ist ja, wie bekannt, von dieser Fortsetzung der Geniiefer Völ­kertagung ausgeschlossen bereit sind, mit den Russen an einem grünen Tisch zu sitzen.

Sollte man sich auf der westlichen Seite wirklich einigen, so beginnt am 26. Juni die Vollkonferenz. Aber bis dahin kann noch allerlei passieren. Frankreich sendet nur eine Studienkommission, die aus lauter Beobachtern zusam­mengesetzt ist, nichts beschließen kann und keine bindenden Erklärungen abgeben darf. Frankreich hält seine Forderun­gen hinsichtlich der russischen Schulden, der Finanzkontrolle und der Rückerstattung des Privateigentums ausrecht. Frankreich verlangt, daß die russische Denkschrift vom 11- Mai, die soviel böses Blut gemacht hat, in den Abgrund vollständiger Nichtbeachtung verschwinde. Letzterem Ver­langen haben die Engländer bereits bindend zugestimmt. Aber im übrigen bestehen doch wieder wie in Genua die schärfsten Gegensätze.Westminster Gazette" hat die Note Poincarös vom 1. Juni, die eben diese Haager Punkte ent­hielt, eine neue Herausforderung an Europa genannt und die amtliche Antwort der englischen Regierung ist nicht minder scharf in der Sache, wenn auch (mit Rücksicht auf die Londoner Festlichkeiten) freundlich im Ton.

Was nämlich Pomcarö im Haag will ohne dorthinzu­kommen, ist eine Behandlung der Russen nach Versailler Art. Die Konferenz der Verbündeten soll einen Wiederauf­bauplan ausarbeiten, wobei die Sowjetvertreter nicht befragt werden, sondern den fertigen Vertrag einfach vorgesetzt erhal­ten. Frankreich hofft in diesen Vertrag gewisseinnere Re­formen Rußlands" einzuschmuggeln. Was das bedeutet, kann man sich lebhaft vorstellen. Da in Holland die Erdöl­interessen eine große Rolle spielen, erwartet die fran­zösische Diplomatie einen hilfreuden Druck der holländischen Regierung, die offensichtlich nur sehr ungern den Vorsitz der bedenklichen Sachverständigenkonfeiez übernimmt.

Man wird von seiten der Russen wieder peinliche lieber- raschungen erleben. Eine solche Ueberr.aschung ist bereits da. Beim Husammentreten der Vorkonferenz wurde be­kannt, daß der Moskauer Rat der Volksbeauftragten den Vertrag, den Tschitscherin und Krassin am 24. Mar mit der italienischen Regierung abgeschlossen hat, nicht genehmigen will. Die Herren Sowjetführer sind sich nicht einig. Natür­lich taucht die Frage auf: Was ist's mit dem russisch-tschecho- slowakischen Vertrag, der sich um die rechtliche Anerkennung Rußlands lo geschickt herumdrückt, indem er nicht von Staa­ten, sondern von einem Abkommenvon Land zu Land" spricht? lind was ist's um Himmelswillen mit dem deutsch­russischen 'Vertrag von Rapallo? Nichts ist sicher und alle Begriffe wonren, solange der allgemeine Wille zum Wieder­aufbau Rußlands von französischen Ränken gestört wird. Beobamter" undStudienkommissare" mit diplomatischen Spreugv-itronen in der Tasche, es ist eine unheimliche Konferenz. -er, ^

Neue Nachrichten

Keine Erhöhung der Umsatzsteuer.

Berlin, 18. Juni. Dem Hauptverband des deutschen Groß­handels wurde auf Anfrage aus dem Reichsfinanzministerium mitgeteilt, daß eine weitere Erhöhung der Umsatzsteuer, da sie wirtschaftlich unmöglich wäre, nicht beabsichtigt sei,

Die Getreideumlage

Berlin, 18. Juni. Der Reichsrat hat die Gesetzesvor- läge über die Umlegung von 2^ Millionen Tonnen Ge­treide auf die Landwirtschaftsbetriebe mit 49 gegen 16 Stimmen angenommen. Der Umlagepreis ist noch festzu­setzen.

Forderung der deutschen Aeltungsverleger

Hamburg, 18. Juni. Die Hauptversammlung des hier tagenden Vereins deutscher Zeitungsverleger sprach die Er­wartung aus, daß die von der Reichsregierung vorgeschlage- nen Hilfsmaßnahmen für das notleidende Zeitungsgewerbe noch vor dem Auseinandergehen des Reichstags Gesetzeskraft erhalten, da sonst jede Maßnahme zu spät kommen würde. Zum Ort für die nächstjährige Tagung wurde Breslau ge­wählt.

Das Bemelmann-AbkommLn angenommen

Paris, 18. Juni. Die Entschädigungskommiffion hat das im Februar d. I. von dem belgischen Mitglied der Kom­mission, Bemelmann, in Berlin abgeschlossene Abkommen über Sachlieferungen, das an die Stelle des Wies­badener Abkommens vom 6. Oktober 1921 (Louckeur-

Rathenau) tritt, angenommen. Die französischen Entschädi­gungsberechtigten und Fabrikanten können danach unmit­telbar ihre Bestellungen bei deutschen Lieferern aufgeben: die Waren werden nach einem bestimmten Kostensatz von der Entschädigungsschuld des Reichs abgeschrieben und 'das Reich hat zu sehen, wie es die deutschen Lieferer beZahlt. Im Jahr 1922 hat Frankreich nach dem Abkommen des Zah­lungsaufschubs das Recht, Waren und Rohstoffe (Holz usw.) im Wert von 950 Millionen Goldmark abzufordern, wovon bis jetzt etwa für 60 Millionen bezogen sind. ^

Das Hilfsfest für Verdun

London, 18. Juni. Am Freitag begann das sogenannte Hilfsfest für Verdun", das mit Basaren und Festessen die -Mittel zum Wiederaufbau der französischen Stadt Verdun (wofür die Franzosen scheiuts trotz der deutschen Goldmil­liarden und Sachlieferungen die Mittel nicht aufbringen können. D. Schr.) beschaffen soll. Das Fest ist von den Franzosenfreunden, wie es heißt, nicht ohne Anregung aur Paris, veranlaßt worden und dürfte in erster Linie den Zweck haben, für den Abschluß des englisch-französischen Bündnisses Stimmung zu machen. Lloyd George, der ver­hindert war, am ersten Festessen teilzunehmen, entschuldigte sich brieflich und forderte die Essenden auf, alles zu tun, damit Verdun wiederhergestellt werde.Alle vernünftigen Geister" Frankreichs und Englands seien heute mit festeren Banden verbunden als je, und es sei eineunverzeihliche Lüge", wenn jemand von Mißverständnissen zwischen den beiden Ländern spreche. (Lloyd George selbst hat chon von viel mehr als vonMißverständnissen" gesprochen. D. Schr.) Der französische Marschall Petain, einer der Verteidiger Verduns, sagte in einer Rede, Frankreich sei weder kriege­risch noch herrschsüchtig, aber es müsse vor Deutschland auf der Hut sein, da der Feind nicht abgerüstet habe. Wenn Frankreich das LiedDeutschland über alles" auf der an­dern Seite des Rheins höre, so verstehe es dieseDrohung".

Erst der Osten, dann das Bündnis

London, 18. Juni. Der britische Botschafter in Paris machte, wie dieTimes" meldet, den Ministerpräsidenten Poincare vor seiner Abreise nach London darauf aufmerk­sam, das (von Frankreich angestrebte) englisch-französische Bündnis werde von der britischen Regierung nicht ohne weiteres als das Mittel betrachtet, das die zwischen den bei­den Ländern bestehenden Schwierigkeiten beseitigen solle. Vielmehr mühten erst die Gegensätzlichkeiten in Kleinasien und bezüglich des Hafens von Tanger geregelt werden, dann könne man die unterbrochenen Verhandlungen über Las Bündnis wieder aufnehmen.

Die Polen noch nicht zufrieden!

Berlin, 18. Juni. Bei seiner letzten Anwesenheit in Stettin hat der preußische Minister des Innern, Se bering, an die Landräte und Bürgermeister der Provinz eine Ansprache gehalten, in der er darauf hin- schwierigen Verhältnissen entgegengehen wür- wies, daß die Industrie in der nächsten Zeit ähnlich de wie 1917 bis 1919. Selbst wenn wir zur Stabi­lisierung der Mark kämen, würden wir doch erst in einer Reihe von Jahren auf dem Weltmarkt kon­kurrenzfähig werden. Bedeutsam und wesentlich war, was Herr Severing über die Polen sagte:Ich bin durchaus der Meinung, daß die Polen mit ihren Grenzen auch heute noch nicht zu­frieden sind. Wir würden auf alle Fälle bei An­griffen durch Polen auf unsere Landesgranzs die Leid­tragenden sein, wenn sich in Ostpreußen, Pommern und Oberschlesien die Kräfte der Deutschen in Partei­kämpfen zersplittern.

Deutsche .Hilfe für Oesterreich.

Berlin, 18. Juni. Wir konnten schon berichten, daß die deutsche Regierung ernsthaft gewillt ist, Deutsch- Oesterreich nach Maßgabe seiner Kräfte Hilfe zu lei­sten. Die Reise des deutschen Gesandten in Wien, Dr. Pfeiffer, nach Berlin hat dieselbe Veranlassung. Man wünscht sich mit ihm zu beraten, ob und wie Deutschland Hilfe leisten kann. Dr. Pfeiffer weilte am Freitag nachmittag auch im Reichstag und hatte dort eine Besprechung mit dem Reichskanzler.

Schweres Sch'ifsmrftück im Hamburger Hasen.

Berlin, 18. Juni. Im Hamburger Hafen ist der setzt dem brasilianischen Lloyd gehörende^ ehemalige deutsche :''- dampf er Nvara", der auf Grund des Versai lsr Vertrags abgeliefert wer­

den mußte, beim Ausdoggen gesunken. Das Unglück stellt sich als weit schwerer heraus, als es zuer stden Anschein hatte. Der Dampfer hatte, als das Unglück geschah, neben dem größten Teil der Besu­cher ein paar hundert Werftarbeiter an Bord. Das Schiff wurde unbegreiflicherweise mit leeren Wasser­tanks, also ohne Ballast, von Dock gelassen. Der Lotse soll davor gewarnt haben, der brasilianische Kapitän jedoch trotzdem den Befehl zum Klarmachen gegeben haben. Kaum lag das Schiff frei so berichtet das HamburgerAchtuhr-Abendblatt" als es sich weit nach Backbord überlegte. Jedoch wurde durch Schlepper besucht, das Schiff wieder aufzurichten, was auch an­scheinend glückte. Als aber der Schlepper von neuem anzog, kippte das Schiff nach Steuerbord über und in wenigen Minuten vollzog sich die entsetzliche Katastrophe. Dis meisten Per­sonen zögerten, ins Wasser zu springen als sich das Schiff nach Backbord neigte. Sie liefen alle nach Steuerbord und wurden dort überrascht, da das Schiss in der nächsten Minute nach dieser Seite überkippte. Die Zahl der Toten wird auf annähernd hundert ge­schätzt, dazu kommen zahlreiche Verletzte. - Poicares Besuch in London.

London, 18. Juni. Pvincare ist, von seiner Frau begleitet, mit Lord Derby, der ihn in Folkestone abge­holt hat, am Freitag abend in London angekommen. Er wurde von Marschall Petain und vom französischen Botschafter St. Aulaire am Bahnhof erwartet.

Daily Mail" will aus gut unterrichteter Quelle er­fahren haben, daß in der vorgestrigen Unterredung Poin- cares mit Lord Harding der letztere dem französischen Ministerpräsidenten den Standpunkt seiner Regierung in der Frage des englisch-französischen Garantievertra- ges auseinander setzte. Er bestätigte offiziell, daß dte eng­lische Regierung diesen Vertrag erst abschließen könne, wenn die zwischen den beiden Ländern schwebenden Fra­gen gelöst sein würden, so besonders die Frage von Tanger und des nahen Ostens. Man erklärt in politischen Krei­sen, daß Lord Harding diese Instruktion schon vor einigen Tagen von der englischen Regierung erhielt, mit dein Aufträge, sie Poincare vor seiner Abreise nach London Initznteilen, um ein Mißverständnis zwischen den bei­den Regierungen bei dem Besuche Poineares in London zu beseitigen. Poin are hat in Privatnnterredimgen vor einigen Klagen erklärt, daß er bereit sei, die zwischen England und Frankreich schwebenden Fragen zu disku­tieren. Diese Absicht Poineares, seine Anwesenheit in London politischen Gesprächen zu widmen, wurde der eng­lischen Regierung mitgeteilt, aber dieser Gedanke ist vom Foreign Office"' nicht angenommen worden. Es scheint darum, daß die Reiß Pv'ncares leinen politischen Cha­rakter haben wird.

Getreideumlage und Brotprels.

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Berlin, 18. Juni. Der Gesetzentwurf über die Getreide­umlage ist dem Reichstag zugegangen. In der Begründung wird gesagt: Das Angebot der Landwirtschaft, durch seine Lieferung von 2 Millionen Tonnen den Bedarf für die billigere Brotversorgung der wirklich Minderbemittelten sichern zu wollen, sei ein Sprung ins Dunkle, an dessen Ge­lingen die Regierung nicht glaube. Die Preise würden außerordentlch hoch getrieben werden. Da nach dem Befehl der Entente keine Reichszuschüsse zur Getreideeinfuhr mehr gegeben werden dürfen, müsse die ganze Aufbringung von Ausland- und Jnlandgetreide zusammengeworfen werden.

In dieser Preisherabsetzung des Auslandgetreides durch das Jnlandgetreide liege eine Härte für die Landwirtschaft, aber sie müsse für das Vaterland ein Opfer dringen. Der Um­lag e p r e i s solle im Laufe des Jahrs nachgeprüst werden, um zu verhüten, daß wieder ein so großer Unterschied zwischen Weltmarkt- und Umlagepreis entstehe wie im letzten Jahr.

Bei der Verteilung soll der Landwirtschaft eine weitergehende Mitwirkung eingeräumt werden. Wenn möglich, sollen Brotkarten an Personen mit höherem Einkommen und Vermögen nicht ausgegeben werden. Der Brotpreis werde sich vermutlich verdoppeln, allein es komme nicht ^ sehr darauf an, billiges Brot zu schaffen, als die Versorgung ^ sicherzustellen. Die Eintreibung der Umlage werde sich !

schwieriger gestalten als im Vorfahr, doch hofft die Regie- '

rung, daß die Landwirtschaft sich zur Umlage freundlicher stellen werde, wenn sie erst einmal Gesetz sei, zumal man ihr ; in der Preisbildung entaeaenkomme. z

Heimatwurzeln.

Roman von Hans von Hekethusen.

46 (Nachdruck «erboten)

Von heute ab hat dir keiner mehr zu kommandieren. Aber nu mußt du selber auf der Hut liegen, daß du den unfreien Willen immer gut anwendest, Ich Hab man so in meinem Leben gelernt, daß dat Kommandieren sich sehr viel schöner ansieht, als oste et eigentlich is, un wenn die Befehlshaber sich vergriffen hatten, war ihnen hinterher sehr eklig zumute. Mich geht dat sehr durch meinen Kopp, daß du nun ganz allein über dich re­gieren sollst. Auch das Heiraten wird nich ausbleiben, un du hast keine Eltern, die ihre Augen darauf haben. Deine Tante hat von Heiraten keine Ahnung. Davor kann sie ja eigentlich auch nich, aber wenn ick ihr so reden hör', was sie sich in ihrem Kopp über dich in dem Punkt alles zusammenklamüsiert, denn wird mir immer ganz schwach ... ich bin ja man ein ganz einfacher Mensch, aber so viel verstehe ich doch, dat du niemals so 'ne Art von Heiraterei betreiben wirst. Ich kann dir man aus gutem Herzen sagen: laß dir Zeit. Sieh dir die Welt un die Männer an un nimm dir keinen, der sich bloß in deine Augen verliebt un zärtlich um dir herum duselt. Zu dir paßt nur einer, der von deiner ganzen Natur einen Begriff hat. Erst dann kannst du es dir gefallen lassen, dat er dir alle Tage sagt, daß deine Augen schön sind ... Ich habe viele Ehen ge­sehen. Aber recht gute waren man wenige darunter. Manche waren sogar sehr schlecht. Ja, Gerdachen, laß dir Zeit! "Das ist der größte Wunsch, den ich vor dir habe."

- Auhdem er diese lange Rede zwischen Stocken und Gesichterschneiden, wie er immer tat. wenn er Herr

über eine ihm unjägermähig dünkende Rührung wer­den wollte, gehalten hatte, geschah etwas noch nie Da­gewesenes. Er hob Gerdas Hand empor und küßte sie.

Aber, Stacks!" rief sie erschrocken.

Ja, dat gehört sich so. Mit die Kindheit is das nu vorbei, un da sollst du alle Ehrerbietung kriegen, die mein olles Herz vor dir hat . . . Immer alles da, wo et hingehört, du wirst noch nie gesehen haben, dat ick der Tante schon mal die Hand geküßt hätte."

Sie strich leise über sein faltiges Gesicht.

Ich danke dir für alle Treue und für alles Gute, die wir durch dich gehabt haben. Zwischen uns bleibt alles beim alten, nicht wahr?"

Er nickte hastig. Als er merkte, daß die unweid­männischen Tränen sich nun doch nicht mehr zurückhal­ten ließen, verlieh er rasch das Zimmer.

Schon seit Wochen wgr es für Egon eine sehr liebe Beschäftigung gewesen, diesem Geburtstage der Schure- ster ein besonders festliches Gepräge geben zu wollen. Sein ganzes verfügbares Geld hatte er genommen, um ihren Geburtstagstisch zu schmücken.

Bei diesen Vorbereitungen hatte es sogar Streit mit der Tante gegeben, die die einlaufenden Sendungen mit einer Art von Eifersucht kritisierte. Es beirrte aber Egon nicht, daß sie verdrossen sagte:

Das sind Geschenke, wie sie sich ein verliebter junger Ehemann ausdenkt, aber nicht ein Bruder."

Darauf hatte er ruhig erwidert:

Da ich das erstere nie werden kann, so soll mich niemand hindern, Gerda zu schenken, was ich möchte "

Auch verstimmte es die Tante weiterhin, daß sämt­liche Einladungen an Freunde und Bekannte diesmal von ihm selbst geschrieben wurden. Sonst pflegte er ihr dergleichen zu überlassen. Der Wichtigkeit des heutigen Tages war sie sich auch bewußt, aber es war etwas Unbequemes für sie dabei. Sie hätte es gerne gesehen, wenn das schwer zu beeinflussende Mädchen noch vor

dem Einritt in diese völlige Selbständigkeit einen Mann gefunden hätte. Innerlich schalt sie auf Walter und nannte ihn entschlußlos, sich gegen Gerda noch immer nicht erklärt zu haben.

Die kunstvollen und mühsamen Bettdecken der alten Damen errangen neben den Herrlichkeiten, die sonst noch auf Gerdas Tische lagen, nicht die volle, von beiden er­hoffte Würdigung. Und als die Pastorin spater zwei Dutzend köstlicher, selbstgesponnener und selbstgewebter Handtücher ganz rücksichtslos auf diese Bettdecken legte, seufzten beide und klagten sich später ihr Leid über die Verständnislosigkeit und den Undank der Jugend. Auch empfanden sie es bitter, daß Gerdas Dank gegen die Pa­storin viel wärmer und zärtlicher zum Ausdruck kam als gegen sie.

Egon hatte darauf bestanden, diesmal um sechs Uhr ein richtiges Festessen zu geben. Er hatte hin und her geschwankt, ob er die Woldenberger einladen solle oder nicht. Er besaß nicht die kleinliche Empfindlichkeit, sich verletzt zu fühlen, daß sie seinen einundzwanzigsten Ge­burtstag völlig übersehen hatten. Er war viel zu be­scheiden, um sich nicht zu sagen, daß jener Tag nur für die allernächsten Angehörigen und Freunde einen ge­wissen mehr seelischen Wert gehabt habe.

Mit Gerda aber war das etwas anderes. Das Be­wußtsein lebte stark in ihm, daß sie als Besitzerin von Parnitz im öffentlichen Leben eine gewisse Nolle zu spielen habe und daß man klug tue, anderen Leuten klar zu machen, daß er als Bruder gewillt war, sie in dieser Rolle zu sehen.

^ortsrtzung folgt.

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