svor die die Teuerung uns stellt, könne nicht mit der Notenpresse gelöst werden, sondern müsse als große außenpolitische Aufgabe des deutschen Volks betrachtet werden.

Den Fortschritt in den Beziehungen des Deutschen Reichs zu den früheren feindlichen Staaten glaubt der Reichs­kanzler am deutlichsten an der zu uns geführten Sprache kennzeichnen zu dürfen. Vor einem Jahr wurde noch 4m Ton des Ultimatums und der Diktatur mit Deutsch­land gesprochen. Ganz anders sei es auf der Konferenz in Genua gewesen, wo man sich an einen Verhandlungs­tisch gesetzt und begonnen habe, in ruhiger nüchterner Form miteinander zu sprechen. Das wäre mit einer Politik der Ablehnung und des widerständlichen Geschehenlassens nicht erreicht worden. Die Genueser Konferenz habe weiter ge­zeigt, daß die Vertreter des Reichs politisch wieder Boden unter den Füßen gehabt haben. Der Vertrag von Ra­pallo und das wirtschaftliche Zusammenarbeiten mit Ruß­lands werde nicht nur uns, sondern dem ganzen dahin- stchenden Europa zum Vorteil dienen. Der Vertrag von Rapallo werde nicht der letzte von europäischen Völkern mit der Ostwelt sein, sondern der erste; bald werden weitere Nachfolgen. Es gab in Genua sehrwichtigeFragen, über die nicht amtlich gesprochen wurde. Die wichtigste Frage, die deutsche, kam amtlich nicht zur Sprache. Aber wo sich zwei vernünftige Menschen in Genua trafen, wurde über die Kriegsentschädigung gesprochen, die zur Weltsrage geworden ist. Die große Aufgabe der deut­schen Politik ist es, die Frage der Entschädigung, die in Wirklichkeit eine Kriegskontribution ist, aus dem Hexenkessel der Politik auf den Boden wirtschaftlicher Er­wägungen zu bringen.

Die Finanzleute des Anleiheausschusses haben ein ver­nichtendes Urteil über den unsinnigen Zahlungsplan des Londoner Ultimatums abgegeben. Wenn wir ver­suchen, eine ruhige Lage in der Welt zu schaffen, dürfen Hinter der Negierung die politischen Brücken nicht^tbgebro- chen werden. Im Rückblick auf die politischen Krisen des Lahres danke ich dem demokratischen Deutschland und der deutschen Arbeiterwelt für das Vertrauen, das sie in den schweren Weg, den wir gehen muhten, gesetzt hat. Noch hält sich Amerika abseits. Die amerikanische Volksseele war in wildem kriegerischem Haß bis zu SO Prozent gegen das deutsche Volk entfacht.

Welcher Richtung Sie auch politisch angehören mögen, treten Sie hinter das demokratische Deutschland, für ein selbständiges, unabhängiges deutsches Volk ein. Das ist die Wiedergewinnung jener nationalen Festigkeit, die uns zu niemandes Herr und zu niemandes Knecht zwingt, sondern die neben den andern Völkern in friedlichem Wiederaufbau Europas ihr Ziel und ihre große politische Aufgabe sieht. (Stürmischer Beifall).

Die Rede Rakhenans

Reichsminister Dr. Rathenau führte diese Gedanken auf dem Gebiet der internationalen Fmanzfragen weiter. Im Londoner Ultimatum von 1921 wurde von uns Gold gefordert, das wir nicht erzeugen. In Wiesbaden wurde anerkannt, daß nicht Gold unser Zahlungsmittel sein könne, .sondern nur Gut und Ware. Im Herbst dämmerte in Eng­land die weitere Erkenntnis auf, daß wenn ein Land im Uebermah Arbeit leistet, dadurch andere Völker geschädigt werden, indem eine Zerrüttung der Märkte der Erde folgen muß. So wird die wirtschaftliche Verflochtenheit aller Länder begriffen. Jeder Ausfall eines Gliedes schadet der Gesamtheit. Dadurch wuchs der Gedanke der Weltkonferenz pon Genua, welche zum erstenmal die Möglichkeit brachte, Die deutsche Gesamtlage zu entwickeln. Die Frage war sehr einfach: Kann ein Kontinent gesunden, wenn jeder jedem tief verschuldet ist? Kann eine Nation sich regen, wenn sie gleichzeitig Gläubiger und Schuldner von so und so viel andern ist? Die Wiederverbindung des Westens und Ostens ist eine der großen Aufgaben der Politik. Wir haben den Weg dazu eröffnet. Mit Rußland kann man nicht abrech­nen wie mit einem schlechten Schuldner. Man kann mit ihm Zusammenwirken in dem Augenblick, wo seine Not am größten ist. Der Vertrag von Rapallo konnte zu keinem pudern Zeitpunkt Abgeschlossen werden als in Genua, weil ser reif war und weil bei den Russen das Gefühl entstand, Hier erwächst uns in der Verlassenheit eine Hilfe. Wir rech­nen in der Politik nicht mit Dankbarkeit. Im Haag, wo dis russische Frage behandelt wird, werden wir nicht beteiligt fein, denn unsere Verhältnisse im Osten sind geregelt.

Die Beruluna der Bankiers nach Paris, kaate Dr.

Rathenau, sei das bedeutendste Ereignis nach dem Lon­doner Ultimatum gewesen, kws nicht mehr rückgängig ge­macht werden könne. Sie haben die Frage, ob Deutschland 132 Goldmilliarden bezahlen könne, mit einem g.atten Nein beantwortet.

Zum Schluß bezeichnete Dr. Rathenau die Politik der Versöhnung, die die Neichsregierung eingeschlagen habe, als die einzig mögliche; ohne diese Politik wäre, wie aus einer Aeußerung Lloyd George's in Genua gegenüber dem Reichs­kanzler und ihm selbst (dem Redner) hervorgehe, der Be­stand und die Zukunft des Deutschen Reichs aufs ernstlichstc gefährdet gewesen.

Staatspräsident Dr. Hieb er schloß hierauf die Ver­sammlung mit Worten des Dankes an die beiden Redner.

Prozeß KMnger

Offenburg, 10. Juni. Am Freitag versammelte sich die Eerichtskommission, bestehend aus ungefähr 50 Personen, zu einer Automobilfahrt nach Oppenau, den für die Beweis­aufnahme in Betracht kommenden Renchtalbödern und dem Tatort nach der Kniebisstraße. Vom Postamt waren meh­rere Autos zur Verfügung gestellt. Mittels Bahn hatten sich schon am Donnerstag die Offenburger Beamten, sowie alle für die Vorgänge am Tatort und dessen näherer Umgebung in Frage kommenden Zeugen t?ach Oppenau begeben.

Nach zweistündiger Fahrt durch das Renchtal wurde in Oppenau das Gasthauszum Hirschen" besichtigt, in dem zuletzt Schulz und Tillessen am 21. August 1921 abends angekommen waren. Sie bewohnten ein im 2. Stock ge­legenes Zimmer, das gegen den Lierbach gerichtet ist. Der Sohn des Wirts kam nach dem Mord auf den Gedanken, daß die beiden Gäste, wenn es die Täter sind, vielleicht ir­gend welche Gegenstände zum Fenster hinaus in den Bach geworfen haben könnten. Er suchte den Bach ab, der b«i der damaligen Hitze und Dürre nur wenig Wasser führte, und fand tatsächlich auch die Schnitzel eines Zettels, der von einem Notizblock abgerissen war und die Telephonnummer des Sekretariats der Zentrumspartei in Stuttgart ent­hielt, ferner des Jordanbads bei Biberach und der Erzabtei Peuron. Daraus ging hervor, daß die Zimmerbewohner sich sehr interessiert hatten für den jeweiligen Aufenthalt des Reichstagsahg- Erzberber, der sich im August 1921 in Bibe­rach, Benron und Griesbach aufgehalten hat.

Es wurde festgestellt, daß man tatsächlich von der Bank auf dem Höhenweg, der dem Gasthaus gegenüberliegt, in die von Erzberger bewohnten Zimmer sehen konnte. Darauf fuhren die Automobile auf die neue Kniebisstraße und zu oem Tatort. Ein Polizeibeamter zeigte, wie die Schüsse abgegeben sein mußten. Es wurde der Weg genau ange­geben, den der Angeschossene von der Straße aus die Bö­schung herunter genommen hatte, bis er dann an der Tanne verstarb. Diese Tanne ist in ihrem unteren Teil fast ganz von der Rinde entblößt. Verehrer des Ermordeten haben sich große Rindenstücke ausgeschnitten. Auch Herren, die an dieser Besichtigung beteiligt waren, laten dasselbe. An dieser Stelle wird bekanntlich eine Kapelle errichtet werden. Auf dem Weg nach der Höhe des Kniebis wurde noch ge­zeigt,, wo die Mörder den verschiedenen Zeugen begegnet waren,

In der gestrigen Vormittagssitzung des Schwurgerichts wurde über v. Millinger selbst gar nichts gesprochen.. Die umfangreiche Zeugenvernehmung erstreckte sich darauf, den Beweis zu erbringen, wo Schulz und Tillessen sich im Monat August aufgehalten halten.

Die erste Z?ug-u, Frl Ostertag aus Spandau, erzählte, Schulz habe sich am 6. August telefonisch angemeldet und sei mit Tillessen an demselben Tag auch nach Spandau zu Besuch gekommen. Beide blieben bis 11. August. Der Bruder dieser Zeugin, der Student Dietrich Ostertag, kannte Schulz und Tillesien aus der Zeit, während er mit ihnen in derselben Brigade war. Die beiden hätten ihre Neisepläne während ihres Aufenthalts in Spandau nicht erzählt.

Der näcostc Zeug' war Otto Frick, Hausdiener im .Hotel Waldeck in Benron, der das Gepäck Erzbergers nach der Bahn brachte, nachduu Erzberger selbst die Adresse daran angebracht hatte. Er schilderte die genaue Abreise Erzbergers von Benron. Der Postbote Birk in Benron hatte die neue Adresse in Empfang genommen. Als Erz- berger schon abgereist war, kamen zwei junge Herren an

Heimatwurzeln.

Roman v»n Hans von Hekethusen.

41 (Nachdruck verboten)

Da ihn in dieser Zeit ein Ritt in der Nähe des Bau­erngehöftes vorbeiführte, gab er dem Wunsche, hier ein­mal Einblick zu halten, nach und ritt heran.

Es öffnete sich die Haustür, und zu seinem maßlosen Erstaunen trat der Totgesagte in eigener Person heraus.

Er war so verdutzt, daß er ausrief:

Nanu, ich denke, Sie Sie Sie sind sterbens­krank!"

Der Alte lachte ihn an.

Und deshalb habe ich den hohen Besuch? Oder dachten der Herr, ich wäre schon gestorben?"

Allerdings erzählte man so etwas Aehnlichos," meinte der Woldenberger noch immer so ungläubig, als habe er eine Erscheinung aus der anderen Welt vor sich

Nein, noch lebe ich," entgegnete Peters,und ich will auch meine Bleiche behalten; jedenfalls sollen sie die Parmtzer nicht haben. Wenn man so geärgert worden ist, so vergißt man das nicht. An meiner Stelle würden Sie ihnen die Bleiche auch nicht geben."

Mag sein," entfuhr es Herrn von Bidau.

Er hatte sofort Grund, diese Aeußerung zu bereuen, denn Peter rief:

Habe ich es nicht gesagt, Sie verstehen mich, und Sie wissen, wie einem Menschen zumute ist, der ein Recht hat, sein Eigentum sestzuhalten!"

Na, etwas anders liegt der Fall hier nun doch," entgegnete Herr von Bidau betroffen.

^ Peters hörte aber nicht darauf. "

-Ähren Rat werde ich nicht vergessen."

.. .Noch nie war Herr von Bidau so unzufrieden mit wie an diesem Tag. Ein dunkles Bewußt­sein c-on schäm stieg wieder einmal in ihin auf.Daß

er doch nicht aufhören konnte, sich noch immer die Par- nitzer Verhältnisse durch den Kopf gehen zu lassen. Er bereute es außerordentlich, diese Begegnung mit Peters gehabt zu haben.

Viele Wochen später hatte er eine Begegnung mit einem Rechtsanwalt aus der nahen Stadt. Erst hinter­her fragte er sich, was diesen veranlaßt haben konnte, ihm mitzuteilen, daß man ihn vor einigen Tagen in das Bauerngehöft Peters grufen hätte. Der Alte habe in seinem Beisein ein Testament diktiert. Herr von Bidau glaubte sich weiter zu erinnern, daß ihn der Rechts­anwalt bei diesen Worten ganz eigentümlich angesehen hatte. " . '

Frau Ruhstrats Leben hätte bei der Anspruchslosig­keit ihrer Bedürfnisse ein ganz angenehmes sein können. Diei ihr gebliebenen Mittel reichten aus, ihren kleinen Hausstand zu bestreiten und dann und mann Gäste bei sich zu sehen. Ihre Freunde waren sogar der Meinung, daß sie viel Grund gehabt hätte, ein gütiges Geschick zu preisen, das ihr einen ruhigen Lebensabend bereitet hatte. »

Walter Uhlenrode tat wirklich sein möglichstes, um der alten Frau allerlei kleine Annehmlichkeiten zu ge­währen. Und nachdem die Verantwortung, die der Be­sitz von Tannenhos mit sich gebracht hatte, und der sie doch niemals gewachsen gewesen war, fortfiel, hoffte man, sie werde es endlich lernen, zufriedener zu sein.

Es gibt Menschen, denen man alle Unbequemlich­keiten aus dem Wege räumen und die man in ein Tal blühender Rosen verpflanzen könnte, sie werden doch den Reiz nicht los werden, sich Verdrießlichkeiten zu schaffen. o

Das Verhältnis von Frau Ruhstrat und dem neuen Besitzer hatte sich inzwischen zu einem wahrhaft mütter­lichen gestaltet. Sie war stolz auf ihn, als wäre er ihr eigenes Kind. Sie konnte nicht genug davon erzählen, wie fleißig er sei. Auf ihre Bemerkung, daß er das doch gar nicht nötig habe, hatte er dann nur lächelnd

den Schalter und gaben an, sie seien vom Hotel Waldeck geschickt, um sich nach Erzbergers Adresse zu erkundigen. Die Mitteilung über Erzbergers Adresse wurde jedoch als Dienstgeheimnis gehalten, obwohl die beiden Herren behaupteten, sie hüllen mit Erzberger etwas Wichtiges zu besprechen. ^

Der Klosterbruder Hansert hat am 20. August ein Telefongespräch aus Ulm abgenommen, in welchem ein Unbekannter nach dem Kloster fragte, in welchem sich in diesen Tagen Erzberger wegen der Einkleidung feiner Tochter aufhielt. Den Namen verstand der Zeuge aber nicht, obwohl er sich als Zentrumsabgeordneter mit dem Doktortitel vorstellte. Hansert teilte ihm mit, daß Erz­berger ins Renchtal gefahren fei.

Servierfräulein Senft vomGoldenen Engel" in Ulm hat am 19. August abends zwei Herren ein Zimmer Ange­wiesen, sie trugen sich mit den Namen Berge und Niese ins Fremdenbuch ein, am 21. August sind sie von dort abgereist. An den Bildern glaubte sie einen von ihnen wieder zu erkennen.

Der Vorsitzende teilte mit, daß es vielleicht möglich werde, am Mittwoch den Prozeß zu Ende zu bringen.

Neue Nachrichten

Neuer llebergriff der Rheinlandkomuüsfion

Berlin, 11. Juni. Die Wirtschaftskommission der Rhein­landskommission hat eigenmächtig die Ausfuhrhöchstpreise für Tone festgesetzt, die 25 Proz. unter denjenigen Einfuhr­mindestpreisen liegen, die von der betreffenden deutschen Aus- si.hrinduftrie und dem Ausfuhrhandel beschlossen worden sind. Der widerrechtliche Eingriff in die innerdeutsche Wirt­schaft würde binnen kurzem dazu führen können, daß die ge­samte Industrie des besetzten Gebiets hinsichtlich der Ausfuhr- Höchstpreise von der Rheinlandkomlnission kommandiert würde.

Rokmleihe in Oesterreich.

Wien, 11. Juni. Der Nationalrat ermächtigte den Finanz- minister, zur Deckung des Fehlbetrags des Staats Anleihen im Bettag von 220 Milliarden Kranen aufzunehmen. Der großdeutsche Abgeordnete Plassing erklärte, wenn die Mächte sich nicht zu einer Anleihe entschließen, so werde gegen ihren Willen der Anschluß an Deutschland sich als Naturnotwendigkeit wider Erwarten rasch vollziehen.

Vertagung" des Anleiheausschufsss.

Paris, 11. Juni. Die Blätter melden übereinsti nmend, daß der Anleiheansschuß seine Arbeit einstellt und, ohne zu einem Ergebnis gelangt zu sein, sich der Form nach aus drei Monate vertagt.

Die Blätter meinen, der Ausschuß wolle erst die ameri­kanischen Herbstwahlen adwcirten, von deren Ergebnis es abhänge, ob die Kriegsschulden des Verbands von der ameri­kanischen Regierung allenfalls erlassen werden. Ehe man in dieser Frage klarer sehe, könne man nicht daran denken, eine große Cntschädigungsanleihe für Deutschland aufzu­bringen, eine kleine Anleihe allein aber werde wenig Wert haben.

Roch keine Entscheidung über die Haager Konferenz

Paris, 11. Juni. Bezüglich des Zustandekommens der KonferenzimHaag wird, wie dasJournal" schreibt, durch die Denkschrift Poincares noch keinerlei Entscheidung getroffen. Der Ministerpräsident wollte nur in einem diplo­matischen Gedankenaustausch die Bedingungen darleasn, die für die Beteiligung Frankreichs maßgebend seien. Die Re­gierung selbst habe noch keine Entscheidung getroffen. (Die Konferenz soll bekanntlich am 15. Juni beginnen.)

Protest gegen den Be nch des Reichspräsidenten in München.

München, 11. Juni. Vaterländische Vereine und Verbünde Münchens richten in der Presse einen offenen Brief an den Reichspräsidenten Ebert wegen seines geplanten Besuches in München, worin es herßt:Viele Tausende vaterländisch denkender und treudeutsch ge­sinnter Bayern geben hiermit ihrem Mißmut über Ihr Erscheinen in München Ausdruck. Wir hättett es lieber gesehen, wenn Sie es als takt­voll erachtet hätten, der Einladung nicht Folge zu leisten. Uwe e Stellungnahme gegen Sie bildet durch-

geantwortet:Fräulein Gerda imponiert mir so durch ihren Fleiß, daß ich in mich gegangen bin und mir ge­sagt habe, das das mit meinem mordsfaulen Leben nicht so weiter gehen kann."

Ja, Frau Ruhstrat hätte wirklich ganz zufrieden sein können, denn für den jungen Mann war auch sie augenblicklich eine wichtige Person. Sie ahnte zwar, daß eine häufigen Besuche Gerda galten, denn mit verblüs- ender Genauigkeit schien er stets zu wissen, wann sie )ier war. Anfangs hatte,sie sich sogar eingebildet diese Zusammenkünfte geschähen mit gegenseitigem Einver­ständnis. Doch hatte Gerda eine Bemerkung ihrerseits so schroff abgelehnt, daß sie diesen Gedanken aufgeben mußte.

Der Sohn Otto schrieb nur selten aus Amerika. Nachdem sie seinen anfänglichen Klagen und Bitten, ihm Geld zu senden, nicht Gehör geben konnte, weil ihre Barschaft viel zu klein war, wurden die Briese immer seltener. Ja, zuletzt schlugen sie einen Ton an, der die Mutter ganz verwirrte... Er habe eine Anstellung gefunden, hieß es, und lebe nun gut. Hoffentlich gehe es ihr ebenso gut wie ihm. Deutschland sei ein schauder­hafter, enger Boden, auf dem ein Mann, wie er, über­haupt nicht mehr leben könne.

Früher hatte sie seine Briefe den Freunden vorgele­sen, um Mitleid für sein Mißgeschick zu erwecken. Jetzt tat sie es nicht mehr, und da auch niemand nach ihm fragte, so schwand die Person dieses Menschen, der hier so viel Unheil angerichtet hatte, immer mehr, wie in nebelhafte Ferne zurück. Der Undank und die Lieblosig­keit, die aus seinen jetzigen Mitteilungen sprachen, wa­ren vielleicht der erste wirkliche Schmerz, den sie erlebte, und der, schloß ihr völlig den Mund.

Fortsetzung folgt.