(Enztalbote)

Amtsblatt für M^^Lad. Chronik im- Anzeigenblatt

für bas obere Cnztal.

Erscheint täglich, ausgenommen Tonn- n. Feiertags. Bezugspreis monatl.Mk. 20., oierteljährl. Mk. 69. frei ins Hau» geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr 66einschl. Postbestellgeld. Einzelnummern 75 Pfg.:: Girokonto Nr. 5V bei der Oberamtssparkasse Neuenbürg, Zweigstelle Wildbad. Bankkonto: Direktion d. Discontoges., Zweigst. Wildb. Postscheckkonto Stuttgart Nr. 29174.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum Mk. 150, auswärts Mk, 2.00. :: Reklame­zeile Mk. 5.. Bei größeren Aufträgen Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunsterteilung werden jeweils 1 Mk. mehr berechnet. Schluß der Anzeigen­annahme : täglich 8 Uhr vormittags. :: In Konkurs- fällen oder wenn gerichtliche Beitreibung notwendig wird, fällt jede Nachlaßgewähruug weg.

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schristleitung Th. Sack in »ilbbad.

Nummer 14V

Fernruf 179

Wildbad, Montag, den 19. Zuni 1922

Tagesspiegel

Die Reichsregierung hat Vertreter der Länder zur Be­ratung einer Erhöhung der Bezüge der Staatsangestellten nach Berlin berufen.

Das preußische Finanzministerium gibt bekannt, daß die Aleuerabgaben der Mitglieder des Hauses Hohenzollern ständig überwacht werden: das ganze Vermögen könne aber seht noch nicht erfaßt werden.

Der Garantieausschuß ist am Sonntag ans Baris in Berlin ekrZelroffen. Er wird sich voraussichtlich 14 Tage in Berlin aushallen.

LautTageblatt" rechnet man damit, das; die Re­gierungserklärung des Reichskanzlers über die Rcpa- rationsverhandlnngen und die damit zusammenhängen­den Kragen am nächsten Mittwoch erfolge» wird.

Wie derLokalanzeiger" hört, hat der Borsteher der Berliner russischen Gemeinde in Gemeinschaft mit der Großfürstin Xenia, der ältesten Schwester des ermorde­ten Zaren eine F estste klungst läge bei den Berliner Gerichten eingercicht, um auf dem Wege des Zivil­prozesses die umstrittene Krage des Eigentumsrechtes an dem Berliner russischen Botschaftsgebäude zu klä­ren.

Auf der Schichau Werft in Danzig lief heute in Gegenwart einer tausendköpfig,n Zuschanermengc der Personen- und FrachtdampferKolnmbns", de» Schi­chau für den Nordd. Lloyd erbaut hat, glücklich vom Stapel Das Schiff ist mit 32 000 Bruttoregistertonnen und über 40 000 Tonnen Wasserverdrängung nun­mehr das größte Schiff der dentschen Handelsmarine

Zwischen Deutschland «nd Polen soll ein Amnestie- abkommen getroffen werden.

Der schwärzeste Tag der deutschen Geschichte

Am 28. Juni werden drei Jahre verflossen sein, seit jener unheilvollen Stunde (es war nachmittags 3 Uhr), ats unsre beiden Vertreter, die Reichsminister Herma r^n Müller und Dr. Bell, in der denkwürdigen Spiegelgalerie des Schlaffes von Versailles schweigend.ihre Unterschriften unter das unglückliche Schriftstück setzten oder, sagen wir bes­ser, setzen muhten. Vor ihren Unterschriften standen 67 Namen der 27alliierten und assoziierten Mächte". Die 28. Rußland fehlte. Immerhin ein unvergänglicher Ruhm für unser Volk, die Tatsache, die in dem Schandoer- trag verewigt ist, daß 28 Mächte der Welt zusammenstehen muhten, um uns nach vier- und mehrjährigem Ringen endlich nisderzuwerfen.

ClSmenceau leitete jenen Schlußakt der entsetzlichsten Tragödie, die je über ein Volk hereingebrochen war, mit der kurzen aber grausamen Ansprache ein:

Die Unterschriften sollen vollzogen werden. Sie bedeu­ten die unwiderrufliche Verpflichtung, alle fe st gelegten Bedingungen inihremgan- zen Umfang zu erfüllen und treu und redlich aus­zuführen. Ich habe demgemäß die Ehre, die deutschen Herren Bevollmächtigte aufzufordern, den vor mir liegen- i Len Vertrag mit ihren Unterschriften versehen zu wollen."

Und sie und wir haben seither Wort gehalten. S i e, die sogenanntenSieger", an ihrer Spitze Frankreich als ihr Gerichtsvollzieher, haben mit teuflischer Freude bei jedem irgendwie gegebenen Anlaß, uns den entsetzlichenSchein" vor die Augen gehalten, wo es nur auch war, in Paris oder London, in Spaa oder Boulogne und haben dessen restlose Erfüllung gefordert. Wir fanden nirgends Nachsicht, nie­mals Entgegenkommen. Es blieb bei der unerbittlichen Er­klärung, die Elömenceau 6 Tage vor der Unterzeichnung, am 22. Juni 1919 abgegeben hatt:

Die alliierten und assoziierten Mächte halten sich zu >er Erklärung verpflichtet, daß die Zeit der Erörterung vorbei ist. Sie können keinerlei Abänderung jder Vorbehalt annehmen oder anerkennen.

Ja, welchen Vorbehalt? Gemeint war nämlich unser naliges letztes Angebot vom 22. Juni 1918, das lautete:

Die Regierung der deutschen Republik -st bereit, den Hriedensvertrag zu unterzeichnen, ohne je och a-

mit anzuerkennen, daß das deutsche Volk der Urheber des Kriegs je i."

Aber gerade das sollte unter allen Umständen stehen bleiben. Das ist es auch, was Frankreich heute nach drei Jahren nie und nimmer zulasten will. Sie wissen recht gut, daß mit dem Artikel 231, der die Alleinschuld Deutschlands behauptet, der ganze Vertrag steht und fällt. Hat doch der gegenwärtige Ministerpräsident Frankreichs, Poincare, am 27. Dez. 1920 imTemps" ausdrücklich geschrieben:

Was in den Augen der ganzen Menschheit die fran­zösische Forderung rechtfertigt, das ist nicht der Ausgang der Feindseligkeiten, sondern allein der Ausgangspunkt des Kriegs . . . Wenn tatsächlich nicht die Mit­telmächte es sind, die den Krieg hervorge­rufen haben, warum sollten sie dazu ver­urteilt sein, dessen Schulden zu bezahlen? Eine geteilte Verantwortlichkeit, schließt sie nicht immer auf Fug und Recht die Teilung der Kosten in sich? Man teile also die Kosten, wenn Deutschland Entschuldigungen hat."

Und deren hat Deutschland mehr als genügend. Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch (Kautshy-Akten), das Weißbuch des Parlamentarischen Untersuchungsaus­schusses, das österreichische Rotbuch, die Veröffentlichungen eines Tirpitz, Bethmann-Hollweg, v. Jagow, Helfferich, v. Bülow, Hamann und wenn diese Deutschen nicht gelten sollen, dann greife man zu den direkten und indirekten Zeug­nissen von Männern, die dem feindlichen Ausland an­gehören, zu Lord Fisher, Viscount Haldane, Jswolsky, Palöologue, Caillaux, nicht zu vergessen die Belgier Beyens und Guillaume, namentlich aber zu dem unerschrockenen englischen Wahrheitszeugen C. D. Morel und der hinter ihm stehendenUnion der demokratischen Kontrolle."

Obenan aber steht ein Mann, der neben Wilson und Clemenceau die größte Verantwortung am Vertrag von Versailles trägt. Wir nennen keinen geringeren als Lloyd George. Er sagte am 23. Dez. 1920:

Je mehr man Aufzeichnungen und Bücher liest, die in den verschiedenen Ländern über die Ereignisse vor dem 1. August 1914 geschrieben wurden, desto mehr sieht man ein, daß niemand an führender Stelle zu jener Zeit geradezu den Kr ieg wollte. Es war etwas, in das sie glitten, oder eher wank­ten und stolperten vielleicht aus Dummheit und eine Aussprache hätte es zweifellos verhindert."

Ist dem so, warum wird dann Deutschland kein mildern­der Umstand zugebilligt? Fahrlässigkeit ist kein Verbrechen. Aber der Friedensvertrag stempelt uns zu Verbrechern schlimmster Sorte. Da» Ultimatum vom 16. Juni 1919, das unser« Unterschrift über da» Versailler Diktat forderte, ent­hält di« furchtbare Anklage gegen uns;

Der Ausbruch des Krieg» ist nicht au? einen plötzlichen Entschluß, der in einer schweren Krisis gefaßt ist, zurück­zuführen. Lrwardaslo«-scheSrgebnis«iner Politik, die seit Jahrzehnten von Deutsch­land unter dem Einfluß des preußischen Systems ver­folgt wurde."

Jahrzehnte! Welch himmelschreiendes Unrecht! Genau das Gegenteil ist wahr. Soeben sind die ersten sechs Bände der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amts der Oesfentlichkeit übergeben worden. Das gesamte Material über die deutsche Politik vor dem Welt­krieg soll offen vor aller Welt-ausgebreitet werden, nichts zurückgehalten, nichts verschwiegen werden. Die neuen Ver­öffentlichungen enthüllen eine große unumstößliche Wahr­heit: die zielbewußte Friedenspolitik des ersten Kanzlers. Und seine Nachfolger haben es nicht anders ge­wollt und nicht anders gehalten.

Jetzt heißt es auch für die andern Völker, für England und Frankreich: Heraus auch mit Euren Karten! Und nun sollen unparteiische Richter ihren Spruch fällen. Wir Deut­sche brauchen uns nicht davor zu fürchten. Aber dann fordern wir auch eine Nachprüfung des Schimpfvertrags von Versailles. Der 28. Juni 1919 muß wieder gut gemacht werden.

Es muß wieder tagen.Die unwürdige Rotte", sagte einmal Moltke,die man uns spielen läßt, kann ja nicht von langer Dauer sein. Ein schimpflicher Friede hat noch niemals Bestand gehabt."

tt.

Fernruf 179 57. J»hrgSNg

Deutscher Reichstag

Kchlichiungsordnung

Berlin 17. Juni.

In ^er gestrigen Sitzung des Reichstags wurde nach Er­ledigung einiger Anfragen ohne allgemeines Interesse in allen drei Lesungen der Entwurf angenommen, durch den die Bezüge aus der Unfallfürsorge für Gefangene verzehn­facht werden, ebenso der Entwurf über die Erhöhung der Vergütungen für Ouartierleistungen an die Reichswehr.

Bei der ersten Lesung der Novelle zur Schlichlungsord­nung stimmte Abg. Giebel (Soz.) grundsätzlich dem Ge­danken einer Schlichtungsordnung zu, äußerte aber Be­denken wegen der scharfen Zwangsbestimmungen des Ent­wurfs. Reichsarbeitsminlster Dr. Brauns stellte als Ziel des Entwurfs in den Vordergrund, den Wirtschaftsfrieden zu fördern und zu sichern. Am Streikrecht rüttelte die Schlichtungsordnüng nicht. Sie wolle nur die auch von den Gewerkschaften bekämpften wilden Streiks verhindern. Abg. Ehrhardt (Ztr.) bezeichnete die Sicherung des gewerb­lichen Friedens als eine Lebensnotwendigkeit unseres Volks. Abg. Graf- Thüringen (D.Nat.) stimmte den Grundgedan­ken der Vorlage zu und beantragte ihre Verweisung an den sozialpolitischen Ausschuß. Abg. Ausfhäuser (Unabh.) bezeichnete die Vorlage als ein Gesetz zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Gewerkschaften. Den Arbeitern und Angestellten wollte man damit das Selbstbestimmungsrecht nehmen. Abg. Moldenhauer (D.V.P.) steht der Vor­lage, die der Zurückdränaung des Klassenkampfes diene, zu­stimmend gegenüber. Abg. Fick (Dem.) äußerte Bedenken wegen des bürokratischen Aufbaus der Vorlage und hätte die berufliche Gliederung derjenigen nach Bezirken vorgezo- gen. Abg. Weiner (B.V.P.) sprach ebenfalls Bedenken gegen Einzelheiten der Vorlage aus. ,

Die Sitzung des Reichstags am 17. Juni beginnt um 12 Uhr.

Der Entwurf auf angemessene Entschädigung für Schöffen, Geschworene und Vertrauensper­sonen wird in zweiter und dritter Lesung angenommen.

Das Wiesbadener Abkommen und da» Bemel- mänsche Abkommen gehen ohne Aussprache an die Aus­schüsse.

Die Zwangsanleihe, die Aenderung der Einkom­mensteuer und die Anträge der Rechtsparteien auf Aende­rung der Erbschaftssteuer kommen gemeinsam zur ersten Beratung.

Abg. Hölle in (Komm.) erhebt Einspruch gegen die Steuerpolitik der Regierung und wirft der Sozialdemokratie vor, daß sie ihren Parteigenossen, den Reichswirtschafts­minister Schmidt bei seiner Forderung nach Erfassung der Sachwerte im Stich gelassen habe.

Da sich niemand mehr zum Wort meldet, werden die Vorlagen und Anträge dem Ausschuß überwiesen, ebenso die Vorlage der Schlichtungsordnung.

Am Montag kommt die Getreideumlag« zur Beratung.

Die Haager Konferenz

Beobachter und Studienkommiffare

Die Haager Sachverständigenkonferenz hat begonnen. Es ist zunächst nur eine tastende Vorkonferenz, und die eigentlichen Sachverständigen sind noch gar nicht da. Das Feld beherrschen vorläufig noch die Diplomaten. Diese wollen aber beileibe nicht als Politiker auftreten, d. h. sie haben der angeblich rein wirtschaftlichen Konferenz den Weg zu ebnen. Sie sind nurBeobachter". Der französische Ge­sandte Benoist hat das ausdrücklich erklärt und der bel­gische Vertreter Cattier hat keinen anderen Wunsch als das französische Spiel zu spielen. Da auch der amerikani­sche Gesandte von seiner Regierung den Befehl erhalten hat, eingehend, aber sachlich zu berichten, werden in dieser Kon­ferenz, die im Gegensatz zu Genua nur von minderen Größen beschickt ist, bald mehr Beobachter als Handelnde sitzen.

Eine gewisse Beschloffenheit und Arbeitswilligkeit zeigt nur die englische Abordnung. Sie besteht aus dem Mi­nister des Schatzamts Commander E. Hilton Poung, dem Direktor für den überseeischen Handel Sw Philipp Lloyd Greame, dem Mitglied des Handelsministeriums S- Chapman und etwa zwei Dutzend Beamten. Aber Liese Engländer wissen noch nicht recht, was sie zu tun. haben. Die Entscheidung hängt von dem Besuch Pomcares bei Lloyd George ab, der aus Anlaß des sog. Verduntags mit vielem Pomp und Festen General P e t a , n ist auch da­bei in London soeben veranstaltet wird. , ^

Nur der Form wegen, um Eifer zu zeigen, sollen me Haaaer Vertretungen einstweilendie Bedingungen prüfen, unter denen eine Zusammenarbeit mit einer ruffischen Sach­verständigenkommission möglich ist". Am 20. Juni soll der russischen Regierung gnädigst verkündet werden, welche Märkte von den Verbündeten und Neutralen Deutschland.