(Enztalbote)
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Srnck der Bnchdrncksrei «ildbader Lagblatt; »erlag «nd «christleitnng LH. Sack in «ildbad.
Nummer 105
Fernruf 17»
Tagesspiegel
Neichspräsidenk Eberl wird auf Einladung der bayerischen Regierung die Deutsche Gewerbeschau in München besuchen.
Ein Pariser Blatt will wissen, Amerika werde die Rückzahlung der Schuld Frankreichs innerhalb 30 Jahren mit vier Prozent Zinsen verlangen.
Einem Gerücht zufolge soll bei dem Kamps zwischen dem chinesisch-mandschurischen Heer des Marschalls Tsckang Tso Liu und dem Südheer, dessen Führer. General Du Pei Fu, im Lriilleriefeuer gefallen sein.
Wochenrundschau
Die K onfsrenzvon Genua, mit dem unaufhörlichen englisch-französischen Gezerfe und dem daneben hergehenden Ränkespiel verschiedener Interessengruppen, unter denen die Moskauer Sowjetleute nicht die unbedeutendste Rolle spielen, hangt einem nachgerade mm Halse heraus. Aber da sich nun einmal zurzeit alles um die Aufführung in Genua dreht, muß sich eben der Politiker wohl oder übel mit ihr beschäftigen in der Hoffnung, daß der Vorhang nun doch bald fallen möge. Am 10. April wurde me „Gesellschaft", um «inen Ausdruck de Factas zu gebrauchen, eröffnet, und wo ist man heute nach vier Wochen? Die Konferenz verflüchtigte sich in die verschiedenen Unterausschüsse, und was man aus diesen Geheimberatungen erfuhr, war entweder ganz gelogen oder so gefärbt, daß man den Grundton kaum mehr erkennen, sondern nur vermuten konnte. Und da nun einmal von Anfang an, wie es nach den Abmachungen von Cannes, anfangs Januar dieses Jahres, und der darauf folgenden Besprechung Poincares mit Lloyd George in Boulogne, auch gar nicht anders möglich war, das Schwergewicht der Konferenz auf den politischen Boden verschoben war, so fiel die „Hauptarbeit" dein ersten oder politischen Ausschuß zu, von dem sich wiederum der Sonderausschuß des Großen und Kleinen Verbands absplitterte, nachdem der Konferenz das artige Ostergeschenk des deutsch-russischen Vertrags von Rapallo beschert worden war. Und dieser Sonderausschuß behielt nun seither das Heft in der Hand. Die deutschen Vertreter wurden zur Strafe für ihre „Unaufrichtigkeit" von dem Ausschuß, der, wie gesagt, nun die „politische Kommission" schlechtweg war, tatsächlich ganz ausgeschlossen, mit den Russen verkehrte man nur noch durch Briefe oder Denkschriften, und um die Neutralen kümmerte man sich nicht mehr, sie sind überhaupt das fünfte Rad am Wagen. So waren denn die Entente-Brüder und Vettern „endlich allein", wie Poincare es haben wollte. Aber einig waren sie darum doch nicht. Jeder wollte für sich — in Abwesenheit der Russen — ein möglichst großes Stück aus der russischen Haut Herausschneiden und in diesem löblichen Tun gerieten sie sich beständig in die Haare. Es bietet im einzelnen kein Interesse, wie es zuging, auf keiner anderen Konfeernz ist es anders gewesen: vielleicht war die Tonart diesmal etwas gröber als sonst, denn Poincare und sein Trabant Varthou, der bekanntlich von der deutschen „Lügenhaftigkeit" schrieb, übertreffen doch noch in gewisser Hinsicht selbst einen Millerand und Briand, mit denen Lloyd George es bis anfangs Januar zu tun hatte. Zudem kann Poincare den englischen Ministerpräsidenten persönlich nicht ausstehen. Daß unter sotanen Umständen auch des feurigen Lloyd Georges Topf leicht zum Ueberlaufen kam, ist gewiß kein Wunder. Die ausgesuchtesten Bosheiten flogen nur so hin und her, und in Paris mußte man es schlucken, daß Lloyd George diejenigen „verrückt nannte, die glauben, man könne zwei große Völker wie die Deutschen und Russen, auf. die Dauer mit brutaler
Gewalt Niederdrücken. . . ..
Wohltätig wie ein Kneippscher Wasserguß wirkte daher der Br i e f. den P apst Pr u s XI. am 29. April dem Wortlaut nach an den Kardinalstaatssekretär Gasvarri in Wirklichkeit an die „Großkopfeten der Kon e?em selber richtet? Von dem lebhaftesten Wunsch bestell endlich fti der Welt die Herrschaft emes neuen F U - d - n - M-d-rh«s-st-l» Ich°n. d°- m d°r Versöhnung der Geister und m.cht nur m der Einstellung der Feindseligkeiten bestehe, verfolge er mtt banger Erwartung und sogar m't hef g g d»n dar Konferenz «alls zur Krönung oes UN
Wilhüad, Samstag, den 6. Mai 1S22
glucks auf dieser Konferenz die Versuche einer aufrichtigen Versöhnung sehlschlagen sollten, so könne niemand ohne Schaudern ermessen, wie sehr sich die unglücklichen Zustände Europas noch verschlechtern würden. — Lloyd George, der englische Protestant äußerte sich über den Brief ganz entzückt, — der Auch- Katholik Poincare stand wie ein begossener Pudel da, und die Pariser Presse Murmelte so etwas von Dingen, in die gewisse Leute sich nicht einmischen sollen, aber gegen den würdig und ernst gehaltenen Papstbrief wagte man in Paris doch nicht aufzumucksen.
Die Strafpcksdigt chatte gut gesessen, aber es wäre ungereimt, zu glauben, daß der französische Koller sich dadurch besänftigen ließe. Die Streiterei ging munter weiter. Die Russen hatten, im Vertrauen auf entgegenkommende Aeußerungen Lloyd Georges, sich ihrerseits zu beträchtlichen Zugeständnissen zu den Forderungen des Verbands bereit erklärt, es lag ihnen gar so viel daran, daß die Sowjetregierung von den Westmächten anerkannt werde und daß sie einen Pump von drei Milliarden Goldrubel erhalte. Und dazu haben sie allen Grund, denn das Finanzwesen in Rußland ist unter dem Hund. Während die Ereignisse in Genua auf die Geldentwertung in den andern valutaschwachen Ländern wie Deutschland einigermaßen hemmend gewirkt haben, ist es in Rußland rasend bergab gegangen. Nach amtlicher Sowjetschätzung— man kann in Rußland den Papiergeldumlauf nur noch schätzen, nicht berechnen — betrug der Papiergeldumlauf am 1. Januar 1922 17,5 Billionen (17 500 Milliarden), am 1. April 72 Billionen, u. er wird im Mai über 100 Billionen Rubel betragen. Ein alter Zarengoldrubel gilt amtlich 500 000 Sowjetrubel, er wird aber tatsächlich schon zu 2 Millionen Rubel gehandelt, und die Kaufkraft des Kopfes der Bevölkerung beträgt noch etwa 2,8 Prozent der Vorkriegszeit. Das ist das Ende aller Wirtschaft.
Die Russen in Genua machten nun lange Gesichter, als ihnen die Denkschrift übergeben wurde, aus die der sonderbare Verbands-Sonderausschuß sich endlich doch noch geeinigt hatte und in der die Bedingungen aufgestellt wurden, unter denen man mit den Russen weiter zu verhandeln bereit war. Vor allein mußten alle Staats- und Gemeindeschulden, die Rußland vor dem Krieg und während desselben bei den Verbündeten gemacht hatte, anerkannt und mit dreijähriger Frist he'mbezahlt und verzinst werden; das beschlagnahmte Privateigentum von Ausländern, die Deutschen natürlich ausgenommen, soll herausgegeben oder entschädigt, und „ausländischen" Geschäfts- und Finanzleuten künftig alle Sicherheiten und Rechte zur ungenierten Ausbeutung der russischen Wirtschaft gewährleistet werden. Dagegen soll die Sowjetregierung auf alle Entschädigungsansprüche verzichten, die sie am den Gegenrevolutionen, die seinerzeit von England uni besonders Frankreich durch die bekannten Generale Oenikin, Wrangel, Semenow, Koltschak u. a. angezettelt wurden, als Gegenforderung geltend machen wollte. Unter der Bedingung dieses Verzichts wollte dann England sage und schreibe 25 bis 30 Millionen Pfund Sterling, Japan 800 000 Pen (Dollar) als Wiederaufbaudarlehen stiften, Frankreich, nobel — wie immer, erklärte sich zur Abgabe von Lokomotiven und Eisenbahnwagen bereit: es sind wahrscheinlich dieselben, die im Unverstand Deutschland als „Sacheutschädigung" abgepreßt worden sind und die nun auf französischen Bahnhöfen als überzählig verrosten und vermodern. Italien will sonstige Maschinen liefern, ein schön Stück Geld dabei verdienen und sein wachsendes Heer von Arbeitslosen beschäftigen. Das Schönste aber ist, daß der „Kredit" gar nicht den Russen zukommen soll, sondern den „ausländischen" Geschäftsleuten — Ausländer immer als Verbandsangehörige gedacht —, die das russische Wirtschaftsleben „befruchten" oder richtiger aussaugen sollen.
Diese rührende Art der Fürsorge und' des „Wiederaufbaus" will nun aber, wie gesagt, den Russen nicht einleuchten und sie sprachen davon, daß sie ihre Zugeständnisse wieder zurückziehen wollen. Aber niemand kann wissen, ob sie das auch wirklich tun werden, niemand weiß überhaupt, was sie im Schild führen. Sie haben das Wort Lloyd Georges, daß England für sich einen Sondervertrag mit Rußland schließen werde, falls Frankreich den durch die Denkschrift oorzu-
Feruruf 17S
57. Zahrs««-
bereitenden Allgemeinvertrag vereiteln würde, gleich für sich verwertet und sind wieder recht „zuversichtlich geworden, aber wer wollte verbürgen, daß Lloyd George ausführt, was er ankündigt? Englische und französische Blätter haben schon gemunkelt, daß Lloyd George dem französischen „Standpunkt" bereits großeZugeständnisse gemacht habe. Man wäre versucht, an das von Poincare ersehnte englisch-französische Militärbündnis gegen Deutschland-und an die „Freiheit der Sanktionen" zu denken. Die Denkschrift t an die Russen ist an sich schon ein riesengroßes Zugeständnis, denn Lloyd George hat da wieder seine vorherigen Worte oder Redensarten vollkommen verleugnet und den Franzosen das Feld überlassen. Es ist daher auch nicht recht verständlich, warum der französische Vertreter Barthou kurz vor Fertigstellung der Denkschrift Genua verlassen und der belgische Gefolgsmann Iaspar nach Brüssel gereist und dann der Stellvertreter Varrere auf telegraphische Weisung die Unterschreibung der Denkschrift verweigert hat. Die französischen Forderungen stehen doch alle drin und an Brutalität und Einseitigkeit der Bedingungen kann doch einem früheren Bundesgenossen gegenüber kaum mehr geboten werden. Recht nett nahm es sich jedenfalls aus, daß der Russe Tschitschsrin und der Franzose Barthou — vor Bekanntgabe der Denkschrift — sich gegenseitig versicherten, man habe nie aufgehört, sich als die besten Freunde zu betrachten. Es würde etwas in dem Bild von Genua fehlen, wenn diese köstliche Szene sich nicht ereignet hätte. ;
Offenbar ist es Poincare aber um etwas anderes zu tun: er will die Konferenz von Genua sprengen, koste es was es wolle. Die von Lloyd George gewünschte „Sitzung" des Obersten Rats, oder wie man die „Gesellschaft" heißen will, will er, wenn sie überhaupt zustande kommen soll, inParis und nach der Konferenz haben. Erst will er den 31. Mai ins Land gehen lassen, an dem Deutschland das Ultimatum der Entschädigungskommission — ablehnen wird, dann kann Poincare „handeln"; jedenfalls will er sich nicht vorher durch eine langweilige Zusammenkunft die Hände binden lassen. Und es will bei der französischen Geistesverfassung der Franzosen nicht recht einleuchten, daß er auf den angeblichen weiteren Vorschlag Lloyd Georges eingehen werde, 22 Milliarden Goldmark durch die seitherigen Leistungen Deutschlands an Kriegsentschädigungen als getilgt zu betrachten und von dem Rest der 110 Milliarden 65 Milliarden, d. h. die Summe der Kriegsschulden der Verbündeten, einstweilen ganz beiseite zu lassen, bis die Verbündeten sie, wenn Amerika mittut, in den Kamin geschrieben haben würden — dagegen dis letzten 15 Milliarden als eigentliche Entschädigung — sie wäre tatsächlich immer noch viel zu hoch — zu verteilen, in Form einer internationalen Anleihe, die unter diesen Umständen ohne Bedenken zustande kommen könnte. Das bleibt auch daun unwahrscheinlich, wenn, wie die Londoner „Daily News" glaubten melden zu können, England den Franzosen eine Erhöhung des Anteils an der Kriegsbeute, der nach dem Friedensvertrag 52 Prozent beträgt, einräumen und dafür selbst auf den entsprechenden Teil verzichten würde. Es ist gefährlich, von schlauen Leuten Geschenks anzunehmen, meinte ein alter römischer Dichter, — und. der unwandelbare Herr Poincare glaubt das olM Zweifel auch.
Der deutsche Kronprinz über die Marneschlachl
(Schluß.)
Als sich die Lage bei der ersten und zweiten Armee östlich Paris verschärfte, entsandte der Chef des Generalstabs den Oberstleutnant Henksch als Nachrichtenoffizier der O.H.-L. auf eine Orientierungsfahrk zu den Oberkommandos. Man legte, wie mir der rühmlichst bekannte Chef der Heerestruppe Kronprinz Nupprccht, General v. Kühl, einst sagte, die Entscheidung über den Ausgang der Schlacht geradezu in seine Hand. Henksch erschien bei Beginn seiner Neise zunächst am Nachmittag des 8. September beim A.-O.- K. 5 in Darennes und gab uns hier ein Bild der Gesamtlage, soweit man diese in Luxemburg kannte. Nach diesen Ausführungen ergab sich für den sachlich ruhigen Beurteiler ein keineswegs unbefriedigendes Gesamtbild, aus dem allerdings bervorMg, daß der bisher rasch vorwärts-.