(Enztalbote)

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.

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Nummer 32

Fernruf 17S

Die Kunst zu hoffen

Die schreiende deutsche Not, dis wir jetzt erleben müssen, >- hat doch wieder einen gewissen hohen Schwung in das deutsche Einheitsbewußtsein gebracht. Der hohe Gedanke deutscher Pflichterfüllung und deutscher Opferfreudigkeit glühte auf, und man spürt das Hochgefühl deutscher Lebens­kraft, auch wenn sie nicht im eindrucksvollen Waffenkleide auftreten kann. Man durfte angesichts dieser moralisch-starken geschlossenen Einheitsfront, wie sie in der Abwehr des fran­zösischen Raubzugs im Ruhrgebiet sich zeigt, endlich wieder einmal eine deutsche Freute buchen, eine Freude, mit der ein starkes Hoffen verbunden ist. Wie wenn die Vor­sehung uns den Wink geben wollte, daß Eotz allem und> allem das deutsche Hoffen eine gute Sache bleibt! Wir stehen wohl manchmal vor dem Geheimnis geschichtlicher Entwicklungen, aber jetzt durften wir die Empfindung haben, daß es uns doch nicht nur und allein mit todestraurigen Augen entgegenstarrt.

Nun gibt es Leute, die verstehen sich auf die öde Fertig­keit, auch das Strahlendste zu verschwärzen und allen alles zu verekeln. Sie mäkeln bereits angesichts des geschlossenen nationalen Abwehrwillens an der Einheitsfront herum, möchten am liebsten überall Mißtrauen säen, und arbeiten damit, bewußt oder unbewußt, den Feinden in die Hände- Man soll diesen Jämmerlingen weit aus dem Weg gehen und es lieber mit denen halten, denen die Kunst des Höffens geläufig ist. Was ist denn die große Forderung des Tags, wenn wir die Menschen und dis Dinge von der hohen Warte.kulturseelischen Verstehens schauen und för­dern wollen? Wenn wir den deutschen Menschen den vol­len Sinn des gegenwärtigen Erleidens eindringlich deuten möchten? Nun, es ist die Notwendigkeit, den Willen zum Mut und zur Freudigkeit zu pflegen, den Willen zur treuen und trutzigen Hoffnung. Muß es zum tausendsten Mal gesagt werden, daß Hoffnung gerade heute etwas Wertvolleres ist als allerlei Phantastereien. Ja, dies insonderheit und eigentlich ganz allein ist das echte, boden­ständige Hoffen, das immer mit dem Möglichen und Erreich­baren zusammengeht, und das schließlich auch beim ruppig­sten Bösen eine mittelbare Vorstufe zum Besseren ahnt! Die Kunst zu hoffen besteht jetzt nicht zum wenigsten darin, auch in der grimmigsten Not bauende, schaffende Segenswerte zu sehen.

Hoffender Selbstbesinnung kommt er zugute, wenn wir einfach feststellen, was wir doch immer noch an tatsächlichen Daseinswerten haben. Man hat von unsere,« deutschen Grund und Boden viele wertvolle Stücks weggerissen, und unsere Kolonien hat man uns auch genommen. Aber wir haben doch noch gutes deutsches Heimatland, um das sich nun deutscher Fleiß besonders müht. Landwirtschaft und Indu­strie entwickeln Kräfte und zeigen Leistungen, über die man im Ausland staunt. Trotz aller furchtbaren innerpolitischen Erschütterungen der letzten Jahre hat sich deutscher Handel und Wandel stetig weiterentwickelt. Die wirtschaftliche Krisis zeitigte manche trübe und ekle Erscheinung, aber es war und ist doch auch ein redlicher Wille zum Bessern und Ueber- winden da. Die Not der geistigen Arbeiter ist vielfach him­melschreiend, aber um so erstaunlicher ist, was dennoch im­merfort an literarischen und künstlerischen Leistungen zu­stande kommt. Moral und Religion sind bei vielen Volks­genossen arg im Kurswert gesunken, aber schon längst macht sich eine gesunde Gegenbewegung geltend. Wenn fanatische Kirchenfeinde hofften, nach dem allgemeinen Zusammenbruch würde auch das Ende der Kirche gekommen lein, so hat sich das als ein ganz törichter Wahn erwiesen- Es ist ja traurig, daß die internationalistische Weltbeglückungsmanie ausge­rechnet nur bei den Deutschen zu allerhand groben prakti­schen Dummheiten führt, aber auch auf diesem Gebiet ist schon mancherlei Einsicht und Erwachen im Gang, und zumal eben den französischen Brutalitäten gegenüber hat sich wie etwas Selbstverständliches in allen Volkskreisen ein starkes Nationalgefühl geregt. Also, wir brauchen uns wahrlich nicht bloß den Verzweiflungsstimmen zu überlassen. Ueber- all sind wie grüne Spitzen über einem Sumpfboden gewisse

Wildbad, Donnerstag, den 8. Februar 1923

Fernruf 179

58. ZahrgaM

Taqessyieqel

Der Reich l .ler ist rmch Berl-n zuröFgckebrl und ha! dem Kabinett seine Eindrücke vom Ruhrgsbiek mitgekellk.

Der Ausstand der Grubenarbeiter im Ssargebiek vertäust in voller Ruhe. Die Grubenarbeiter in Lo-Hringen werden sich dem Ausstand anschließen, wenn ihnen keine weiteren Lohnzugeständnisse gemacht werden.

Die Schiffahrt auf der Donau und dem Ober-Main ist wegen Hochwassers eingestellt worden.

Jsmed Pascha ist am Mittwoch früh nach Angora sbge- reist. Pressevertretern gegenüber erklärte er. er hätte von der Konferenz eine rücksichtsvollere Behandlung der türkischen Ab­ordnung erwartet. Zm übrigen habe der erste Geschäftsführer der Konferenz gesagt, die Konferenz sei nur als vertagt zu be­trachten. Dress Auffassung habe er (7:T-n.P',

Hoffnungskeime vorhanden. Man kann da nicht treiben und zerren, aber man soll verständnisvoll liefen und pflegen. Und sicherlich wird hier das Heranwachsende Geschlecht beson­ders mithelfen. > -

Einst hat Hölderlin imGesang des Deutschen" dch Klage angestimmt, wie Deutschland, dasheilig Herz der Völker, du Land des hohen, ernsteren Genius! nllduldend und allvor- kannt", den Haß und Hohn der Fremden über sich ergehen lassen müsse. Bitter klingt heute solche Klage von neuem durch deutsche Herzen, und keine oberflächliche Rederei kann und darf sie bannen. Aber sie wandelt sich zur Kraft und zum Heil im Zeichen eines schlichten, tätigen Höffens. . .

PoimaresNechisschritt"

Der Einbruch in Baden

Frankreichs Ministerpräsi^.ü hat auch für seine neueste militärische Heldentat, für den Einfall in Baden einen Paragraphen gefunden. Er stützt die Besetzung der Städte Offenburg und Appenweier auf Artikel 367 des Vertrags von Versailles. Dieser Artikel verpflichtet Deutschland, an> der Einrichtung des Verkehrs mit direkten Fahrscheinen für Personen und Gepäck mitzuwirken, die von einer cder meh­reren der verbündeten Mächte verlangt wird, um die Ver­bindung dieser Mächte untereinander oder init anderen Ländern mittels Eisenbahn durch das deutsche Gebiet zu sichern. Insbesondere muß Deutschland zu diesem Zweck die Züge und Wagen, die aus dem Gebiet dieser Mächte kommen, übernehmen und mit einer Schnelligkeit weiter­befördern, die mindestens derjenigen seiner besten Durch- gangszüge auf denselben Strecken gleichkommt... Das ver­steht sich im normalen Betrieb des internationalen Bahn­verkehrs ganz von selbst. Die ausdrückliche Festsetzung die­ser Selbstverständlichkeit in einem Artikel des Fried: nsver- trages war nur einer der vielen Versuche, den am Boden! liegenden Gegner zu knuffen und zu demütigen und ihm Fallen zu legen.

Nun hat die deutsche Cisenbahnvsrwaltung, gezwungen durch die von Frankreich heraufbeschworene Kohlennot, ver­schiedene Züge ausfallen lassen, darunter auch eine inter­nationale Verbindung über Appenweier. Dieser Aus­fall entspricht durchaus der allgemeinen Einschränkung. Er widerspricht nicht der Gleichartigkeit der Behandlung. Es ist keinpassiver Widerstand", geschweige denn Sabotage. Der Vertrag von Versailles, selbst wenn er von Poincars im deutsch-französischen Verhältnis nicht zerrissen wäre, bleibt auf deutscher Seite in. diesem Punkt unverletzt. Die neueSanktion" ist u n b e g r ü n d b a r. Sie schwebt in der Luft. Sie ist eine rechtswidrige Gewalttat. Deutschland hat sich nichts zu schulden kommen lassen. Dies der eine Fehler in PoincaresRechtsschritt".

Der zweite Fehler liegt wieder in dem einseitigen Vor­gehen. Genau wie seinerzeit die friedlich-feindlicheErobe­rung" von Frankfurt a. M. erfolgt die Erweiterung des Brückenkopfes Kehl auf einseitig-'m Beschluß der französischen Regierung hin. Keine der auf Verbandsseite am Vertrag von Versailles beteiligten Mächte wirkt bei dem französischen Vormarsch auf badisches Gebiet mit, obwohl nach dem Sinn und Wortlaut des Vertrags zu solchen Maßnahmen minde­stens ein gemeinsamer Beschluß der Kauvtmächte erforderlich ist, auch wenn von der angeblichen Verfehlung Deutschlands

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nur eine Macht betroffen wurde. Also in jeder Hinsicht hat der eifrige Paragraphenjäger Poincars einen Bock ge­schossen. Formell falsch war auch die Uebermittlung des französischen Regierungsbeschlusses durch dis Nhein- landkommission. Was bat die Rbsinsan^ko.nmission mit den Pariser Sonderbeschlüssen zu tun? In der Rhein- landkommission sind alle Verbündeten vertreten, die an der ursprünglichen Besetzung nach dem Fri-dsnsvertrng teilge­nommen haben. Wurden diese Verbündeten verständigt und befragt? Läßt sich England, das die Räumung Frank­furts forderte und durchsetzte, die Ausbreituna der- franzö­sischen Herrschaft auf badisches Land gefallen? Wie will Poincars diesen Rechtsbruch bemänteln? Er wird, wenn die Ausfrager zu ihm kommen, vielleicht höhnisch durrbblicken lassen, daß er es nicht nötig babe. weiteren juristischen Scharf­sinn zu entwickeln. Denn für eine Beschwerde Deutschlands fehle ja dis Instanz! Der Völkerbundsrat hat in seiner wie das Hornberger Schießen verlaufene Pariser Tagung bewiesen, daß er sich nicht um d°n neuen europäischen Brand kümmert. Möge die Welt in Flammen ausgehen, das rührt die Herren nicht. Die Genfer Bebörds erklärt sich für zu­ständig. und ein anderes Tribunal, vor das man die zum Himmel schreienden Unrechtstaten bringen könnte, csibt es nicht. Poincars flunkert nut lallch-n Paragraphen, und es wird der Tag kommen, an dem die Welt über solche ..Rechts­künste" lachen wird.er.

Was führt Frankreich im Schild?

Wir wollen im Ruhrgebiet nur zweierlei: entschädigt werden für unsere Ruinen und nicht mehr weiter auaegristen sein." So unlängst Poincars in einer großen Rede, die er in einer Versammlung der Bresseangehörigm hiell. Lloyd George aber schrieb last zu gleicher Zeit, daß Poincars außer der Entschädigung nochandere Gründe" gehabt habe, als er das Ruhr gebiet besetzen ließ.

Gewiß, die K o l e n l! e fe r u n g e n sind nur ein Vor­wand. Es fehlten ja auch nur 9 Prozent an dem Soll­betrag. Deswegen macht man keine so große Geschichte, die ganz "Deutschland in Aufregung und Unordnung mrsetzt und fall allen Völkern vor den Kopf stößt. Frankreich ist's fre - lich auch um die Kohlen zu tun. Frau Zisches Erz und deutsche Kohlen zusammen in einer und derselben Hand, w-e ve-lockend! Dazu noch ein Industriegebiet mit 4 Millionen Einwohnern, mit dichtbevölkerten Städten, Mit ungeheure«' Bergwerken, gewaltigen Fabriken, einer weitverzweigten uno feingegliederten Wirtschaftsordnung, einem fast rätstllm r großen Güterverkehr, der den dritten Teil des dcutst'mn Gesamtverkehrs ausmacht. Wer das Ruhrgebict hat, d>u bat die Hand auf drei Viertel der deutschen Kohlenförd rung und damit auf dem Lebensmittelpunkt der deutschen W'rt-

^ ^ Also Frankreich gelüstet es nach der d e u t s ch c n W i r t- sch a ft. Diese will es beherrschen oder, was am Ende aus dasselbe hinauskommt, endgültig vernichten. Mli- Müsch und außenpolitisch erledigt soll Deutschland mm auch wirtschaftlich zugrunde gerichtet und damit für alle Zeit und Ewigkeit unschädlich gemacht werden.

^iefür einige wenige Zeugnisse.

Am 12. März 1922 schrieb derTemps" mit frecher Offenheit:An dem Tag, an dein wir an der Linie unserer Vorposten eine wirksame Zollgrenze haben, werden wir der deutschen Industrie das Gußeisen entziehen können, d. h. ihr tägliches Brot. Wir können, sie ruinieren . . . durch die Errichtung einer Zollgrenze am Rhein um die Brücken­köpfe herum würden nicht nur die Eisenindustrie des Reichs, sondern auch eine heimische Industrie, seine Landwirtschaft und sein Kohlenhandel zerrüttet werden."

Da haben wir es-also. Zum Uebersluh aber noch einige weitere Zeugen:

General d'Urbal schrieb !m Apnlheft 1922 derRevue Militaire Generale":Deutschland wird wohl der Zahl nach immer der stärkere fein, al w seine Militarisierung kann ver­hältnismäßig langsam erfolgen. Deshalb sollte es für Frank­reich möglich sein, Deutschland im Angr.ff zuvo.mkmnnen. Das französische Einbruchsheer muß vor allem eine Linie

besetzt halten, die von der holländischen bis zur Schweizer Grenze verläuft, ungefähr 39 Meilen östlich des Rheins, mit der militärisch ausgebauten Flußschranke als Rückhalt.

DieN e u e Z ü r iche r Zei t un g" ließ sich aus Paris am 16. Januar melden:Die Pariser Presse wird nicht