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(Enztalbote)
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleituug Th. Gack in "Wildbad.
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Nummer 2Ü5
Fernruf 179
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Die Reparakionskommission beschloß einstimmig, daß Deutschland die Reparakionsraten in Schatzwechseln mit
Dis Regierung wird verschärfte Maßnahmen zur Anker- rmdung der Einfuhr aller irgend entbehrlichen Waren tref- srn. Zunächst ist mik soforliger Wirkung die Einsuhrfreiheil von Rohtabak aufgehoben worden.
Die französische Presse äußert ihre Befriedigung über die Ablehnung des deutschen Stundungsgesuchs, daaegen wird aus dem gleichen Grund nach der „Voss. Zeitung" der Lug- länder Bradbury im Aufträge seiner Regierung die Reparationskommission verlassen.
Der Völkerbundsrat ist am Donnerstag in Genf wieder znsammengetrcten und soll sich zunächst der österreichischen Angelegenheit annchmen.
Zwischen Südftavien und der Tschecho-Slowakei ist ein förmlicher Bündnisvertrag unterzeichnet worden.
Wochenrundschau
Prälat Dr. Seipel, Oesterreichs Bundeskanzler, hat seinen Bittgang beendet. Er war in Prag, in Berlin und in Verona. Der Tscheche versprach ihm eine Anleihe, oer Italiener ebenfalls. Beide verwiesen ihn an den Völkerbund. Als ob der helfen könnte?! In Berlin erklärte man zum voraus, daß die Entente jede Annäherung Deutschlands an Oesterreich strengstens untersage. Eine Wirtschaftsvereinigung mit Italien soll ernstlich erwogen werden. Kurz: viel scheint bei diesen ebenso verzweifelten als demütigenden Versuchen nicht herausgekommen zu sein. Die Entente selbst zeigte wieder einmal die kalte Schulter. Sie hat im Vertrag von St. Germain, diesem sauberen Gegenstück des Versailler Raubvertrags, Oesterreich von den mit ihm' wirtschaftlich angewachsenen Staatsgebilden losgetrennt. Damit hatte sie, so sollte man meinen, die Verpflichtung für die Existenz des neuen Lebewesens übernommen. Sie hat aber bis heute alles getan, nur nicht, was zum Wiederaufbau Oesterreichs nötig war. Versprochen und versprochen, aber nichts gehalten. Die österreichische Frage wurde als letzter Punkt auf die Tagesordnung der Londoner Konferenz gesetzt. Stehend, mit dem Ueberzieher am Arm, wurde sie in ein paar Minuten erledigt, mit dem Ergebnis: „Es wird nichts gereicht" und nach dem bekannten Rezept: „Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaU Ihr ihn der Pein." — Aehnlich heißt es auch bei Deutschland. Nur daß hier das Moment eines unergründlichen Hasses hinzukommt. Die „Pein" ist bei uns allerdings aufs höchste gestiegen. Wir sind bloß einige Schritte hinter den unglücklichen Stammes- genosfen an der Donau zurück. Lloyd George hat auf der Londoner Konferenz gesagt: „Wenn ein Kränker sagt, er sei krank, so brauche ich es ihm noch nicht zu glauben. Wenn aber das Thermometer bei ihm 104 Grad Fahrenheit zeigt, so brauche ich keinen weiteren Beweis. Das Thermometer für den wirtschaftlichen Krankheitszustand Deutschlands ist die Valuta." Aber das läßt Poincarä kühl. Er hat seinen Eigensinn auf der Londoner Konferenz durchgesetzt. Er hat dafür gesorgt, daß die beiden Delegierten der Reparationskommission, Bradbury und Manclere in Berlin nichts ausrichteten, und jetzt macht er es genau so oei den Verhandlungen der Kommission in Paris. Es ist das reinste „Pfänderspiel". Wird etwas aus dem Moratorium? Wird nichts daraus? England ist dafür, Frankreich dagegen. Setzt Frankreich seinen Willen durch, dann scheidet England, nach dem Vorgang Amerikas, aus der Kommission. Wird Englands Antrag angenommen, dann tritt Frankreich zurück und — der Versailler Vertrag muß revidiert werden. Das siehr nun allmählich die ganze Welt ein, Paris natwBch aus- genommen. Der Amerikaner Frank Vcmderlip meinte vor einigen Wochen in München, ohne gründliche Revision des Versailler Vertrags könne von einem Wiederaufbau Europas gar keine Rede sein. Die italienische „Srampa" schrieb letzten Dienstag, der Zusammenbruch Deutschlands iei eine derartig ungeheure Gefahr für Europa, daß ihr mit vereinten Kräften sofort entgegengewirkt werden müsse. Frankreich gebärdet sich wie ein Arzt, der mit dem in Lebensgefahr schwebenden Pattenten sich über Honorarsragen zanke. Man müsse unter pllen Umständen Deutschland ein Moratorium bis Ende 1922
Wildbad, Samstag den 2. September 1922
Fernruf 17S
57. Jahrgang
bewilligen, die deutsche SchuS ermäßigen, den deutschen Auslandskredit wiederherstellen, und ihm eine internationale Anleihe gewähren. Ob Poincare sich überzeugen läßt? Der Haß macht den Menschen unbelehrbar oder gar verrückt, wie den berüchtigten Lord Northcliff, der am 14. August im Wahnsinn gestorben ist. Nun ist ja wieder durch ein Kompromiß in elfter Stund« (natürlich aus Kosten Deutschlands!) wohl durch Deponierung eines Teiles des Reichsbankgoldes der Riß Merkleistert worden. Aber früher oder später muß es Loch einmal zur endgültigen Auseinandersetzung kommen, das zeigten di« letzt«, Reparationsverhand- lungen aufs deutlichste.
Während wir so von außen durch unfern Tod» und Erbfeind tagtäglich bedroht werden, gab im Innern eine alte Hydm wieder ein Lebenszeichen von sich, ein Nebel, dos uns schon viele Jahrhunderte geplagt hat, das in der Schlacht von Sedan, deren Gedenktag sich heute zum öl. Mal jährt, kmrch Bismarck und Moltke den Todesstoß erhielt — der Partikularismus. Einheitsstaat oder Bundesstaat? Soll das Reich alles, aber auch alles restlos verschlingen und den Einzelstaaten gar nichts mehr an Selbständigkeit, nicht einmal die Polizei- und Justizhoheit übrig lasten? Die Bayern ließen sich das nicht bieten. Dem echten Münchener steht der Glaubenssatz fest: „Was kann aus Berlin Gutes kommen?" Schon sprach man von einem Bruch zwischen Reich und Bayern- Es kam glücklicherweise nicht so weit. Graf Lerchenfeld reffte nach Berlin. Man ekntgte sich auf «ine mütlere Formel. Aber damit waren die Bayern wieder nicht zufrieden. Das Kompromiß wurde noch in einigen Punkten im Sinne einzelstaatlicher Selbständigkeit vertieft. Jetzt gab's Ruhe. Aber auch dann noch nicht in allen Kreisen. Daß überhaupt die Vayeru eine eigene von Berlin völlig abweichende Geistrsrichtung haben, zeigte die Hindenburgfeier und auch der Katholiten- t a g. Kardinal Dr. v. Faulhaber, das geistliche Haupt des Katholikentags, nahm in diesen Dingen kein Blatt vor den Mund. —
Das letztere erhoffen wir von der Reichsregie'-vng in einem anderen Punkte. Wir meinen die van der Botschaster- konferenz unnötigerweise wieder aufgerollte Frage der Bestrafung der Kri e g.s b e s ch u ld i g t en. Poincare und Genossen behaupten „einmütig", das Leipziger Gericht habe in der Aburteilung der seitherigen 10 Fälle (es stehe , noch 25 Anzeigen aus) „versagt". Der englische Delegierte, Pollock, einer der obersten englischen Richter, hatte am 27. Aug. 1921 genau das Gegenteil behauptet und dem obersten deutschen Gerichtshof ein glänzendes Vertrauenszeugms ausgestellt. Wer hat nun recht? Hoffentlich bleibt die deutsche Regierung auch diesmal wieder fest und bei der Erklärung, me der Reichskanzler am 26. Jan. d. I. im Reichstag feierlich abgegeben hatte: „Keine deutsche Regierung wird sich halten können, die den Versuch macht, die Auslieferung zwangsweise durchzuführen." Vlk. 14.
Kein Moratorium, aber Zahlungserleichterung
Annahme des belgischen Vorschlags
Endlich ist in dem Hin- und Herverhandeln in Paris eine vorläufige Einigung zustande gekommen. Nachdem das von Deutschland beantragte Moratorium abgelehnt wurde, ist der belgische Vorschlag einstimmig angenommen worden. Derselbe umfaßt bekanntlich die Forderung, die deutsche Regierung solle an dem jeweiligen Verfalltage Schatzwechsel mit Omonatiger Laufzeit übergeben. Als Garantie für diese Schahwechsel wird cülerdings verlangt, daß eine Hinterlegung eines Golddepots in Höhe von 270 Millionen Goldmark in einer Bank des neutralen Auslandes erfolgt. Fürs erste ist dadurch eine Zahlungserleichterung erfolgt, da die deutsche Regierung in den nächsten Monaren nicht gezwungen ist, Devisen aufzukaufen, allerdings werden wir nach Ablauf von 6 Monaten diese Schatzwechsel niemals zur Einlösung bringen können, wenn bis dahin nicht eine grundlegende Revision der ganzen Rsparationsfrage erfolgt. Der Verband hat ja unsere Zahlungsunfähigkeit anerkannt und wird wohl selbst am besten wissen, daß wir vorerst nicht in der Lage sein werden, unseren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Er hat sich nocheinmal um die endgültige Auseinandersetzung zwischen englischen und französischen Ansichten Mer die Reparationsangelegenheit herumwinden können: aber svätestens nach Ablauf von 6 Monaten wird
er wieder vor dre>elb« Frag« gestellt lern und bis dahin bleibt di« Unsicherheit in unserer ganzen Währung und damit in unserem ganzen politischen und wirtschaftlichen Leben nach wie vor bestehen. Es ist wohl ein augenblickliches Aufatmen, was die Entscheidung in Pans ans heute gestattet, eine grundlegende Aenderung, die von allen sowohl von deutscher als auch besonders englisch-italienischer Seite verlangt wird, hat sie nicht gebracht.
Es kormnt nun zunächst darauf an, welche Darcmtte- svrderungen die belgische Regierung stellen wird.
Der Lukscheid der R^arakionskommissiou
Paris, 1. Sept. Di« Reparatirmskommiffon beschließt silier das neu« Moratoriumsgesuch vom 12. Juli 1922, berücksichtigt dabei, daß Deutschland jeden Kredit nach innen und außen verloren hat und daß die Mark aus 3000stel ihres Wertes gefallen ist und entscheidet: 1. Die Reparationskommission verschiebt den Beschluß über das Gesuch, wie es von Deutschland gestellt worden ist, bis sie den Plan einer radikalen Reform der öffentlichen Finanzen Deutschlands fertiggestellt hat, der folgendes Vorsicht: s) Gleichgewicht des Budgets; b) für den Fall, daß die in der Reparationskommission vertretenen Regierungen vorher ihre Zustimmung gegeben haben, di« etwaige Herabsetzung der auswärtigen Schuldenlasten Deutschlands in dem Maße, wir eine solche Herabsetzung als für die Wiederherstellung seines Kredits notwendig erachtet werden würde; c) Währungsfragen: 6) Aufnahme äußerer und innerer Anleihen unter Berücksichtigung der Konsolidierung der finanziellen Lage. 2. Um für dis Vorbereitung und Durchführung der in dem vorerwähnten Z 1 angckündigten Maßnahmen die notwendige Zeit zu schaffen, wird die Rspara- tionskommission als Begleichung der Barzahlungen, Lie am 15. August und 15. September 1922 fällig sind, und falls nicht in der Zwischenzeit andere Vereinbarungen getroffen worden sind, als Begleichung der darauf folgenden Barzahlungen, die zwischen dem 15. Oktober und 15 Dezember 1922 fällig werden, deutsche Schatzbonds mit sechsmonatiger Laufzeit, zahlbar in Gold, annehm cn, Bonds, die mit Garantien ausgestattet sind, über welche die deutsche Regierung und die belgische Regierung, für die di« Barzahlungen bestimmt sind, sich einigen werden und, falls keine derartige Vereinbarung zustande kommt, garantiert werden durch Deponierung von Gold bei einer auswärtigen Bank, zu deren Wahl Belgien seine Zustimmung gibt..
Poincares Einverständnis vorher eingehakt
Paris 1. Sept. Wie die Agence Havas mittelst, hat Dubois gestern mit Poincare von 5 Uhr an eine dreiviertel- stündig« Unterredung gehabt und hat sich dann ins Hotel Astoria begeben, um den Vorsitz in der offiziellen Sitzung der Reparationskommission zu übernehmen.
Ablehnung der deutschen Vorschlägs
Berlin, 1. Sept. Die Reparationskommission übersandte der Kriegslastenkommission gestern abend mii folgender Note die von ihr in der Neparationsfrage getroffene Entscheidung: Da die Reparationskommission die von der deutschen Regierung beantragte Stundung nicht bewilligen zu sollen geglaubt hat, hat sie es mcht für angezeigt erachtet, sich im Augenblick über die von der deutschen Regierung in Betracht gezogenen Vorschläge zu äußern, welche die genaue Ausführung der von der Reparakionskommission vorgchchrie- bcnen Kohlen- und Holzlieferungen sichern sollen Die Nepa- rationskommission behält sich aber das Recht vor, die Inkraftsetzung ähnlicher Abmachungen wie die von der deutschen Regierung vorgeschlagenen zu fordern, wenn in Zukunft die Kohlen- und Holzlieferungen nicht in zufriedenstellender Weise ausgeführt worden sind.
Berliner Pressestlmmen
Berlin, 1. Sept. Die „Deutsche Tageszeitung" sieht den Kernpunkt darin, daß die Entente einen erhebt!:' r Teil unseres Reichsbankgoldes, der letzten Reserve des deutschen Volkes, in ihren Besitz bringen wolle. England habe Bedingungen zugestimmt, die von seinen eigenen Sachverständigen zweifellos als wirtschaftlicher Wahnsinn bezeichnet würden. Es bleibe nur, daß unser Moratoriumsgesuch abgelehnt worden sei und daß wir zahlen sollten, allerdings nicht in Devisen, sondern in Goldbarren.
Nach Ansicht der „Germania" bedeutet die Enb. scheidung ohne Zweifel eine Zahlungserleichterung, wenn auch nicht die erhoffte. Im übrigen komme es aus die Garanten an, die Belgien fordere.
Die „Freihei t" ist der Ansicht, daß, wenn die Entente nach Ablauf der Lauffrist auf Einlösung oer Schatzwechsel bestehe, ein weiterer Zusammenbruch unserer Valuta unabwendbar ist. Allgemein beginne man auch in Frankreich ein-