zwischen Indien und dem Mittelmeer zu selbständigen und buch wiederum von England abhängigen Staatsgebilden kristallisiert werden müssen. Mesopotamien. Transjordanien. der Zionistenstaat, das Königreich Hedschas und neu das Kal'fat des bisherigen Sultans in Mekka sind Glieder in der Kette des Curzvn'schen Gedankens. Ein neues britisches Herrschastsgebild'e, der k l ei n a s i a l i s ch e Staaten- bund der mohammedanischen Fürstentümer isi im Werden. Dieses neue Gebilde, von ungeheurer Tragweite kür den künftigen Gang der Weltgeschichte, wird in Lausanne noch nicht Ereignis werden. Aber wenn England auf dieser Konferenz seinen Frieden mü den Türken macht, und die französischen Ansprüche dabei hinausdrückt, so hat es einen heilsamen Gegenschlag auf die Pariser Konferenz geführt und seine Rache für die Schlappe in der Entschädigungs- Politik genommen. Der französische cherrschaftsdünksl dürfte dabei zu der Einsicht konrmen, daß seine Bäume nicht in den Himmel wachsen werden. —er.
Die britische Arbeiterpartei
Die britische Arbeiterpartei hat bei den Unterhauswahlen im vorigen Jahr 4,2 Millionen Stimmen aufgebracht gegen 5.3 Millionen Stimmen der Konservativen und 4,1 Millionen Stimmen der beiden liberalen Parteien. Während des Kriegs saßen 42 Abgeordnete der Arbeiterpartei im Unterhaus, bei den berüchtigten „Khakiwahlen" Lloyd Georges 1915 für die „Unionsregierung" errangen sie 57 Sitze, im Herbst v. I. stieg die Zahl auf 142. Der Uebergang aus einer rein gewerkschaftlichen Bewegung zur politischen Partei ist voll- zagen, sie ist, wie der Arbeiterführer und frühere Minister Lloyd Georges, Henderson, im Vorwort zu einem „Handbuch für Arbeiterredner" schreibt, „Seiner Majestät Opposition" geworden, dergestalt, daß der Führer der amtlichen Opposition nicht wehr wie seit Jahrhunderten in England herkömmlich, der unterlegene Mnistsrpräsident, etwa Lloyd George oder Asquith. ist, sondern der Arbeiterführer Rains an Mac Donald. Mit Ausnahme der .unabhängige^ Arbeiterpartei", die bei den letzten Wahlen rund 30 000 Stimmen aufbrachte, steht die britische Arbeiterpartei dem Sozialismus in deutschem Sinn fremd, ja ablehnend gegenüber und es ist bezeichnend, daß im Inhaltsverzeichnis des genannten Handbuchs das Wort Marx oder Marxismus nicht vorkommk, der großen Mehrzahl der englischen Arbeiter sind diese Namen überhaupt unbekannt. Das einzige wirklich sozialistische Blatt in marxistischem Sinn ist der ,-Daily Herald", der aber trotz großer Zuschüsse, namentlich aus Moskau, sich kaum über Wasser halten kann. Seine geistige Nahrung zieht der englische Arbeiter nach wie vor in der Hauptsache aus den meist konservativen Sonntagsblättern, von denen jeden Sonntag etwa 10 Millionen durch die Arbeiterkreise gehen. Die britische Arbeiterpartei ist durchaus national, nicht international, und selbst die «unabhängige Partei" stellt sich, in der Art der früheren .Kathedersozialisten" Deutschlands, auf den Boden der bestehenden Wirtschaftsordnung und sie versieht in der Praxis nie den Klassenkampf, sondern die Notwendigkeit guter Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit. So lehnt die britische Arbeiterpartei im Sinn ihrer hervorragenden Führer Mac Donald, Clynes, Mebb, Morel, Thomas, Snowdon, Trevelyan, Ponscnby, Hastings u. a. die Nevolukion unbedingt ab. sin der inneren Politik verlangt sie die Nationalisierung (wegen der im Krieg sehr unbeliebt gewordenen Bureaukratie vermeidet man absichtlich das Wort «Verstaatlichung") der Kohlenbergwerke und der Privatbahnen und die Abtragung der Staatsschulden durch siufenmäßige Abgaben von Vermögen, die 5000 Pfund (100 OÜO Goldmark) übersteigen. Die Arbeitslosigkeit soll durch öffentliche Arbeiten, die der Allgemeinheit nützen, bekämpft werden, sin allen Industrien soll eine Mindestlebenshalkung gesichert sein — Bestrebungen, die im politisch-wirtschaftlichen Leben Englands eigentlich schon wirksam sind, und die durch die Ar- beiterparkei eine folgerichtige Durchführung und Beschleunigung erfahren sollen. In der äußeren Politik wird in dem Handbuch der Vertrag von Versailles scharf verurteilt und die Aufhebung oder grundlegende Abänderung verlangt. Aber auch auf diesem Gebiet bleibt die Wesensart des englischen Arbeiters im Grund die alte, die nationale, die dem deutschen Standpunkt und den geschichtlichen Tatsachen nicht in allweg gerecht zu werden vermag.
Im Himmelmoos.
Von Hermann Schmid.
22. (Nachdruck verboten.)
„Schau," begann der Me und setzte sich bequemer in seinem Stuhl zurecht, „schau — bei mir auf meinem Hof gefallt mir die Wirtschaft nicht mehr recht: es fehlt hint' und vorn, wo ich nicht selber sein kann. Die Judika ist auch eine alte Person, die jeden Tag zuwiderer wird; mit meinen Buben ist kein Vertragen.... Laß mich ausreden!" fuhr er fort, als Engerl mit rascher Geberde Miene machte, ihn zu unterbrechen. „Schänd' mir meinen Kram nit, bis ich ihn ganz ausgelegt Hab'! — Ich bin wohl kein heuriger Has' mehr, aber auch kein alter Kra- ichezer. Mancher andere in noch älteren Jahren hat es schon so gemacht, und es ist gut ausgefallen, und wenn ich mir Alles so recht überleg', was ihm gehört, und führ' selber noch eine Bäu'rin auf den Himmelmooser Hof, und die Bäu'rin, Madel, sollst Du sein."
Die Zuhörerin war vor Ueberraschung aufgesprungen — glühende Röte quoll ihr über Hals und Gesicht. Himmelmooser," stammelte sie, „ich hätt' nicht geglaubt, daß Ihr im Stand wäret, in einem so ernsthaften Augenblick Spaß mit mir zu treiben."
„Ich denk' nicht d'ran," erwiderte er, „mir ist's voller Ernst. Und warum nicht? Wenn Du mein Weib wirst, hat alles Gered' mit einem Schlag ein End'. Alles weiß nachher, daß ich keine schlechte Meinung von Dir Hab'. Mso besinn' Dich nit lang', sag' ja, und wie Du's verlangt hast, geh' ich auf der Stell' init Dir zum Pfarrer und bestell' die Stuhlfest."
„Wirklich?" stammelte das Mädchen. „Ihr wär't im Stand' mir einen solchen Antrag zu machen, und Ihr mnkt gar nicht, daß Ihr mir damit eine noch viel größere 'Schand' antut, als Ihr mir schon angetan habt?"
„So — und nw wäre denn da die Schand'?" rief der Ulte und fuhr sich über das weiße Haar,
Die Kosten der Luftrnstung
Neber die Lustrüftunqeri einiger Großstaaten veröffentlicht die österreichische Fachzeitschrift „Oesterreichischer Motor — Der Flug" in Nr 9 unter dem Schlagwort „Nie wieder Krieg" folgenden Vergleich des amerikanischen Admir^" Moffat. Für Luftrüstung geben si'R.'ch, aus: Amerika 32 Millionen Dollar, davon 15 Millionen für Heeresflugwesen, 17 Millionen f"r Wafserflugwssen, England 66 424OO0 Dollar (hierbei sind Indien und die Kolonien nichr einbezogen), Frankreich 44 600 000 und Japan 18 723 681 Dollar. England hat, wie Lloyd George tm Unterhaus mitgeteilt bat, für den Betrag von 2 Millionen Pfund Sterling 500 Flugzruge in Auftrag gegeben.
Neue Nachrichten
Erklärung der Reichsregierung
Berlin, 8. Jan. Die Neichsregierung weist in einer durch WTB. veröffentlichten Erklärung die französisch? Behauptung von einer deutschen Verfehlung in der Kohlen- lieferung zurück und erbringt den Beweist daß die Minderlieferung teils durch den Wegfall der oberschlesischen Kohlenförderung für Deutschland, teils aber auch darauf zurückzuführen ist, daß die französische Behörde fortwährend große Mengen von angeliefertem Koks als angeblich minderwertig zurückweist. — So läßt sich natürlich lsichr eine „Verfehlung" machen.
Deutschland soll gehört werden
Paris. 8. Jan. Die Entschädigumskommission, deren Sitzung auch Bradbury anwohnte, einigte sich, am Montag die deutschen Vertreter anzuhören.
Auf dem Sprung
Paris, 8. Jan. Die Blätter berichten, der französische Oberkommandeur, General Alle ns, habe seinen Stab in Eile zusammenberufen; die unter seinem Befehl stehenden Truppen seien in den Quartieren gehalten worden. Das 13. Dragonerregiment in Melun, sowie das 149. und 162. Feldartillerieregiment in Epinal sollen am Mittwoch am Rhein sein. Am 7. Januar gingen 40 Ingenieure der Marine von Paris nach Düsseldorf ab, wo sie weitere Befehle abwarten. Sie werden nach Essen kommandiert. In Toulon sind weitere Ingenieure eingezogen worden.
Haken in der „Sanktion"
Paris, 8. Jan. Der Lcgrdoner Berichterstatter des „Matin" meldet, Bonar Law werde demnächst prüfen, ob die Bestimmungen über die Ziviloerwaltungen im besetzten Gebiet mit dem von Frankreich bezw. Belgien beabsichtigten Militär- und Zollsystem vereinbar seien. Dieses System würde eine sehr heikle Frage schaffen, nämlich den französischen Eingriff in Geschäfte, die bis jetzt einzig und allein durch britische und amerikanische Offiziere der Zollposten geleitet worden seien.
Mit 300 000 Mann-
London, 8. Jan. Die „Times" berichtet aus Paris, die Entschädigungskommission werde vielleicht noch in dieser Woche Dauer u. Bedingungen einer Zahlungsfrist festzusetzen haben. Belgien werde sich an der militärischen Sanktion beteiligen, Italien sie mindestens moralisch unterstützen. Der militärische Mittelpunkt werde wahrscheinlich Essen sein, die Besetzung Bochums werde später kommen. Die ganze Truppenmacht. die Marschall Fach zur Verfügung habe, schätzungsweise 30 000 Mann, werde aufgeboten, wenn unerwartete Ereignisse eintreten sollten.
Dr. Hemze in München
München, 8. Jan. Die Justizminister Süddeutschlands haben am 5. Januar mit dem Rsichsjiistizminister Dr. Heinze in München eine Besprechung gehabt. Wie verlautet, hielt Bayern an seiner Forderung beir. Aufhebung der Ausnahmegesetze fest. Im übrigen wurde die Umwandlung der Schöffengerichte, die Aufhebung der bayerischen Vc-lksgerichte und die Errichtung eines süddeutschen Senats beim Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik besprochen.
Neuartige Regierungsverbindung
Darmstadk» 8. Jan. Der Rücktritt des bisherigen (demokratischen) Iustizministers in Hessen wird voraussichtlich eine
„Wißt Ihr denn nicht, daß ich mich mit Eurem Sohne, dem Wildel, versprochen Hab'? Daß er mein Schatz ist und ich der seinige? Glaubt Ihr, daß man das Herz im Leibe umwenden kann, wie wenn man ein.n Handschuh umkehrt? Aber," fuhr sie abbrechend in milderem Tone fort, „für was ereifer' ich mich denn! Es kann ja doch Euer Ernst nit sein — Ihr wollt mich nur auf die Prob' stellen; Ihr wollt, ich soll ja sagen, damit Ihr dann zu Eurem Sohne hingehen und sagen könntet: 'da siehst Du, wie's mit ihrer Lieb' und Treu' beschaffen ist; sie hat nichts von Dir gewollt, als die reiche Bäu'rin zu werden, und wie sie gesehn hat, daß sie das auch ohne Dich erreichen kann, hat sie sich nicht besonnen und hat zugelangt. .'"
„Ach was, das ist lauter dummes Zeug," antwortete der Bauer mit eigentümlichem Lachen. „Der Bub muß eben eine andere heiraten und seh'n, wo er einen Unterstand kriegt, und Du mußt Dir halt die Beschicht' aus dem Sinne schlagen, und das wird Dich so schwer nicht ankommen, wenn Du nur erst Himmelmooserin bist. Und dann, wer weiß, ob ich nicht ein besseres und ein älteres Recht auf Dich Hab' als der Bub', und wenn er zehnmal Dein Schatz ist."
„Ihr ein Recht? Ihr ans mich ein Recht? Und wie wolltet ^br dazu kommen?"
„Hör' mir einmal zu und verlier' die Geduld nit, wenn ich auf eine lange Zeit znrückgchen muß! Ich will Dir eine - Beschicht' erzählen. — Es wird so um die zwanzig Jahr' herum sein," fuhr er dann nach kurzem Besinnen fort, „ja, ja, es ist schon so; zu Laurenzi hat sich's wieder geführt — es sind also jetzt volle zwanzig Jahr', daß meine Bäu'rin gestorben ist. Sie ist ein gutes Weib gewesen — der Herr geb' ihr eine fröhliche Urständ dafür! — wir haben miteinander gelebt wie die Kinder, und wenn sie bei mir hätt' bleiben dürfen, wär' vielleicht manches anders, als es jetzt geworden ist. Sie ist sanft gewesen wie die gute Stund', aber wenn's darauf angekommen ist, hat sie das Herz und die Zung' aus dem rechten Meck ge- ,
Amänd'erung der Koalition zur Folge haben, die dem immer schlechter gewordenen Verhältnis zwischen Zentrum und Demokratie in Hessen entspricht. Das Zentrum verlangt unbedingt den Eintritt der Deutschen Volkspartei. Nachdem Oberbürgermeister Külb-Mainz die Uebernahme des Justizministeriums abgelehnt hak, soll nun Oberbürgermeister Dr. Köhler-Worms (Deutsche Volkspartei) aufgefordert werden. Falls dieser annimmt, würde die Negierungsverbindung aus Zentrum, Volksparkei und Sozialdemokratie gebildet sein, während die Demokraten ausscheiden.
Lloyd George beglückwünscht Donar Law London, 8. Jan. Lloyd George richtete aus Ronda (Spanien) ein Telegram an den „Dailn Chronicle" und den „Daily Telegraph", in dem er Bonar Law für seine Haltung auf der Pariser Konferenz beglückwünscht und die Gefahr darlegt, der Europa durch die Politik Poincarös ausgefetzt werde»
Eigentümliche Polizeizuslände Halle, 6 . Jan. Die „Hallesche Zeitung" berichtet: In einem Kaffeehaus, in dem es nachts 2 Uhr noch sehr lärmend zuging, gebot ein Polizeibeamter Ruhe. Einer der noch anwesenden 15 Gäste stürzte sich auf den Beamten, der genötigt war, zur Waffe zu greifen. Ehe er aber Ernst machen konnte, wies sich der Angreifer — als der neue Polizeipräsident Runge von Halle aus. Darauf verl'sß der Polizeibeamte das Lokal. Da der Lärm sich fortsetzte, kam kurz darauf ein anderer Schutzmann, der zufällig Runge schon kannte. Runge befahl dem Beamten, Pistole und Ss-tengewehr abzulegen, und ließ von der nächsten Polizeiwache Leute herbeiholen, die den Beamten festzunehmen hatten. Die Polizeibeamten haben nun gegen Runge Anzeige wegen Freiheitsberaubung, tätlichen Angriffs und Widerstandes gegen die Staatsgewalt erstattet. Dem Vorfall sollen auch der neue Regierungspräsident Bergemann-Merseburg und em Polizeiverwalter beigewohnt haben.
Zur Erforschung der Kriegsschuld Zürich, 8. Jan. Der neutrale Hauptausschuß für die Erforschung der Ursachen des Weltkriegs trat am 4. Januar in der Universität in Zürich zusammen. Der Ausschuß nahm mit Genugtuung Kenntnis von dem Bericht und stellte ein erfreuliches Fortschreiten der wissenschaftlichen Einzelfragen fest, wie sie nach dem Stockholmer Arbeitsprogramm verteilt worden waren.
Beschwerde der Russen in Lausanne Lausanne, 8. Jan. Die russische Abordnung übergab gestern Lord Curzon eine Note, in der Beschwerde geführt wird, daß Rußland zu den Verhandlungen über die M e e r- en genfrage auf der Friedenskonferenz nicht mehr zugezogen werde Es sei infolgedessen zweifelhaft, ob etwaige ohne ihre Mitwirkung zustande gekommene Abmachungen die Grundlage für ein Einvernehmen mit Rußland abgeben können. Die russische Abordnung lehne daher die Verantwortung für einen Mißerfolg ab, falls die Uebung n'cht aufgehoben werde, die Meerengenfrage in einem Sonderausschuß ohne Deiziehung der Russen zu verhandeln.
Württemberg
Stuttgart, 5. Januar. Demokratischer Parteitag. Der Landesversammlung der Deutschen demokratischen Partei ging am Freitag ein Vertrekerkag voraus, der gut besucht wär und an dem auch Staatspräsident Dr. H i e- oer, Finanzminister Dr. Schall und Friedrich Payer teilnahmen. Nach der Eröffnung durch den Vorsitzenden, Abg. Dr. B r u ck m a n n - Heilbronn, erstattete Albert Hopf den Geschäftsbericht und Paul Ilg den Kassenbericht. Der Vorsitzende und seine Stellvertreter wurden einstimmig durch Zuruf wiedergewählt. Sodann behandelte Abgeordneter Schees alle wichtigeren Fragen, die den Landtag im letzten Jahre beschäftigt hatten. In der Nachmiktagssitzung berichtete Reichskagsabgeordneter Dr.-Ing. Wieland über Reichspolitik.
Die Landesversammlung wurde am 6. Januar durch eine Trauerfeier für Konrad Haußmann und Theodor Liesching im Konzertsaal cher Liederhalle, wobei Dr. Heuß die Rede hielt, eingeleitet. Die eigentliche Hauptversammlung im Festsaal eröffnete Abg. Dr. Bruckmann, worauf Dr. Aiegler die gegenwärtige politische Lage beleuchtete. Die Ausführungen gipfelten in dem Satz, daß die Forderunaen des Londoner Ultimatums eine Itnmög-
habt. Die hitzige Krankheit hat aber nit darnach gefragt, wie notwendig sie für das Haus gewesen ist und für mich : sie hat fort gemüßt und hat mich allein zurückgelassen mit dem Buben, der noch keine drei Jahr alt gewesen ist und noch nit gewußt hat, was eine Mutter ist. Sie haben mir bald von allen Seiten zugered't, ich. sollt' wieder heiraten, aber es hat mich nichts getrieben; die Judika, die eine gute Freundin gewesen ist von meiner Alten, hat die Wirtschaft besorgt und den Buben dazu; ich habe auch schon meinen guten Vierziger auf den: Rücken gehabt und Hab' gedacht, eine solche, wie meine Erste gewesen, krieg' ich doch nit wieder, und so Hab' ich mir nichts einreden lassen und bin Witwer geblieben."
Er war bisher gebückt, die Hände um die Knie faltend, dagesessen und hatte, wie mit sich selber sprechend, vor sich hin erzählt; jetzt sah er auf, ob das Mädchen ihm auch zuhöre. Er gewahrte die Spannung, die aus jedem ihrer Züge sprach und fuhr fort: „Und einmal — da sind gerad' wieder ein paar befreundete im Heimgarten de gewesen und haben mir zugered't, und wie sie fort waren, bin ich draußen hinterm Haus gesessen, wo das kleine Wcgel von den Bergen vorübergcht, und Hab' mir über das Gered' so meine Gedanken gemacht. Da kommt auch noch die Judika mit ihrem Strickstrumpf und dem Buben, setzt sich neben mich auf die Bank und fängt ihre alte Predigt von vorn an — daß ich heiraten sollt', daß es nicht gleich im Augenblick sein müßt', daß ich mich aber umsehen und mir einstweilen eine Bäu'rin aussuchen sollt'. In dem, so kommt auf dem kleinen Bergwegel ein Taufzug daher; die Hebamm' tragt ein neugebornes Kind zur Tauf' in die Kirch' hinunter und die Gevatterin im schönsten Putz geht mit ihr — da schießt mir's auf einmal durch den Kopf. So will ich Ihr halt den Willen tun, Judika, Hab' ich gesagt, Hab die zwei Frauen gestellt und das Kindel angeschant, das in dem Tanfzeug eingebunden gewesen ist und mit ein paar frischen blauen Augen um einander geschaut hat.
, , . (Fortsetzung folgt.)