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(Enztalbote)
Amtsblatt für M'dbad. Chronik und Anzeigenblatt
für das obere Enztal.
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer
OrienLkrieg?
Don einem Autzenpoliliker
Als dis französische Diplomatie Ende vorigen Monats die Lausanner Konferenz durch einen Schuß in den Rücken auffliegen ließ, erkannte mancher das aufsehenerregende Manöver sofort als eine Spekulation Poincares: England möglichst rasch in einen Orientkrieg zu verwickeln, damit es noch weniger als bisher die Ruhrkreise Frankreichs störe. Diese Auffassung war richtig. Die französische Spekulation scheint zu glücken. England ist bereits in den Orientkrieg eingetreten durch den Zwischenfall von Smyrna. Der türkische Hafenkommissar von Smyrna forderte die Verbündeten, sollte heißen die britischen Kriegsschiffe, auf, den Halen zu räumen. Wer gab den eigentlichen Befehl? Man sagt, Kemal Pascha habe ihn nicht gegeben. Irgend ein hoher türkischer Beamter sei im Spiel. Niemand wird sich wundern, wenn sich eines Tags herausstellt, daß französische Ränke den Funken entzündeten. Genug, die Türken verlangen die. Räumung Smyrnas.. Sie meinen natürlich etwas anderes: Die Räumung Mossuls! Dadurch entwickelte sich die Orientfrage zu einem Duell England—Türkei, und Poincarö, durch seinen Lausanner Vertreter Bompard auf diese Wendung aufmerksam gemacht, vergiftete die Waffen. Griechenland, um das es anfangs ging, ckrat vollständig in den Hintergrund. Wohl wurde hie und da noch die thrazische Frage erörtert, aber es war dies doch ein Gegenstand von untergeordneter Bedeutung. '
England kämpft in diesem Streit um die Vorhec.n'chaft über die muselmanische Welt. Der Muselman aber ist erwacht; alle jene, die an Allah und seinen Propheten glauben, befinden sich in einem Zustand hocherreqter Spannung. Der Orient gleicht einem unter hohem Druck stehenden Dampfkessel, dessen Wände zittern und jeden Augenblick zu platzen drohen. Und nicht nur für England ist die Lage bedenklich geworden, sondern für alle, die irgendwie an muselmanischen Ländern interessiert sind. Es ist keineswegs Zufall, daß in dieser Zeit der Hochspannung auch die Ita - liener in Tripolis Schwierigkeiten haben. Die Türken haben ihnen den Raub von Tripolis 1912 (zu dem Italien von Frankreich angestiftet wurde, um es in dem schon beschlossenen Weltkrieg auf seine Seite zu bekommen. D. Schr.) nicht vergessen. Bricht der Krieg mit England los, so werden auch die Italiener Mühe haben, sich auf dem Boden Nordafrikas zu behaupten. Auf den ersten Blick hin scheint es ja für die Türken eine ganz aussichtslose Sache zu sein, sich gegen die bisher größte Macht der Erde, gegen England, auflehnen zu wollen. England ist mit dem aufstrebenden deutschen Mitbewerber fertig geworden, England hat vor hundert Jahren Frankreich niedergezwungen, England wurde seinerzeit des indischen Aufstands mit Leichtigkeit Herr. Was vermag die ausgeblutete und verarmte Türkei gegen diesen Riesen? Mit den Griechen konnte man In land? rühmlichen Krieg fertig werden. Aber mit Eng-
Nun, Kemal Pascha hat sich bisher als ein so kluger Diplomat gezeigt, daß sich annehmen läßt, er werde sich nicht ms Ungewisse hinein mit einem Gegner einlassen, dem er nicht irgendwie gewachsen wäre. Kemal Pascha weiß ganz genau, daß hinter ihm einer steht, der England noch sehr unangenehm werden kann, nämlich Rußland. Die Gerüchte, daß Rußland im Fall eines englisch-türkischen Zu- Mmmenstoßes mit einem ansehnlichen Heer zugunsten der Durkei eingreisen würde, haben nie recht verstummen wol- Irgend etwas Wahres wird schon daran sein. Der rus- Mche Koloß, der nach den bolschewistischen Irrungen lang- lam, aber sicher seiner Gesundheit entgegengeht, steht hinter ^ TMrkei. Es gibt n'cht wenige/ die behaupten, er stehe ^..siinter Deutschland. Die großen Kundgebungen oer russischen Oesfentlichkeit gegen die Vergewaltigung des -nuhrgebiets bewiesen das. Wir wollen keine Hirngespinste machen und nicht phantasieren, aber jeder, der die rasend sich ablösenden Vorgänge des Zeitgeschehens aufmerksam sieht hinter dem neuen Bild des englisch-türkischen r nentkrieges bereits die Linien eines zweiten Welt
genehmer Zwischenfall" erklärt. Der Wiederausbruch des Onentkriegs sei ausgeschlossen. Die letzten Nachrichten strafen mesen Veriuschungsversuch Lügen. Frankreich, das den Or entbrand schürte, wird sich die Finger an seinen eigenen umnken verbrennen. Es wird, sov'el sieht man bereits, von England gezwungen, an diesem Orientkrieg teilzunehmen. Und es kymmk vielleicht doch bald die Zeit, in der kick an
Wildbad, Montag, den 12. Februar 1SLZ
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58. ZahrgaNK
dem Peiniger Deutschlands das Sprichwort bewährt: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
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Rom, 11. Febr. Wie verlautet, sind von Frankreich Verhandlungen mit Moskau wieder ausgenommen morden, die sich zunächst auf wirtschaftliche Gerechtsame beziehen sollen.
Als ob . . .
Französische Werbearbeit
Als ob! . . . Wir meinen damit die neueste Flunkerei der Franzosen, die die Welt glauben machen wollen, daß sie mit ihrem Ruhrkrisg bereits etwas erreich: hätten. Der Reichs- Minister des Innern, Oeser, hat im Haushaltausschuß des Deutschen Reichstags bereits auf Pariser Zeitungsnachrichten aufmerksam-Pemacht, wonach es durch die Abschnürung des Ruhrgebietes angeblich gelungen sei, in den letzten Tagen 64 000 Tonnen Kohle nach Frankreich zu bringen. Durch diese Nachrichten sollte der Anschein erweckt werden als ob seit dem 1. Februar ru: d 12 000 Tonnen im Tag nach Frankreich ge- SWgen seien. kundigen Stellen lachen über solche Lügen. Es läßt sich leicht feststellen, daß seit . Äüschnjsiung des Ruhrgebiets bis zum 8. Februar immer noch keine Kohlen- mengen von irgend welcher Bedeutung nach Frankreich gegan- gen sind. Mittelbar müssen die Franzosen das, was sie nicht wahr haben wollen, doch wiederuni zugeben. Der Düsseldorfer Aufpasser des „Petit Parisien" z. B. schildert seinem Blatt, wie die Verladeplätze der Ruhrzechen völlig überlastet seien. Kein Platz für ein Stückchen Kohle sei mehr vorhanden, man müsse den schwarzen Segen außerhalb auf freiem Feld aufhäufen. Leider könne die Kohle nicht höher als vier Meter uusgelagsrt werden, da sie sich sonst entzünde. Infolgedessen gehe die Förderung entsetzlich zurück, sie sei auf ein Viertel der gewöhnlichen Förderung gefallen. Die aufge- häufien Kohlenmengen aber, die nicht mehr nach Deutschland gehen, drohen auf die Dauer das Nuhrgebiet dauernd zu verstopfen.
Aus diesem französischen Hilferuf geht klar hervor, daß die Kohlenabfuhr nach Frankreich durch den einmütigen Widerstand der deutschen, Transportarbeiter und Eisenbahner so gut wie stillgelegt worden ist, und daß die Franzosen mit ihrer Militarisierung des Wirtschaftslebens einen Fehlgriff gemacht haben. In ihrer Verlegenheit halfen sie sich mit einem Trick: „als ob"! Bekanntlich haben sie im linksrheinischen Gebiet verschiedentlich Kohle beschlagnahmt. Diese wird, als Ruhrkohle ausgegeben, nach Frankreich gefahren und dort wahrscheinlich als erste „Kriegsbeute" des glorreichen Feldzugs gebührend gefeiert. Ebenso gingen in den letzten Tagen wiederholt Züge mit S a a r ko h le n aus dem Saargebiet nach Frankreich, die gefälschte Aufschriften trugen und Begleitpapiere besaßen, durch die der Eindruck erweckt werden sollte, als o b es sich um Ruhrkohle handle. Diese Spiegelfechterei wirkt um so lächerlicher, ais auch in Frankreich jedermann weiß, daß sich zurzeit sämtliche Gruben des Saargebiets im Streik befinden. Von dort kommt also auf die Dauer kein Ersatz und keine Hilfe, auch nicht unter der falschen Marke „Ruhrkohle".
Wie mit der Kohle, so schwindelt die Pariser Ruhrkriegsreklame auch mit den — Zöllen I Der „Matin" läßt sich aus Düsseldorf melden, die Einziehung der Zölle in Düsseldorf und Duisburg sei nunmehr wirksam geworden. An einem einzigen Tag habe man schon für über 200 Millionen Zölle festgestellt, hiervon drei Millionen in bar und 197 Millionen in Bankkrediten. Damit soll im französischen Publikum der Glauben erzeugt werden, als fließe bereits die Quelle der Poincarcschen „produktiven Pfänder". Es ist aber aufgelegter Schwindel! Denn selbst wenn die genannten Zahlen stimmen sollten, beweisen sie noch immer die Aussichtslosigkeit der Zollbeschlagnahme, well fast alle deutschen Einfuhrgeschäfte ihre Zölle in Bankkrediten, und zwar meistens auf Berlin zahlen, den Franzosen also dabei keinerlei Geld zukommen lassen. Die Macher und Drahtzieher in Paris wissen dies auch ganz genau, sie sind von den bisherigen Ergebnissen der Einbrüche in Deutschland keineswegs erbaut und in ihrem Aerger greifen sie die eigene Regierung an, weil sie dieReise des deutschen R e i ch s k a n zl e r s u. des Reichs- fincmzmin'.sters ins Ruhrgebiet nicht verhindert habe. Als ob Herrn Poincare diese Verhinderung möglich gewesen wäre, selbst wenn er sie gewollt Hätte! Muß er doch trotz aller Gewalt- und Schandtaten den Schein aufrecht erhalten, alsob die deutsche Gebietshoheit an der Ruhr aufrecht erhalten bleibe. Man kann es verstehen, wenn in dieser Klemme das französische Ministerium der öffentlichen Arbeiten, offenbar aus der Rolle fallend, erklärt, die Lage im Ruhrgebiet sei
nicht glänzend, man habe auf keinen Fall sofortige Ergebnisse erhoffen können, man müsse geduldig auf den Erfolg warten. . . . Hand in Hand mit diesen Geduldpredrgten geben Gerüchte und Tastversuche, die merkwürdigerweise alle in der französischen Presse auftauchen und auffällig viel von bevorstehenden Verhandlungen reden. Eine Nachricht z. B., die über das Londoner „Daily Chronicle" r.usgeaeben wird, besagt, Frankreich habe sich in einer vorläufigen Vorfühlung zur Ruhrräumung bereit erklärt, wenn Deutschland eine Anleihe von 7 Milliarden Goldmark zu Gunsten Frankreich« aufbringe. Man möchte also in Paris erhandeln und man stellt sich nur so, alsob man es gar nicht nötig habe. —er.
Auf Heller und Pfennig
Dem deutschen Volk ist im Versailler Diktat die Verpflichtung auferlegt worden, jeglichen Schaden zu ersetzen, der der Gesamtheit der feindlichen Mächte aus dem Krieg entstanden ist, gleichgültig, ob er auf eigene Kriegshandlungen oder auf olche der Gegenseite zurückgeht. In diese Schadenersatzpflicht ind unter Bruch feierlicher Zusagen sogar die Pensionen der Gefallenen und Kriegsbeschädigten mit ausgenommen worden, und bei der ziffernmäßigen Errechnung der Schäden ist insbesondere von Frankreich nicht nur mit doppelter Kreide geschrieben, sondern sin ganzes Betrugssystem in Szene gesetzt worden, mit dessen Hilfe dann ungeheuerliche Milliardensummen zusammengerechnet wurden, die schon Sachverständige der Gegenseite, wie Keynes, auf ihren wahren Wert zurückgeführt haben.
Damals handelte es sich um K r: e g s f ch ä d en. Im Ruhrgebiet handelt es sich jetzt um Schäden infolge eines vollkommen völkerrechtswidrigen, räuberischenUeber- falls. Wenn Deutschland für jene Kriegsschäden derart haftbar gemacht wurde, so kann die Haftung Frankreichs für das, was jetzt im R'-Un-^uet oescbieht, mindestens nicht weniger weit gehen. Der Schaden, der dort Tag für Tag urck» Stunde für Stunde angerichtet wird, dort und im Rheinland, durch Zerstörungen an Staats- und Privateigentum. Beschlagnahmen, Behinderungen, widerrechtliche Requisitionen, nicht zuletzt durch die ungeheuerliche Art, wie mit Menschenleben umgegangen wird, dieser Schaden muß auf seine Urheber zurückfallen. Es ist zu hoffen, daß die deutschen Behörden alles tun, um den Umfang dieses Schadens sorgsam festzustellen. Sie brauchen nicht mit der doppelten Kreide der Franzosen zu schreiben: es wirdauch so schon ein« Summe Zustandekommen, deren Höhe auf die Unternehmen dieses „militärischen Spaziergangs" stark abkühlend wirken kann. Auf Heller und Pfennig vom ersten bis zum letzten Tag der französischen Willkür im Westen, müssen uns Res« Summen vergütet werden. Es wäre nützlich, zur Verdeutlichung dafür, wie nützlich der französische Militarismus ist. wenn von deutscher Seite Teilziffern über die angerichteten Schäden veröffentlicht würden. Die Welt muß sehen, welch „produktiver" Geist sich an der Ruhr niedergelassen hat, in welchem Maß sinnlose Zerstörung und Vernichtung mitten im angeblichen Frieden betrieben werden kann. Und auch di« französische Oesfentlichkeit mag sich, je eher desto bester, Rechenschaft darüber geben, wieviel Frankreich auf das Ruhr» abenteuer noch draufzuzahlen haben wird.
Die schwedischen Bischöfe an den Kölner Erzbischof
Die protestantischen Bischöfe Schwedens haben durch den bekannten Erzbischof von Upsala, Söderblom, folgendes Schreiben an den Erzbischof von Köln, Kardinal Dr, Schulte, gerichtet:
Eminenz! Niemand kann die vielen zählen, welche überall in der Welt in ihrem Innersten empört werden nun dem, was jetzt geschieht. Wir hofften dem Krieg Segen des Friedens, aber das Zusammenleben der Völker Europas verschlimmert sich fortwährend. Hunger, dos Gift der Bitterkeit in gekrankten Seelen, und physische und moralische Ansteckung verheeren edle Teile der zentraleuropäischen Mensch, heit. Jetzt schneidet vollendete Waffenmacht unter den: Deckmantel des Friedens große Stücke aus dem Lande des ent- waffneten Nachbars, dadurch himmelschreiende Not ver- chlimmernd. Der Fluch, der gesät wird, wird neue, noch enr» festlichere Krieg» zeitigen. Denn, was der Mensch sät, das wird er ernten. „ ^ .
Der Grund des Unheils Eurovas Ist offenbar. Man setzt Machtbegier und kurzsichtige Selbstsucht zum höchsten Gesetz, anstatt Christi Gebot zu gehorchen. Wir richten niemand, aber wir verurteilen di« Methoden der Gewalt. .