(Enztalbote)
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Nummer 159
Fernruf 17S
WWbad, Mittwoch, den 11. Juli 1923
Rückblick.
Am 1 1. Juli ist ein halbes Jahr seit dein Einbruch der Franzosen ins Ruhrgebiei verflossen. Ein Rückblick über die durch ihn herbeigeführten Veränderungen der Weltlage dürfte wenig geeignet sein, irgendwo, am wenigsten aber in Frankreich frohe Stimmungen anfkommen zu lassen. Von den Illusionen, mit denen die Räuberbanden vor
einein halben Jahre ausmarschierten, ist nicht eine in Erfüllung gegangen. Tie „technische Kommission" mit ihren „friedlichen Absichten" und ihrer militärischen „Bedeckung" hat sich als die Vorhut einer riesenmäßigen, krie
gerischen Armee herausgestclit, mit der Poincare seine wahren politischeil Pläne: die Zerreißung Teutschlands Mid die Annexion von Ruhr und Ruhr endgültig durchzuführen hoffte. Allein er biß auf Granits Tie Oeko- nomie des Militarismus zersplitterte an der Ökonomie eines waffenlosen, friedlichen Volkes, besonders an der Oekonomie der Arbeiterklasse, die der Politik der Panzerautos und Maschinengewehre die Politik der gekreuzten Arme gegenüberstellte. Tiefer Krieg der Waffenlosen gegen die Waffenstarrenden steht einzig da in der Geschichte moderner Kriegssührung, und er hat Erfolge gezeitigt, die die furchtbaren Opfer Wohl wert sind, deren wir jetzt nach einem halben Jahr in noch währendem Kriege zugleich mit Trauer und mit Stolz gedenken.
Tiefes halbe Jahr Ruhrkrieg hat die gesamte Welt wieder mit Achtung vor dem deutschen Namen erfüllt, nachdem sie die viereinhalb Jahre des Weltkriegs hindurch gewohnt war, ihn mit Schaudern und Bewunderung zu nennen. Zugleich hat er Frankreichs Namen mit einem Pcsthauch umgeben und diesen einzigen Liebling der Nationen mit völliger moralischer Isolierung bedroht. Wirtschaftlich hat das halbe Jahr Rnhrkrieg Frankreich die schlimmsten Schlüge versetzt, seine Schuldenwirtschaft trotz aller Ticbstähle erhöht, seine Aussichten auf Reparationen gesenkt. Politisch aber hat es die große Krisis herbeigeführt, die über das weitere Bestehen der Entente entscheiden wird. Europa hängt heute am Abhang. Sein Schicksal ist so ungewiß, daß nicht einmal eine Vermutung darüber gestattet ist, wie die zweite Hälfte des laufenden Jahres sich gestalten kstag. Frankreich rüstet mit aller Energie auf den Krieg. Tie Welt sieht heute Herrn Poin- care anderthalb Jahre am Werk. Als er 1913 Präsident von Frankreich wurde, war er in der breiten Wslt noch keine sonderlich bekannte Persönlichkeit. Heute kennt man ihn, heute sieht man, mit welcher Verblendung und Zähigkeit dieser Mensch alle Probleme einer gewaltsamen Lösung zntreibt, wie er einem schrankenlosen Imperialismus frönt und vor keinem Verbrechen zurückschreckt. Heute wird die Welt sehr viel geneigter sein, das zu glauben, was aus russischen und nicht zuletzt auch aus französischen Publikationen klar hervorgeht, daß wir in Poincare den wahren Borbereiter und Entsesseler des Weltkrieges vor uns haben, das moralische Ungeheuer, als das eine raffinierte, weltumfassende Propaganda einst Wilhelm II. hinzustellen eifrig beflissen war. Auch zur Aufhellung der für Deutschland so wichtigen „Schuldfrage" hat also das halbe Jahr Ruhrkrieg wesentlich beigetragew
Aber entscheidend ist die totale Veränderung der französischen Weltposition, die sich in diesem halben Jahre vorbereitet hat. Heute steht die Entente mit England auf dem Spiel. Tie Taktik Poincares, ist klar genug; er rechnet mit dem unmittelbaren Zusammenbruch Teutschlands und will, sobald er Tatsache geworden, lächelnd vor das aufgeregte England hintreten und fragen: „Wozu der Lärm? Was steht den Herren M Diensten?" Allein die Unruhe in England wächst, man hat durch die Presse die Forderung verbreitet, daß in der laufenden Woche eine schriftliche Antwort auf die englischen Fragen erwartet werde. Jedoch die Woch^ ist abgelausen, und Poincare hat nicht geantwortet. Englands Kresse drohte mit der Eventualität direkter eng
lischer Verhandlungen mit Teulschland oder auch mit
Sollten
der Einberufung einer Konferenz der nent unter Beteiligung Englands. Italiens und anderer Ällnei'ten, die jich> einer EiniMNA nnl Teukfchlmid
Tagesspiegel
Laut Havas wird der ehemalige Reichskanzler Dr. Rllrsh der seit einigen Tagen in Rom weilt and mit Kar ina Grchmrri eine Unterredung hatte, vom Papst in Andren empfangen werden.
„Chicago Tribüne" erfährt aus London, das britisch« Kabinett habe beschlossen» einen internationalen Ausschuß zur Festsetzung der deutschen Zahlungsfähigkeit ernennen zr lassen. England werde vorangehsn und die übrigen Rer- kündeten un' die Neutralen zü einem Kongreß einladcn. Tollte Frankreich ablshnen, so würde der Kongreß dennoch slallsindm. Die Vereinigten Lkaa-en sollen eingelaLcn werden, den Vorsitz zu führen. Sollte die Regierung irr Washington ablehncn, so solle ir- end ein hervorragender amerikanischer Rschkskennsr. etwa Taft oder Elihu Raot, mit dem Vorsitz bslrauk werden Man erwarte, daß Italien und der kleine Verband sich Sem Vorgehen onschließen.
Die Regierung in Angora hat Zsmcd Pascha ermächtigk, den Zriedsnsvertrag zu unterzeichnen.
Ls M hrssSer M Sie SsdiMe!
^un ist es ein vo11es llaIbes dasir, seit das Kulirxebiet und die anderen KeicAs- tsile um Kliein unter schwerster feindlicher öe- drückunZ liefen. Unerhörtes und Unaussprechliches haben ckis Drücker unck 8cknvestern dort erduldet. stecken lag auks neue krampst sich uns anderen ckas Herr: bei cken neuemtresteücken Nachrichten. - lstnck nocst steht ckie Krönt dieser tapferen, waffenlosen Kämpfer u. Kämpferinnen ZeZen ckie pan/.e feindliche Nacht unerschüttert unck unerschütterlich — ein Kkrenreu^nis heldenhaften, treuen Opfermutes, der sick selbst in der Oewalt bat, wjtz ihn bis jetrt kaum ein anderes lebensstarkes Volk in der Oesclücbte bewiesen bat. Ihrem tapferen ^usbarren in hlual und Nikhandlun§ haben wir es ?u danken, wenn das Kelch noch nicht verloren ist.
Üer Köuligk llsldjsdrtsg lier k686l?.ung
rutt uns aufs neue die pflicckit der tatkräftigen Dankbarkeit ins Oedäcbtnis. lausende und aber lausende aus allen Lcbicbten der deutschen De- völkerun^ baden bis jetrt durcb Lpenden bekundet, dak'sie mit den tapferen Vorkämpfern am Kbeine külilen und nach Kräften ihnen ihr schweres kos erleichtern möchten.
Lb! likk! Wiier. 8 VKNÜ 8 » üslk 68 m vdt bleiben! wkr kinmsl gkgkdki» dst, ökr Wdv meSer!
Val! Wbs ä38 Vvopette äk88M, M8 er bi8ker gevvkert Kai!
vie tieimstüetiLli Leitungen Seilen
üieKOev gerne«eitsr!
Das soll beute unser Dank sein. Kr bleibt immer noch klein und scbwacst ZeZen dis übermenschlich Zroke lat für uns, für unsere Heimat, unsere Zukunft!
Verein Württemberg. reituvMerlsger.
ohne Frankreich anschließen würden. In Frankreich wurden diese Drohungen anfangs mit einer gewissen Bestürzung ausgenommen. Bald aber faßte man fich und antwortete mit offenem Hohn: eine Wiederannäherung zwischen Frankreich und England werde erfolgen, sobald der Zusammenbruch Deutschlands eine vollendete Tatsache iei. Bis dahin möge England ruhig die Politik
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68. Jahrgang
rkrieg
fortsetzen, die die es während der letzten sechs Monate eingeschlagen Hobe. Bis zum endgültigen Triumph . Frankreichs werde man die Entente mit künstliche,; Mitteln am Leben erhalten müssen.
Ter Wert der schwächlichen englischen Politik besteht darin, ddaß sie Frankreich zivingt, Karbe zu bekennen. '
Und in dieser Zwangslage muß Poincare den Graben, der bereits die Ententegenossen trennt, nur noch breiter und tiefer schaufeln. Poincare arbeitet auf km-ze Sicht.
Er glaubt, wenn Deutschland zusammengebrochen sei, falle der Zeiger von der Uhr, dre Weltgeschichte stehe still, und Frankreich erfreue sich auf ewige Zeiten der Beherrschung Europas. Dieser Advokatenperspeliive, die nur darauf ausgeht, den gerade schwebenden Prozeß zu gewinnen, steht die politische Perspektive eines Staatsmannes gegenüber, — ohne damit etwa andeuten zu wollen, daß Baldwin dieser Staatsmann sei — der die Geschichte Europas kennt und das fast monotone Spiel ihrer Kräfte, wie sich diese Kräfte immer wieder zusammen- ballen und dre Muckst zerschmettern, die sich vermißt, Europa zum Schemel ihrer Füße zu machen, wie es blanker Unsinn ist, von einem Untergang Teutschlands oder auch Frankreichs zu reden/ oder von einer dauernden Oberherrschaft des einen über das andere. Frankreich, das große Kind, will den ihm günstigen Augenblick der geschichtlichen Entwicklung mit Bajonetten festhalten, und sieht nicht, daß cs gerade die Bajonette sind, die ihm die Gunst der Situation vertreiben. In einer Zeit allgemeiner Rederei über die Abrüstung ist es Frankreich, das die Ausrüstung herbeiführt, das den Gedanken eines Völkerbundes verhöhnt und allenthalben Annexionen und Kriege vorbereitet. Tie stärkste moralische Macht unseres Kulturkrcises, das Papsttum, ist dem Rasenden ent- gegengetrctcn, was bisher noch keine der auf ihre Waf- senmackst pochenden ,Mettmächte" gewagt hat. Ter wahrhaft teuflischen Hungerblockade, die die Franzosen jetzt gegen die wehrlosen Frauen und Kinder des Ruhrgebiets proklamiert haben, und die ihresgleichen nur findet in der -fl ewig denkwürdigen Schandtat L.o ch Georges, der nach ,Z
dem Waffenstillstand 1918 dem bereits bis auf die 1
Knochen ausgehungerten deutschen Volke die Hungerblockade um weitere sechs Monate verlängerte und so mit I all seiner geölten Gottseligkeit und gesalbten Ehrbarkeit ein furchtbares Massensterben in der deutschen Kinderwelt organisierte, ist der Papst erneut nrit Energie entgegengetreten, und hat sich damit den Tank aller verdient, die nicht glauben wollen, daß die Bestie im Menschen allein die Welt regiert. (T. A.Z.)
Frankreichs letztes Kampfmittel
Im Ruhrgebiet wird jetzt die Hungerblockade angewandt. Wir kennen dieses grausame aller grausamer, Kampfesmittel aus dem Weltkrieg her. Niemals hätten die Feinde, selbst mit Amerikas unerschöpflichen Hilfsmitteln uns zur Unterwerfung, jedenfalls nicht zu der willenlosen, völligen Unterwerfung getrieben, wenn nicht England unter schnödester Mißachtung aller Völkerrechte jene Hungerblok- kade erfunden und bis in die letzten Folgerungen rücksichtslos durchgeführt hätte, die uns nicht nur 800 000 Menschenleben in der Heimat gekostet, sondern die Heimat innerlich durch und durch zermürbt hat, so sehr, daß in ihren Zusammenbruch ein Teil der Front mit hineingerissen wurde.
Jetzt kommt die Hungerblockade auch im Ruhrkrieg an die Reihe. Zuerst suchte man die Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber aufzuhetzen. Man versicherte die ersteren durch Massenverbreitung von Flugblättern der Freundschaft und des Schutzes Frankreichs. Man verdächtigte die Kapitalisten und Grubenbesitzer, sie Hütten die Entschädigungen schon längst bezahlen können, sie spielen mit
den französischen Großindustriellen unter einer und derselben Decke, sie machen aus der Bes
esetzung das beste Geschäft, und wie das dumme Lügenzeug sonst lautete.
Aber die Arbeiter — einige radikalste Elemente ausgenommen — ließen sich nicht betören. Sie merkten bald, daß gerade die Brotherren als mutige Führer in der vordersten Reihe standen, daß Ausweisungen und Gefängnisstrafen sie nicht abschreckten. Und so schlossen sie sich, allen Hader und den häßlichen Klassenkampf vergessend, zm eisernen Schick-