(Enztalbote)
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Druck der Buchdrucksrei Mldbader Tagblatt; »erlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
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Num.i er 1V6
Fernruf 17»
Wildbad, Montag, den 8. Mai 1S22
Fernruf 179
57. Jahrgang
TagesspiegeL
Der Reichstag wird am Mittwoch den 10. Mai. nachmittags 3 Uhr zusammentreten, um womöglich vor Pfingsten (4. Juni) sämtliche Haushaiksforderungen der verschiedenen Reichsministerien zu erledigen. Ob der Reichskanzler vor dem Reichstag oder im Haupkausschuh oder in einer vertraulichen Besprechung mit den Parteiführern über Genua berichten wird, hängt davon ab. was er mitzukeike» haben wird.
Der österreichische Bundeskanzler und der Finanzminister sind von Genua nach Wien abgereift. Sie sollen bezüglich der Kredikhilfe des Verbands und des Völkerbunds für Oesterreich befriedigende Versicherungen mit «ich den Weg bekommen haben. Die Kriegsentschädigungen Oesterreichs sollen auf 20 Jahre gestundet werden.
Barthou ist am Samstag vormittag wieder in Genua ein- gekroffen. Er besprach sich zuerst mit den Mitgliedern der französischen Abordnung und dem belgischen Minister Jaspar und hatte nachmittags eine Unterredung mit Lloyd George und dem italienischen Außenminister Schanzer, nachdem letz- terer mittags mit Tschikscherin verhandelt hatte.
Im Osten geht etwas vor. Schon vor einigen Tagen wurde gemeldet, daß die Polen an der russischen Grenze auffallend große Truppenmassen zusammenziehen und in den ehemals deutschen Provinzen Aushebungen vornehmen. Aus der Ukraine wurde gerüchtweise von Truppenverschiebungen nach der volnischen Grenze berichtet. Vonseiten Ukraine wird nun amtlich erklärt, die Rachricht der Londoner „Daily Rervs", daß wegen der Truppeirbeförderungek dev sonstige Eisenbahnverkehr aus der Linie Kiew—Odessa eingestellt sei, entbehre Zeder Grundlage. — Der Rauch scheint aber doch mit etwas Feuer verbunden zu sein.
Als deutscher Geschäftsträger für Athen ist — Berliner Meldrmgcn zufolge — Herr von Schoen auser- sehcn.
Lleyd George machte den Führern der deutschen Delegation die Zusicherung einer weitherzigen Auslegung des Versailler Vertrages.
Die Konferenz von Genua wird wahrscheinlich Ende nächster Woche ihren Abschluß finden.
Exkaiserin Zita wird mit ihren Kindern in den nächsten Tagen in San Sebastian (Spanien) Wohnung nehmen.
„Nicht sofort durchführbar"
Das ist, besten Falls, das Ergebnis der Finanzbesch l ü s s e in Genua vom 3. Mai. „Obwohl wir den Wert der Finanzbeschlüsse kennen," sagte der schweizerische Ver- treter Sch ult Heß, „müssen wir feststellen, daß dis meisten unter ihnen nicht sofort durchführbar sind und daß für die Wiederherstellung des notwendigen Vertrauens in den Handels-, Industrie- und Finanz,naßnahmen vorher Aufgaben politischer, sozialer und moralischer Natur zu lösen sind."
Gewiß! Der Mann hat recht Aber eben an diesem „Vorher" fehlt es ganz gewaltig. Man ist ja mit gebundener Marschlinie nach Genua gekommen. Poincars hatte am 25. Februar in jener verhängnisvollen dreistündigen Konferenz in Boulogne dem ewig nachgiebigen Lloyd George „mit der wächsernen Nase" einen ganzen Sack voll „Mundschlößchen" mitgegeben, die jedem Vertreter bei seiner Ankunft in der Kolumbusstadt anzulegen waren, damit er ja nichts über Versailles spreche. Nur der Amerikaner bekam keines Er war ja bloß „beobachtender Galt". Und der — es ist der bekannte Finanzmann F r a u k Ä a n d e r l l p - meinte in aller Seelenruhe: Solange der Versailler Vertag in Kraft bleibe, könne Europa finanziell und wirtschaftlich nicht geholfen werden. — . ^
Gewiß, das ist der Weisheit letzter Schluß. Schade, daß der deutsche Vertreter, Dr. Rathenau, das nicht auch rund und klar heraussagte. Nur ganz verschämt sprach er von den „riesigen Lasten, die sich aus den Verpflichtungen und aus den Folgen des Krieges ergaben und durch gewisse wirtschaftliche Maßnahmen'der Nachkriegszeit noch verschlimmert morden" seien ^ Aber warum nicht das Kind beim E-» N-m-n «nmn? D-, Ru„. T,ch,kich-r n H-« trotz Cannes sich nicht den Mund zuhalten lassen, sondern von der Notwendigkeit der Abrüstung, allerdings zum
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l?K A§r ergibt Stunden in der Weltgeschichte, wo alle Lsichtm fallend Ünd eine solche war Genua. -
Man ging aber dort wie die Katze um den heißen Brei. Man sprach von den Ursachen der europäischen Notlage, von Wirtschafts- und Finanzkrisen, und daß i>1 Millionen Arbeitslose gegenwärtig in der Welt seien, und zwar weitaus am meisten in den valutagesunden Gläubigerstaaten, daß dagegen die Schuldnerstaaten gezwungen seien, noch werter den Gegenwert ihrer Verkäufe im Auslands herabzudrücken, um überhaupt noch ausländische Devisen zu erhalten, daß ein Staat mit fortwährend sinkender Valuta einem anderen Staate verhängnisvollen Wettbewerb machen könne und andererseits selbst nicht in der Lage sei, seinen eigenen Bedarf an Lebensmitteln und Rohstoffen zu decken, und wie die Mißstände alle heißen mögen. —
Und dann die Heilmittel! Einschränkung des Notenumlaufes, Herabdrückung der Staatsausgaoen. zeitweilige Anleihen (so man sie bekommt!), Zusammentritt der großen Banken, auch der amerikanischen, „ohne deren Mitwirkung die Pläne nicht durchgeführt" werden könnten, u. a. m. — Gewiß, alles recht und schön und gut. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Schon einmal hat man eine Finanzkonferenz abgehalten. Nämlich am 24. August 1920 in Brüssel. Zwar sagte in Genua Evans, der Vorsitzende der Finanzkommission: wenn auch einige der Brüsseler Beschlüsse von 1920 in Genua wieder zur Geltung kämen, so seien die Genueser Finanzberatungen doch mehr als eine bloße Wiederholung von Brüssel.
Wirklich? Damals waren 20 Delegierte von 34 Mächten beisammen. Auch damals ließ die französische Delegation nicht zu, daß in ihrer Gegenwart an der Unversehrtheit des Versailler Vertrags, dieser „Lebensbedmgung der französischen Nation", gerührt werde. Damals erstattete der deutsche Delegierte, Staatssekretär Bergmann, den Bericht über. die> finanzielle und wirtschaftliche Lage Deutschlands, sagte so ziemlich dasselbe, was der damalige Reichsfinanzminister, Dr. Wirth, im Hauptausschuß des Reichstags vorgetragen hatte. —
Und was kam dabei heraus? Man einigte sich in der Erkenntnis, daß kein System, für sich genommen den eurm päischen Bedürfnissen der verschiedenen Länder entsprechen könne. Dafür aber empfahl man dem Böl? erbundu. a, die Schaffung einer internationalen Kreditorganisation zur Sicherung der Bezahlung wichtiger Einfuhren. Und was tat der Völkerbund mit diesem Antrag? Kein Mensch weiß etwas darüber. —
Ob es diesmal mit Genua auch so gehen wird? Brüssel und Genua haben verzweifelte Ähnlichkeit miteinander. Beide kranken — man kann es nicht oft genug wiederholen — an einem und demselben Uebel: an der bedingungslosen Unterwerfung unter den Versailler Vertrag, diesem grausamsten und ersättlichsten Moloch, dem je die Menschheit geopfert hat. Und solange er nicht ln Trümmer geschlagen ist, so lange gilt die Klage des Schatzmeisters in Goethes Faust II: -
„Die Goldespforten sind verrammelt.
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,
U n d u n s r e K a s s e n b l e i b e n l e e r."
XV. kl.
Erschreckende Zahlen
Der gesamte Kreditbedarf des Reichs betrug im 3ahre 1920 123,4 Milliarden Mark. Davon kamen auf die allgemeine Reichsverwalkung 44,9, auf die Betriebsverwaltungen (Eisenbahn, Post usw.) 20,5, auf die Ausführung des Friedensverkrags 58,0 Milliarden. 3m 3ahr 1921 belief sich der Kreditbedarf auf 172 Milliarden, und zwar 18,7 Milliarden für allgemeine Verwaltung, 40,9 für die Betriebe und 112,4 für Ausführung des Friedensverkrags. Nach dem Reichshaushaltplan für 1922 beträgt der Gesamtbedarf 225,4 Milliarden, und daran sind die allgemeine Verwaltung mit 31, die Betriebe mit 19,4 und die Ausführung des Friedensvertrags mit 175 Milliarden beteiligt. Daraus ist ersichtlich, welch ungeheure Belastung der Reichshaushalk durch die Barkriegsentschädigungen und die Sachlieferungen nach dem Wiesbadener Abkommen des Reichshaushalts erfährt. Vom gesamten Anleihebedarf beanspruchen nähmlich die Friedensvertragsopfer 1920 47,6 Prozent, 1921 65,3 Prozent, 1922 sogar 88,6 Prozent, dabei ist zu berücksichtigen, daß durch die fortschreitende Markentwerkung die Leistungen ins Ungeheure gesteigert werden und jeden Versuch des Reichshaushalts vorauszuberechnen, für die Zukunft überhaupt unmöglich machen.
Kampf gegen Schund und Schmutz
ep. Grauenhafte Bilder von der Verwüstung, die Schund und Schmutz in einem bisher unerhörten Umfang in Deutschland anrichtcn, entrollte kürzlich im Reichstag der Abgeordnete Mumm anläßlich der Aussprache über den Haushalt des Reichsministeriums des Innern und einer Anfrage an die Reaieruna, ob sie entsprechend dem Beschluß der National
versammlung vom 15. April 1920 gewillt sei, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Schund und Schmutz und zum Schutz der Jugend vorzulegen. Es liegt auch ein dahingehender Erlaß des Reichspräsidenten und neuerdings ein Zentrumsantrag auf Iugendschutz vor. Unter gespannter Aufmerksamkeit des Hauses wies Abg Mumm vor allem auf das Theaterelend hin. „Während Frankreich uns das Messer an die Kehle setzt, jagen sich" — nach einem Wort des Dichters Erich Schlaikjer — „auf Berliner Bühnen die französischen Schwänke, einer lmmer wertloser, einer immer unsauberer als der andere. Der Redner begrüßte die Freiheit der Kunst, aber hier handelt es sich nicht um Kunst, sondern^ um Geschäft, um das allergemeinste Geschäft. Die zuwar-' tende Stellung des Reichministers Dr. Köster ist nicht zu verstehen. Die Einheitsfront aller anständigen Menschen in allen Parteien ist längst da. Man wird erwarten dürfen, daß die Reichsregierung nun endlich den im Reichsministerium des Innern schlummernden Entwurf eines Reichsgesetzes gegen Schund und Schmutz ans Tageslicht fördert. Es ist allerhöchste Zeit.
Der Stollendurchschlag am Spullersee-Werk
Am 28. April ist an dem großen Werk der Umwandlung ver Arlbergbahn Innsbruck — Bregenz in eine elektrische Bahn am Spullersee em bedeutungsvoller Abschnitt beendet worden; es erfolgte an diesem Tag der Durchschlag des rund 1900 Meter langen Druckstollens, der von der Höhe des Spullersees (1800 Meter) durch die Felsen des Dürrenbergs zum Wasserschloß an der Grafenspitze führt; damit wurde das schwierigste Stück des Bundesbahnkraftwerks der Vollendung nahe gebracht.
Am Id. Oktober 1920 wurde der Stollen von der Seefeite her (Norden) angeschlagen, für den Vortrieb konnte vorläufig aber nur geringe Mannschaft verwendet werden, weil die: Unterkünfte auf der Seehöhe zu dieser Jahreszeit große Erschwernisse boten. Lawinen brachten im Januar den Menschen Tod und Todesgefahr, der Stolleneingang wurde mehrmals verschüttet und die Fortschritte der Arbeiten derart behindert, daß sich deren vorläufige Einstellung bis Mitte März 1921 als nötig erwies. Im Juni desselben Jahrs begannen im Druckstollen die Bohrungen mit Maschinen, dis Unterkünfte wurden ausgebaut und Einrichtungen von Hilfsmaschinen vorgenommen, im August erst konnte mit voller Mannschaft der volle Betrieb des Stollenbaus ausgenommen und dieser auch von der zweiten Seite her (Südseite beim Wasserschloß) begonnen werden. Die Bohrarbeiten, »ousge- führt mit modernen Maschinen, mit Preßluftbetrieb, gingen nun eine Zeitlang flott vonstatten, bald stellten sich aber neue Schwierigkeiten in den Arbeitsbereich: Wassereinbrüche be- hinderten den Vortrieb des Stollekis, starke Wasserlüvis sr- ^ soffen ihn, es mußten drei Pumpen in Dienst gestellt werden, bis die Erfassung der Quellen möglich geworden war.
Die Härten des Winters 1921—22 brachten abermals Erschwerungen und Hindernisse für den Arbeitsfortschriit und die Mannschaft, insbesondere verursacht durch den reichlichen Schnee (die Schneedecke am Spullersee beträgt heute noch 2,2 Meter), wiederholt wurde der seeseitige Stollencingang durch' Staublawinen verschüttet, eine starke Lawine bemüh puch Heuer eine Gruppe von Arbeitern, die Hilfsmnnns Haft vermochte acht von den gefährdeten Männern lebend aus dem Schnee zu bringen, zwei von ihnen blieben leider Opfer ihres Berufs und der Naturgewalten.
Während der Bauzeit vom 15. Oktober 1920 bis zum Durchschlagstag, 28. April 1922, konnte also nur ein Teil der Zeit für den Vollbetrieb des Tunnelbaus benützt werden hingegen blieb in der Baustelle Danöfen (1000 Meter überm Meer) die Arbeit für das Krafthaus unausgesetzt.
Heute, nach dem Stollendurchschlsg, tritt der Bau des Spullerwerks in ein neues Stadium ein. Von Danöfen aus werden durch den Schrägaufzug zum südlichen Ausgang des Tunnels beim Wasserschloß die Materialien ^für die b »:rr- mauer befördert, der Stollen ist mit einer Schmalspurbahn besetzt, Benzinlokomotiven bringen Materialzüge durch den Stollen zum See, wo nach der Schneeschmelze der Bau der Staumauern beginnt. Das Krafthaus erhält bei vollem Ausbau insgesamt sechs Maschinensätze zu 8000 ?8., von diesen werden aber zunächst nur drei aufgestellt, deren Leistung bis auf weiteres zur Betriebsausnahme der Arlbergbahn vollends ausreicht. Der 1900 Meter lange Stollen wird mit smer lichten Ouerschnittsfläche von 2,67 Quadratmeter, bei 1,8 Meter lichter Höhe und Weite ausgestaltet und erhält auf feine Länge eine Ausmauerung, sein Gefälle beträgt drei voni^ Tausend. _ <
Ein Wiirtlemberger im Internationalen Missionsrak
Der deutsche evang. Mifsionsausschuß hak als deutschen Vertreter in dem neugegründetcn Internationalen Misstonsrat unfern Landsmann Misstonsinfpektor W ü r z aus Basel und Lic. Schlunk aus Hamburg entsandt. Die erste Tagung soll noch im Mai d. 3. in London Pattsinden.
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