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Amtsblatt für M^Sad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 6 Fernruf 17»
Wildbad, Dienstag, den 9. Januar 1923
Fernruf 179
58. Jahrgang
Was wird Amerika tun?
Der Pariser Zusammenbruch muß in erster Linie seine Wirkung in Amerika zeigen. Die «Politik der vierzehn Punkte" verträgt keine Wiederholung, ohne daß die Welt an Amerika irre werden müßte. Dazu kommt, daß mit dem schrillen Mißklang von Paris an der Weltlage im allgemeinen wie an der amerikanischen Lage im besondern nicht das mindeste zum Bessern gewandt worden ist. Amerika wird um seiner selbst willen sich bei dem Ergebnis von Paris nicht beruhigen können. Staatssekretär Hughes hat angedeutet, daß Amerika nicht mit politischen Lösungen der europäischen Wirtschafkswirrnisse rechnet, sondern nur wirtschaftliche Lösungen erhofft und erstrebt. Paris aber hat das amerikanische Programm glatt über den Haufen geworfen, indem es die wirtschaftliche Lösung schroff ab- lehnke und an seine Stelle in nachdrücklichster Form die politische zu setzen wünscht. Amerika muß sich also nicht nur um all seine berechtigten Hoffnungen betrogen sehen, sondern mutz sich auch von Frankreich in einer Art behandelt fühlen, die einer aufgelegten Mißachtung gleich- kommt. Alle seine Ratschläge sind in den Wind geschlagen, seine Forderungen sind als belanglos zur Seite geschoben worden. Ob sich eine solche Behandlung mit der Würde einer Großmacht und ganz besonders mit dem Bewußtsein der ausschlaggebLnden Sisgrrmacht, die gleichzeitig die größte Gläubigermacht darstellt, leicht in Einklang bringen läßt, muß Amerika selber entscheiden.
Aber wichtiger als das sind für Amerika dis wirtschaftlichen Folgen des Pariser Fehlschlags. Amerika hak zunächst erkannt, daß der Gläubiger nur dann zu seinem Gejd kommt, wenn der Schuldner am Leben und wenn er zahstmgsfähig erhalten oder zahlungsfähig gemacht wird. Amerika hat über elf Milliarden Dollar zu fordern, aber weder Frankreich noch Italien und die übrigen können auch nur die Zinsen zahlen mit Ausnahme von England, das augenblicklich eine Abordnung unter Führung des Schatzkanzters Baldwin und des Präsidenten der Bank von England drüben hat, um die bisherige einfache Schuldverschreibung in eine feste Anleihe umzuwandeln. Die Auseinandersetzung über diese Schuldenabtragung nimmt allmählich recht unangenehme Formen an und zeigt, daß bei Geldsachen auch unter Kriegsfreunden die Gutmütigkeit aufhört. Aber der amerikanische Steuerzahler erfährt durch bloße Verhandlungen über Schulden und gemeinsame Kriegsaufwendungen und über die verschiedenen Anteile am Krieg und Sieg keine Erleichterung, sondern er muß das zahlen, was die Verbündeten schuldig bleiben. Daß die Stimmung dadurch nicht verbessert wird, wäre noch nebensächlich; aber es wächst allgemach die Schwierigkeit, die Steuern überhaupt auf- zubrlngen, nachdem es vielfach unmöglich geworden ist, die alten Reichtumsquellen des Landes, die Ausfuhr, dauernd am Fließen zu erhalten. Der Farmer führt ein verzweifeltes Dasein, das ihn zum Steuerstreik treibt und zur Vankerottpolitik. Der Baumwollpflanzer hat zwar hohe Preise, aber eine verminderte Ernte, und das Kupfer will sich nicht in Gold verwandeln, sondern liegt seinen Erzeugern wie Blei im Magen. And warum? Weil das kaufschwachs Europo die Dinge nicht abnehmen kann, die Amerika loswerden muß, wenn es wie bisher in Gang erhalten bleiben will.
Ein englischer Beobachter, der seine Mirkschafkserfah- rungen hauptsächlich in Amerika erworben hak, Sir Edward Mac Kay E d gar, hat kürzlich im Londoner „Daily Telegraph" für die Bereinigten Staaken eine Wirtschaftskrise vorausgesagt, die alles bisher Dagewesene Übertreffen werde, und zwar wohl innerhalb der nächsten Zehn Jahre schon. Was der Engländer Mc Kenna Anfang Oktober auf der Versammlung der amerikanischen Bankiervereinigung gesagt hat, das hat zum großen Teil die Politiker Amerikas zum Nachdenken angeregt und hat die Regierung wie den Kongreß zu seiner jetzigen Haltung witbestimmt. Der Gläubiger Amerika und seine Bank- leuke wie seine Steuerzahler haben erkannt, was ihnen droht,, wenn die wahnsinnig gewordene Politik Frankreichs forkfährk, die Weltwirtschaft im Chaos zu erhalten. Sie haben erkannt, daß der Vertrag von Versailles Deutschland Lasten aufbürdet, die es niemals kragen oder abtragen kann, und die selbst den Empfängern zum Unheil gereichten müßten, wenn sie erfüllt werden könnten. Poin- ca« mag »och so sehr von der deutschen Zahlungsfähig-
Tagesspregel
Reichskanzler Enno wird im Reichstagscmsschuß ?ür Auswärtiges ausführlich über die Lage sprechen. Sollten im Innern Parleischwierigkeiken entstehen oder seiner Politik das Vertrauen verweigert werden, so würde der Reichskanzler nicht zuüSkreten, sondern nötigenfalls den Reichstag auflösen.
Staatssekretär Bergmann ist aus Paris in Berlin ein- aetrokken. um über die Variier Konferenz der Reicksregierung Bericht zu erstatten. Die Regierung wird nur mit dem Verband als solchem, nicht mit einzelnen Mitgliedern (Frankreich) verhandeln, auch wenn von feindlicher Seite Gewalt angewendet würde.
Reuter meldet, lm Senat in Washington sei ein Antrag angenommen worden, die amerikanischen Truppen aus dem Rheinland zurückzuziehen. — Rach der „Chicago Tribüne" wird der Senat in das Heereskosiengesetz die Bestimmung einstigen, daß Regierungsgclder für die amerikanischen Truppen im Rheinland nicht verwendet werden dürfen. -- Die Vereinigten Staaken scheinen demnach das Gewehr wieder bei Fuß gestellt zu haben und abwarlen zu wollen, bis sie von Europa angerufen werden.
Der österreichische Bundeskanzler Dr. Seipel und Außenminister Gruneberger sind in Budapest einoekroffen und vom ungarischen Reichsverweser empfangen worden.
keit lügen, Amerika ist ebensosehr vom Gegenteil überzeugt. Wie es diese seine Ueberzeugung in die Tat Umsehen wird, werden wir wohl bald erfahren, denn es hat seine Schritte für die Zeit nach dem Schluß der Pariser Konferenz angekündigt. Zunächst hat es in Aussicht gestellt, daß es die deutsche Leistungsfähigkeit feststellen lassen will, und zwar nicht durch die Gläubiger Deutschlands noch durch Deutschland selber, sondern durch eine unparkeische Gruppe hervorragender Bolks- wirkschaftler und Finanzleute. Sobald diese Erhebung erst einmal vorgenommen sein wird, wird viel gewonnen sein. Amerika wird dann den Schreiern, die immer das Gegenteil behaupten, kurzerhand das Maul stopfen können. Welche anderen Mittel ihm noch zur Verfügung stehen, das zu entdecken wird ihm nicht schwer fallen, und daß es über solche verfügt, ist keine Frage. Ob das amerikanische Gewissen nebenbei auch noch ein wenig zu schlagen anfängt, soll nicht weiter untersucht werden; Zeugnisse in dieser Richtung liegen vor. Wenn aber für Amerika j« der Augenblick gekommen war, der Welt einen Dienst M erweisen, dann ist er jetzt gekommen. Daß dieser Dienst gleichzeitig auch Amerika geleistet wird, müßte, so sollte man meinen, die Triebkraft dazu verstärken.
Der dreißigjährige Eottesfrieden
Reichskanzler Cuno hat den Franzosen einen 30jähri- gen Gottesfrieden vorgeschlagen. Am Rhein und wegen des Rheins dürfe es zwischen uns und den Franzosen innerhalb der Dauer eines Menschenalters keinen Krieg geben. England soll dabei der Partner und Amerika der Treuhänder sein. And wenn je ein Krieg droht, dann sollen die Rhelnstaalen durch Volksabstimmung die Entscheidung treffen. , .
Bevor noch der amtlich aufgesetzte Antrag in Paris elnllef, hat Po in care im .Weißen Hause" in Washington Mitteilen lassen, Frankreich werde und könne sich nie darauf einlassen. Frankreich will von dem Frieden nichts wissen und heute, nach Bekanntgabe des englischen Plans, erst recht nicht. Alles, was Poincare wegen .unbestimmter Zeitdauer" und dergleichen Bedenken äußerte, ist eitel Ausrede.
Was aber bezweckte Dr. Cuno mit seinem Antrag? Der Reichsminisier des Aeußern Dr. v. Rosenberg meint, die Reichsregierung wolle nichts anderes, als die 15jährige Besetzung der Rheinlands möglichst bald ablösen. Der Reichsregierung käme es daraus an, Frankreich für ein Mehrfaches der vorgeschlagenen Be- !etzungsfrist Sicherheit und Beruhigung zu verschaffen.
Wiederholt hat Dr. Cuno erklärt, daß Deutschland um keinen Preis dulden werde, daß die Leiden unserer Brüder am Rhein, die Besetzung auf nur einen Tag über die 15 Jahre, also über den 5. Januar 1935, hinaus verlängert werden. Aus diesem Beweggründe heraus ist das Friedensangebot zu verstehen.
Und wahrlich, wenn eine Not und Frage uns heute bis ins innerste Herz hinein zeigen muß, so ist es neben der unseligen Enkschädigungsfrage die ebenso unselige Be- setzunasfrage. Man denke an die .Schwarze Schmacks diesen SchandkleL. den nichts mehr von dem
Englands Rache
französischen Namen abwaschen wird! Man denke cm die unsinnigen Kosten, die die Besahungsarmes mit ihrer Unterhaltung, mit ihren Kasernen, Exerzierplätzen, Flugplätzen, Offiziers- und Ankeroffizierswohnungen, Kosten, mit denen man in kürzester Frist alle zehn nordfranzöst- schen Provinzen, die im Krieg — von den Verbündeten zusammengeschossen worden sind, flott wieder aufbauen könnte. Kostet uns doch die Besahungsarmee in 15 Jahren nicht weniger als 19 Milliarden Eoldmark oder jährlich in Goldwährung 50 Prozent mehr als unser großes Heer in der Vorkriegszeit oder mehr als unsere gesamte Armee und Flotte zusammen im Jahr 1913.
Dr. Cuno hak Frankreich einen 30jährigen Gottesfrieden angeboten. Es ist noch nicht lange her, da hat Lloyd George auf der Konferenz von Genua der Menschheit emen sechsmonatlichen „Gottesfrieden" vorgeschlagen. Cs ist nichts daraus geworden, denn Poincare hak ihn nicht gewollt. Auch den 30jährigen Eokkesfrieden hak er verworfen. Tut nichts! Wenn es auch nicht aus den ersten Hieb gelang, den Giskbaum am Rhein niederzukegen, einmal wird es doch gelingen. Hochmut kommt vor dem Fall, und nicht selten früher, als Menschen ahnten. kl.
Die Einigung mit der Türkei
England hat in dem Zusammenbruch der Pariser Konferenz eine schwere diplomatische Niederlage erlitten, jchlim? mer noch: es hat eine unerhörte Beleidigung durch Frankreich erfahren, wSMver die „herzlichen" Abschiedsredensarten zwischen Bonar Law und Poincare nicht hinwegtäuschen konnten. Niemand wird sich wundern, wenn prompt der Gegen s ch l a g erfolgt. Dieser Gegenschlag wird nicht geführt in der Entschädigungskommission (durch den Rücktritt Brad- burys), auch nicht im Rheinland (durch Abberufung der britischen Besatzung), sondern in — Lausanne durch eine englisch-türkische Verständigung. Darüber erhalte ich folgenden Lausanner Sonderbericht eines Schweizer Mitarbeiters:
Die englische Regierung hat es auf der Türkenkonferenz durchgesetzt, daß die Verhandlungen unbeeinflußt durch den Krach von Paris fortgesetzt werden. Die Großmächte mußten sich zu einem „Eomitä cle Eovr (ination" zusammentun, dessen M'tglieder Lord Curzon, der Franzose Barrere, der Italiener Garroni und der Japaner Hnjashi sind. Das Komitee hat die einzige Ausgabe, den Friedensoertrag mit der Türkei neu aufzulegen, wobei die beiden letzten Kapitel, betreffend die Südgrenze von Kleinasien und die Mossulfrage weislich unberührt bleiben. Am 9. oder 10. Januar soll das Werk vollendet sein. Auch in den Unterkommissionen für Minderheiten und „Kapitulationen" geht die Arbeit weiter. Die englischen Sachverständigen linder Angoravertreter Jsmed Pascha beherrschen hier das Feld. Jsmed erklärt zwar, er weiche keinen Finger breit von seinen bisherigen Ansprüchen ab. Aber alle Eingeweihten wissen, daß Hassan Bey mit neuen entgegenkommenden Vorschlägen des Parlaments von Angora unterwegs ist In der Kap itulati ans frage ist England zu einem Vergleich bereit, wenn die Türken hinreichende Sicherheiten für eine neue Gesetzeshandhibung gegen die Nichttürken geben. In -er Unterkommission für fi - nanzielle Fragen bringt andererseits die türkische Abordnung einen Gegenvorschlag ein, der die Verteilung der ottomanischen Schuld auf die Nachfolgestaaten neu regelt. Und England läßt mit sich reden! Die f r a n z ö s i s ch e Vertretung ist seit einigen Tagen so gut w:c a u s g e s ch alt et, da Poincare, überlastet durch die „Kriegsvorbereitungen" gegen Deutschland, ihr keine Anweisungen mehr zugehen läßt. England nützt diese Schwäche aus, und man wird in der Vollsitzung, die auf die neue Woche verschoben wurde, ein« graste Üeberraschung erleben!
Soweit der Lausanner Bericht. Cr wird gewissermaßen bestätigt durch eine von englischer Sette verbreitete Meldung,, der geflüchtete Sultan MohamedVl. werde sich von Malta auf einem englischen Schiffe nach — Mekka begeben. England muß sich also mit Angora durch irgend welche Sonderabmachungen geeinigt haben. Der neue Kalis Abdul Medschid, der von der Nationalversammlung in Angora eingesetzt wurde, bleibt in Konstantinopel. Dafür aber wird Mohamed Kalif in Mekka, und zwar unter dem Schutz der von England abhängigen Feisaldynastie. Mit diesem Kalifat m Mekka findet sich der türkische Nationalstaat ab, wenn England einen Gegenwert bietet. Cs bietet die Aufhebung desVertragsvonSevres, und man erkennt bereits deutlich die Fäden des Riesenplans, die in London gewoben werden. Es ist ein Plan Lord Curzons, des ehemaligen Vizekönigs von Indien. Curzon vertritt seit Jahren den Ge» danken, daß nicht nur Indien, soweit dies durch d'c Erziehung der geistigen Oberschicht gerechtfertigt ist, eine n beratenden Parlamentarismus entgegengeführt werden müsse, um nicht zu explodieren, sondern daß auch tzie mohammedanisch. Völler