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Amtsblatt für W''dbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schristlettung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 56
Fernruf 179
Mldbad. Mittwoch, den 7 März 1923
Fernruf 179
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' „Vermittlung" oder „Einmischung" oder „Eingreifen. Davon hört und liest man seit etwa drei Wochen mit Zunehmender Häufigkeit. Die Ruhrbesetzung und ihre Unhaltbarkeit drängt förmlich zur Lösung, zur baldigen Losung. Frankreich ist in einer Sackgasse aufgefahren, die man sich für die Pariser Regierung nicht peinlicher vorstellen kann. Monatlich 40 Millionen Goldfranken für das neue Besatzungsheer. Dazu etwa ebensoviel für das Eisenbahnwesen. Wohl erklärte der französische Finanzminister, Laß diese Beträge auf das deutsche Konto zu schreiben seien; Deutschland werde alles bezahlen.
Aber es wird es diesmal eben nicht tun. Kem Recht und keine Moral kann es dazu zwingen. Ja die Kosten des altbesetzten Gebiets, so himmelschreiend hoch und unnütz sie auch sind, die haben wir nach dem von uns nun einmal — leider Gottes — unterschriebenen Versailler Ver- trag zu zahlen. Macht für 15 Jahre 19 Milliarden Goldmark, also so viel, daß wir mit dem, was wir allein schon für die drei verflossenen Jahre an dieser irrsinnigen Auflage geleistet. ,hatten, das vom feindlichen Trommelfeuer zerstörte Nordfrankreich flott „mit lauter Villen" hätten aufbauen können»
Das Schlimmste aber ist, daß die Franzosen mit jenen gewaltigen Unkosten im Ruhrgebiet in diesen sieben Wochen so aut wie nichts für sich herausgeschlagen hatten: einige Tausend Tonnen Kohlen, weiter nichts. Dafür aber haben sie um so mehr ruiniert, gestohlen, geraubt, Land und Leute gequält. . .
Also eine echte und gerechte Sackgasse. Unsere Aufgabe ist es natürlich- nicht, den französischen Karren herauszuziehen. Da soll Poincare zusehen, wie er am besten und schmerzlosesten wieder herauskommt. Aber wir sind auch aufgefahren oder, besser gesagt, eingeklemmt und wissen im Augenblick auch nicht, wie wir uns losmachen können. Verhandeln? Um des Himmels willen, nur das nicht im gegenwärtigen Augenblick! Denn dann wären wir erst recht verloren: Die Franzosen würden an der Ruhr bleiben, bis mir „den letzten Heller bezahlt" hätten. Das würde bei 132 Milliarden Goldmark so gut wie die Ewigkeit bedeuten.
Los schlagen? Mit was? Frankreich will mit seinen ungezählten Gewalttaten, seinen Räubereien, seinen Bajonetten, mit der Reitpeitsche in der einen Hand und mit dem Revolver in der andern, uns so lange reizen, bis wir zum Karabiner greifen. Was aber daraus folgen würde, das läßt sich in Worte nicht fassen. Das Höllenfeuer an der Somme würde an der Ruhr wieder aufleben und die großartigste Kulturstätte der Menschheit würde in Staub und Asche liegen.
Also gibt's nur eine Vermittlung. Wer aber soll ein greifen?
Natürlich England. Gewiß, in den letzten Parla- mentsverhandlunäen ist von einer Vermittlung viel dis Rede gewesen. Man sprach von zwei Möglichkeiten Entweder soll England mit Amerika zusammen die Sache machen oder aber — und dafür traten Asquith und Lloyd George besonders ein — soll man es hinter den Völkerbund stecken. , '
Die Negierung aber winkte ab. Bonar Law meinte, der gegenwärtige Augenblick sei möglichst ungünstig dafür. Man müsse noch einige Zeit zuwarten. — Und der Erfolg dieser Einrede? Der Antrag der Liberalen wurde mit unerwartet großer Mehrheit abgelehnt. Die Arbeiterpartei mit etwa 20 Abgeordneten enthielt sich der Abstimmung. Mit der Regierung stimmten auch die früheren Mitarbeiter Lloyd Georges, wie Chamberlain und Horne, ja sogar ein Lord Robert Cecil, jener warme und beredte Vertreter der Völkerbundsgedanken für Abrüstung und Frieden und Schiedsverfahren.
Warum? Vielleicht verstehen wir diese eigentümliche Zurückhaltung der englischen Regierung aus einem Brief, den neun konservative Abgeordnete, also Angehörige von Bonar Law, am 24- Februar an die „Times" richteten. Dort heißt es u. a., sie hätten dem Antrag auf Ablehnung nur zugestimmt, weil die Regierung erklärt habe, sie arbeite an der Lösung der Entschädigungsfrage. Sie seien zwar damit einverstanden, daß man den Augenblick des Handelns der Regierung überlasse, aber „man kann damit nicht bis in die Ünendlichkeit warten". Aber wenn's ein- mal so weit sei, dann müsse die Negierung entschlossen und zielbewußt für eine Vermittlung eintreten, am besten in Gemeinschaft mit Amerika und dem Völkerbund. Dabei
Tagesspiegel
Lei einer Ersatzwahl in Mtcham (engl. Grafschafk Lur- rey) erhielt der Bewerber der Arbeiterparkei Eden 8029, Gejundhestsminister Boscarven 712b, der Liberale Brown 3214, der Unabhängig-Konservative Gatterall 2684 Skimmen. — Das ist in zwei Tagen die zweite Niederlage der Re- gierungspartei bei Ersatzwahlen.
Lank Havas sind bis setz! 750 Beamte aus den befehle» Gebieten ausgewiesen worden, davon 568 aus dem französischen Desehungsgeblet.
Der deutsche Botschafter in Paris, Dr. Mayer, ist in. der Klinik in München gestorben. Bei der ersten operativen Behandlung vor fünf Tagen wurde schon fsstqesteSt, daß eine Operation nicht mehr möglich sei, da das Leiden zu weil vor- geschritten war. Der Kranke starb an allgemeiner Schwäche.
Vor wenigen Tagen war gemeldet worden, das Befinden des kranken Botschafters sei .befriedigend", so befriedigend, daß «r jetzt von seinem schweren Leiben erlöst ist. iDr. Mauer, ursprünglich Rechtsanwalt in Kaufbeuren, von welchem Bezirk er in den Reichstag gewählt wurde, gehörte der Zentrumspartei an. Nach der Revolution wurde er im Kabinett Fehrenbach Reichsschah- minister und nach dem Rücktritt Fehrenbachs Botschafter in Paris. Dr. Mayer war ein tüchtiger Jurist von gewinnender persönlicher Liebenswürdigkeit.)
dürfe sie auf die Mitwirkung der gesamten konservativen Partei sich verlassen.
Also in den maßgebenden Kreisen der englischen Regierung wünscht inan eine Vermittlung. Aber nicht jetzt. —
Warum? fragen wir nochmals. Erstens mit Rücksicht auf die Orientfrage.
Auch mit Amerika scheint noch nicht alles glatt zu sein. Wohl ist neuerdings jenes englisch-amerikanische Schuldabkommen, die „größte Finanztransaktion der Geschichte" („Times") zustande gekommen, jene Vereinbarung, wonach England seine Schuld an Amerika mit 4,6 Milliarden Dollar unter Verzinsung gegen 3 Prozent, später 8)4 Prozent in 62 Jahren ab,zahlen soll. Aber es liegen offenbar noch einige ungelöste Fragen zwischen beiden Vettern vor.
Also England will, und, fügen wir hinzu, kann zuwarten. Die Arbeitslosigkeit, diese schwerste innere Sorge der Regierung, nimmt zusehends ab. Der Papiergeldumlauf ebenfalls. Seine Handelsbeziehungen innerhalb.des gewaltigen Weltreichs bessern sich von Monat zu Monat. Und — was nicht zu unterschätzen ist — die Ruhrbesetzung bringt der englischen Kohlen- und Stahlindustrie viel Absatz und viel Geld. Somit stellt sich England wirtschaftlich bei der tollen Poineareschen Politik augenblicklich nicht schlecht. —
So gehen wieder einmal der Priester und der Lernt, der Engländer und der Amerikaner, an dem unter die Mörder gefallenen Deutschen achselzuckend vorbei, als wollten sie sagen: „Was geht uns das an, da siehe du zu!" dl,
Konsul Tirard
von einem Rheinländer
Mit der Todesdrohung gegen deutsche Eisenbahner, die nichts anderes tun als ihre vaterländische Pflicht, hat die Rheinlandkommisston einen Gipfel erreicht, auf dem ihre spätere Geschichtsschreibung ein unvergängliches Schand- denkmal setzen wird. Von dieser „Verordnung Nr. 147" gilt dasselbe, was die letzte Protestnote der deutschen Regierung von den „Ordonnanzen 132—135" gesagt hat: „Die Rheinlandkommission fährt sott, die belgische und französische Regierung in einer Politik zu unterstützen, die weder im Völkerrecht noch im Vertrag von Versailles, noch im Rheinlandabkommsn eine Unterlage findet". Unterdessen sind noch zwei weitere Ordonnanzen 148 und 149 erschienen und die Jubiläumsnummer 150 wird wahrscheinlich die „alliierte Eisenbahnregie" der besetzten Gebiete verkünden. Mit dieser Regie gibt die Rheinlandkommission sich selbst die absolute Vollmacht über das gesamte Bahnnetz des im Frieden eroberten Landes, genau wie einst die Reunionskammern Ludwig des Vierzehnten nach Kriegsschluß sich selbst die absolute Herrschaft über 600 neue Ortschaften zuerkannten. Die französisch-belgische Eisenbahn» regie hat ihren Sitz vorläufig noch in Düsseldorf. Später soll sie nach Koblenz zu „treuen Händen" des Herrn Tirard übertraaen werden, der dort im prächtigen Neubau
des rheinischen Oberpräsidiums residiert. Tirard spielt, um wieder an ein geschichtliches Vorbild der Fr-nnosen zu erinnern, eine ähnliche Rolle wie Napoleon I- nach seinem Staatsstreich vom 9. November 1799: Vonaparte/der erste Konsul, war der eigentliche Regent. Die beiden Mitkonsuln Sieges und Roger Ducos hatten so gut wie nichts zu sagen. In der Rheinlandkommission beißen die beiden Mitkonsuln Baron Rollin und Lord Kilmarnok. Rellin, der Belgier, ist Tirards Schildknappe, der mit ihm durch dick und dünn geht. Der englische Lord verhält sich als drittes Mitglied der Rumpfkommission seinen Londoner Weisungen entsprechend als „wohlwollend" neutral. Er sagt nicht ja, er sagt nicht nein. Er enthält sich geheimnisvoll achselzuckend der Stimme. Aber von seiner Politik wird es wohl einmal heißen: Mitgefangen, mitgehangc-n! Seine Haltung ist nicht ablehnend" Beobachtung, sondern fahrlässiges Geschehenlassen, also Mitschuld an dem ungeheuerlichen Raub- und Eewaltsystem, das von Koblenz aus betrieben wird.
In Artikel 3 des Rhemlandabkommens erhielt die Kommission die Befugnis, „Verordnungen zu erlassen, soweit dies für die Gewährleistung des Unterhalts, der Sicherheit und der Bedürfnisse der Streitkräfte der verbündeten Mächte nötig ist". Damit wurde ausdrücklich festgestellt, daß die Rhemlandkommission nur für das Besatzungsheer zu sorgen hat und für politische und wirtschaftliche Ziele nicht in Anspruch genommen werdest kann. Noch feierlicher sprach die Entente diesen Grundsatz in einer Note vom 28. Juni 1919 nach Unterzeichnung des Fried-nsvertrags in Versailles aus: „Unbedenklich kann anerkannt werden, daß mit obigem Vorbehalt (nämlich betreffend d'e Sicherheit und Versorgung der verbündeten Strsitkräfte) die Bevölkerung freie Ausübung ibrer persönlichen und staatsbürgerlichen Rechte, religiöse Freiheit, Freiheit der Presse, der Wahlen und Versammlungen genießen, und daß die politischen und rechtlichen, administrativen und wirtschaftlichen Beziehungen der besetzten Gebiete mit dem unbesetzten Deutschlo nicht gehemmt fein werden, ebensowenig wie die rkehrsfreiheit zwischen dem besetzten und unbesetzten Deutschland." Was hat der Diktator Tirard aus jenem verbrieften Rheinlandabkommen gemacht? Während im Weltkrieg die deutschen Generalgouverneure sich befleißigten, in den neu oesetzten Gebieten Völkerrecht und Haager Ordnung einzuhalten, maßt sich der französische Fronvogt an Rhein und Ruhr mitten im sogenannten Frieden Befugnisse an, die ihm ausdrücklich entzogen sind, erläßt Ordonnanzen, die dem internationalen Recht und der Menschlichkeit ms Gesicht schlagen, setzt er widerrechtliche Behörden ein, die den deutschen Rechtsstaat zersetzen, dehnt er seinen Machtbereich willkürlich über Grenzen aus, die ihm durch verbrieftes Abkommen gesetzt sind. Das Merkwürdige ist, daß die Hetzer daheim in Paris diesen Fronvogt schelten, weil er den Smeets und Dorten nickt das Signal geben will, die rheinische Republik auszurufen und damit die französische Herrschaft einzuleiten. „Er erhält die deutsche Einb.'it unter der Vorherrschaft Preußens", sagt die „Libre Parole" von Tirard. Ach nein, dieser rheinische Konsul will nur die Macht in seiner Hand behalten, weil er auf seine große Stunde hofft. Und nur der unbeirrte deutsche Widerstand kann diese Hoffnung zuschanden machen- ^
Kohlenpreis und Vroipreis
Im Jahr 1914 betrug der Preis für einen Doppelzentner Koks einschließlich Fracht im Reichsdurchschnttt 2.50 -ll- Im Februar 1922 war er auf 108.80 -4t, im Oktober auf 1266, im Dezember aus 5576, Mitte Januar 1923 auf 9360, im ersten Drittel des Februar aus 16 090, im zweiten Drittel auf 29 130 und im letzten Drittel auf 29 460 gestiegen. Im Lauf eines einzigen Jahres hat also der Kokspreis eine Steigerung um das 271fache, und im Vergleich zum Frühjahr 1914 um das 11 784fache erfahren. Aehnlich verhält es sich mit dem Kohlenpreis, der an sich gegen 1914 um das 8500fache gestiegen ist, durch die im vorigen Jahr in Kraft getretene Kohlensteuer und durch die Umsatzsteuer rund die 12 000fache Höhe erreicht hat. Dieser Kohlenvreis ist der wirkliche Führer dusch den Irrgarten der deutschen Wirtschaft. Vielleicht könnte es einer sinnreichen Finanzpolitik gelingen, den Dollarwahn aus den Köpfen zu schlagen und die Mark wieder auf ihren Fünfzigste ivfcrmig- thron zu setzen, aber die Kohlenschlüsselzahl wird für den .Erfolg solcher Versuche den. Ausschlag geben. Entweder