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(Enztalbote)

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Nummer 1V7

Fernruf 179

Tagesspiegel

Auf Ankrag der beiden Rechtsparteien wird der Aus­wärtige Ausschuß dc^ Reichstags zur Besprechung dr nach rem 31. Mar von Frankreich zu erwartenden Gewaltmaß- nuhm-n am Tag nach der Ankunft des Reichskanzlers aus Genua embsrufen.

. Der >c,zrge Verkehrsminister Grüner, der bekanntlich nach der Absetzung Ludsndorsss durch die Regierung des Prinzen Riax von Baden zum deutschen Gsneralslabschef ernannt worden war. bestreitet in derVossischen Zeitung» die An gaveil in denErinnerungen" des Ärsnormzen* aus eigen- nühig , Gründen und Furcht, datz er de,; Kaiser bei den Vor. gangen im Groszen Haiiotguariier am 9. November 19t4 hinterlistig und durch Unwahrheiten verraten und durch Drohungen zum Verlassen Deutschlands veranlasst habe.

Das englische Königspuar ist zum Belach des Königs und der Königin der Belgier nach Bni-sei abgersist.

Aus Alster (Nordirkand) werdr» wieder viele Schreckens- iaien der Linfeiuer gemeldet.

Amerika tA geneigt, Deutschland umfangreiche Dar­lehen zn gewähren.

Bon -er russischen Delegation wurden Forderunge,; von Barkrediten erhoben, die nicht als Grundlage von Berhandlnngen anerkannt werden.

Polen und die kleine Entente verständigten die französische Regierung von der Bereitwilligkeit, ihre Unterschrift unter die an die Russen gerichtete Denk­schrift zuriickzuzrehen. falls Belgien und Frankreich nickt znstimmen würden.

D e englischen Mitglieder der Restara^ionskommission Halen ihr Entka-snngsgesnch eingereicht

Wirtschaft und europäische Gegensätze

Von ihrem Vertreter in Italien erhält dieDeutschs Tageszeitung" bemerkenswerte Mitteilungen über die englisch-französischen Beziehungen mit Absicht auf dis Eutschädigungsfrage u. a., die in den wefent schön Punkten mit dem übereinstimmen, was wir zu der Sache wiederholt dargelegt haben. Dje Zuschrift lautet:

Das Lesen der ,/schönen Reden" in Genua, und be­sonders der schönsten, die Lloyd George zum Urheber haben, bietet vielleicht dem Seelenforscher ein größeres Interesse als dem Politiker. Als Politiker könnte man sich das Lesen beinahe schenken, denn von der wahren Absicht, die Lloyd George befolgt, ist daraus wenig ge­nug zu erkennen. Merkwürdigerweise erscheint Lloyd George sogar einigen Blättern als beseelt von dem Ver­langen, den Deutschen aus dem Schlamassel h^rauszu­helfen, koste es auch die Preisgabe des Bündnisses mit Frankreich. In Wirklichkeit hat der cheutsch-russische Vertrag als Probierschießen gewirkt. Das rvilde Ge­schrei sowohl Englands als Frankreichs darüber be­deutet nur, daß der Vertrag sowohl den englischen Plan, Rußland durch seine Entfernung von Deutschland wirt­schaftlich und am Ende auch politisch besser beherrschen, als den französischen Plan, sich Rußlands militärisch gegen Deutschland bedienen zu können vorlästig wenigstens zum Scheitern gebracht hat. Die engli­schen Sachverständigen sind der Ansicht, daß der deutsch­russische Vertrag im Hinblick darauf, daß Deutschland alle Geldmittel und alle Waren braucht, um Frank­reichs Forderungen zu befriedigen, von geringer prak­tischer Bedeutung sei, weil eben die Deutschen aus Mangel an Kapital und Waren keinen rechten Nutz n daraus zu ziehen vermöchten. Ans dieser Auffassung ergäbe sich, daß England gerade im Hinblick aus deu

lich zu einer abermaligen französisch-englischen Verstän­digung kommen.

HcUi-'n wir die jetzt aufgenommene russische Polln möglichst schon vor etwa zwei Jahren emgeleltet, so würden heute die Fragen, um die jetzt ^ rm^

für uns so stark verschlechterten Aussichten tobt, ein ganz anderes Gesicht annehmen. Nunmehr dient der englischeGottssfrieden" - Gedanke dazu, die eng­lisch-französischen Pläne des wirtschaf - liehen und des >u i li ri s ch e n K ri eg s mit­einander in Einklang zu bringen. Dieser Zweck des Gottesfriedsns wird noch besonders betont

Wlldbad, Dienstag, den 9. Mai 1922

Fernruf 179

57. Zahr,«ms

durch den Zusatz Benesch, dessen Annahme seitens Eng­lands und Frankreichs den Fortbestand kriege­rischer Mächteverbände sichern würde. Eng­land scheint seiner Ueberlieferung treu zu bleiben, euro­päische Politik nur vom Standpunkt des scharfum­grenzten eigenen Interesses zu betreiben.

Die Unterstützung, die Lloyd George in England findet, gilt natürlich auch nicht etwa Deutschland, son­dern dem so schwer gefährdeten Wirtschaftsleben Eng­lands. Wenn England trotzdem die Entschädi­gungsfrage in Genua anzuschneiden bemüht ist, so erklärt sich auch das aus einem besonderen wirtschaft­lichen Interesse Englands, dem schon durch das Abkom­men von Spaa ein unerträglicher Wettbewerb aus dem Gebiet der Kohle und der Eisenindustrie in Europa er­standen ist, indem dieses Abkommen Deutschland zwingt, monatlich gewaltige Kohlenmengen zum Inlandspreis zuzüglich Fracht bis zur Grenze an Frankreich und Belgien zu liefern. Infolge des letzten Marksturzes ist der englische Kohlenpreis (Cardiff) etwa dreimal so hoch als der Preis für die beste Ruhrkohle. Die Engländer sind mithin unmittelbar durch die deutsche Kohle, mittel­bar aber durch die französische und belgische Industrie geschädigt, falls nicht gar, wie man in England an­nimmt, Frankreich und Belgien deutsche Kohle weiter verkaufen.

So ist denn die ganze Friedenspolitik Englands und wenigstens ein großer Teil der Kriegspolitik Frankreichs auf riesige geschäftliche und industrielle Spekula­tionen zurückzusühren, deren Parlamentsmehrheitsn und eine gekaufte Presse zu einsichtsvoller und gewissen­loser Verfügung stehe. Obwohl natürlich auch Italien sich nur zum Teil von der bekanntenheiligen Selbst­sucht", dem sacro eZoismo befreit hat, der ja in der Tat auch eine gewisse Berechtigung hat, sprechen hier schon die nach Deutschland und dem Osten neigenden eigen-n Interessen dafür, sich zu einer mehr sachlichen Beurtei­lung der im Vordergrund der europäischen und sogar amerikanischen Erörterungen stehenden wirtschaftlichen Fragen zu erheben. Von besonderem Wert erscheinen da die Betrachtungen, welche der bekannte Professor Attilio Cabiati in der TurinerStampa" anstellt. In einer solchen legt der Gelehrte soeben diewirtschaft­liche Wurzel des französisch-englischen Gegensatzes" bloß.

Der Grund der englischenMenschlichkeit" ist, sagt Cabiati, dieRücksichtaufseineKunden, denn England lebt von der Ausfuhr und diese ist ihm ver­baut. Es sei deshalb bereit, für den Wiederaufbau Europas das Opfer zu bringen, auf einen Hieb das Geld der Andern zu entwerten, damit der Sterling wieder in seine beherrschende Stellung komme. Es folgt eine Schilderung der in der Tat wenig erfreulichen Finanzlage Frankreichs. Gleichzeitig besitzt Frankreich eine erdrückende militärische Ueberlegenheit, die es ihm gestattet, allein zu handeln, vollkommen sicher, daß, wie­viel auch dagegen protestiert werde, niemand es unter­nehmen werde, ihm in den Arm zu fallen. Im übrigen sei es die Ueberzeugung sämtlicher Mitglieder des Aus­schusses, daß Deutschland auch nicht so viel zahlen wolle, als in seiner Macht stände, und daß die Deutschen ver­gleichsweise zu wenig Steuern bezahlten.

Andererseits gelangt Cabiati zu dem Ergebnis, daß die Lage Deutschland» so schlimm als möglich sei, und diese Behauptung begründet er durch Ziffein. Trotz­dem sei Deutschland, im Vergleich zu Rußland, das Pa­radies der Sparer (?). Die Gesundung Deutschlands sei. im Gegensatz zu Rußland, eine rein finanzielle und nicht wirtschaftliche Frage und hänge fast ganz von den Kriegsentschädigungen ab, ohne welche Deutschland nn). Haupt keine Hilfe brauchen würde. Zugleich bilde " eutsthland im Gegensatz zu Rußland auch heute n: ch Uns der Achsen, um die das europäische Wirtschafts­leben sich bewege. Infolgedessen wurde die Weltfinanz unwiderstehlich durch Deutschland ang^ogen und sei d" -ch die Ausnahme deutsch 'r Werte entsprechend an der deutschen Wirtschaft mit interessier!. Daraus er­kläre es sich, daß selbst Frankreich trotz starren Fest­haltens am Versailler Friedensvertrag nichts gegen eins an Deutschland zu gewährende internationale Än- ;:ihs einzuwenden hätte, weil es auf di.se Weise fort- fahreu würde, die jährlichen Zahlungen von Deutsch­land ,zu erhalten, während Deutschland eine Atempause

bekäme, die es ihm. erlauben würde, seine Finanzen in Ordnung zu bringen usw.

Eine derartige Finanzoperation könne indes, mch Cabiatis Ansicht, nur gelingen, sofern 1. Zinszahlung und Tilgung der Anleihe sich über einen Zeitraum er­strecke, der lang sei und erst nach Erfüllung der Ent­schädigungspflicht beginnen müsse, und 2. die künftige Zahlungsfähigkeit Deutschlands richtig berechnet werde. Was man gegenwärtig von Deutschland verlange, ver­schwinde in den Wolken des absolut Unmöglichen. ° Darüber seien sämtliche Finanz-Fach­leute der Welt einig. Infolgedessen werde die - Weltfinanz der Anleihefrage kaum näher treten, bevor nicht die Entschädigungsfrage gelöst sei. Denn wer sei geneigt, Kredit auf ein Jahrhund.ertziel zu gewähren? Cabiati schließt mit dem so ziemlich dem italienischen amtlichen Standpunkt entsprechenden Vorschlag, Frank­reich zu einer Herabsetzung der Entschädigungs­summe im Rahmen des Möglichen zu bestimmen gegen die Zusicherung des Verbands, Deutschland, falls es auch dann nicht zahle, gemeinsam mit Frank­reich zur Zahlung zu zwingen.

Von der Konferenz in Genua

Italien schwenkt zu Frankreich

London, 8. Mai. Alle Blätter berichten, daß seit Frei­tag in Genua die Krisis sich zur baldigen Entscheidung zu- gespiht hcche. Der Berichterstatter Stead schreibt, solange noch eine Aussicht auf Erfolg bestanden habe, habe die italienische Abordnung in engen Beziehungen zur britischen gestanden. Am Freitag'seien Anzeichen einer Trennung auf-' getreten und am Samstagnachmikkag habe bereits der ita­lienische Außenminister Sckanzer dem französischen Ver­treter Barkhou versichert, die französisch-ikalienischen Be­ziehungen müssen «herzlich" bleiben, was auch auf der Kon­ferenz sich ereignen möge. Es wird nun der englischen Abordnung nichts anderes übrig bleiben, als ebenfalls zu Frankreich abzuschwenken.

Das 3a oder Nein der Russen entscheidet

Genua, 8. Mai. Barthou sagte bei einem Essen der fran­zösischen Pressevertreter, er lege Wert auf die Erklärung, daß trotz der Meinungsverschiedenheiten die Einigkeit unter den einladenden Mächten herzlich geblieben sei. Das Ende der Konferenz hänge davon ab. ob die Sorvsi-tregierung zu den Bedingungen der Mächte Ja oder Nein sage; einen Mittelweg gebe es nicht. Die Antwort dürfe auch nicht ver­schleppend sein. Sonst könne von einem Burgfrieden keine Rede sein.

Die «Chicago Tribüne- erfährt, der Kleine Verband (Tschechoslowakei. Rumänien und Südslawlen), Polen und Japan haben erklärt, daß sie ihre Unterschrift unter die Denkschrift an die Sowjekvertreter zurückziehen würden, wenn die Unterschrift Frankreichs und Belgiens fehle.

Die Bedingungen der Russen

Paris, 8. Mai. Nach demOeuvre" werden die Sowjet- vertreter für die Annahme der Denkschrift folgende Fragen als Gegenbedingungen stellen: 1. Werden die Mächte die Sowjetregierung ohne Probezeit rechtsverbindlich anerken­nen? 2. Sind die Verbündeten einverstanden, daß die aus­ländischen Privateigentümer entschädigt werden, ohne daß das Privateigentum in Rußland in der alten Form wieder- hergesiellt wird? 3. Wie lange soll der Zahlungsaufschub währen? 4. Sind die Verbündeten bereit, Rußland An­leihen zu geben und in welcher Höhe?

Der «Carriers della Sera" in Mailand berichtet, Lloyd George sei durch die russischen Bedingungen sehr überrascht. Keine europäische Regierung könne der Sowjetregierung Barkredite anvertrauen. Die Konferenz müßte scheitern, wenn die Sowjetvertreter ihre Forderungen aufrecht er­hielten.

Zweite Besprechung Lloyd Georges mit Dr. Wirth

Genna, 8. Mai. Am Samstagnachmiitag war R.llbs- kanzler Dr. Wirth zu einer weiteren zweistündigen Be­sprechung zu Lloyd George geladen.

vermitteln.

mehr entgegenrommenoen

Eigen tumSfraae auszuüben. Das B-att bch->o.-tet spä­ter am morgigen Dienstag werde glei ) nach ckln hr Mille'-ands aus Algier ein wichtiger Minillerrat statt­finden. - der unter dem Vorsitz des französischen Prä­sidenten Millerand im Elhsee tagön wird. Zu der Wiederantmackunasfraae haben die Pariser Blätter

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