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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wffddad. Ehromk und Anzeigenblatt

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Nummer 16 Fernruf 179 Wlldbad, Samstag, den 26. Januar 1923 Fernruf 179 58. Jahrgang

Kohlenüberwachung in Württemberg?

Wochenrundschau

Vor 52 Jahren, am 18, Januar 1871, ist auf franzö­sischem Be', "n, in einem Prunkschloß des machiwütigsten, eitelste! Franzosen, den es je gegeben hat, Ludwigs XIV., das Deutsche Reich neugsgründet und die Reichseinheit wie­derhergestellt worden. Die Begeisterung, die damals von der Seine bis an die Memel ihre mächtigen Wellen schlug, war ungeheuer, unbeschreiblich. Ein langer Traum, ein altes Sehnen war endlich in Erfüllung gegangen. Am 18. Januar 1922 stand der Dollar auf fast 2)000 Papiermark, die Mark hat also ungefähr noch den sechstausendsten Teil des früheren Werts. Französische Soldaten aller Farben und Belgier tummeln sich auf Westfalens roter Erde bis ins Herz des Landes bei Hamm an der Lippe hinein. Und es ist keine deutsche Hand oa, die die Büchse spannt, keine Faust, die den Degen zieht. Welch ein Unterschied zwischen damals und heute.

Und doch, für rückschauende Betrachtungen ist setzt die Zeit nicht angetan, die Gegenwart mit ihren wuchtigen Er­eignissen fesselt Herz und Sinn vollständig. Also die Franzosen sind da, auf dem rechten Ufer des Rheins, im Ruhrland zwischen Wupper und Lippe, jenem Land, das seit Jahrhunderten das Ziel ihrer unersättlichen maßlosen Wünsche ist, und wo schon der liederlichste unter Napoleons Brüdern alsKönig" sein schlimmes Wesen getrieben hat. Ganz programmgemäß ist'dsr feierliche Siegeszug verlaufen. Wochenlang vorher wurde in die Welt hinausposaunt, welch schweres Unrecht Deutschland begehe, daß es die ihm auf- erlegten Kriegskontributionen nicht bezahlen könne, wie schwer das arme, vielgeprüfte und um die Weltmoral so hochverdiente Frankreich darunter zu leiden habe und wie selbstverständlich das Recht Frankreichs sei, mit Ingenieuren und einem wohlbewaffneren Heer in Deutschland einzu­marschieren und dort diePfänder" für die Schuld zu er­greifen. Bald wimmelte es links des Rheins von Krieger­scharen und kaum hatte die Entschädigungskom­mission in Paris sich ihres Auftrags entledigt und die deutsche Reichsregierung der vorsätzlichen Ver­fehlung in den Holz- und Kohlenlieferungen schuldig ge­sprochen, da setzte sich der Heldenzug zum Spaziergang nach Essen in Bewegung. Hinter jedem Ingenieur ein General und was drum und dran hängi. Es ging wie am Schnür­chen. Stadt um Stadt wurde erobert und als derOber", General Degoutte mit seinen Weinflaschen den Einzug in Essen hielt, konnte er wie sein alter Vetter Cäsar sprechen: Ich kam, ich sah, ich siegte!"

In Paris war die Befriedigung ungeheuer groß. Poincare hatte also den hartnäckigen Kampf gegen Briand, L'oyd George, Bonar La«, Amerika und den in letzter Stunde auf­sässig werden wollenden Mussolini doch nicht umsonst ge­führt! Jetzt konnte er den widerstrebenden oder zweifeln­den Verbündeten mit dem Erfolg beweisen, daß seine Politik derfriedlichen Durchdringung" mit Waffengewalt die einzig richtige und mögl-che sei, um sich bezahlt zu machen. Ganz besonders schmeichele es ihm, daß die Deutschen, wie er erwartet hatte, sich alsbald den barschen Befehlen der Generale fügten- Mit Ausnahme von Krupp, Stinnes, Thyssen und Kirdorf erschienen nämlich die Vertreter der Zechen zu der befohlenen Besprechung und erklärten sich be­reit, die verlangten -Kohlen zu liefern, wenn die Fran­zosen sie bezahlen und wenn die Rsichsregierung nichts da­gegen habe. Ob der Herr Oberkommandierende von den beiden Bedingungen, aul die alles ankam, die richtige Meldung nach Paris gemacht hatte, weiß man nicht; jeden­falls sagte Poincarö kein Sterbenswörtchen davon und er ließ die regierungsfromms Presse einen Iubelgesang an- stimmen über den glänzenden Erfolg. Be, der Mangelhaftig­keit der deutschen Berichterstattung war es leider möglich, daß die Schilderung des Verhaltens der westfälischen In- dustriellen in der nnwahrhaitigen Darstellung der Pariser Blätter wieder einmal eher in die deutsche Presse kam als dis eigenen sachlichen Berichts, und mancher mag über die ver­meintliche Schwächlichkeit der Industriellen den Kopf ge- schüttelt haben.

Tagesspiegel

Das kriegsgerichtliche Verfahren gegen die skandhnffen Essener Zechenvertreker ist eröffnet. Don einer Verhaftung ist bis seht abgesehen. Fritz Thyssen-Mülheim hat der Vor­ladung keine Folge geleistet. Diejenigen Herren, die der Vor­ladung Folge geleistet haben, beharren nach wie vor auf ihrem Standpunkt.

Die französische Desahungsbehörde hat der bayerischen Zweigstelle des Kohlenkommissariais in Ludwigshafen a. Rh. die Weisung erteilt, sich nur noch nach ihren Befehlen zu richten.

Der Reichsral hat das Gesetz angenommen, nach dem die Ablieferung des Amlagegetreides am 15. April (statt 15. März) beendet sein muß.

Vor Memel sind zwei französische Kanonenboote ringe- troffen. Der englische Admiral verhandelt mit den litauischen Truppen.

Die Wiener Universität veranstaltete am Donnerstag eine feierliche Trauerkundgebung für Deutschland und das Ruhr- gebiet.

Rach dex Meldung tschechischer Blätter hat Südslawirn die Mobilisierung der Jahrgänge 1800 bis 1802 angeordnet. Zn Rumänien sind die Jahrgänge 1921 bis 2? einbsrnsen worden. Angeblich richten sich die Rüstungen Rumäniens gegen Rußland. In Wirklichkeit wollen die beiden Staaten einen Krieg gegen Ungarn vom Zaun breche».

Aber Lügen haben kurze Beine, selbst wenn sie aus Frankreich kommen. Wie klug und richtig die Bedingungen der Industriellen waren, sollte sich sofort zeigen. Nachdem im Reichstag am 13. Januar Reichskanzler Cuno noch einmal in scharfen Worten gegen den französischen Ver­trags- und Friedensbruch Einspruch erhoben und von der großen Mehrheit des Reichstags die feste Unterstützung in seiner entschiedenen Abwehr zugesichert erhalten hatte, gab die Reichsregierung die Erklärung ab, daß für die an die Vertragsbrüchigen Verbandsstaaten etwa abgelieferten Koh­len vom Reich keine Bezahlung geleistet werde und der Reichskohlenkommissar verbot darauf den Zschcn- besitzern jede Kohle nlieferung an diese Staaten.

Das war ein Schlag ms Kontor! Sollte die deutsche Reichsregierung mit ihrem angskündigten äußersten Wider­stand wirklich Ernst zu machen wagen? Sollte an dieser un­faßbaren, verbrecherischen Auflehnung gegen dasinnere Staatsgesetz Frankreichs", wie der Vertragsbrüchige Poincarä denheiligen" Vertrag von Versailles so naiv wie heuch­lerisch genannt hat, sein Plan zusammenbrechen wie das Kartenhaus Bethmann Hollwegs? An sich wäre ihm ja eine so entsetzliche neueVerfehlung" ganz willkommen gewesen, denn sie bot die handhabe zu weitergehendenSank­tionen". Aber was werden die Verbündeten sagen »der denken, die von dem tollen Marsch ins Ruhrland abgeraten haben, well sie es sich, war z. B. Amerika und Italien, nicht anders vorstellen konnten, als daß daraus ein neuer schwerer Krieg sich entwickeln werde, denn ein kriegserprobtes Volk von 60 Millionen könne sich doch unmöglich eine Behandlung gefallen lassen, wie Poincare sie Deutschland gegenüber ver­übte. Poincarö hatte sie vergebens beschwichtigt mit dem verächtlichen Bemerken, der Deutsche bezahle nicht nur alles, sondern er lasse sich auch alles gefallen, wenn man ihn nur scharf genug anfasse. Fatale Lage, darum Helle Wut. Nun sollten aber die Deutschen den Franzmann kennen lernen, dieGeduld" war erschöpft. Sanktion 1: Die Be­setzung des Ruhrgebiets wird um das Doppelte aus­gedehnt was übrigens schon lange geplant war, Marschall Fach hatte nur das eine heldenhafte Bedenken gehabt, daß das französische Heer für dis Besetzung des dichtbevölkerten Ländchens nicht stark genug sei. Sanktion 2: alle Schife des Rheins und alle Eisenbahnwagen, die man er­wischen kann, werden beschlagnahmt. Sanktion 3: die Staatswaldungen im linksrheinischen Gebiet werden nach Kräften abgeholzt und was sonst dort an deutschem Staats­besitz vorhanden ist, wird ausgebeutet. Dieses Geschäft wird gemeinschaftlich mit verhältnismäßige- Gewinnverteilung ausgeübt vo» den Franzosen und den Italienern, welch

letztere in ihrerheiligen Selbstsucht" seit Rinaldinis Zeiten gern überall dabei sind, wo etwas zu holen ist. Soviel vor­läufig.

Den Industriellen und den Bergarbeitern gegenüber zieht man nun andere Sacken auf. Wieder wurden sie zu einer Besprechung befohlen. Sie kamen. Der Herr General Simonbefahl", daß im besetzten Gebiet niemand zu be­fehlen habe als der Herr Obsrkommandierends und die sonst von der französischen Regierung mit Vefehlsgewalt aus­gestatteten Kommissionen und Personen: ihren Befehlen sei unweigerlich Folge zu leisten. Ungehorsame werden vor das Kriegsgericht gestellt und im übrigen habe man das Maul zu halten. Was die Kohlenlicferung betreffe, so sei sie widerspruchslos auszuführen, das Verbot der Reichsre­gierung sei null und nichtig, die Rsichsregierung habe über­haupt nichts mehr im besetzten Gebiet zu sagen usw- Der Vertreter Krupps, Direktor Thomas, und der Großindu­strielle Fritz Thyssen erwiderten dem General: die Fran­zosen können die Industriellen vor ein Kriegsgericht stellen und bestrafen, aber sie zu zwingen, Kohlen abzuliefern, das können sie nicht. Sie werden der Reichsregierung gehorchen, aber nicht den Franzosen. Und die Bergarbeiter erklärten, sie werden wegen der Franzosen keine Minute über Zeit arbeiten und wenn man ihnen Berge von Lebensmitteln und reichlichen Lohn verspräche.

Die Franzosen sind überhaupt in das richtige Revier geraten, denn die Westfalen sind dafür bekannt, daß sie dis härtesten Schädel im Reich haben. Mit den sogenannten moralischen Eroberungen", mit denen man in Paris so nebenbei gern geprahlt halte, ist es ganz und gar nichts. Wurde da auf freiem Platz ein französische Fahne aufge­pflanzt, die jeder Deutsche, der etwas Uniformähnliches auf dem Leib trägt, zu grüßen hat. Eh man sich's versah, lag die Fahne zerfetzt am Boden In Bochum zog am 15. Januar ein französisches Regiment ein. Weiß der Himmel, wie die Bevölkerung auf den verbrecherischen Gedanken kam, durch die Straßen zu ziehen und vaterländisch? Lieder zu singen. kurz auf einmal knatterten die französischen Ma­schinengewehre und ein junger Mann lag tot da, eine An­zahl Männer und Frauen wälzten sich in ihrem Blute. Das Regiment, das die Heldenrat vollbracht hat, muß genannt werden, es lst das 15 5. Infanterieregiment. Und der das Blutbad kommandierte, ist der Oferst Houiller. In Paris wird die berühmte Schlacht nicht bekannt gegeben; es scheint, daß von gewisser Seite doch ernste Vorstellungen erhoben worden sind, denn der schneidige Herr Oberst ist mittlerweile von seinem Posten abberufen worden, im Geheimen ist ihm das Kreuz der Ehrenlegion und der deutsche Fluch sicher. Das tapfere Regiment wird 'n eine andere Stadt verlegt und daran tun die Franzosen recht, denn.

Die Reichsregierung wird natürlich gegen den feigen Mord bei der sranzöi'Hcheu Regierung Protest erheben. Wenn aber die Franzosen glauben sie können auf diese Manier in Westfalen imponieren, so sind sie arg auf dem Holzweg. Und auf ihre Köllen kommen sie erst recht nicht. Die Kohlenförderung ist in den wenigen Tagen bereits um ein Fünftel zurstckgegangen, dagegen sind die Lebensmittel im Preis um die Hälfte ge­stiegen. Auf der Eisenbahn ist noch kein Wag-m Kohlen nach Frankreich abgerollt, und was will es heißen, wenn sie einen Zug mit 3500 Tonnen, der nach Bayern bestimmt war, abgefangen und verschiedene Kokst.mkähne auf dem Rhein auf dem Weg nach Mannheim gekapert hoben! Je mehr die Kohlenförderung zurückg-ist und je weniger Kohlen die Fran­zosen den Deutschen überlassen, desto geringer wird der Ertrag; der beschlagnahmten R e i ch s k o h l e n st e u e r sein, die doch einen wesentlichen Bestandteil der von Poincare prophe­zeiten Milliarde Goldmark Sanklionseinnahme bilden soll. Wir werden den Kohlenaussall zwar empfindlich spüren, un­mittelbar sowohl als auch insofern, als wir dafür um so teurere Kohlen aus dem Ausla-ch kaufen müssen. So sind in Polmsch-Oberschlesisn 500 000 Tonnen bestellt worden, und Hugo Stinnes, der nebenbei oemerkt, den Franzoien den gleichen SchaLernak gespielt ha: wie das Kohlensyndir.