Rhein, nach Frankreich fahren muh. so daß deutsche Bahnen und Werke stilliegen und deutsche Arbeit erfriert aus zehn Jahre hinaus; und dabei sind uns unsere besten Kohlengruben weggenommen.
„Aber Frankreich braucht doch Kohlen?" Ja- Uni sft an alle Welt weiterzuverkaufen;
zum siebenten, achten, neunten, . . . vierhundertvierzigsten — lest die Pargaraphen selbst nach: von der Rechtlosigkeit unserer Patente, von unseren abaelieferten Eisenbahnwagen, die nun in Frankreich auf Abonich verkauft werden, von dem vogelfreien Taliegen unserer Staats- und Privatguter für den französischen Zugriff, und was nicht in den Paragraphen steht, aber nun Wirklichkeit geworden ist: von der Emporfütterung unserer Fronvögte und ihres Anhanges vom Mark unseres Landes, von den 40 Milliarden' Goldmark, die wir euch bis zum Dezember 1922 ausgeliefert haben an Sach- und Barleistungen, von den Befugnissen oer Wiedergnt- machungSk'ommission, .von dem. was ihr genau wißt, daß eS nicht geleistet werden kann und den Tod bedeutet und das Verhungern.
Wie glaubt ihr euer Gewissen beruhigen zu können, wenn ihr auf die bisher hochbeschäftigte deutsche Industrie hinweist? Sklavenarbeit für euch!
Ich sage, was ich gesehen habe — anders und genauer, als eure schnellen Öberammergaureisenden und Königiee- sahrer: unsere Kinder verhungern Unie'e alten Leute verhungern Nicht in ein paar Fällen, sondern zu Tausenden Sie verhungern leise und klaglos. Aber ich klage für sie und sag' euch vor Gott: das Elend der Massen derer, die den brutalen Kamvs nms Dasein nicht verstehen, ist in aller Stille so fürchterlich, daß alle Almosen von Schweden, Holland, Amerika ihm bei weitem nimmer Nachkommen Es ist der stille Tod; Schwindsucht in allen Formen, Rachitis. Verhungern — und schlüpft alle Tage auS den Sätzen des Versailler Vertrages, und alle Tage bringt er seine Ernte ein — alle Tage, alle Tage,
Ihr wißt es so gut wie die Franzosen, und wenn ihrS ncht wissen solltet, so schreien wir doch diesen Mord euch iuS Gesicht, und die Weltgeschichte wird diesen Schrei nicht mehr unterdrücken können.
Um dieses Mordes willen komm vor Gottes Gericht, englisches Volk!
_Weil ihr aber diese» Furchtbarste so ruhig seht
und hört und wißt, und weil eS dieser Weltschande gegenüber, die zu erproben euch das deutsche Volk gerade recht ist, zuhöchst einmal zu lahmen Protesten, nicht aber zu Taten kommt, und weil ihr noch zu verstockt seid, um >-twa' über euren eigenen Frauen und Jungfrauen und Kindern diese Schmach schon zu sehen.
Darum nehmen wir unsere einzige Zuflucht z« dem höchsten Richter der Menschen, dessen Ehre es ist, von den Geschändeten angerufen zu werden, und fordern euch — nicht die Franzosen, sondern euch Briten als die, denen im entscheidenden Augenblick die höchste Verantwortung anvertraut war und dir treulos und gewissenlos ihres geschichtlichen Amtes gemalter haben, vor den Richterstuhl Gottes. Und sind gewiß, daß er richten wird.
Was geht in Frankreich vor?
Der Bürgerkrieg der Zeitungen AuS Parks über Basel: Mögen sich die halbamtliche« Kornbläser PoincareS noch so viel Mühe geben, eS zu vertuschen oder umzulügen, die Tatsache besteht doch: In Paris ist der Bürgerkrieg auSgebrochen! ES ist vorerst nur ein Teilkrieg. Er spielt sich in der Arena des ZeitungswesenS ib. Aber ist die Preste nicht der deutlichste und eigentlich» Ausdruck der politischen Zusammenstöße? Und nun daS wichtigste für deutsche Ohren: Der französische Bürgerkrieg ist auSgebrochen über dem Glücksspiel Poincarös an der Ruhr! Er ist der erste Erfolg des deutschen Widerstands. Für den tödlichen Anschlag, den die junge Anarchistin Germaine 8 erthou an dem Generalsekretär der „Action Francaise", Marius Dlateau, verübte, labt sich zwar ein mehr persön
licher Anlaß finden: Vergeltung für den Tod des Kabarett- sängers Lcruff, der ? Royalisten erschlagen
»urde, aber Grund ' - T/ eüer ist der Haß gegen den nationalen Block u d seinen Henkersknecht Poincarö. Die fünf Schüsse der .Anarchistin" — sie ist mehr als Anar- Histin, davon später — waren eigentlich für den bekannten Seher Leon Daudet bestimmt. Aber Daudet lebt (wie Poin- ure) in sicherer Zurückgezogenheit. Er läßt sich in seine- ,eitungsfestung von fremden Besuchern nicht sprechen. E<. nutzte ein anderer Vertreter des Blattes der Königspartei »ran glauben. Der .anarchistischen" Tat folgte die Rache »er Camelots du Roy auf dem Fuße. Sie besetzten die Zei-
AngSgebäude des .Oeuvre" und der .Ere Nouvelle" und Atzen ihren Zorn an den Maschinen aus. Der Einbruch in . is Haus der Humanite mißlang, weil dort schon die Polizei aufgezogen war. Um diesen Zeitungskrieg zu verstehen, mutz man sich vergegenwärtigen: Gegner des Ruyrfeldzugs sind die sozialistisch-radikalen Blätter Oeuvre, Ere Nouvelle, Rappel, Bon Soir, Lanterne, ebenso die Blätter der Kommunisten und Sozialisten: Humanite, Populaire und Peuple. Die Zeitungen der Rechtsparteien, denen die Raubpolikik PoincareS immer noch viel zu zahm erscheint, sind: Action Francaise, Figaro, GauloiS, Echo de Paris, Libertä, Eclair. Im Fahrwasser der Poincareschen Politik segelt die Presse der Entente Democrakiaue, also der Temps, das Journal deS DebatS, die Republique Francaise und Victolre. Immer mit der Regierung halten es (wegen der Informationen) die großen Nachrichtenblätter: Makin, Inkransigecmk, aber auch Petit Pari- sien und Petit Journal. Endlich gehen setzt die früher sogenannten Blätter ClemenceauS Echo National und Homme Libre mit Poincarä durch Dick und Dünn. AuS dieser Schlachtaufstellung ergeben sich die Kämpfe, Schösse und Zer- störnnaSkaken des Presse-Bürgerkriegs. Den Auftakt gab die Verhaftung de» Kommunisten Cachin als eines Landesverräters (weil er vor den Folgen des Ruhreinbruchs warnte). ! Es ist möglich, daß die Ermordung deS Zeitungsmannes Plateau zugleich auch die Rachetat für die Verfolgung Ca- chins war. Aber «S ist falsch, die Berthou einfach als Anarchistin auszurufen. Als der Attentäter Cottin im Februar 1919 auf Clemencean schoß, nannte HavaS ihn auch sofort einen Anarchisten. Dos verwirrt nur. Die Welt soll dabei an alle die fanatischen Königs- und Prästdenkenmörder früherer Jahrzehnte denken, deren einziger Mitschuldiger der Wahnsinn war. Die 20jährige Berthou mag sogar wirklich eine Anarchistin sein. Aber wie sie denken in Frankreich weitere Dolkskreise, als man draußen weiß. Wie sie sind heute Hunderttausende geschworene Feinde der herrschsüchtigen Regierungspolikik, und der Haß ist nicht etwa auf die sozialistischen Gruppen beschränkt, die dem Anarchismus nohe- stehen, sondern er erstreckt sich auf verschiedene Parteien. Im November 1917, also noch mitten im Krieg, nannte daS Journal du Peuple Llemenceau einen unfähigen Hanswursten, unter dessen Fuchtel das Land zu Grunde gehen werde. Am 19. Januar 1919, vier Wochen vor dem erwähnten Anschlag auf Clemenceau, schrieb Jean Hennessy im Oeuvre unter dem ! Titel .Niedergang": .Clemenceau repräsentiert mit seiner selbstherrlichen Art die ausgesprochene Form der uneingeschränkten Herrschaft." — Von Poincarö denkt man heute in weiten Kreisen des französischen Volks ganz dasselbe. Man spricht es nur nicht so deutlich aus, weil die Spitzel der Regierung überall ihre Ohren haben und weil mehr als je Zensur und Gewalt anfgerlchtet sind. Aber der Bürgerkrieg der Zeitungen sagt genug, und es wird noch mehr Blut fließen müssen, bis für die Regierungspolikik die Stunde der Ilmkehr gekommen ist. —er.
Das Kriegsgericht in Mainz
Urteil — Vaterländische Begeisterung der Mainzer Mainz. 28. Jan. Schon lange vor Beginn der gestrigen Nachmittagssitzung stürmte eine große Menge nach dem Ge- richtsgebäude. Um Uhr wurde die Sitzung rvied'.r ausgenommen. Rechtsanwalt Dr. G rimin-Essin hielt eine großangelegte Verteidigungsrede, in der er die Behauvtun- gen des Militärstaatsanwalts ganz unbarmherzig und scharf zerpflückte. Er wies nach, daß die Artikel 63 und 267 des Militärstrafgesetzbuchs ausdrücklich nur im feindlichen Gebiet angewandt werden dürften. Einen Feind gebe es aber nur, wenn ein Kriegszustand bestände, was wohl in dem fraglichen Fall niemand behaupten wolle. Außerdem stellten d e angeführten Paragraphen nur rein militärische Vergehen iinter Strafe, w'e Spionage, Desertion usw. Auch die Artikel 42 und 43 der Haager Konven^on 'nnten nicht unge-
kührt werden, da ein« Besetzung im Sinne der Haager Konvention nicht bestehe. Zwar befänden sich französische Truppen in Esten, aber die Tat! he begründ« nicht den Recht»- zustcmd der militärischen Besetzung, wie sie die Haager Konvention meine. Zudem habe Poincare in zwei Noten ^ie Erklärung abgegeben, daß die Besetzung des Ruhrgebiets keinesfalls den Charakter einer militärischen Okkuva- tion haben solle. Der Artikel 43 sehe ausdrücklich das weitere Jnkraftbleiben der Landesgesehe vor, ein Jnkraftdlei- ben, das auch die Verordnung des General Deauutte vom 11. Januar nochmals bestätigt habe. Die Anordnung des Generals Degoukte sei vom Skandvunkk des Rechts gegenüber der deutschen Bevölkerung bedeutungslos und überhaupt ats nicht erlassen zu betrachten, da diese Verordnung an die Souveränität des Deutschen Reichs rühre. Dem kommandierenden General einer Besatzungsarmee stehe aber linier gar keinen Umständen gesetzgeberische Gewalt gegenüber der deutschen Bevölkerung des besetzten-Geb'ets zu. Rscbtsanwalt Dr. Grimm wies sodann weiter die Unrecht- mäsvgkeit der Gefangensetzung und Anklage nach. Nach ihm sprayen vier weitere Verteidiger.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil di« Haupffcknlld- stagen verneint und d'e ^ebenfrno» auf Verstoß gegen einen "leauisikionsbefehk besaht. Die Angeklagten würden zu Geldstrafen verurteilt.
Es erhielten: Thyssen 8100 Francs; Tengelmann ^020 Franc»; Wüstenhöfer 8640 Franc»; Kösten 18 632 Francs: Spindler 47 732 Franc»; Olfe B84 062 Francs Geldstrafe.
Die Höhe der jeweiligen Strafe berechnet sich «ach dem Preis der anbefohlenen Koblenmenge. (I!)
In die Verlesung des Urteils klangen die patriotischen Oieder der nach Tausenden zählenden, vor dem Just'zge- bäude wogenden Menge hinein.
In der Pause wurden zwei Arbeiter verhaftet, well sie aut „Hoch Thyssen" riefen, als die Angeklagten au» dem Schwurgerichtssaal abgeführt wurden.
Nach der Verhandlung gegen die Industriellen wurde )as Gerichtsgebäude streng abgefperrt und es fand unter llussckstnh der Oeffenlsichkeit, io-gar der Presse, die Verhandlung gegen den Direktor des Landessinanzamts, Dr. Schlu- ii u s, statt. Das Gebäude wurde mMärisch streng bewacht md ringsherum waren Maschinengewehre aufgefahren. Venen 9 Uhr abends wurde das Urteil gefällt. Cs lautete mf 1 Jahr Gefängnis unter Aussetzung des Strafvollzugs.
Esbe'mrat Raiffeisen, Präsident der Bergwerks- direkti 'n Recklinghausen, wurde mit Strafaufschub zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Dr. Schiutius und Raiffeisen wurde eröffnet, daß sie aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen ieicn und es sofort zu verlassen haben. Darauf wurden sie von zehn Krimmalbeamten weggebracht.
Mainz, 25. Jan. Eine ungeheure Menschenmenge zog gestern abend vor den Zentral-Gasthof, wo die vor dem Zentral-Gasthof, wo die vor dem Kriegsgericht gestandenen Industriellen wohnten, und brach in nicht enden wollende Hochrufe aus. Französische Reiterei trieb die Menge durch einen Angriff auseinander. Darauf zogen die Massen in großen Abteilungen durch die Straßen, vaterländische Lieder singend. Wiederholt kam es zu Zusammenstößen mit den Franzosen. Streifwachen feindlicher Reiter durchzogen die ganze Nacht die Straßen. Verschiedene sin-ie Leute wurden festgenommen. Der Kommandant gibt bekannt, die Polizei habe sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen gezeigt und sei deshalb der französischen Militärbehörde unterstell! worden. Die Truppen haben Befehl, gegebenenf-.lls von der Waffe Gebrauch zu machen.
Aus dem Hriegsgebiet
Reue Bluttat
Neustadt a. H., 25. Jan. Ein siamesischer Soldat der Bs- setzungstruppen geriet im Zug nach Landau mit einem deutschen Zivilisten in Streit und versetzte ihm zwei gefährliche Messerstiche.
In Hattingen an der Ruhr wurden drei Frauen von Marokkanern angefallen. Die Frauen wehrten sich aber so tatkräftig, daß die braunen Franzosen ihren Zweck licht erreichten. Der Vorfall wurde sofort bei der französischen Behörde angezeigt. Die Eisenbahner traten in den streik mit der Forderung, daß die Marokkaner entfernt werden müssen.
In Klrchende bei Hagen wurde abends ein Arbeiter von krünzösifchen Soldaten cmaeholten und zum Heimgehen auf-
Jrn Himmelmoos.
Von Hermann Schmid.
38. (Nachdru ? verboten.)
„Ich Hab' Dir geschrieben," sagte sie, „wie mir's um's Herz ist. Ich geh' in die andere Welt, nach Amerika. Mer eS hat mich doch nochmal Heimgetrieben zuvor, und weil ich gehört Hab', daß Du wieder da bist, so Hab' ich emeint, ich müßte Dir doch B'hüt' Gott! sagen, und amit Niemand was davon erfährt, bin ich mein eigener Bot' gewesen."
„Ich dan? Dir schön, Engerl. Ich dank' Dir, daß Du mich doch nicht ganz verstoßen und vergessen hast," begann Wildl wieder. „Und so Hab' ich auf dieser Welt nur noch eines auf dem Herzen — Du hast mir einmal ein Ringl zum Aufheben 'geben; wenn Du fortgehst, wirst Du wohl nicht wieder kommen; ich werd' Dich also nicht Wiedersehen, und so wird's das Beste fein — ich geb' Dir das Ringl gleich zurück."
„Ja," entgegnete Engerl mit wankender Stimme, „es wird das Beste sein."
„Hab' nur eine kleine Weil' Geduld!" antwortete Wlldl, und auch seine Stimme klang gepreßt und war kaum hörbar, »während er sich bemühte, den kleinen Silberreif vom Finger zu ziehen. „Es geht nicht so leicht — wenn ich auch magerer geworden bin im Gefängnis: das Ringl ist mir in's Fleisch gewachsen und läßt sich nicht so leicht herunterziehen. Es wird aber schon gehen, und wenn auch ein Stückchen Fleisch mitginge, was schadet's! Wenn nur nicht das ganze Herz dranhinge und mit zerreißen tät'!"
Engerl vermochte der plötzlich in ihr aussteigenden Sehnsucht und Wehmut nicht zu widerstehen. Ohne zu wissen, wie es eigentlich kam, warf sie sich, unfähig zu reden, an die Brust des Burschen, legte den Kopf auf seine Schultern und ließ den Tränen freien Lauf, welche daS beschwerte Herz erleichterten.
„O Wildl, Wildl!" schluchzte sie, „wie schön hätt' alles werden können! Wie gut hat es Dein Vater im Sinne gehabt, und jetzt — o Wildl, Wildl, warum hast Du —" Tränen verhinderten sie, weiter zu sprechen, aber auch wenn sie vermocht hätte, wäre sie nicht dazu gekommen; denn rasch und entschieden hatte Wildl sie von sich gedrängt und stand, hochaufgerichtet, mit blitzenden Augen ihr gegenüber.
„Wie ist das?" ries er. „Du hältst mich also auch für schuldig? Du glaubst »wirklich — Du hältst mich wirklich im Stande, so was zu tun, und kannst mir das sagen? Du tust das, Du, die mich kennt »wie kein Mensch auf der Welt? Du, die in mein Herz hinein sieht als »wenn ein Glasfenster davor war'?"
Engerl stand vor ihm; sie hob die Arme und breitete sie zitternd gegen ihn aus. „Ja, mär's denn möglich? Könntest Du doch unschuldig sein?" fragte sie mit bebender Stimme. „O, Du glaubst nit, wie schwer es mir geworden ist, so was von Dir zu glauben. Wär's möglich, daß meine Lieb' doch Recht hätt'? Denn alleweil ist etwas in mir gewesen, das g'sagt hat: Der Wildl, der gute Bub', wenn er auch rasch und hitzig ist, so was kann er doch nicht getan haben. . . Bist wirklich unschuldig an dem Vätern sein' Tod?"
Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern faßte Wildl's Hand und führte ihn zum Grabhügel, an dessen einer Seite sie niederkniete.
„Knie dich nieder aus der andern Seite!" sagte sie feierlich. „Leg' Deine Hand auf's Grab und sag' — wenn Du es an dem Grab und in der Stunde sagen kannst — leg' Deine Hand auf's Grab und sag'; Vater, ich bin unschuldig an Deinem Tod!"
Ohne Widerstreben tat Wildl, wie sie forderte.
„Vater," sagte er, „hör's hinunter'in Dein Grab! Ich bin unschuldig an Deinem Tod." Sein Ton war ernst und feierlich, und wie zur Bestätigung erhob sich ein Luftstoß und der Kranz am Kreuze rauschte, daß es sich melodisch anhörte, wie ein Ruf der Versöhnung.
„O dann, dann ist altes gut,", rief das Mädchen in gerührter Freude. „Dann red' ich nichts mehr von „B'hüt Gott!" sagen; nachher g'hör' ich Dein nut Leib Seel', wie ich Dirs versprochen Hab'." lieber dem schmalen Hügel hinweg reichten sie sich die Hände, und Wildl drückte den kleinen Ring an die Lippen.
„Ja," ries er, „jetzt bleibt das Ringl da in Ewigkek, in alle Ewigkeit."
„O, wenn uns der Vater jetzt sehen könnte," begann Engerl nach einer Weile, „Du denkst gar nicht, wie eigen alles zugegangen ist und wie gut der Vater es mit unS im Sinne gehabt hat. Wenn tch Dir nur alles erzählen dürste! Aber er hat mein Wort mit hinunter genommen ins Grab, und das halt' ich ihm, so gut ich Dir Wort halten will."
Die Kirchhosstür rauschte, und der Mesner kam über den Friedhof geschritten, um in der Kirche das Ave Maria zu läuten. Um picht gesehen zu »werden, schlüpften die beiden ins Beinhaus und saßen in unerwartetem Liebesglück aus der Betbank, wo Wildl erst in so tiefem Leid gesessen. Das Dunkel verhüllte ihren Augen die kahlen hohläugigen Schädel, in denen einst auch ein Gehirn gedacht, die hohlen Knochen, in denen einst ein Mark gezuckt, und vom Turme scholl das Geläute des Abends, Ruhe verkündend, jene Ruhe, deren die Geschiedenen schon für immer teilhastig waren und die auch die Herzen der Liebenden wie eine Ahnung umschwebte.
Die lichtlose Sülle hinderte sie nicht, das Buch der Erinnerung zu durchblättern. Wildl erzählte seine Erlebnisse im Gefängnis, Engerl - ihren schweren Gang ins Himmelmoos und ihr Gespräch mit dem Vater; sie erzählte nicht unwahr, aber mit jener Zurückhaltung,, die sowohl ihr eigenes Zartgefühl wie das Gelöbnis erheischte, das sie dem Toten gegeben. Die Tatsache der Versöhnung, das Verschwinden des Hasses genügte — was die Ursache dieses Hasses gewesen, das »var jür Wildl gleichgültig und sollte für ihn ein Geheimnis bleiben, das Engeä nur mit dem K^ligen teilte. (Forts, folgt.).
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