(Enztalbote)

Amtsblatt für BWbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Nimm er 238

Fernruf 179

Tagesspiegel

Auf Wunsch Lloyd George wird (aus Wahlgründen) ein vollständiger Berichs über die Besprechung Lloyd Georges mir den Arbeiterführern am 21. September veröffentlicht, worüber bis ,'ehk kein eingehender Bericht ausgegeben war. Lloyd George will zeigen, daß er in der Orient- und Kriegs­lage mit den Arbeiterführern völlig einig sei wenigstens ichcint er sich damals so ausgesprochen zu haben. Ferner erzählt der Bericht. Lloyd George habe sich nicht nur für Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund ausgesprochen, sondern auch versichert, er werde Deutschland unterstützen, auch in den Vökkerbundsrat zu kommen. Lloyd George hat schon viel versprochen.

Warschau Fach und General Weygand sind am Mm tag abend von Paris nach London abgereist, um als Vertreter der Republik an der krönungsfeler teilzvnehmen.

Reuter macht darauf aufmerksam, daß die Bürgschaft der Verbündeten für die griechische Räumung Ost-Thraziens die Anerkennung des neutralen Gebiets zur Voraussetzung habe. Das werde aber von den Türken nicht beachtet, denn noch immer stehen türkische Truppen bei Jsmid.

Die Engländer haben der türkischen Stadt und Hafen­polizei alle Waffen abgenommen.

Verlieret die Freude nicht!

Es hat seinen guten Grund, wenn einsichtige Volksfreunde immer stärker die Notwendigkeit eines inneren und innersten Wiederaufbaus betonen. Kulturpessimismus und Unter­gongsstimmung, Gedrücktheit und Müdigkeit sind ganz be­greifliche Gegenwartserscheinungen, aber sie bedeuten einen Ungeist, der durch einen besseren Geist überwunden werden muh. Wenn alles und jedes immer nur mit dem Unfrohen und Hoffnungslosen behängt wird, wenn es bei jedem ehr­lichen deutschen Tun und Wollen gleich heißt, das habe ja doch keinen Zweck, keine Erfolgsaussicht, keine brauchbare Zukunft, dann kann und soll man freilich nicht erwarten, daß viele mit Einsetzung aller Kraft am deutschen Aufbau mit­machen. Diese Kraft wird bann gelähmt, ehe sie überhaupt in Tätigkeit tritt. Tausendmal hat man's gesagt und gedruckt, daß unser Volkskörper krank sei, und diese bittere Empfin­dung ist auch ganz richtig; aber einem Kranken hilft man nicht dadurch, daß man ihm fortgesetzt einredet, er könne sich nur gleich begraben lassen.

Unserem Volk ist die Freude verloren gegangen, und es muß alles geschehen, daß sie ihm wiedergegeben werde. Das scheint eine seltsam Behauptung zu sein, wenn man sich oer- gegenwärtigt, welcher Vergnügungsrummel Männlein und Weiblein ständig in Bewegung setzt Aber dieser Taumel in hoppsasa und Trallala, in Verbildung mit mehr oder we­lliger Schlemmertum, ist doch nur ein Zerrbild wirk­licher Freude. Es ist ein Uebertäuven- und Nichisehen- wollen, ein wahnwitziges Lachen und Machen in gesteigertster Lebensgier, und dahinter hockt eins heiße, heimliche Angst, ,b denn nicht bald, allzubald, der grausig letzte Akt der allge­meinen Zusammenbruch-Tragödie folgen möchte. Mau '-raucht sich nicht erst besonders in moralische Entrüstungen ssineinzuwettern, man kann und muß aber doch feststellen, daß yeute eine beispiellose sittliche Verwilderung Platz gegriffen ^at, und daß sie sich wie etwas ganz Natürliches und Selbst­verständliches gibt. Man muß überhaupt fragen, ob es ange­bracht ist, in heutiger Zeit Feste zu feiern, voll tollster Lust md kostspieligen Vergnügungen. Zum Beispiel: War es virklich nötig, auch in diesem Jahre das Oktober-fest in Mün- hen in größtem Ausmaße zu veranslaltcn, ein Fest, das einen harmlosen und gemütoo'.lea Charakter mehr und mehr »erliert und für sehr viele nur noch eine Äelegenh.ll zu misten Gelagen und zu unnützem Geldausgeben geworden st'? . . . Wie gerne möchten vir unserem Volke wahre Freu­en und echte Erholung gönnen! Aber während zahllose Fa- nilien, zumal des immer mehr verelenden bürgerlichen Mit- clstands, mit nagendem Kummer in den kommenden Winter chauen und vielfach nicht für b-e allecnötigsten Anschaffungen in paar Tausender übrig haben, verliedern und verluleur nnge Leute ihr schnell und reichlich verdientes Geld und eisten sichFreuden", die den Charakter verwüsten und oft luch den Körper aufs schwerste schädigen.Man wird es in päteren Zeiten einfach nicht verstehen können, daß in den tagen der ärgsten Not wochenlang,: Volksfeste gehalten wur- »en, während zugleich Notstandsaktionen für die Minder­

Wildbad, Mittwoch, den 11. Oktober 1922

Fernruf 179

57. Jahrgang

bemittelten betrieben und Hilferufe für Alte, Hungernd! Und Darbende erlassen werden mußten . . sagt eine ösfent liche Kundgebung des svang. Landestirchsnrats in Bayer! mit Recht. Eins eindringliche Sprach« redete auch der Hir­tenbrief des Erzbischofs von Freiburg.

Indessen geht in jugendlichen Kreisen auch unverkennbm ein freudiger Wille zur Lebensbejahung im tieferen, edlerer Sinn. Das kann man nicht mit einer überlegenen Gest, als ne-uromaniische Spielerei Hellene schieben. Hier ist eil Idealismus, der auch gleich das Wirkliche fest anpackt uni es zu einem Welt- und Menschheitswert gestalten will. Mac manches wunderlich brodeln und gären und auch einmal dert über den Strang hauen, wir grüßen da einen Wirklich- keitstdealismus, und wir fühlen r, daß dies eine wahrhafi zeitgemäße Auffassung ist.

Wir müssen gerade in diesen verworrenen und dunkelver­hängten Tagen das Mögliche und Erreichbar« erkennen un! auch wirklich bis ins letzte ausschöpsen und ausnützm. Ein« überidealisiert« Vergangenheit darf uns nicht zum Ballast werden, und di« Zukunft dürfen wir uns nicht ourch läh­mende Berzweiflungsgedanken zu Gespenst <v>d Hülle machen Regt sich trotz allem und allem ein lichter, mutiger Lebens- glaube, dann soll er nicht verstört und skeptisch belächelt wer-- sondern Lauch Mag ec kühn cu schan. :« Gegenwartsauft gaben Herangehen und ein persönliches Glückserleben dar­stellen, das zugleich der großen Gemeinsamkeit dient! Der berühmte Lebensdenker Schleiennacher, der auch im kern­deutschen Sinn zum freudigen Schaffen zu mahnen wußte, hat ein schönes, tiefes Wort gesprochen, das man jetzt von neuem verstehen und beherzigen muß, und in dessen lebens­starkem Geist auch wirklich wieder viele Volksgenossen atmen and leben möchten:Sorge nicht um das, was kommen wird, weine nicht um das, was vergeht: aber sorge, dich selbst nicht zu verlieren, und weine, wenn du dahintreibft im Strom der Zeit, ohne den Himmel in dir zu tragen!"

Selbstbesinnung und ein großer, freudiger Glaube gehör! dazu, um- die immer wieder verschüttete Linie der Ver­ständigung und Versöhnung immer van neuem zu schauen und herauszuarbeiten, nicht in der Art eines würdelosen Sichanbiederns (solche Leute nimmr man nicht recht ernst), sondern in der Kraft einer ehrl-chen Duldsamkeit, die freund- sich geben kann, ohne sich selbst das Geringste zu vergeben. Es kann eine Helle Freude se n, wenn die Geister mit An­stand aufeinanderplatzen, aber ein geistiger Bruderkrieg, bei dem man sich ganze Schmutzkübel des Hasses und des Mißtrauens an den Kopf wir't, ist heut? mehr denn je eine üble, unglückselige Sache. Etwas mehr Vertrauen, damit etwas mehr Freud« an Volk und Vaterland werde! Es ist ein unnatürlicher un^ ganz unhaltbarer Zustand, daß so vielerlei Deutschland gegeneinander steht. Es gibt viele volks- erzieherische Aufgaben, und mit am bedeutsamsten ist diese: Belebung der Freud» am eigenen Volkstum!

Nur das bißchen Hauswirtschaft?

Die Tätigkeit der Frau im Hause ist uralt. Erst in neuester Zeit ist diese häusliche Arbeit der Frau und Mutter volks­wirtschaftlich gewertet und als vollwertige Berufsarbeit an­erkannt worden. Der alte Satz, daß der Mann die Frau er­hält, hat für die Mehrzahl der Hausfrauen nie zu Recht be­standen: die Mehrzahl der Hausfrauen, ohne Dienstboten, auf ihrer Hände Arbeit im Hause angewiesen, bat sich seit ur­alten Zeiten ihr Brot durch eben dieser Hände Arbeit im Hause verdient. Das wurde nicht erkannt und deshalb auch nicht anerkannt, weil seit Eintritt der Geldwirtschaft der Mann, allein in Geld entlohnt, durch seine außerhäus- üche Berufsarbeit auch allein den Hausstand zu erhalten schien. Schien. In Wirklichkeit arbeitete nicht er für zwei, er, wurde nur für zwei bezahlt; denn Vorbedingung seiner höheren Entlohnung war ja die häusliche Berufsarbeit der Frau, die ihn von aller lebensnotwendigen Hausarbeit be- sreite, dafür aber auch ihren Anteil an dem außerhäuslichon Verdienst zu fordern gehabt hätte, und dar als Verdienst, nicht als Geschenk.

FürLuxusfrauen" gilt diese Rechnung nicht. Die Mehr­zahl aller Hausfrauen waren niemalsLuxussrauen".

. So lagen die Dinge vor dem Krieg- Krieg und Nach­kriegszeit haben die Pflichten und Lasten der Hausfrauen szri denen auch die Unverheirateten gehören, die ihr eigenes Hauswesen führen) außerordentlich gesteigert. Den wirft schriftlichen Druck, den die Wohnungs-, Nahrungs-, Klei- -ungsnot der Zeit gerade auf die Hausfrauen und die Müt­ter wälzt, braucht man nicht im einzelnen m schildern. Die

wirtschaftliche blot und wirtschaftliche Leistung der deutscher Hausfrau ist ganz besonders treffend, ja erschütternd in einer Flugschrift (Nr. 9) des deutschen Beamtenbunds geschildert: Wie wir verhungern (von Erich Lilienthal, Direktor de- deutschen Auslandssekretariats).Im Flicken und Lapper muß die gepeinigte deutsche Hausfrau heute Heroisches leisten- Wie durch diese Dinge die Frauen gequält und in wahrsten Sinn des Worts bildlich und geistig täglich miß­handelt werden, weiß jeder Mensch in Deutschland. Im Krieg ist die Frau Schaffner gewesen, hat Grranaten geschleppt uni Schuhe geflickt. Aber dieser verewigte tägliche Kampf mt der ständig steigenden Not, dieses Drehen und Wenden, urr neue Ausweg« und neue Sparsamkeitsmöglichkeiten zu sin den, zerreißt die Lebensfrische, den Familienzusammenhab und jede Zukunftsfreudigkeit." Trotzdem wird nicht, Lilienthal meint, jeder in Deutschland dieser Frauennot ge­recht. Nock immer ertönt das Wortvon dem bißchen Ha -s- wirischaft , das bißchen Hauswirtsckaft, das nicht der Reoe wert sei, das die Frau doch weder ernstlich belasten noch er- müden könne. Mit Ausnahme der prassenden Kreise (dic ein« Minderzahl sind) ist aber jede Hauswirtschaft heute eine weit schwerer« Belastung als vor dem Krieg. Außerdem haben weit mehr Hausfrauen als früher heute zu ihrem häuslichen wohl einen außerhäuslichen Beruf aufnehmen müsien. Aber auch, wo nur der Hausbruf zu erfüllen ist. drückt er die Frau weit schwerer als sonst. Darum verletzt das Wart vdndem bißchen Hauswlrischaft" und kein an­ständiger Mann sollte das Wort in den Mund nehmen.

Die Franzosen im Kehler Brückenkopf

In derBadischen Morgenzeitung" erzählt Erich B ro ck- burg von einem Besuch in Kehl: Man baut in Kehl er weiter neue Wohnungen, da die französischen Offizier? ms den besten Häusern die Besitzer entfernt und sich selbst Meingesetzt haben. Für die Unteroffiziere werden Reihen i>on einstöckigen Häuser aufgeführt. Im Amtsgericht, auf den; die Trikolore (die französische Dreifarbenfahne blau-weiß-rot) kn Winde weht, ist die deutsche Gerichtstätigkeit ins Dach­geschoß verbannt: in den unteren Räumen befindet sich neben linderen französischen Amtsstellen em Werbebüro der Frem­denlegion; zwe-fehafte Kerls leisten hierfür Zubälterdienste and es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Opfer beige- dracht wird. Die deutsche Behörde ist machtlos dagegen. Die Straßen wimmeln von französischem Milliär; auf drei Ein- «ohner kommt ein französischer Soldat Schwarze sind län- zere Zeit nicht dagewessn. Die Bevölkerung hält sich im gan­zen würdig zurück. Auffallenderweiss stad hier öle Franzosen noch kaum mit politischen Zetteleien heroorgeiretcn, trotzdem die militärische Bedeutung Kehls für Straßburg ja auf der Hand liegt. Bei den Besuchern aus Straßburg gehört es »zum guten Ton", sich die Einnahme eines Wochentags in Mark wechseln zu lassen und diese dann in Kehl zu verjubeln. Obwohl die Preise der Nachfrage entsprechen, sind sie doch meist noch billiger als in Straßburg. Schwierig ist es mir den Dingen, die man auf dem Leibe nach Straßburg tragest will. Sowohl die deutschen, wie die französischen Zöllner verstehen keinen Spaß; also südländische Beredsamkeit hilft da nichts. Und viele, die die deutschen Zollbeamten mitBoches" Uno anderen Ehrennamen betitelten, maßten das durch mehr- tägige Haftstrafen büßen. Andererseits ist es für die deutschen Beamten und Beamtinnen ein geringes Vergnügen, bei den Franzosen und ihrer Weiblichkeit in der meist wenig erfreu­sichen Unterwäsche nach verborgenem Zollgut herumzuangeln. In manchen Läden befinden sich neben den Verkaufsräumen Umkleidezimmer, wo die mitgebrachten, wenig wertvollen Stücke in Bündel zusammengerafft werden, die dann auf dem Heimweg über irgend einen Zaun fliegen. Auch auf der Straß« fliegt alles Lässige in den Rinnstein.

Neue Nachrichten

Vorbereitungen zur Reichspräsidentenwahl

Berlin, 10. Olt. Bei einer Besprechung von Vertretern des Zentrums, der Sozialdemokratie und der Demokratischen Partei mit Reickskanzler Dr. Wirkst in Konstanz wurde die Bildung eines Ausschusses beschlossen, der die Wiederwahl Eberts betreiben soll. Demgegenüber haben zwischen der Deutschnationalen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei Verhandlungen über di« Aufstellung eines gemeinsamen rechtsstehenden Kandidaten stattgefunden. Aus Grund der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft" wird, wie der Berliner Lokalanzeiger" berichtet, die Deutsche Volkspartei das Zen­trum und die Demokraten für eine bürgerliche Kandidatur gewinnen suchen. (? Die bürgerliche Arbeitsgemeinschaft d.r Regierungsparteien hat den Zweck der Wiederwahl Ebrrts.)

Das neue Deamlenrechl

Berlin. 10- Dkt. Unter dem Vorsitz dss ^(gtalsminilters