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(Enztalbote)

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleituug Th. Gack i» Wildbad.

N«m ner 207

Fernruf 17S

Wildbad, Dienstag den 5. September 1922

Fernrnf 17»

57. Jahrgang

Tagesspiegel

Zn Hamburg sind die deukschen Ernährungsmirüsker zur Beratung der Brotversorgung zusammengetreten.

Die preußische Staaksregierung hat an den OberprSfl- denten in Oberschlesien ein Dankkelegramm für die in der Abstimmung bekundete Treue zu Preußen gerichtet.

Oberhofprediger a. D. V. Dryander ist im Alker von 80 Zähren in Berlin gestorben.

Zu Karlsruhe wurde am 4. September die 26. Jahres­versammlung des Hauptverbandes der Ortskranksnkassen. dem 1500 Kassen mit rund 10 Millionen Versicherten ange­hören, eröffnet. Es wurde gefordert, die Grundloht,grenze der Lassensahung zu überlassen, andernfalls die Grenze auf 30S Mark frfkzusehen, bei Darleistungserhöhung laufender Zulle erst einen Monat nach der Grundlohnerhöhung. Zolls schnelle Hilfe ausbleibe, sei die Zahlungseinstellung vieler Kassen zu lnsürchten.

Die Note Poinmrös nach London macht in England bksts Blut, besonders fühlt man sich durch das versteckte kom pliment getroffen, daß England ln den Krieg getrieben habe. Der englische Miaisterrat wird sich demnächst mit -er Note befassen. Die beiden haben sich eigentlich gegenseitig nichts vorzuwerfen.

Die Griechen haben im Verkehr mit den Türken wieder einmal sehr unliebsame Erfahrungen gemacht und empfehlen sich schleunigst aus Sleinasien. Die wichtige Stadt Brussa soll bereits von den Türken eingenommen sein.

Der Streik der Skeinkohlenarbeiter in den Vereinigten Staaten ist nach einer Dauer von sechs Monaten durch eine Erklärung förmlich beendet worden. Die Löhne bleiben die gleichen wie bisher bis zum 31. August 1923.

Das zerstörende Gift

Der bekannte englische Schriftsteller Morel hak. wie be­richtet, in der Augustnummer der Londoner Zeitschrift Foreign Afsairs" (Auswärtige Angelegenheiten) einen schar­fen Artikel unter dem TitelDas Gift, das zerstört' ver­öffentlicht, der schonungslos gegen die Lügner zu Felde zieht, die heute noch zu behaupten wagen, daß Deutschland am Weltkrieg schuld sei. Morel, der es sich zur Aufgabe ge- macht hat, der Schuldlüge überhaupt den Garaus zu machen, erhielt nun eine große Zahl von beglückwünschenden Zu­schriften aus angesehenen Kreisen Englands, darunter der General C. B. Thomson und der Geschichtsforscher Ray- mond Beazley, die beide die elende Schuldlüg« als das Haupthindernis für das Erholen Europas bezeichnen. Diese Zuschriften werden alle in der Septembernummer der Foreign Afsairs" abgedruckt. Außerdem weist Morel selbst in einem neuen Artikel aus den engen Zusammenhang der Schuldlüge mit dem Europa bedrohenden Absturz hin; er zeigt, wie auch die englischen Staatsmänner noch immer davor zurückschrecken, die Grundlage der schmählichen Politik des Vertrags von Versailles preiszugeven. nämlichdie Bestrafung Deutschlands als des alleinigen Ur­hebers des Kriegs, die Bestrafung eines Verbrechervolkes". Damit nicht genug, beginnt er unter der UeberschriftDer große Betrug. Wie die Russen und Franzosen den Krieg vorbereiteten" den Abdruck der Textes der Geheimprotokolle über die Beratungen der Generalstabschefs der russischen und französischen Armes, die dieSüddeutschen Monatshefte" zuerst veröffentlicht haben. Der große Be­trug, sagt Morel, der durch die Veröffentlichung enthüllt wurde, ist die dem englischen Volk immer w'rd-r eingetrich­terte Lüge, das arme Frankreich und Rußland seien von den bösen Deutschen unvorbereitet überfallen worden, während diese armen, unvorbereiteten Staaten, die Opfer deutscher Aggression, schon damals einen militärischen Angriff gegen Deutschland ausmachten, der diplomatisch als einVerteidi- gunaskrisg" umgebogen werden sollte. Als Ergänzung zu dieser Veröffentlichung setzt Prof. Beazley seine Unter- suchung der Jswolsky-Korrespondenz fort, di« aus Poincarös Willen zum Krieg ein Helles Licht werfe.

Vom Gesichtspunkt der Schuldfrage aus ist aber der wert­vollste Artikel in dieser Nummer vonForeign Afsairs" eine Besprechung eines französischen Buchs durch Morel, das, wie er sagt, die Auflehnung eines gebildeten und ge- rechten Geistes gegen die Verführung eines ganzen Volkes HarstE Lex Titel dieses in Paris erschienenen Buchs von

George» vemartiat, einem früheren hohen Beamten, lautet:Der Krieg von 1914. Wie man die Gewissen mobili­sierte." Demartial gibt zu, daß er bei Kriegsausbruch auch an die übliche Schuldlüge geglaubt habe, und daß ihm erst allmählich durch eingehendes Studium aller vorliegenden Dokumente ein Licht über den großen Betrug aufge­gangen sei, der an den Völkern mit Bezug auf einen Krieg verübt wurde,der von Anfang bis zu Ende in einer Lüge wurzelte". Er ist überzeugt davon, daß es für Europa keine Rettung gibt ohne eine Zerstörung der Lüge von Deutsch­lands Schuld und er verlangt eineRevision des Urteils" gegen Deutschland, und zwar eine Revision, gegründet auf da- Pretsgebender fürchterlichsten Lüg« in der Geschichte". Sern Grundsatz ist:das französische Volk billigte den Krieg nur auf Grund der Behauptung PoincarSs, daß Deutschland ihm den Krieg ausgezrvunge« Hab«. Wenn diese Behauptung unwahr ist, ist d »r wahre Feind des fran­zösischen Volks PoincarS, der es täuschte." Da« ganz« Buch ist ein langer und unwiderleglicher Beweis dsr KO- wahrheitder Poincareschen Behauptung. E

Eine der glänzendsten Partien des Buchs ist sein Nach » de» Schwindels, den die Verbündeten mit Belgien trieben und seine Widerlegung der Asquithschen Behaup­tung, England sei wegen Belgiens in den Krieg gegangen. England hat, schließt Demartial, so wenig sich für Belgien geopfert, daß es vielmehr Belgien seinen eigenen englischen Interessen opferte.

Schatzwechsel und Reichsschatz

Die Verhandlungen mit Belgien

Ein an maßgebender Stelle unterrichteter Mit­arbeiter schreibt mir: Die deutsche Regierung ist durch di« Beschlüsse der Entschädigungskommission vor die Aufgabe gestellt, sich mit Belgien über die Sicherstellung der Zahl­ungen für das laufende Jahr 1922 Ins Einvernehmen zu setzen. Es handelt sich um 270 Millionen Goldmark, die m monatlichen Raten jeweils am 15. des Monats die Au­gustrate ist noch nachzuzahlen fällig werden. 270 Mil­lionen Goldmark sind, nach dem Durchschnittskurs der letzten Tage gerechnet, rund 100 Milliarden Papier­mark. Diese 100 Milliarden sind in Schatzwechseln zu zah­len. Die Schatzwechsel müssen aber binnen 6 Monaten in Gold eingelöst werden. Die Reichsregierung muß also für Anfang 1923 das Gold oder die Devisen zur Ver­fügung halten, die sie zurzeit nicht beschaffen konnte und derentwegen sie um Zahlungsaufschub gebeten hat. Außer­dem muß die Goldeinlösung der Schatzanweisungen irgend­wie sichergsstellt werden. Ueber dasirgendwie" Hai sich Deutschland mit Belgien zu einigen. Kommt kc ne Einigung zustande, so ist eine deutsche Goldniederlage (Depot) aus dem Nest des Goldbestands der Reichsbank in einer ausländischen Bank zu errichten, die Belgien als genehm bezeichnet.

Wie stellt sich nun Belgien dazu ein? Minister Theunis hat schon i« der Entschädigungskommission, als er den bel­gischen Vermittlungsvorschlag vorbrachte, die Andeutung ge­macht, die Bürgschaft für die Einlösung sei von den großen deutschen Privatbanken zu übernehme.» Als diese Andeutung bekannt wurde, lehnten die demschen Banken sie als eine unmögliche Zumutung in öffentlichen Erklärungen ab. Tatsächlich wüßte man ln Regierungskreisen kein ge­setzliches Mittel, um die Banken zu einem solchen Opfer, das die Lebensfähigkeit der Geldindustrie gefährden und das deutsche Wirtschaftsleben endgültig zerrütten würde, zu zwingen. Aber angenommen, die Banken würden sich frei­willig zur Goldbürgschaft anbieten, dann müßten sie sofort von der Reichsbank eine Gegendeckung in Gold oder Devisen verlangen, und das wäre nichts anderes, als wenn das Reich die Goldzahlungen unmittelbar an die Verbünde­ten leistete. So kommt man keinen Schritt weiter.

Wie die Reichsbank über die Goldniederlage denkst hat sie schon vor der Entscheidung der Entschädigungskommission in aller Deutlichkeit erklärt: Unmöglich und unaus­führbar! Im Herbst 1918 hatte die Reichsbank einen Goldbestand von etwa 1,8 Milliarden Mark. Dieser Be­trag hat sich infolge von Zahlungen an die Entente und für dringende Lebensmitteleinfuhr auf nicht viel mehr als eine Milliarde verringert. Von dieser Milliarde liegen bereits 80 Millionen im Goldkeller der Bank von England, damit Deutschland jederzeit Devisen kaufen kann. Wollte man nun von dem Goldschatz der Reichsbank weitere 270 Millionen außer Landes bringen und einem ungewissen Schicksal über­lassen, wer glaubt dann noch cm die Möglichkeit einer Währungsreform, die der Beschluß der Entschädigungs» kommission ausdrücklich verspricht? In dem wirren Spiel von Ablehnung des Zahlungsaufschubs und Gewähr­ung einer angeblichen Atempause bleibt nichts anderes übrig, als die Loaik der Gläublaer schachmatt «u jeden.

Entweder wollen di« Verbündeten Lt« vemzcye Finanzlage wieder auf einen grünen Zweig bringen und so zu einer wirklichen Entschädigung kommen, oder sie holen das letzt« bißchen Gold heraus und vernichten die deutsche Zahlungs­fähigkeit für alle Zukunft.

Deutschland hat bei den Verhandlungen mit Belgien allerlei wirtschaftliche Trümpfe auszuspielen. Nur ein Bei­spiel: Der deutsche Handel geht seit Kriegsende, wie schon im Krieg, fast ausschließlich über Rotterdain (Holland) und nicht mehr, wie früher, über das belgische Antwerpen. Nähern sich aber Deutschland und BAgien wieder durch finanzielle Vereinbarungen auf Grund der Kriegsentschädig­ung, so ist ein Umschwung zum früheren Zustand möglich, der natürlich durchaus im Interest« Belgiens gelegen ist,

er,

Kohlenmangel in Polen

Nach dem Raub Oberschlestens verfügt Polen KS« Ott» Jahresausbeute von rund 35 Millionen Tonnen Kohlen, während der eigene Bedarf kaum 20 Millionen Tonnen be­trägt. Und doch steht das Land vor einer Kohlennot, well di* Eisenbahn unter politischer Verwaltung völlig versagt nmd die geförderten Kohlemnassen nicht abgeführt werden kön­nen. Es sind mrr wenige Eisenbahnlinien, die Polen mR Oberschlesien verbinden und diese Linien sind wenig leist­ungsfähig, namentlich sind die Grenzbahnhöfe den Anforder­ungen in keiner Weise gewachsen. Dazu kommt ein starker Mangel an Lokomotiven und Wagen; mit den neuen deut­schen Maschinen wissen die Polen nicht umzugehen. So stauen sich an einzelnen Verkehrsmittelpunkten die Fahr­zeuge knäuelartig zusammen, während an anderen größt«: Mangel besteht. Wenn im Herbst di« Versendung der land­wirtschaftlichen Erzeugnisse, besonders der in Polen vieL angebauten Zuckerrüben beginnt und die Eisenbahnwagen vor allem für diese Zwecke benötigt werden, wird e» un­möglich sein, den Kohlsnwerken das Abfuhrmaterial zur Der- fügMg zu stellen. Die polnische Regierung hat nun in letzter Zeit 25 Lokomotiven und 7500 Wagen in Amerika gekauft und unterhandelt mit Oesterreich und Ungarn wegen miet­weiser Ueberlassung von Wagen. Allgemein hält man abest diese Hilfsmittel für ganz unzureichend. Die Tschechoslwakek hat ein Gesuch Polens abgelehnt, weil sie ab 1. September 500 Eisenbahnwagen an Rumänien vermietet hat, bessert Getreideausfubr auf rund 32 Millionen Tonnen geschätzt wird (150 000 Tonnen Weizen, der vertragsgemäß heue» noch an Frankreich und die Schweiz zu liefern ist, ferner 1,8 Millionen Tonnen Gerste, */» Million Tonnen Hafer und IZl M llionen Tonnen Mais). So rechnet man in Polen für deck kommenden Winter mit einem empfindlichen Kohlenmang^ zumal die amerikanische Wagenlieferung noch nicht gestch«t ist, denn Polen ist schon vorher in Amerika hoch verschuld«^ nämlich mit 184 457 965 Dollar, gegenüber der polnisch«! Valuta eine ungeheure Summe. Nebenbei bemerkt sind die Polen auch in Frankreich hoch ongekreidst, und zwar mit 63 123 488 Dollar, in England dagegen nur mit 18 409 8W Dollar. Die gesamten Auslandsschulden Polens betrugt am 31 , Dezember 1921 283 379 L10 Dollar. ^ ;

.

Valuta und Warenpreis

Die Warenpreise haben dn Monat August mcktzr Einwir­kung oder jedenfalls aus Anlaß der Valutabewegung eins völlige Umwälzung erfahren; sie haben sich im Groß­handel durchschnittlich mehr als verdoppelt und sind auf rund dem Zweihundertneunzigfachen des Vorkriegsstands angelangt, während der Dollar im höchsten bisherigen Kurs­stand das 321 fache erreicht hatte. Die sprunghafte Steigerung der Warenpreise im August war aber noch größer als di» des Dollarkurses. Der Dollar hat in der letzten Augustwoche kurz einen Kursstand von über 2000 Mk- erreicht, ist jetzt aber wieder rasch und stark gefallen. Die Warenpreise haben wohk den Ausstieg mitgemacht, ohne sich dann aber im Großhandel der rückläufigen Bewegung wieder anzupassen. Für di» Hauptarten ergibt sich nach der Berechnung derFrankst Ztg." unter Berücksichtigung des jeweiligen Dollarkurses, d« bei einem Normalsiand von 4.20 Mark ebenfalls mit tM

Mitte 1914

Mai 1922 Juli 1922

gesetzt sei, folgendes Bild:

!

Dollarlurs t.20 --- l 00

Lebens-und Textilien (Senrchrnittel Leder usw.

Mineral.

Industrielles Endprodukt»;

100

100

100

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roo i-

1190

1972

8407

S74Ü

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2019

8840

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4476

3840

7168

8178

8159 l

5988

6211

8492

6810

8817

6893

6649

11379

9305

5546

9500

8323

13933

12168

6750

18833

13691

21910

18355

8549

L2142

29175

86398

42648

19352

Die Preissteigerung ist demnach, gegenüber dem Vor­kriegsstand. am stärksten bei den Mineralien (Koblen. Men