(Enztalbote)

Amtsblatt für W'"bad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

-

Erscheint täglich, ausgenommen Sonn-«. Feiert»gs. Bezugspreis monatüMk. IS., vierteljährl. Mk. 45. frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr 48. einschl. PostbestrLgeld. Einzelnummern 75 Pfg.:: «irokonto Nr. 5» bei der Oberamtssparkaffe Neuenbürg, z»eigste«e »ildbad. Bankkonto: Direktion d. Discontoges., I»etgst. Wildb. Postscheckkonto Stuttgart Nr. 2» 174.

Anzeigenpreis: Die einspaltLge Petitzeile oder deren Raum Mk. 1.50, auswärts Mk, 2.00. :: Reklame­zeile Mk. 5.. Bei größeren Aufträgen Rabatt nach Tarif. Für Offerten «. bei Auskunfterteilung werden jeweils 1 Mk. mehr berechnet. Schluß der Anzeigen «»nähme: täglich 8 Uhr vormittags. :: In Konkurs- fällen oder wenn gerichtliche Beitreibung notwendig wird, fällt jede Rachlatzgewährung weg.

' "KM

Srnck der Bnchdrncksrei «ildbader Lagblatt; »erlag «nd «christleitnng LH. Sack in «ildbad.

Nummer 105

Fernruf 17»

Tagesspiegel

Neichspräsidenk Eberl wird auf Einladung der bayerischen Regierung die Deutsche Gewerbeschau in München besuchen.

Ein Pariser Blatt will wissen, Amerika werde die Rück­zahlung der Schuld Frankreichs innerhalb 30 Jahren mit vier Prozent Zinsen verlangen.

Einem Gerücht zufolge soll bei dem Kamps zwischen dem chinesisch-mandschurischen Heer des Marschalls Tsckang Tso Liu und dem Südheer, dessen Führer. General Du Pei Fu, im Lriilleriefeuer gefallen sein.

Wochenrundschau

Die K onfsrenzvon Genua, mit dem unauf­hörlichen englisch-französischen Gezerfe und dem da­neben hergehenden Ränkespiel verschiedener Interessen­gruppen, unter denen die Moskauer Sowjetleute nicht die unbedeutendste Rolle spielen, hangt einem nachge­rade mm Halse heraus. Aber da sich nun einmal zur­zeit alles um die Aufführung in Genua dreht, muß sich eben der Politiker wohl oder übel mit ihr beschäftigen in der Hoffnung, daß der Vorhang nun doch bald fal­len möge. Am 10. April wurde meGesellschaft", um «inen Ausdruck de Factas zu gebrauchen, eröffnet, und wo ist man heute nach vier Wochen? Die Konferenz verflüchtigte sich in die verschiedenen Unterausschüsse, und was man aus diesen Geheimberatungen erfuhr, war entweder ganz gelogen oder so gefärbt, daß man den Grundton kaum mehr erkennen, sondern nur ver­muten konnte. Und da nun einmal von Anfang an, wie es nach den Abmachungen von Cannes, anfangs Ja­nuar dieses Jahres, und der darauf folgenden Bespre­chung Poincares mit Lloyd George in Boulogne, auch gar nicht anders möglich war, das Schwergewicht der Konferenz auf den politischen Boden verschoben war, so fiel dieHauptarbeit" dein ersten oder politischen Ausschuß zu, von dem sich wiederum der Sonderaus­schuß des Großen und Kleinen Verbands absplitterte, nachdem der Konferenz das artige Ostergeschenk des deutsch-russischen Vertrags von Rapallo beschert wor­den war. Und dieser Sonderausschuß behielt nun seit­her das Heft in der Hand. Die deutschen Vertreter wurden zur Strafe für ihreUnaufrichtigkeit" von dem Ausschuß, der, wie gesagt, nun diepolitische Kommis­sion" schlechtweg war, tatsächlich ganz ausgeschlossen, mit den Russen verkehrte man nur noch durch Briefe oder Denkschriften, und um die Neutralen kümmerte man sich nicht mehr, sie sind überhaupt das fünfte Rad am Wagen. So waren denn die Entente-Brüder und Vetternendlich allein", wie Poincare es haben wollte. Aber einig waren sie darum doch nicht. Jeder wollte für sich in Abwesenheit der Russen ein möglichst großes Stück aus der russischen Haut Herausschneiden und in diesem löblichen Tun gerieten sie sich beständig in die Haare. Es bietet im einzelnen kein Interesse, wie es zuging, auf keiner anderen Konfeernz ist es anders gewesen: vielleicht war die Tonart diesmal etwas gröber als sonst, denn Poincare und sein Trabant Varthou, der bekanntlich von der deut­schenLügenhaftigkeit" schrieb, übertreffen doch noch in gewisser Hinsicht selbst einen Millerand und Briand, mit denen Lloyd George es bis anfangs Ja­nuar zu tun hatte. Zudem kann Poincare den eng­lischen Ministerpräsidenten persönlich nicht ausstehen. Daß unter sotanen Umständen auch des feuri­gen Lloyd Georges Topf leicht zum Ueberlaufen kam, ist gewiß kein Wunder. Die ausgesuchtesten Bosheiten flogen nur so hin und her, und in Paris mußte man es schlucken, daß Lloyd George diejenigenverrückt nannte, die glauben, man könne zwei große Völker wie die Deutschen und Russen, auf. die Dauer mit brutaler

Gewalt Niederdrücken. . . ..

Wohltätig wie ein Kneippscher Wasserguß wirkte daher der Br i e f. den P apst Pr u s XI. am 29. April dem Wortlaut nach an den Kardinalstaatssekretär Gasvarri in Wirklichkeit an dieGroßkopfeten der Kon e?em selber richtet? Von dem lebhaftesten Wunsch bestell endlich fti der Welt die Herrschaft emes neuen F U - d - n - M-d-rh«s-st-l» Ich°n. d°- m d°r Versöhnung der Geister und m.cht nur m der Ein­stellung der Feindseligkeiten bestehe, verfolge er mtt banger Erwartung und sogar m't hef g g d»n dar Konferenz «alls zur Krönung oes UN

Wilhüad, Samstag, den 6. Mai 1S22

glucks auf dieser Konferenz die Versuche einer aufrich­tigen Versöhnung sehlschlagen sollten, so könne nie­mand ohne Schaudern ermessen, wie sehr sich die un­glücklichen Zustände Europas noch verschlechtern wür­den. Lloyd George, der englische Protestant äußerte sich über den Brief ganz entzückt, der Auch- Katholik Poincare stand wie ein begossener Pudel da, und die Pariser Presse Murmelte so etwas von Din­gen, in die gewisse Leute sich nicht einmischen sollen, aber gegen den würdig und ernst gehaltenen Papstbrief wagte man in Paris doch nicht aufzumucksen.

Die Strafpcksdigt chatte gut gesessen, aber es wäre ungereimt, zu glauben, daß der französische Koller sich dadurch besänftigen ließe. Die Streiterei ging munter weiter. Die Russen hatten, im Vertrauen auf entgegen­kommende Aeußerungen Lloyd Georges, sich ihrerseits zu beträchtlichen Zugeständnissen zu den Forderungen des Verbands bereit erklärt, es lag ihnen gar so viel daran, daß die Sowjetregierung von den Westmächten anerkannt werde und daß sie einen Pump von drei Milliarden Goldrubel erhalte. Und dazu haben sie allen Grund, denn das Finanzwesen in Rußland ist unter dem Hund. Während die Ereignisse in Genua auf die Geldentwertung in den andern valutaschwachen Län­dern wie Deutschland einigermaßen hemmend gewirkt haben, ist es in Rußland rasend bergab gegangen. Nach amtlicher Sowjetschätzung man kann in Rußland den Papiergeldumlauf nur noch schätzen, nicht berechnen betrug der Papiergeldumlauf am 1. Januar 1922 17,5 Billionen (17 500 Milliarden), am 1. April 72 Bil­lionen, u. er wird im Mai über 100 Billionen Rubel be­tragen. Ein alter Zarengoldrubel gilt amtlich 500 000 Sowjetrubel, er wird aber tatsächlich schon zu 2 Mil­lionen Rubel gehandelt, und die Kaufkraft des Kopfes der Bevölkerung beträgt noch etwa 2,8 Prozent der Vorkriegszeit. Das ist das Ende aller Wirtschaft.

Die Russen in Genua machten nun lange Gesichter, als ihnen die Denkschrift übergeben wurde, aus die der sonderbare Verbands-Sonderausschuß sich end­lich doch noch geeinigt hatte und in der die Bedingun­gen aufgestellt wurden, unter denen man mit den Rus­sen weiter zu verhandeln bereit war. Vor allein muß­ten alle Staats- und Gemeindeschulden, die Rußland vor dem Krieg und während desselben bei den Ver­bündeten gemacht hatte, anerkannt und mit dreijähri­ger Frist he'mbezahlt und verzinst werden; das be­schlagnahmte Privateigentum von Ausländern, die Deutschen natürlich ausgenommen, soll herausgegeben oder entschädigt, undausländischen" Geschäfts- und Finanzleuten künftig alle Sicherheiten und Rechte zur ungenierten Ausbeutung der russischen Wirtschaft ge­währleistet werden. Dagegen soll die Sowjetregierung auf alle Entschädigungsansprüche verzichten, die sie am den Gegenrevolutionen, die seinerzeit von England uni besonders Frankreich durch die bekannten Generale Oenikin, Wrangel, Semenow, Koltschak u. a. angezettelt wurden, als Gegenforderung geltend machen wollte. Unter der Bedingung dieses Verzichts wollte dann Eng­land sage und schreibe 25 bis 30 Millionen Pfund Ster­ling, Japan 800 000 Pen (Dollar) als Wiederaufbau­darlehen stiften, Frankreich, nobel wie immer, er­klärte sich zur Abgabe von Lokomotiven und Eisenbahn­wagen bereit: es sind wahrscheinlich dieselben, die im Unverstand Deutschland alsSacheutschädigung" abge­preßt worden sind und die nun auf französischen Bahn­höfen als überzählig verrosten und vermodern. Italien will sonstige Maschinen liefern, ein schön Stück Geld dabei verdienen und sein wachsendes Heer von Arbeits­losen beschäftigen. Das Schönste aber ist, daß der Kredit" gar nicht den Russen zukommen soll, sondern denausländischen" Geschäftsleuten Ausländer im­mer als Verbandsangehörige gedacht, die das rus­sische Wirtschaftslebenbefruchten" oder richtiger aus­saugen sollen.

Diese rührende Art der Fürsorge und' desWieder­aufbaus" will nun aber, wie gesagt, den Russen nicht einleuchten und sie sprachen davon, daß sie ihre Zuge­ständnisse wieder zurückziehen wollen. Aber niemand kann wissen, ob sie das auch wirklich tun werden, nie­mand weiß überhaupt, was sie im Schild führen. Sie haben das Wort Lloyd Georges, daß England für sich einen Sondervertrag mit Rußland schließen werde, falls Frankreich den durch die Denkschrift oorzu-

Feruruf 17S

57. Zahrs««-

bereitenden Allgemeinvertrag vereiteln würde, gleich für sich verwertet und sind wieder rechtzuversichtlich geworden, aber wer wollte verbürgen, daß Lloyd George ausführt, was er ankündigt? Englische und französische Blätter haben schon gemunkelt, daß Lloyd George dem französischenStandpunkt" bereits großeZugeständnisse gemacht habe. Man wäre versucht, an das von Poincare ersehnte englisch-fran­zösische Militärbündnis gegen Deutschland-und an die Freiheit der Sanktionen" zu denken. Die Denk­schrift t an die Russen ist an sich schon ein riesengroßes Zugeständnis, denn Lloyd George hat da wieder seine vorherigen Worte oder Redensarten vollkommen ver­leugnet und den Franzosen das Feld überlassen. Es ist daher auch nicht recht verständlich, warum der fran­zösische Vertreter Barthou kurz vor Fertigstellung der Denkschrift Genua verlassen und der belgische Ge­folgsmann Iaspar nach Brüssel gereist und dann der Stellvertreter Varrere auf telegraphische Weisung die Unterschreibung der Denkschrift verweigert hat. Die französischen Forderungen stehen doch alle drin und an Brutalität und Einseitigkeit der Bedingungen kann doch einem früheren Bundesgenossen gegenüber kaum mehr geboten werden. Recht nett nahm es sich jeden­falls aus, daß der Russe Tschitschsrin und der Franzose Barthou vor Bekanntgabe der Denkschrift sich gegenseitig versicherten, man habe nie aufgehört, sich als die besten Freunde zu betrachten. Es würde etwas in dem Bild von Genua fehlen, wenn diese köstliche Szene sich nicht ereignet hätte. ;

Offenbar ist es Poincare aber um etwas anderes zu tun: er will die Konferenz von Genua sprengen, koste es was es wolle. Die von Lloyd George ge­wünschteSitzung" des Obersten Rats, oder wie man dieGesellschaft" heißen will, will er, wenn sie über­haupt zustande kommen soll, inParis und nach der Konferenz haben. Erst will er den 31. Mai ins Land gehen lassen, an dem Deutschland das Ultimatum der Entschädigungskommission ableh­nen wird, dann kann Poincarehandeln"; jedenfalls will er sich nicht vorher durch eine langweilige Zu­sammenkunft die Hände binden lassen. Und es will bei der französischen Geistesverfassung der Franzosen nicht recht einleuchten, daß er auf den angeblichen wei­teren Vorschlag Lloyd Georges eingehen werde, 22 Mil­liarden Goldmark durch die seitherigen Leistungen Deutschlands an Kriegsentschädigungen als getilgt zu betrachten und von dem Rest der 110 Milliarden 65 Milliarden, d. h. die Summe der Kriegsschulden der Verbündeten, einstweilen ganz beiseite zu lassen, bis die Verbündeten sie, wenn Amerika mittut, in den Kamin geschrieben haben würden dagegen dis letzten 15 Milliarden als eigentliche Entschädigung sie wäre tatsächlich immer noch viel zu hoch zu ver­teilen, in Form einer internationalen An­leihe, die unter diesen Umständen ohne Bedenken zustande kommen könnte. Das bleibt auch daun un­wahrscheinlich, wenn, wie die LondonerDaily News" glaubten melden zu können, England den Franzosen eine Erhöhung des Anteils an der Kriegsbeute, der nach dem Friedensvertrag 52 Prozent beträgt, einräumen und dafür selbst auf den entsprechenden Teil verzichten würde. Es ist gefährlich, von schlauen Leuten Geschenks anzunehmen, meinte ein alter römischer Dichter, und. der unwandelbare Herr Poincare glaubt das olM Zweifel auch.

Der deutsche Kronprinz über die Marneschlachl

(Schluß.)

Als sich die Lage bei der ersten und zweiten Armee östlich Paris verschärfte, entsandte der Chef des Generalstabs den Oberstleutnant Henksch als Nachrichtenoffizier der O.H.-L. auf eine Orientierungsfahrk zu den Oberkomman­dos. Man legte, wie mir der rühmlichst bekannte Chef der Heerestruppe Kronprinz Nupprccht, General v. Kühl, einst sagte, die Entscheidung über den Ausgang der Schlacht ge­radezu in seine Hand. Henksch erschien bei Beginn seiner Neise zunächst am Nachmittag des 8. September beim A.-O.- K. 5 in Darennes und gab uns hier ein Bild der Gesamtlage, soweit man diese in Luxemburg kannte. Nach diesen Aus­führungen ergab sich für den sachlich ruhigen Beurteiler ein keineswegs unbefriedigendes Gesamtbild, aus dem allerdings bervorMg, daß der bisher rasch vorwärts-.