, war stadtbekannt. Und um die plötzlich aufsteigende peinliche Pause schnell zu über- brücken, erzählte er nun: .Ich habe kürzlich Gelegenheit genommen, Ihre Frau Großmutter aufzusuchen. Um offiziell meinen Dank für all die Gastlichkeit und Hilfe auszusprechen, di« ich neu- lieh m ihrem Schlosse gesunken h<che. Zu meinem Bedauern konnte ich meinen Dank nicht persönlich Vorbringen, denn ich erhielt den Bescheid: Ihre Frau Großmutter sei unpäßlich. — So hinkerließ ich meine Visitenkarte und habe mich schriftlich bedankt!'_
Eine kleine Pause entstand. Melusine sann über Sen Bericht nach. Melleicht war ihre Großmutter an jenem Tage tatsächlich unpäßlich. Vielleicht aber — vermochte sie es nicht über sich zu gewinnen, den jungen deutschen Beamtensohn offiziell bei sich zu empfangen? Als Verunglückten ließ sie ihm all« erdenkliche Hilfe, aues Entgegenkommen zuteil werden. DaS war Pflicht der Menschenliebe. Aber den Gesunden bei sich enwftudge!,? (Forts. folgt.)