ldbader
(Enztalbote)
Amtsblatt für WWbad. Chronik unk» Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 241
Fernruf 179
Wildbad, Samstag, den 14. Oktober 1922
Fernruf 179
57. Jahrgang
Kurze TagesübersichL.
YM Käthen«,tmordproß soll am Samstag das Urteil »«fällt werden. Nach der Berhandlnngslage ist ge» zen den älteren Lechow ein Todesurteil nicht zu er» »arten. >
Tie Posttarife sollen aus 1. Dezember erneut »M U»0 Prozent erhöht werden. >
Ter Rcichsrat genehmigte die Verdreifachung ded Preises für das erste Drittel des Umlagegetreides.
Tie Reparationskommission beschäftigt sich mit der Kinanzlage Deutschlands. Ein Antrag Bradbury soll eine mehrjährige Stundung der deutschen Zahlungen, zugleich aber verschärfte Finanzkontrolle vorsehen.
Frankreich hat 22 deutsche Kriegsgefangene begnadigt, aber vier weitere noch unter Herabsetzung der Strafzeit znrückbehalte«.
Wochenrundschau
Reichskanzler Dr. Wirth ist aus dem Urlaub miedet nach Berlin zurückgekehrt und nun kann der politische Betrieb im Reich wieder in Gang gesetzt werden. Ganz geruht er freilich inzwischen nicht. Neben anderem wurden von den Parteien Vorbereitungen für die Re i ch s p rä si d e n- tenwahl getroffen, die nach dem Vorschlag der Reichsregierung am 3. Dezember ds. Js. stattfinden soll. Schon vor mehreren Monaten war zu diesem Behuf die „Arbeitsgemeinschaft der bürgerlichen Parteien" geschaffen worden, und zwar soll von den Regierungsparteien, womöglich mit Einschluß der Deutschen Voll'spartei, die Kandidatur des bisherigen Reichspräsidenten Ebert, der von der Nationalversammlung in Weimar „vorläufig" gewählt worden war — die Verfassung verlangt die Wahl durch Volksabstimmung —, als wirklichen Präsidenten mit der gesetzlichen Amtsdauer von sieben Jahren wieder ausgestellt werden. Vertreter der Regierungsparteien hatten bereits mit dem Reichskanzler in Konstanz, wo er seinen Urlaub verbrachte, eine Besprechung und-der Vorschlag, einen „überparteilichen" — nebenbei bemerkt, ein schauderhaftes Wort — Wahlausschuß zu bilden, der für die Kandidatur Ebert wirken soll, fand die Billigung des Reichskanzlers.
Die Deutsche Volkspartei will aber noch nicht so rechi mittun. Ein Teil der Partei stößt sich an der Zugehörigkeit Eberts zur Sozialdemokratie. Auf der andern Seite besteht rber ein Interesse daran, die Deutsche Volksparte, in di- jetzige Regierungskoalition hereinzubekommen und mit ihr die „große Ko alition" zu bilden. Denn nach dem Zu- sammenschluß der beiden sozialdemokratischen Parteien verfügt die Versin-gte sozialdemokratische Partei innerhalb der Regierungskoalition des Reichstags statt über 113 nunmehr über rund 180 Sitze, gegen nur noch 117 Sitze des Zentrums und der Demokraten, und es ist klar, daß dieses Stärkeoerhältnis auch in der Zusammensetzung des Reichs! ab in etts seinen Ausdruck finden muß, dem derzeit noch 7 Vertreter der beiden bürgerlichen Parteien und 4 Sozialdemokraten angehören. Das Auswärtige Ami und das — allerdings auch ganz überflüssige — Wiederaus« dauministerium sind unbesetzt. Die Sozialdemokratie verlang! für sich vor allem das Reichswehrministermm. Würde di< Deutsche Volkspartei der Koalition bsitreien, so wäre mit derl 65 Stimmen dieser Partei eine wenn auch sehr kleine Mehr, heit der bürgerlichen Koalitionsparteien wieder hergestelll, Koalitions- und Kandidatenfragen sind aber eng mitemande, verflochten, und daraus erklärt, es sich, daß die Verhand« jungen zwischen den beteiligten Parteien bis jetzt noch z l keinem Ergebnis geführt haben.
An die ganze Trostlosigkeit der Lage des Reichs wurden wir unsanft wieder erinnert durch deu plötzlichen Sturz der Mark. Daß es mit unserer Mark unter dem Druck de, heillosen Friedensvertrags und seiner noch hell- loseren Durchführung unaufhaltsam bergab gehen muß, sieh! nachgerade jedes Kind ein. Nicht weniger als 41 Milliarden Goldmark sind seit dem Waffenstillstand vom November 1918 aüs dem deutschen Reichs- und Volksv»rmögen von den Feinden herausgezogen worden, die Vesatzungskosten allein haben etwa 5 Milliarden Goldmark oder 1625 Milliarden Paviermark verschlungen. Bezeichnenderweise hat es di«
Entschädigungskommission versucht, uns und die Welt wieder einmal ordentlich zu bemogeln, indem sie aus ihren „Hauptbuch" nachwies, Deutschland habe an seinen Kriegs Verpflichtungen bisher nicht mehr als sieben Milliarden iir ganzen abgetragen. Vom Reichsfinanzministerium wurde aber stracks die nötige Aufklärung gegeben und die Parisei Neunmalweisen mußten zugeben, daß sie stch im zusammenzählen verrechnet und Kleinigkeiten wie verschiedene Gold- Milliardenposten übersehen haben. — Nimmt man noch hinzu daß in Deutschland die Warenerzeugung m weiterem Sinr gegenüber dem letzten Vorkriegsjahr auf 60 Prozent zurückgegangen ist, sich also um volle zwei Fünftel verringert hat während der Verbrauch nur um ein Fünftel abnahm un- immerhin noch 80 Prozent des Verbrauchs der glückliche» Vorkriegszeit beträgt, so braucht man kein Rechengenie zv sein, um den Niedergang unserer Währung zu verstehen Es geht dem Staat nicht anders als jedem Haushalt: wen» die Ausgaben immer größer und die Einnahmen immer kleiner werden, dann muß auch der Kredit schwinden. Dei Währungsstand ist aber ein Wetterglas für den Staatskrtzdit
Soweit ist alles verständlich; wir befinden uns in einem wirtschaftlichen Auflösungsprozeß, dem wir nicht entrinnen können, solange die Fessel des Fnedensvertrags nicht gesprengt ist, und da hilft keine Finanzkonferenz und kein Amerika. Wie kam es aber auf einmal zu dem fürchterlichen krach, der den welcherühmi gewordenen Dollar aus 3400 -A — der amtliche Kurs nannte allerdings nur 2966 Mark — rmporschnellen ließ und die Mack auf einen Achtelspfennig mtwertete? Und nach vier Tagen sank der Dollar wieder ruf 2400! Warum? Was ist geschehen, das die Mark wieder im so viel wertvoller gemacht hätte? Niemand weiß es als ue Großschieber, die an den Vö.ft'n die Kurse machen und di« in ver Papiermarr einen Vpermanonsgegenjlano gesunoen haben, wie ihn ein ganzes Jahrhundert nicht wieder bringt. Flugs sind auch die Warenpreise dem Dollar in die Höhe gefolgt; der Handelsteil jeder Zeitung vermeldet jeden Tag neue „Preiserhöhungen". Liest man aber etwas davon, daß sie mit dem sinkenden Dollar auch wieder herabgesetzt werden? Keine Spur. Und das ist das Gefährliche.
Die Reichsregierung sucht nun allerdings nach österreichischem Muster und auf den Wink des überwachenden Gartantieausschusses einzuschreiten. Den gewissenlosen De- oifenspekulanten wird durch eine Notverordnung der Korb etwas höher gehängt und es wird ihnen auf die Finger geklopft, — wofern man sie erwischt. Die größten Uebeltäter werden wohl unbehelligt bleiben, denn )ie sitzen im sicheren besetzten Gebiet oder jenseits der chwarz-rot-gelben Grenzpfähle. Zum andern will die Reichsregierung eine innere Anleihe in Schatzanweisungen von 400 Millionen Goldmark, das sind nach dem amtlichen Kurs 130 Milliarden Papiermark — in Wirklichkeit viel mehr — ausgeben, um den Markkurs zu stützen. Eine Zeitlang wird das ja gelingen, aber hernach wird das Uebel größer sein denn zuvor, weil die Verpflichtung des Reichs um die Verzinsung der Schulden u. die Rückzahlungssummen vergrößert wird. Andere meinen, man solle einfach den Goldschatz der Reichsbank angreiftn, der nutzlos daliege. Das wäre aber ein gefährlicher Versuch. Wenn »uch noch das Reichsbankgold flöten geht, dann haben wir überhaupt nichts mehr, auf das sich eure Währung gründete und das deutsche Volk müßte zu einer Masse von Arbeitssklaven werden, denn seine Arbeit wäre d-...i noch sein einziger Besitz.
Aber freilich, das wäre so ganz nach dem Wunsch unserer „Gläubiger". Der neue Vorsitzende der Pariser Entschädigungskommission, B a r t h o u, hat m »einer Rede beim Amtsantritt keinen Zweifel darüber gelassen, daß er Deutschland gegenüber durchaus im Sinn Poincares verfahren werde. Nach einigen bedeutungslosen Redensarten von Recht und Vernunft suchte er sofort eine „Verfehlun g" Deutschlands heraus; es sei gegen Zubilligung des Zahlungsaufschubs verpflichtet worden, den Stand seiner schwebenden Schuld vom 31. März 1922 mit damals 281 Milliarden Pa- piermark nicht zu überschreiten, außer unter Deckung durch Steuern oder innere Anleihen Jetzt beträgt 0!« schwebende Schuld über 450 Milliarden ohne neue Steuern und Anleihe. Barthou drohte mit derAufhebungde- Zahlungsaufschubs — Fortsetzung der Drohpolitik Poincares. Die vorgenannte 400 Millionen-Soldanleihe ha! demnach auch den Zweck, die unterlassene Anleihe nachzu- holen, wobei die Frage often bleibt, ob das nötig« Geld dajür
neben der vom Reichstag bereits beschaffenen Zwangs» an leihe von 60 Milliarden Papiermark überhaupt noch vorhanden ist. Jedenfalls wird die Verarmung Deutschlands wieder einen starken Schritt vorwärts tun, und je mehr sie zunimmt, um so rücksichtsloser kann seine Arbeitsleistung ausgebeutet werden. Der Ester, mit dem Frank, reich sich auf die S a ch l i e f e r u n g s v e 7 t r ö g e mit deutschen Jndustriegesellschaften, deren es immer mehr werden^ stürzt, ist verdächtig. Selbst die französischen Hetzblätter geben zu, daß die Reichsregierung, zumal bei der starken Mart- entrvertung, gar nicht imstande sein werde, die Lieferungen zu bezahlen.
Aber wozu hat man denn die Sanktionen? Nach glaubwürdigen Berichten hat die beharrliche Politik Poincares es nun doch erreicht, daß Frankreich am Rhein völlig freie Hand gegen den deutschen Schuldner erhält. Poincare ließ mit vergnügten Sinnen den polternden Lloyd George in die Kriegsgefahr im Orient htneiw stolpern, bis er nicht mehr aus noch ein wußte England in seiner Vereinsamung hätte wahrscheinlich am Bosporus schlechte Geschäfte gemacht. Doch Poincare wollt« es selbst nicht auf einen Krieg ankommen lasten, es stand doch auch für Frankreich zu viel auf dem Spiel. Aber mürbe machen wollte er den Briten, und das ist ihm glänzend gelungen: Zweimal war der Karren Lloyd Georges so verfahren, daß der englische Außenminister Lord Curzon in Paris bei Poincare um gut Wetter bitten mußte Er hat es jedesmal erreicht, aber unter der Bedingung, daß England, wie «4 heißt, darauf verzichtete, in die Sanktionspolitik PoincarLt am Rhein dreinzureden. Dafür gab Poincare den Türken preis. So kam der Waffen still st andsvertrag von Mudania zustande. Das einzige, was Kemal Pascha übe» das Angebot der Verbündeten in ihrer Note vom 23. September hinaus erreichte, ist das, daß tue Griechen Thrazien kr 14 statt in 30 Tagen geräumt haben müssen. Im übrige? bleiben alle Einschränkungen für die Türken, einschließlich der neutralen Zone, bestehen. Die Engländer bleiben »vor« läufig" in Konstantinopel, das „neutral" wird; und davor» daß sieTschanak und die Dardanellen räumen sollen, steh! im Vertrag kein Wort. Es ist noch nicht ersichtlich, w« Kemal veranlaßt hat, diesen Vertrag zu unterschreiben; fein Generalstabschef Jsmed Pascha hätte es nicht getan; um so weniger» als von Moskau fortwährend zum Lost schlagen angereizt wurde und auch Persien und Afghanistan als islamitische Staaten den Türken ihr« Hilfe anboten, Ohne Zweifel hat Kemal triftige Gründe für seine Zurückhaltung gehabt; daß auf Frankreich kein Verlaß ist, das Hai er ja wohl schon vorher gewußt, es hat ihn bisher nicht « « Webe zu den Türken unterstützt, sondern — aus Haß gegey England.
Großbritannien aber hat sich auf schönste Manier tnä Äner heiklen Sache gezogen: cs >n:i als der Sieger an den Meerengen gellen. Das T. '- 'st des französischen Nyeins gegen die englischen Dardanellen ist „perfekt" imlj in absehbarer Zeit kann Großbritannien wieder die „Schutz» macht der Türkei" sein. Allerdings hat das die altenglisch« liplomatische Schule gemacht, Balsour und Curzo« Das Verdienst Lloyd Georges ist es nicht. In England ist üaher die Unzufriedenheit mit seiner Politik, die Groft» britannien unter Frankreich heruntergebracht hat und im Orient beinahe zu einer Katastrophe für England geführt, hätte, so verbreitet worden, daß offen sein Rücktritt oe« langt wird und er selbst als letzten Ausweg die Auflösung !>es Parlaments ins Auge gefaßt hat. Ob er noch enmnck triumphieren wird? Unmöglich ist es nicht, denn in de« ..inneren Politik" ist der Demagoge Lloyd George ein Meister ohne gleichen. H
Ein Weltreisender über das Christentum
ep. Zu den gelesensten Büchern gehört gegenwärtig das .Reisetagebuch eines Philosophen" von Graf Hermann Keyserling. Der Verfasser hat sich auf einer Weltreise nach- nnander in die bedeutendsten philosophischen und religiösem Systeme Asiens innerlich einzuftihlen gesucht mrd gelangt o zu Urteilen über sie und ihr Verhältnis zum Christentum,, )ie nicht frei von Widersprüchen sind. Gegen den Schlutz «iiics Werkes aber kommt er zu einer förmlichen Ehren» eettung des Christentums, in der es u. a. heißt: „Das Chri- tentum ist eine Religion der praktischen Tat und als solche Iberragt sie alle andern. Unter den christlichen Völkern allein lind di« Sdeen der Liebe, der Barmherzigkeit, der Humanität