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(Enztalbote)
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Nummer 24 Fernruf 17»
Wildbad, Dienstag, den 30. Januar 1923
Fernruf 179
58. ZahrgsNL
eichnet für die
wäbische Ruhrhilfe"!
Ausruf der württ. Regierung
Die württembergische Staatsregierung erläßt im Anschluß an den Aufruf der Reichsregierung zu Gunsten der Sammlung für das Ruhrgebiet folgenden Aufruf:
Dis württembergische Staatsregierung schließt sich dem Aufruf, den der Reichspräsident gegen französisch-belgisch« Gewaltpolitik und für zähe Abwehr des Einfalls in das Ruhr- gebiet erlassen hat, an und bittet dringend um nachdrückliche Unterstützung des angeregten Hilfswerks für die Brüder und Schwestern im Ruhrgebiet. Möge das württembergische Volk mit seiner bisherigen vorbildlichen Opferwilligkeit das Seine zum siegreichen Durchhalten in dem uns aufgezwungenen Kampfe beitragen!
Spenden können unter dem Namen „Schwäbische Ruhrhilfe" an die Württ. Notenbank, Stuttgart (Postscheckkonto Nr. 4) eingesandt werden.
Die bisherigen Einzelsammelstellsn werden gebeten, ihre verdienstvolle Sammeltätigkeit fortzusetzen und deren Ertrag ebenfalls an die Württ. Notenbank zu überweisen.
Die Herren Oberamtsvorstände werden ersucht, das Hilfswerk mit allen Kräften zu fördern.
Die Gaben und ihre Spender werden im „„Staatsanzeiger" veröffentlicht werden.
Der Staatspräsident wird das Gesamtergebnis aus Württemberg dem Nertrauensausschuh für das Deutsche Volksopfer übermitteln.
Stuttgart, den 26. Januar 1923.
Hieber. Bolz. Graf. Keil. Schall.
Der Vslkerbundsrat hat wieder das Wort
Nämlich am 29. Januar. Warum und wie?
InLausanne ist man wieder in eine Sackgasse geraten. Es ist die Moss ulfrage. Mit knapper Not hat man vor ein paar Wochen die Meerengenfrage glücklich unter Dach und Fach gebracht. Auch mit den Kapitulationen (dem Ausnahmerecht der Ausländer in der Türkei) hat man gerade noch auf annehmbare, wenn auch nicht eindeutige Zugeständnisse sich einigen können: Es sollen nämlich in Zukunft Streit- und Straffälle von Ausländern vor gemischten Gerichtshöfen zur Verhandlung kommen. Bisher unterstanden die Ausländer nur besonderen Gerichtshöfen ihrer eigenen Volksatt.
Aber mit der Frage, wem Mossul mit seinen reichen Erdölfeldern gehören soll, ob den Engländern oder Türken, kam man nicht zu Streich. Die Türken wollen das für ihre Finanzen so einträgliche Gebiet wieder zurückhaben. Sie hatten es vor dem Krieg, auch nach Kriegsende, bis die Engländer eines schönen Tags Mossul besetzten, so wie es di« Franzosen mit dem Ruhrgebiet machen. Und nachdem sie „den Bissen genommen hatten, fuhr der Satan in sie". Und was der Engländer einmal bekommen hat, das gib er nicht so leicht wieder heraus, namentlich dann, wenn es ihm viel Geld einträgt.
Die Engländer hatten im Waffenstillstand die Räunrung Mossuls gefordert und sofort sich an Stelle dr Türken gesetzt. Sie behaupteten, Mossul sei weniger von Türken als viel mehr von Kurden bewohnt und Kurden seien Arier. Sie beanspruchten daher das „Mandat" über Mossul, genau so, wie man seinerzeit die deutschen Kolonien als Mandate unter Engländer, Franzosen, Belgier, Südafrikaner und Japaner so brüderlich verteilt hatte.
Die Türken sagen „Nein". Mossul habe von jeher zur Türkei gehört, und wenn man das Land nicht ohne weiteres ihnen zuteilen wolle, dann hätte eine B olksabstimmung stattzufinden.
Ja, diese famosen Volksabstimmungen. Wir Deutschen können ein Lied davon singen. Wie gings nur mit Eupen und Malmedy. Wie vollends mit Oberschlesien, wo bekanntlich 61 Prozent für Deutschland und nur 39 Proz. für Polen gestimmt hatten.
Also her mit dem Völkerbundsrat! Wozu hat man denn sonst den schönen Artikel 11 des Versailler Vertrags mit der Bestimmung, daß bei drohender Kriegsgefahr die Entscheidung des, Völkerbunds anzurufen sei? Und so schrieb KM E y av^üen Generalsekretär de» MlkerbMds, «A
Tagesspiegel
Der Reichsrak hak die Erhöhung der Zulage der Deamken
die 2. Hülste des Januar um 25 Prozent, und der Frauen- zulage auf 7500 Mark bewilligt, ebenso 1500 Milliarden Mark zur Sicherung der Volksernährung und 590 Millionen für das Ruhrgebiet.
Das Eisenbahnpersonal Hai den von belgischen Truppen besetzten Bahnhof in Aachen verlassen.
Die durch den Einmarsch der Franzosen verursachte Verteuerung der Lebensmittel beträgt in Essen 125 Prozent.
Der chinesische General Wey-Peng-Ping, Kommandant der Truppen in Kanton, ist von dem Kommandanten der Truppen in kmangsi in einem verräterisch ein berufenen Kriegsrat ermordet worden.
möge die strittige Frage des Mandatsgebiets des Irak, zu dem Mossul gehöre, auf die Tagesordnu: g der nächsten Sitzung des Völkerbundsrats, die in Paris (am 29. Januar) zusammentritt, setzen.
Jsmed Pascha ist dagegen. Er weiß recht gut, wie dieser Völkerbundsrat es seinerzett mit Oberschlesien gemacht hat. Er weiß auch, daß die dorr amtenden Schiedsrichter in dieser Frage samt und sonders auf englischer Seite stehen.
Auch Frankeich? Gewiß. Wohl hat es in der Vor re- tung Frankreichs neuerlich einen Wechsel gegeben. An Stelle des seitherigen Vertreters Barrere, eines alten Herrn, der angeblich aus „Gesundheitsrücksichten" zurückgetreten ist, ist B o m p o rd, der bisherige zweite Vertreter, vorgerückt. Aber das bedeutet durchaus keinen Systemwechsel. Frankrech hat in diesen sieben Wochen — so lange dauert die Larsanner Orientkonferenz — in steigender Linie sich dem englischen Standpunkt genähert und namentlich in der Mossulfrage mit allem Nachdruck England unterstützt.
Man weiß, warum? „Ich lasse dir Mossul, und du läßt mir dafür die Ruhr." Dieser Kuhhandel ist zweifellos mit eine der Ursachen, warum Bonar Law dem Trauerspiel an der Ruhr so unverantwortlich gleichgültig zusieht. England ist nun einmal, wie Bismarck mit Recht sagte, eine „asiatische" Macht. Seine Hauptinteressen liegen nicht in Europa. Was kümmert die britische Politik der Rhein, wenn Frankreich dafür England in Asien, in Mesopotamien, in Mossul freie Hand läßt?
Nur so versteht man auch die Zwiefältigkeit der Politik eines BonarLaw. Auf der einen Seite stimmt« England, stimmte Bradbury in der Kohlenfrage gegen das „Schuldig" wegen „absichtlicher Nichterfüllung" und stimmte dasselbe England vor wenigen Tagen abermals gegen Frankreich in der Frage, ob Deutschland sich überhaupt der allgemeinen Verfehlung gegen den Versailler Vertrag schuldig gemacht habe — und auf der andern Seite versichert es Frankreich nachdrücklich seiner Freundschaft und des Fefthaltens am Versailler Vertrag, will auch seine Besatzungstruvp-ri am Rhein weiterhin belassen und Frankreich in seiner Arbeit als Gerichtsvollzieher am Rhein nicht stören. >—.
So stehen Mossul und Ruhr in einer gewissen inneren Wechselbeziehung zu einander. Wieder einmal muß Deutschland die Zeche für die englisch-französische Aussöhnung bezahlen. tt.
Klarheit über die Reichsfinanzlage
In der Reichstagssitzung vom 26. Januar verbreitete sich der Abgeordnete Dr. Helfferich, wohl der beste Kenner des öffentlichen Finanzwesens des Reichs, über den dem Haus in dickleibigen Bänden vorliegenden Reichshaushaltplan für das neue Rechnungsjahr. Helffettchs Etatsreden finden immer die größte Beachtung bei allen Parteien des Reichstags, und doch hat wohl noch keine einen so tiesen Ein* druck hinterlassen, wie die neueste, mit der der Abgeordnete den Schleier wegziehen wollte, der die wahre Finanzlage des Reichs dem Blick des größten Teils des Volks« noch verbarg. Mit nachdenklichem Kopfnicken bestätigte Reichsfinanzminister Hermes die wichtigsten von Helfferich vorgebrachten Punkte. Sie sind von solcher Wichtigkeit, daß sie, obgleich in den gewöhnlichen Reichstagsberichten kaum bchüM jMwll betanvt M «LLÜe» .
Der neu« Haushaltplan, so führte Helfferich aus, findet seine Kennzeichnung durch das in der deutschen Finanzwittschaft bisher unbekannte Wort „Billion" (1000 Milliarden). Die Reichsausgaben sind auf rund Billionen veranschlagt, wovon nur etwa die Hälfte durch -rwartete Einnahmen gedeckt ist. So ungeheuerlich tue Zahlen sind, so geben sie doch nur ein schwächliches Bild der Wirklichkeit Denn zu der Zeit, da der Haushaltplan aufgestellt wurde, hatte der Dollar einen Kurs von 2000 Mark, heute beträgt er jast 30 000 Mark. Wie er sich in acht Tagen oder gar in mer Wochen, geschweige über Jahr und Tag stellen wird, kann niemand voraussehen. Und dach hängt von dieser Frage für das Auskommen unserer Finanzwittschaft alles ab. Wir sind in eine Entwicklung eingetreten, wie sie selbst in den Schicksalen Oesterreichs obne Vorbild ist.
Der Reichsfinanzminister hat unter Berücksichtigung der heutigen Lage selbst von einem tatsächlichen Bedarf von 3)4 (statt 1)4) Billionen bei 1,9 brs 2,1 Billionen Einnahmen gesprochen. Diese Rechnung kann sich aber, wie Dr. Hermes bestätigt«, nur auf den ordentlichen Haushalt der inneren Reichsverwaltung beziehen, so daß also weder der außerordentliche Bedarf der inneren Reichsverwaltung noch die Zuschüsse zu den Reichsbetriebsvecwcck- tungen (Eisenbahn, Pvst usw.) noch die großen Ausgaben für die Ausführung des Friedensoertrags in Rechnung gestellt find. Bei vorsichtiger Annahme sind die Gesamtausgaben des Reichs vielmehr auf mindestens 7 Billionen Markzu veranschlagen. Und wenn demgegenüber die Einnahmen auf höchstens 2 Billionen zu berechnen sind, so ergibt sich — immer auf Grund des heutigen Stands der Dinge — ein Fehlbetrag, der mit 5 Billionen eher zu niedrig als zu hoch getroffen ist. Dabei sind aber keinerlei Entschädigungszcchlungen und Sachleistungen an den Feind berücksichtigt.
Seitdem Poincarö die Pariser Anleihekonferenz im Juli 1922 abgewürgt hat und dann Drohungen auf Drohungen häufte, hat er alles in Grund und Boden geschlagen, was unter schwersten Opfern aller deutscher Kreise und Schichten für eine beginnende Gesundung unserer Finanzverhältnisse gewonnen war. Das läßt sich von der Entwicklung der schwebenden Schuld des Reichs genau ablesen mit Zahlen, die fürchterlich sind. In der Zeit vom April 1921 bis zum Juni 1922 stellte sich die monatliche Zunahme der schwebenden Schuld (Schatzwechsel) im Durchschnitt auf 8 Milliarden Mark, der Juni 1922 hatte sogar eine Zunahme von nicht ganz 6 Milliarden gebracht, blieb also hinter dem Durchschnitt dieses ISmonat- lichen Zeitabschnitts. Mit dem Abbruch der Finanzkonferenz beginnt der Zusammenbruch: die Zunahme der schwebenden Schuld betrug nämlich im Juli r922 13 Milliarden, August 24 Milliarden, September 120 Milliarden. Oktober 153 Milliarden, November 177 Milliarden, Dezember 614 Milliarden. Der eine Monat Dezember, in dem Poincare, für alle Welt sichtbar, mit der Faust zum Schlag ausholte, hat unsere schwebende Schuld um weit mehr als das Doppelte des Gesamtbetrags vermehrt, den sie End« Juni 1922 ausmachte. Das muß vor aller Welt bei jeder sich bittenden Gelegenheit klar and deutlich gemacht werden. Und wie wird es Ende Januar 1923 sein!
Weiter ging Helfferich mit den Steuerexperimenten wie dem Reichsnotopfer und der Zwangsanleihe scharf ins Gericht, überhaupt mit Vermögenseingriffen, die so gebildet sind, daß über die Veranlagung allein schon viele Monate hingehen und daß dis Zahlung, wenn nicht tue schwersten wirtschaftlichen Mihstände für die Allgemttnhttt heraufbeschworen werden sollen, übcremen Zeitraum von mitunter mehreren Jahren verteilt werden -muß. Nicht nur. daß in Zeiten unberechenbarer Geldentwertung der vom Staat erhoffte Betrag unter der Hand znsammenschmilzt: nicht nur, daß die Beunruhigung und die Störung des Wirtschaftslebens in gar kttn-'m Verhältnis steht zu der Einnahme für das Reich, — der letzte Rest von Steuermoral muß bei einer so unvernünftigen Steuergesetzgebung vollends zum Teufel gehen! "Beim Reichsnatonfer und bei der Zmangsanle be waren diejenigen die Dummen (Abg. Gotheinrr die Betrogenen!), die den Wünschen Finaazverw-'tt> va fol- gend, diese Steuern nim ersten Termin voll entr'chtet Haben. Niemand wird künftighin ans solche Dinge herein sollen wollen, wenn Steuergesetze gemacht werden, di« Redlichkeit und Pflichterfüllung geradem unter Strafe stellen. M't solchen unsachverständigen Gesetzen muß Schl.rß gemacht werden! . ^ ^ ,
Dis gan-e fortschreitende Verarmung und Kapitelur- störunq zttgt 0 -K m der Entwicklung des Verhältnisses y ff p Lao i talertraasteuer nvrd Einkommen-