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(Enztalbote)

Amtsblatt für W^dbad. Chronik unk» Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleituug Th. Gack in Wildbad.

Nummer 237

Fernruf 179

l Tagesspiegel ^

l "" Der Reichstag ist auf Dienslag, den 17. Oktober, nachmit­tags 3 Ahr. einberufen worden. , > st

L. Die Besprechung Lord Curzons nük PoincarS und GM in s Paris hat die Lage wieder hergestellk. Der anfänÄiche Erfolg der englischen Politik war durch die Annachgiebigreit der Tür- ken. die anscheinend durch den französischen Sondergesandten in Mudania ermuntert wurden, plötzlich in Frage gestellt. Lurzon drohte mit der Kündigung der Entente. Italien i stellte sich auf die Seite. Ein offener Brief des früheren eng-,

! tischen Schatzrninisiers Bonar Law wurde noch deutlicher:!

i wenn Frankrei - England in der Meerengenfrage im Stich

l taffe, dann habe England keine andere Wahl, als es wie Ame-

f rika zu machen und sich nicht mehr darum zu bekümmern, wie

es mit Deutschland zu Streich komme. Also Meerengen gegen s Rheingrenzel Das hat gewirkt und Frankreich hat sich Mil

r den Grenzen einverstanden erklärt, die England dem türkt-

- scheu Vorgehen vorläufig gezogen wissen will und die Frank­

reich bereits in der Lerbandsnoke vom 23. September mit vertreten hakte. Die «Extratour", die Frankreichs Vertreter 1 inzwischen in Mudania sich leisteten, ist wohl nicht so ganz

! ohne Vorwisfen der Regierung in Paris vor sich gegangen«

^ wenn auch Franklin Bouillon der Form wegen eine »Rüge^

auf sich nehmen muhte. .

ß Wozu einen Reichspräsidenten?

k" Am Sonntag, den 3. Dezember ist Reichspräsidentemvahl. Wir haben das amerikanische System, nicht das französische. Ln Frankreich wird der Präsident der Republik durch die Abgeordneten gewählt so haben wir es auch bei der Wahl desvorläufigen" Reichspräsidenten Ebert gehalten in Amerika durch das gesamte Volk. * - '

Die Präsidentschaft Eberts hat ziemlich lang gedauert. Dies war eine der Ursachen des Kapp-Putsches. Voriges Lahr wurde'nun das zu diesem Zweck in der Verfassung vorgesehene Wahlgesetz aufgestellt, die Präsidentenwahl wurde indessen wieder verschoben wegen der Ungewißheit über das Schicksal Oberschlestens, das bet der Wahl Mitwirken sollte. Nun soll also die Wahl m naher Zeit vor sich gehen. Ebert selbst wünscht sie, wie berichtet wird, dringend. Be­greiflich. Aber andere meinen, gerade jetzt sei dis unpassendste Zeit für eine derartige Wahl. Unsinnige Teuerung, entsetzliche Geldentwertung, drohende Acbritslo^gk.nt, Hunger und Putsche In Aussicht und zu alldem soll das arme, am Ab­grund taumelnde deutsche Volk die Aufregungen einer Präsi­dentenwahl in den Kauf nehmen? Andererseits, wir lange soll man warten? Wann werden bessere Zeiten kommen? Gott weiß es. .

Dis Reichsverfassung sagt: Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich (Art. 45). Er ernennt und entläßt di« Reichsbeamten und die Offiziers (Art. 46). Er hat den Ober­befehl über die gesamte Wehrmacht des Reichs (Art. 47). Cr kann, wenn im Deutschen Reichs die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört -oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichen Falles mit Hilfe der bewaffneten Macht einschre'.ten (Art. 48). Er übt für das Reich das Begnadigungsrecht aus (Art. 49). Der Reichs­kanzler und auf seinen Vorschlag die Reichsminister werden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen (Art. 52). Cr kann den Reichstag auflösen (Art. 25). Endlich hat er dis verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze auszufer­tigen, und binnen Monatsfrist im Nsichsgesetzblatr zu ver­künden (Art. 70).

Dies in Kürze und auszugsweise die Pflichten des Reichs­präsidenten. Sie erinnern vielfach an die des ehemaligen Kaisers. Der Reichspräsident 'st also an die Stelle des Kaisers gefetzt, er ist das Staatsoberhaupt des neuen Deut­schen Reichs, wie seinerzeit der Kaiser. Nur nicht mit dem Recht der Kriegserklärung und des Friedensschlusses, einem Rechte, das nach Art. 45 nur durch Neichsgesetz erfolgen kann. Andererseits sind ihm in Art. 48 gegenüber den Landen (ehe* mals Bundesstaaten) Befugnisse emgeräumt, die dem Kai­ser nicht zukamen, die aber nötig waren, nachdem die Wei­marer Verfassung dem Ziel des Einheitsstaats bewußt näher gerückt ist. ''

Allerdings hat der P r 8 s i d en t d e r D s r ei n k g t en ^Staaten nach mehr Gewalt als der deutsche Reichspräsi­dent. Jener hat gegenüber der Volksvertretung und Grsttz*

Wildbad, Dienstag, den 10. Oktober 1922

Fernruf 179

57. Jahrgang

Debung 5as gewaltige Vetorecht, ein Recht, wt« es kein« Herrscher eines konstitutionellen Staates Vorbehalten ist. Un! dir amerikanischen Präsidenten haben nicht selten von diesem Recht Gebrauch gemacht. Der deutsche Reichspräsident kann, wenn er mit einem vom Reichstag verfassungsmäßig verab« schiedeten Gesetz nicht einverstanden ist, dessenVerkün­digung" verweigern, muß aber in diesem Fall binnen eines Monats es zum Volksentscheid vr'ngen (Art 73). Hier haben wir also ein Ueberbleibsel des amerikanischen Veto­rechts, aber stark geschwächt, da dis letzte Entscheidung dein Volk zufällt.

Aber auch so ist das Amt des Reich ssträskdenten von größ­ter Bedeutung. Er ist keine leere Repcäsentantenfigur, wie etwa der König von England, Len man staatsrechtlich nicht mit Unrecht denGroßzermonieme-ster der englischen Repu­blik" genannt hat. Er ist tatsächlich ein positiver Faktor in der Reichsverwaltung und der Reichsgesttzgebung.

Aber gerade deshalb wünscht ein großer Teil des deut­schen Volks, daß der Reichspräsident parteilos sei. Die­ses Ideal schwebt zweifellos auch der Verfassung vor, wenn sie bestimmt:Der Reichspräsident kann nicht zugleich Mit­glied des Reichstags sein" (Art. 44). Es wäre also zu wün­schen, daß die Parteien, die nun Lach mit ihren Vorschlägen an ihre Wähler herantreten werden, einen Mann fänden, der parteipolitisch ein unbeschriebenes Blatt darstellt und der doch würdig wäre, das ObrA.avt des geistig höchftstehsn- den Volks der Erde darzustellen, eines Volks, dem zweifel­los die Vorsehung noch eine große Aufgabe in der Mensch­heit bestimmt hat. V?. ti.

Die Aussaugung Deutschlands !

f Das gefälschte Hauptbuch der Enkschädignngskommlffion

Die Pariser Entschädigungskommission hat dieser Tage eine Abrechnung über die seitherigen Entschädigungs­leistungen Deutschlands vom Waffenstillstand bis 30. April 1922 veröffentlicht. Nach dieser Darstellung sollten für Be­satzungskosten insgesamt 3 827 726 600 Goldmack ausgegeben worden sein. Und zwar setzen sich diese Kosten ans zwei Posten zusammen: 1. d'e von den verbündeten Ländern geleisteten Ausgaben, die Deutschland zurückerstattete. 2. Dis von Deutschland unmittelbar bezahlten Ausgaben, und zwar für Truppenquartiere, Requisitionen, Transports usw. Die Besatzungskosten betragen für die Zeit vom 11. November 1918 bis 30. April 1921 für England 991 097 000 Gold­mark, für F r a n k r e > ch I 275 588 000 Goldmark, für Ita­lien 10 052000 Goldmark, für Belgien 194599000 Goldmark, für die Vereinigten Staaten (mit Aus­nahme der Papiermark, die diese direkt erhielten) 1 010 614 000 Goldmark; insgesamt 3 481 950 000 Eoldmark. Für dis. Zeit vom 1. Mai 1921 bis 30. April 1922 betragen die Besatzungs­kosten für Großbritannien 24 006 000 Goldmark, für Frank­reich 224 472 000 Goldmark, für Belgien 41238 000 Gold­mark, für die Vereinigten Staaten (mit Ausnahme der In Papiermark bezahlten Beträge) 56160 000 Goldmark; ins­gesamt 345 776 000 Eoldmark.

Wenn überhaupt etwas, so brauchte dieser Meldung wohl höchstens hinzugcsügt werden, welche Summen die oben in Goldmark berechneten Kosten in Papiermark ergeben, Nach dem amtlichen deutschen Goldrurs entspricht »st«! Summe von 3 827 726 000. Goldmark fast genau 1000 Mil>- liarden Papiermark. Tatsächlich aber ist das Gold bekannt­lich fast noch einmal so viel wert, wie die amtliche deutsche Notierung es festsetzt!

An Barleistungen führt die Entschädigungskom­mission ferner als Gesamtsumme den Betrag von 6,9 Mil­liarden Goldmark,an. Auch diese Summe ist nun aber, wie die Angabe der Besatzungskosten-Entschädigung, falsch und viel zu niedrig gegriffen. Und zwar hat das deutsche Konsulat in Newport die Fälschung aufgedeckt, indem es zahlenmäßig nackweist, daß die Barleistungen nicht 6,9 sondern 38,3 Mil­liarden Äoldmark betragen. Die Entschädigungskommission sieht sich darauf genötigt, eine Berichtigung ihrerRechnung" nachträglich zu geben und zuzugeben, daß die veröffentlichten Tabellenkeine vollständige Darstellung" der von Deutsch­land geleisteten Zahlungen enthalten. So seien u. a. über 2,1 Milliarden aus Requisitions- und Ausgleichszahlungen übersehen worden, ebenso seien in den Tabellen der Kom­mission die Abschätzung des Werts des Staatseigentums in Oberschlesien, das an Palen ausgeliefert und Deutschland autzuschreiben sei, nicht aufgeführt. DieDeutsche Allg. Zeitung" bemerkt dazu: Es ist wichtig, daß Deutschland rasch und an derjenigen Stelle seine Beweise vorlegt, wo man durch politische Nebenabsichten noch am wenigsten beeinflußt der Entschädiaungsfraa« aegenüberstebt. Die Reicksrsaie-

rung wird hoffentlich auch Ten europäischen Regierungen Ihre Beweise zugehsn lassen. v

Schiffe, die nachts sich begegnen

Wir haben monatlich fast zwei Millionen Tonnen Kohle- an Frankreich und Belgien zu i.'sern, und der Abtransport dieser Tributkohle vollzieht sich zu Wasser meist rhein- abwärts von Ruhrort aus nach Antwerpen. Weil unserer Wirtschaft diese Mengen von Kohle fehlen, und weil man uns unter dem Segen des"e Beides und-entgegen allen Zusagen mit Oberschlesien em-m wesentlichen Teil unserer Kohlenschätze geraubt hat, lind wir gezwungen, Kohlen aus dem Auslande zu beziehen. Diese zu ungeheuren Preisen heretnkommende englische Kohle, dre bis nach Bayern fluß­aufwärts gelangt, findet tellweise auch über Antwerpen Ein­gang, und so geht ein Schl'ppzuq mit deutscher Tributkohle rhetnabwärts nach Antwerpen und ein Schleppzug mit eng­lischer Kohle von Antwerpen rheinauswärts nach Ruhrort. Manchmal sind es auch dieselben Kähne, die erst deutsche ^ Kohle nach Antwerpen bringen und englische Kohle von Ant- ^ werpen holen. Das ist die wirllchattüche Ordnung, die der Versailler Vertrag in die Wel: gebrach: hat.

Die deutsche Presse ist am Erliegen an den ungeheuren Preisen für Druckpapiere und an der Papierkna pheit. An 4000 Zeitungen und Zeitschriften sind bereits eingegangen, und ein katastrophaler Kultumbbau und eine hoffnungslose geistige Verarmung sind die Folge. Die Papierfabrikanten weisen angesichts de,- steil ansteigenden Preiskurve darauf hin, daß sie bei dem Mange! an deutschem Rohstoff zuin Teil kanadische Holzmasse verarbeiten und dieses Material mit Devisen bezahlen müssen. So gelangen Schiffsladungen über Schiffsladungen kanadischen Holzstoffes aus diesem noch Immer holzreichen Lands nach den deutschen Häfen, und gleichzeitig wird die Hearstxrcsse in Nenuork mit ihrem mäch­tigen Format und ihrem riesigen Tagesbedarf an Papier fast ausschließlich auf billigem" deutschen Papier gedruckt. Schiffe, die nachts sich begegnen. Das teure Rohmaterial wird auf dem Umwege über die am Dollarstand; aomessen noch immer billigen deutschen Nrbeirslöhne für Amerika ver-i arbeitet, das sich noch niemals 'o billig mit Zeitungsuapier hat versorgen können wie setzt aus Deutschland. Deutschland selber aber muß seine Bevölkerung geistig verhungern rossen, weil es kein Papier zu erträglichen Preisen hat für die deut­schen Zeitungen, die bei den "gegenwärtigen Bückerpreisen so ziemlich noch das einzige Buch sind, Las der Deutsche zuÄ Hand nehmen kann. ,

Aber auch zu Lande herrscht derselbe Widersinn. Auch hier rollen Güterzüge aneinander vorüber, die völlig sinnlos» ^ Fahrten ausführen. Man hat neuerdings die mitteldeutschen Braunkohlenwerke gezwungen, zum Ersatz der fehlenden Ruhrkohle große Mengen Briketts nach Eüdwestdeutschland zu liefern, anstatt diese Gebiete mit der näh erliegenden Saar­kohle zu versorgen. Die im Mitteldeutschen Revier der In­dustrie und dem Hausbrand fehlenden 40 000 Tonnen im Monat müssen nun dadurch ersetzt werden, daß man aus dem Saargebiet Steinkohle bezieht. Das ist schon deshalb völlig widersinnig, weil sich die mitteldeutsche Industrie auf- Wunsch der Negierung in den letzten Jahren zum großen Teile auf Brikettfeuerung eingestellt hat und auf diesen Ro­sten die Steinkohle nicht voll ausgcnutzt werden kann. Untere Umständen kann auch hier derselbe Güterwagen, der diq, mitteldeutschen Briketts von Halle nach Mannheim bringt,, benutzt werden, um aus dem Saargebiet Steinkohle als Er­satz für die spazierengefahrenen Briketts nach Halle zu brin­gen. Diese Leistung des heiligen Bürokratismus scheint aber schon an ihrem eigenen Widersinn zugrunde zu gehen, denn aus Württemberg wird berichtet, daß d'e Brikettlieferung aus dem mitteldeutschen Revier weit hinter dem Soll zurückge­blieben sei. Die böhmische Braunkohle, aus die man Würt­temberg auch verwiesen hat, ist zudem ganz ausgefallen, da- sie bei dem Stande der tschechischen Krone in Deutschland nicht mehr zu bezahlen ist. So mußte nun wieder die Ruhr­kohle aushelsen. Aber die Ruhrkohle wird nach dem Ver­sailler Diktat nach Frankreich verfahren. Im Zeichen solchen Widersinns steht die Wirtschaft unseres Volkes, das sich bis vor kurzem noch eingebildet hat, es habe das Talent zu groß-, zügiger Organisation gewissermaßen gepachtet. ^ i

Aenderungen ln der Angestelltenoersicherung

Der Reichstagsausschuß für soziale Angelegenheiten setzte heute seine Beratungen über die Aenderungen des Ver,u..-c- runasgesetzes für Angestellte fort. Für die Verftcherl-n wurden in der ersten Lesung folgende Gehaltsklassen nach der Höbe des Jahreseinkommens festgesetzt:

^ Klaffe 1 bis 3600 Mark,

Klaffe 2 von mebr als 3 600 biS 10 800 Mark