Wader Tagblatt
(Enztalbote)
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Druck der Buchdruckerei Wilddoder Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nurnrr er 240 Fernruf 179
Wildbad, Freitag, den 13. Oktober 1922 Fernruf 179 57. Jahrgang
- Tagesspiegel
^ Leichskanzler Dr. Mrlh ist wieder in Berlin eingelroffen.
Die britische Regierung wird, laut Reuter, am 16. Oktober 50 Millionen Dollar als Iahreszins der britischen Kriegs- schuld bei den Vereinigten Staaten an die Bundes-Reserve- Ärnk in Reuyork bezahlen.
Havas weiß von einem in Berlin abgeschlossenen form- lichen Militärbündnis zwischen Moskau und Angora zu berichten-
Rach einer Meldung aus Moskau haben Persien und Afghanistan sich zu (militärischer) Unterstützung der Türken bereit erklärt, falls die Verbündeten die türkischen Rechte in Thrazien nicht achten sollten.
Die britische Regierung Motz mit dem arabischen Emir Fefsal von Irak (Mesopotamien) einen Vertrag, der auf ro Jahre die auswärtigen Angelegenheiten und das Finanz, wesen Mesopotamiens der englischen lleberwachung unter- wirst und England auf Grund des »Völkerbundsmandats" weitere politische und wirtschaftliche Vorrechte (Lrdölquellen, Baodadbahn usw.) zusichert. Sobald Mesopotamien, heißt es In dem Vertrag, in den Völkerbund ausgenommen sei, erlösche das britische »Mandat".
Die Achtelpfennig-Mark
" Unaufhaltsam eilt die Mark dem Abgrund zu. Jeder Tag bringt einen neuen Gipfelpunkt in den Preisen der fremden Zahlungsmittel. Am 10. Oktober nannte man für den Dollar bereits 3400 Mark, und niemand wagt all die Möglichkeiten auszudenken, denen die deutsche Valuta noch ausgesetzt ist. Eine vorsorgliche Münzverwaltung läßt in diesen Zeiten Dreimarkstücke prägen. Besser wäre es, sie sagte dem Staatsbürger, was er mit diesem neuen Taler anfangen soll; für eine Bahnsteigkarte reicht er noch allenfalls aus, für eine Postkarte schon nicht mehr, denn für die ist auch noch ein Papier^ zuschlag zu zahlen. Wir find nicht imstande, die neuesten Preise aufzuzählen, weil sie von der Wirklichkeit längst überholt sind, ehe noch die Druckerschwärze trocken ist. Aber lehrreich ist es immerhin, im Buch der Erinnerungen nachzublättern und den Blick nach dem Land zu lenken, das der Schrittmacher im Sturz der Mark ist, nach Oesterreich. Der heutige Dollarkurs in Berlin, so schreibt die Köln. Ztg., entspricht fast genau dem Preis, den man im Oktober 1921, also vor einem Jahr, in Wien zahlte. Auch damals gab es gelegentliche Rückschläge um ein paar hundert Kronen und eine Verdoppelung des Preises innerhalb von zehn Tagen. Eine Währung, die sich in der Hauptsache nur auf den Kredit eines in seinen Verpflichtungen erstickenden Staats stützt, ist auch den unwahrscheinlichsten Zufällen ausgesetzt. Damals vor einem Jahr waren in Wien die Preise und namentlich auch die Löhne und Gehälter noch viel niedriger als jetzt in Deutschland. Man zahlte z. B. für das Pfund Bohnen 3Z Kronen, für Erbsen. 45 Kronen, für das Rindfleisch 120 Kronen, für freie Margarine 175 Kronen, für einen fertigen Anzug mittlerer Güte 12 000 Kronen, für eine Straßenbahnfahrt 9 Kronen, für den Kubikmeter Gas 16 Kronen usw. Wir sind in den Preisen und Löhnen ein gutes Stück schneller als unsere Stammesbrüder in Oesterreich der Entwertung unseres Gelds nachgekommen und dementsprechend weniger wettbewerbsfähig auf dem Weltinarkt geworden, soweit er uns überhaupt noch offen steht. Und wir erleben zugleich eine Kreditkrise, deren Folgen in unserem übervölkerten Land noch viel schwerer auf der Wirtschaft lasten als in Oesterreich.
Es hat keinen Sinn, die Augen vor dem Ernst der Lage zu »erschlichen. Unabhängig von den unerträglichen Lasten des Versailler Vertrags entwertet Deutschland mit dem wirbelnden Gang seiner Notenpress« Tag für Tag seine eigene Valuta. Dis Neunmalweisen im Ausland haben gut reden, wenn sie uns die Stillegung der Notenpresse empfehlen, am. liebsten sogar befehlen möchten. Es kann gar nicht laut genug hinausposaunt werden, daß die Macht der Verhält- -nisse Deutschland zwingt, die Arbeit seiner Notenpressa in den nächsten Wochen noch zu vervielfachen, um für den gestiegenen Preis- und Lohnstand die nötigen Geldzeichen zu beschaffen. Wie kann man noch von der Entwürdigung der Mark sprechen, wenn diese auf einen Stand herabgesunken ist, der sich nur noch in Bruchteilen der kleinsten Scheide- münze der neutralen Länder ausdrücken läßt? Der in Aussicht Mellte Fünfzigtausendmarkschein mit einer Zahlkpast
von 100 Friedensrnark ändert nichts an den Tatsachen. V fördert höchstens die Geschäfts der Notenhamsterer, die noä an die Zukunft der Mark glauben. Aber aus die Dauer kam auch die größte Begeisterung für Sachwerte nicht dahir führen, daß nun auf unabsehbare Zeit hinaus der rechnend« Familienvater Schuhe, Stiefelsohlen, Seife, Waschpulver, Le bensmittel und Stoffe auf Vorrat kaust. Die Preise sorger dafür, daß die Bäume des Hamsterers nicht in den Himmc wachsen.
Vis in wette Kreise hinein wächst allmählich die. Erkennt nis, daßnurdieHebungderGütererzeugungdm deutsche Volk vor dem vollen Zusammenbruch seiner Wirtschaft bewahren kann. Und doch predigt mau noch tauber Ohren, wenn man ihnen sagt, daß mehr Arbeit dis er^< Voraussetzung für erhöhte Gütererzeugung ist. Solange dü Wissenden nicht den Mut haben, diese Erkenntnis üb ra§ zu vertreten, solange sie immer noch glauben, kleine Mitte! für die Heilung unermeßlicher Schäden empfehlen zu soll-n, versinkt dis deutsch« Wirtschaft unrettbar in den Abgv—id. rus dem der Ausstieg jeden Tag hasinu-i-slot»» vü-d. Wei 5ie gegenwärtige Kreditkrise in ihrem «wnzer ib kmg k-'Mt sann schon jetzt nicht wehr die Befürchtung un . daß
oer Henpunri sur me »ievung oer wuiererzeugung verpatzt ist. Darum muh immer wieder die Forderung wiederholt werden, daß die Regierung endlich dem deutschen Volk reinen Wein über seine furchtbare wirtschaftliche Lage einschenkr. In seinen schlimmsten Zeiten, im Elend des Dreißigjährigen Kriegs und in den Zeiten der Blockade, ist das deutsche Volk niemals so unerbittlich ausgeplündert worden, wie jetzt, wo die Mark auf den achthundertsten Teil ihres einstigen Werts gesunken ist.
Der Rathenau-Mordprozetz
Anklage und Strafantrag des Reichsanwatts. "
Leipzig, 12. Oktober.
Am Mittwoch wurde die Vernehmung der Angeklagten beendet. Oberreichsanwalt Dr. Ebermayer führte darauf in seiner Anklagerede, nachdem er kurz den Hergang bei der Mordtat geschildert hatte, u. a. aus: Die Täter der mit Ueber- legung ausgeführten Tötung waren Kern und Fischer, die sich der irdischen Gerechtigkeit entzogen haben, und der Angeklagte Werner Techow. Diese drei Personen haben in bewußt gewolltem Zusammenwirken mit Mittätern die Tat begangen. Das Verbrechen zeugt von einer politischen Unreife und Verblendung. Es liegt eine besondere Tragik darin, daß Rathenau selbst den Schlüssel zu der Mordtat gab in einer Unterredung mit einem Holländer über den Erzbergermord. Darin sagte Rathenau, der Mittelstand sei unweigerlich dem Untergang geweiht und in der letzten Verzweiflung erwachsen aus dem Mittelstand solche Taten wie der Erzberg ermord; die Söhne des sterbenden Mittelstands, die in Erzberger einen Totengräber ihres Stands sahen, schrecken dann vor dem Aeußersten nichi mehr zurück. Es ist nun die Frage, fuhr der Oberreichsanwoli fort, ob die Täter selbständig gehandelt haben, oder ob hinter ihnen gewisse Kreise und Vereinigungen stehen. Nach der Ermordung Rathenaus wurde behauptet, vaß die Täter die Werkzeuge von bestimmten Organisationen gewesen seien. So wie die Verhältnisse bis heute liegen, kann diese Behauptung nicht als erwiesen bezeichnet werden. Die Fäden, die von den Tätern nach verschiedenen Seiten zurückführen, sind zu verwirrt, als daß sie schon heute entwirrt werden könnten. Es ist selbstverständlich, daß mit allen Mitteln versucht wird, das zu tun. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Anklagebehörde sein, den Beweis zu erbringen für die damals ausgestellte Behauptung. Diese Behauptung ist bis heute noch nicht erwiesen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, darauf Hinzuweisen, daß im Laufe der Voruntersuchung und der Verhandlung eine Reihe von Umständen hervorgetreten sind, die, wenn nicht die Annahme, so doch die Möglichkeit nahe- legen, daß hinter den Tätern gewisse Organisationen und Verbände folgen, die die Täter zu der Tat aufgereizt haben. Als ein solcher Umstand ist heroorzuheben, daß bei allen politischen Gewalttaten, so auch bei der Ermordung Dr. Rathenaus, es eigentlich immer dieselben Kreise und Personen sind, die in Frage kommen. Die Angeklagten hatten eine Menge persönlicher Beziehungen. Man hat unwillkürlich das Gefühl, es handle sich um die Glieder einer großen Kette. Nach Darlegung des Tatbestands suchte der Oberreichsanwalt die Schuld der einzelnen Angeklagten im Sinn der Airklageschrift nachzuweisen. Er habe die feste Ueberzeugung, daß Sie Angeklagten, die der Beihilfe beschuldigt sind, vor der Tat in die Plan «Kern» und Fischers singe- weiht waren. --
Daraus stellte der uverrercysanwait folgende «Strafantrage:
Gegen Ernst Werner Techow wegen Mittäterschaft die Todesstrafe, gegen Gerd Techow wegen Beihilfe und Begünstigung 4 Jahre 3 Monate Gefängnis, gegeck Günther wegen Beihilfe und Begünstigung 6 Jahre 8 Monats Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust, gegen o. S a lo- mon 5 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Warnecke 4 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehroerlast,, gegen Niedrig 5 Jahre Zuchthaus und 3 Jahre Ehrverlust, gegen Ilsemann wegen Beihilfe 4 Jahre 9 Monats Zuchthaus und 8 Jahre Ehrverlust wegen Unterlassung, gegen Steinbeck 3 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust wegen Unterlassung der Anzeige, gegen Schütt und Diestel Freisprechung wegen Beihilfe, wegen Begünstigung 6 Monate Gefängnis, gegen Ti Hessen und Platz s Jahrs Gefängnis wegen Unterlassung der Anzeige, und gegen Boß Freisprechung. Außerdem beantragte der Oberreichsanwalt die Ciüziehung der Maschinenpistole, mit der ««. Lat ausgeführt worden ist. . ^
Die 14 Punkte des Waffensttllstairdsverttags
London, 12. Okt. Wie „Associated Preß" meldet, haben die Militärbevollmächtigten in Mudania folgende vierzehn Punkte unterzeichnet:
1. Die griechischen Truppen haben binnen 14 Tagen Thrazienzu räumen. 2. Die griechische Zivilgewalr und die Polizei müssen sich so schnell als möglich zurückziehen, 8. Jzr dem gleichen Maß wird die Zw'lgewalt den Verbündeten übertragen, die sie am gleichen Tag den türkischen Behörden übergeben. 4. Diese Gewaltübertragung muh innerhalb 30 Tagen vom Tag der vollständigen Räumung durch die griechischen Truppen beendet sein 5. Die türkischen Zivilbehörden werden aus einer Polizeigewalt bestehen. Die Bemessung der Zahl wird den Türken überlassen unter Vorbehalt der Genehmigung durch die verbündeten Generäle. 5. Der griechische Rückzug und die türkische Wiederbesetzung geschehen unter Leitung der verbünd.'teil Kommission, di« die hauptsächlichsten Punkte besetzen werden. 7. Außerdeni werden Verbandstruppen Ostthrazien besetzen, dis ? Bataillone nicht überschreiten und unter dem Befehl der Kommission stehen. 8. Die Kommission und ihre Truvpen werde« sich 30 Tage nach der Räumung durch die griechischen Truppen zurück'ziehen. Der Rückzug kann früher geschehen, wen» die Verbündeten zu der Ueberzeugung gllangt sind, daß die für den Schutz der nichttürkischen Bevölkerung nötigen Matz» Nahmen getroffen sein werden. 9. Dis türkischen Trupp«^ haben sich aus allen neutralen Gebieten der ME», «naen Lurückrusieben. Nene neutrale Gebiete we», den durch eine gemischte Kommission bestimmt werden, dl« aus verbündeten und einem türkischen Offizier zusammeng« setzt sind. 10. Auf der Halbinsel von Konstantinopek wird di« verbündete Besetzung östlich bis zu einem Punkt ausgedehnt werden, der 7 Kilometer nordwestlich von Podina liegt und über Jstrandja, Kichtajla, Kara Koikeur, Fladinn, und Kalioralina einschließlich geht. 11. Die Halbinsel G a l l t» poli südlich der Linie Balia-Burnu-Dulair und die Umgebung des Goghluk wird zur Zone gehören. 12. Bis zur» Lage des Rückzugs der verbündeten Truppen aus der new», traten Zone verpflichtet sich die Regierung von Angora, die Zone zu respektieren. 13. Die Regierung von Angora vev» pflichtet sich, keineTruppennachThrazienzu brirr» gen, und dort bis zum Friedensschluß kein Heer zu bildeA 14. Das Abkommen wird drei Tage nutz der UnterzeW nung in Kraft treten.
Dieser Vertrag ist von den Bevollmächtigten Englands« Frankreichs, Italiens, der Türkei und Griechenlands ust«N zeichnet worden. ^ ^
" Auf kosten Deutschlands k-
Rom, 12- Okt. Die neue Entwicklung der Orkenkkristi vM die dadurch bedingte Verschiebung der Lage in Europa hat laut T.U. in den diplomatischen Kreisen in Rom Beunruhigung hervorgerusen. Der unzweifelhafte Erfolg Lord Curzons, Frankreich auf die Seite Englands zu bringen, soll dadurch erkauft worden sein, daß den französischen Forde« runaen nach politischen und militärischen Sicherheiten im Rheinland in einem bisher nicht gekannten Umfang Zugeständnisse geinacht und auch die französischen Ansprüche auf das Saargebiet anerkannt wurden- Nur beglich des Ruhrgebiets soll Curzon einige Vorbehalte gemacht haben,
Neue Nachrichte rr /I
Reue Teuerungszulagen ^
Derkin, 12. Okt. Die Vertreter des Deutschen Beamten- bundes und der Freien Gewerkschaften traten gestern zu- fammen, um über di« Forderung einer neuen Leuerungs» zutage zu beraten.