die Aufrichtigkeit dieses Schreibens nicht anzMMe. Frankreich fühle gegenüber dem ehemaligen russischen Verbündeten treue Freundschaft. In der gestrigen Nachmittagssitzung der Vertreter der einladenden Mächte, an der auch Polen, Schweden, Rumänien und die Schweiz teilnahmen, wurde das Memorandum an die Russen vollständig ausgearbeitet Und angenommen.

Der schlaue Poincarö

London, 2. Mai.Daily Chronicle" meldet: Vor Ver­tretern der englischen Presse erklärte Poincare, er hoff«, daß der Tag niemals kommen werde, wo Frankreich allein (gegen Deutschland) vorgehen müsse. Er habe keineswegs die Ab­sicht, die Konferenz von Genua zu hintsrtreiben. Frankreich werde unbedingt daran feschalten, daß Rußland seine Vor­kriegsschulden anerkenne und heimbezahle; bezüglich der wäh­rend des Kriegs aufgenommenen Schulden Rußlands sei er Zugeständnissen nicht abgeneigt. Er sehe keine Veranlassung, den Obersten Rat vor Anfang Juni einzuberufsn. Zu dieser '^TZM^werden we Verbündeten wissen, ob Deutschland die Frist zur Erfüllung der chm von der Entschädigungskommission auferlegten Forderungen eingehalten habe. (Es ist zu be­merken, daß die Vorkriegsschulden von Rußland in Frank- ' reich gemacht wurden, während die eigentlichen Kriegs­schulden hauptsächlich in englischem Geld bestehen.)

Die vorsichtigen Russen.

Genua, 2. Mai. Einem Vertreter Reuters erklärte Tschtt- scherin, es scheine, daß die Verbandsregierungen die von Rußland benötigte Anleihe (angeblich zwei Milliarden Dollar) nur geben wollen, um die ausländischen Unternehmungen in Rußland wieder unterzubringen. Die Sowjetregierung werde aber eine bestimmtere Zusage verlangen, als sie in dem ge­planten allgemeinen Abkommen mit Rußland vorgesehen sei.

Tschilscherin an die Polen.

Genua, 2. Mai. Auf die polnische Note vom 25. April Hai der russische Vertreter Tschitscherin geantwortet, der Vertrag von Rapallo sei auf der gegenseitigen Verzichtleistung auf alle Ansprüche gegründet. Wenn andere Staaten Ansprüche 'an Deutschland hätten, die durch Vermittlung Rußlands bei­zutreiben wären, so hätte dies Rußland früher mitgeteilt werden müssen. Die russische Abordnung hat keinerlei Kennt­nis davon erhalten und die Sowjetregierung könne sie -ayer auch nicht anerkennen. Jedenfalls hätten die betreffenden Staaten bei Deutschland diplomatische Vorstellungen erheben können, die Vertragsmächte haben dagegen in ihrer Note vom 18. und 23. April sich das Recht angemaßt, den mit Rußland geschlossenen Vertrag für null und nichtig zu er­klären. Polen, das sich dabei beteiligt habe, verhindere also dadurch die Erholung Rußlands. Der Vertrag von Rapallo habe an seiner Verbindlichkeit nichts verloren.

Aus dem Reich

Mißstimmung über den Vertrag von Rapallo.

Berlin, 2. Mai. Reichsfinanzminister Dr. Hermes machte heute in einer Sitzung der Parteiführer Mitteilung über die Verhandlungen in Genua. Wie verlautet, ist trotz der amtlichen Ableugnung eine große Mißstimmung, beson­ders in Kreisen der Sachverständigen, über den vorzeitigen Abschluß des deutsch-russischen Vertrags vorhanden. Dr. Hermes führte in der Besprechung aus, angesichts der Lage habe die Regierung nicht anders handeln können.

Wieder dasMißverständnis".

Berlin, 2. Mai. Zu der Veröffentlichung des Prof. Wolfs in Dresden über eine geheime Mobilmachung der Handels­kammern gegen das Zwangswirtschaftsbegehren der deutschen Verleger in bezug auf Druckpapier wird halbamtlich erklärt, die betreffende Anweisung des Oberregierungsrats Feßler vom Reichswirtschaftsministerium sei mißverstanden worden.

Die Weinlieferungen des Reichsministers Hermes Berlin, 2. Mai. Wie seinerzeit berichtet, wurde auf die Beschuldigungen von seiten der Unabhängigen Sozialdemo­kraten, Reichsernährungsminister Hermes habe von den Winzerverbänden der Mosel sich verschiedene Mal Weine zu auffallend billigen Preisen geben lassen und dafür den Win­zern Zucker und andere in Reichsverwaltung stehende Dinge zugewendet, eine Untersuchung gegen Dr. Hermes vom Reichstag eingeleitet. Im Untersuchungsausschuß erstattete heute Abg. Temmler Bericht. Darnach sind die Wein­lieferungen gewissermaßen zum Selbstkostenpreis erfolgt, wie es beim Winzerverband Sitte sei, und sie stehen mit den Zuckerbelieferungen in keiner Verbindung. Der Minister ließ

ansragen, ob nicht ein Irrtum in der Preisberechnung vor­liege, was vom Winzerverband verneint wurde. Im Jahr 1921 hat der Verband auch keine Sonderzuweisung von Zucker erhalten. Abg. Hertz (Unabh.) machte an dem Be­richt verschiedene Ausstellungen. Hermes erklärte, es handle sich nur um zwei Weinsendungen. Er weise den Vorwurf zurück, als habe er den Wein zu Geschenkpreisen bekommen.

Fachschulen für Wirtschaft und Verwaltung.

Berlin, 2. Mai. Im Deutschen Stadthaus in Wilmersdorf ist in Gegenwart von Reichs- und preußischen Staats­beamten und Vertretern der Gewerkschaften die erste staat­liche Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung eröffnet wor­den. Eine zweite ist in Düsseldorf in Bildung begriffen un- weitere Anstalten sollen folgen.

Freundschaftsarbeit der Kirchen.

Herrnhuk (Sachsen), 29. April. Unter der Teilnahme von etwa 50 Vertretern aus den deutschen Ländern und von Gästen aus der Schweiz, Schweden und England hielt dis deutsche Vereinigung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen am 27. und 28. April in Herrnhut in Sachsen ihre erste Tagung unter dem Vorsitz von v. Spiecker, Prä­sident des Zentralausschusses für Innere Mission, ab. Be­sonders bemerkenswert waren die Vorträge von I). Sieg- mund-Schultze über die Bedeutung der Christengemein­schaft für die Völkergemeinschaft und von dem Engländer Dickinson, dem Schriftführer des Weltbundes, über das Eintreten des Weltbundes für die evangelischen Minderheits­kirchen. Der deutsche Außenminister a. H. Dr. Simons beteiligte sich in hervorragender Weise an der Tagung, bei der auch das sächsische Konsistorium und der Gustav Adolf- Verein vertreten waren. Für Württemberg sprach Stadt­pfarrer Kappus- Zuffenhausen. Die Verhandlungen gaben einen tiefen Eindruck davon, wie unerläßlich für die Ver­söhnung der Völker die Mitarbeit der christlichen Kirchen ist.

Die Maifeier

Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten ist dis Maifeier der freien Gewerkschaften in den meisten Städten ruhig oer- laufen. Die Beteiligung war allgemein sehr stark. InBer - lin sollen den Kundgebungen im Lustgarten und auf dem Schloßplatz etwa 200 000 Personen angewohnt haben. Auf Schildern las man die Aufschrift: Nieder mit der Kapitalisten­bande in Genua! Nieder mit dem Vertrag von Versailles! Nur der Bund des russ. und deutschen Proletariats kann uns retten! In Leipzig kam es zu Zwischenfällen. Aus dem Universitätsgebäude war auf Anordnung des Rektors die Universitätsflagge aufgezogen. Einige Burschen drangen in das Gebäude ein, rissen die Flagge ab und warfen die Fetzen auf die Straße. Einer der Burschen scheint aber dabei verhauen worden zu sein, er kam mit blutendem Kopf auf die Straße zurück. Die Menge wollte nun die Universität stürmen, wurde aber durch ein starkes Polizeiaufgebot zurück­gehalten. In München wurde auf dem Ostfriedhof ein Denkmal für die während der Revolution gefallenen Kommu­nisten eingeweiht. In Jena entstand eine Schlägerei zwischen Kommunisten und Studenten der Burschenschaft Germania", die einen Schild mit der AufschriftFreibier" zum Fenster hinausgehängt hatten. Die Kommunisten stürmten das Verbindungshaus und schlugen auf die Stu­denten mit Stöcken und abgebrochenen Fahnenstangen ein. Viele Personen wurden verletzt. Schließlich kam die Polizei und nahm das Haus in ihren Schutz.

Tie Maifeier in Paris und in der Schweiz.

Paris, 2. Mai. In Paris ruhte anläßlich des 1. Mai die Arbeit nur teilweise. Die Geschäfte waren offen, die Straßenbahn verkehrte und die bürgerlichen Zeitungen konnten sämtliche erscheinen. In den Ar­beiterbörsen fanden die üblichen Versammlungen statt. Es gab auch einen Demonstrationszug und ein Schar­mützel mit der Polizei, bei dem 24 Verhaftungen vor­genommen, zwei Polizeiwachtmeifter und 10 Polizi­sten leicht verletzt wurden. Der Kommunist Cachin erhielt bei dieser Gelegenheit von dem Redakteur einer Morgenzeitung eine Ohrfeige. Auch in der Schweiz war die Beteiligung an der Maifeier nicht so groß wie in den letzten Jahren.

Der aus Südwesten gekommene Hochdruck verspricht noch keinen Bestand: hak aber zunächst mit den Störungen über Süd- deutichiand aufgeräumt. Am Donnerstag und Freitag ist meist trockenes, doch noch vielfach bedecktes und ziemlich kühles Weiter zu erwarten.

Württemberg

Stuttgart, 2. Mai. Ei n i g u n g s v e r h a n d lu n g en. Im Metallarbeiterstreik finden im württ. Arbeitsministerium heute Einigungsverhandlungen statt.

Lohnbewegung. In der Tarifregelung der Land­arbeiter wurde der Schlichtungsausschuß angerufen.

Stuttgart, 2. Mai. Der Fall Heymann. In letzter Zeit wurde viel gesprochen über den Fall Heymann. Ein Fräulein Heymann, Nichte des früheren Kultusministers in Württemberg, soll bei der Ablegung einer Prüfung für das höhere Lehrfach und der darauf erfolgten Verwendung im Schulamt gegenüber einem christlichen Bewerber (Dr. Schrey) in auffallender Weise bevorzugt worden sein. Amtlich wird nun mitgeteilt, daß eine solche Bevorzugung nicht stattgefun­den habe.

Auszahlung an Staatspensionäre. Die erhöhten Bezüge der Staatspensionäre, auf die im Dezember 1921 und März 1922 bereits Vorschüsse geleistet worden sind, können nach den fortlaufenden monatlichen Zahlungen vom 1. April 1922 an zugrunde gelegt werden. Dagegen ist die Auszahlung des vom 1. April d. I. an erhöhten Frauenzuschlags und der erhöhten Kinderzuschläge (vom 14. bis 21. Lebensjahr) mit den fälligen anderweitigen Bezügen noch nicht möglich, weil die genannten Zuschläge nur unter gewissen Voraussetzungen oerwilligt werden können, über deren Zutreffsn zunächst ein Fragebogen zur Beantwortung cm die Beamten hinausge­geben worden ist.

Ausstellung für kirchengeräke. Vom 8. Juli bis 10. Aug. wird hier in ben Sälen des neuen Schlosses eine Ausstellung für Kirchengeräte und Kirchenschmuck veranstaltet. Zu glei­cher Zeit sollen Vorträge über kirchliche Kunst und Kirchen­konzerte a-bgehalten werden.

Der Württ. Weinbauverein hält am Pfingstmontag nach­mittags im Bürgermuseum seine ordentliche Jahresversamm­lung. Dabei wird Oekonomierat Mährlen-Weinsberg einen Bortrag über die Düngung der Weinberge halten und Prof. Dr. Meißner die Ausspräche über Schädlingsbekämpfung leiten. Neben dem Jahresbericht über die Vereinstätigkeit werden noch Berichte über den Stand der Weinberge erstattet.

Unkertürkheim, 1. Mai. Wieder ein Daimler- Sieg. Der bekannte Rennfahrer Salzer ging bei dem Prager Vergrennen am gestrigen Sonntag als Sieger her­vor. Er hat damit den Sieg zum dritenmal hintereinander errungen. Die Rennstrecke war 5,8 Kilometer lang und wurde unter Ueberwindung des Höhenunterschiedes von rund 200 Meter in 3 Minuten 20 Sekunden durchfuhren. Salzer benutzte einen 25/95-PS-Wagen, der auch beim Ren­nen um die Targa- Florio auf Sizilien neulich Verwendung gefunden hatte.

Feuerbach, 2. Mai. Ueberfahren. Am Sonntag wurde der 16jährige Fritz Bofinger von hier von einen: Auto, das ein ungeschickter Führer lenkte, überfahren. Der Verunglückte wurde schwer verletzt in das hiesige Kran­kenhaus verbracht.

Lausten a. 7k., 2. Mai. Radunfall. Der 22jährige Ernst Frank von Nordheim verlor aus der Nordheimsr Steige die Herrschaft über sein Rad. Am Ortsemgang fuhr er auf ein Haus auf und wurde sehr schwer verletzt.

Weinsberg. 2. Mai. Gestohlener Ochse. In der Anstatt Lichten st ern wurde nachts ein Ochse im Wert von 35 000 gestohlen; von den Tätern hat man keine Spur.

Plochingen, 2. Mai. Verhaftung::. Gestern wurde eine internationale Verbrecherbande verhaftet, die verschiedene Einbrüche und Betrügereien in mehreren Großstädten verübt und zum Teil hier unangemeldet Unterschlupf gefunden hatte.

Mergentheim, 2. Mai. Der Reichspräsident als Kurgast. Wie dieTauberzeitung" hört, wird Reichsprä­sident Ebert wieder zum Kurgebrauch hierher kommen.

Tübingen, 2. Mai. Von der Universität. Professor Dr. Robert König in Tübingen wurde zum ordentlichen Professor der Mathematik an der Universität Münster er­nannt.

Wannweil, 1. Mai. Genossenschaftsgründung. In einer auf Anregung des Ortsvorstehers gehaltenen Ver­sammlung wurde die Gründung einer Dresch-Gen of­fen sch aft beschlossen, der sofort 80 Mitglieder beitraten. Die Genossenschaft wird sofort eine Dreschanlage mit Loko- rnobil beschaffen.

Heimatwurzeln.

Roman von Hax» von Hekethusen.

11 (Nachdruck verboten)

Augenblicklich haben wir kein Geld dazu," sagte er kurz.

Aber auch diese kurze Art schlug heute nicht an.

Das hoffe ich doch," meinte Gerda.Dann ver­kaufen wir eben zwei Haupt des jungen Mastviehs mehr. Es sind ohnehin mehrere schlechte Fresser darunter, die wenig an Gewicht bis zum Frühjahr zu­nehmen werden."

Es glühte etwas in dem vor ihm stehenden Mädchen, das um keinen Zoll von der Erkenntnis weichen wollte, die ihr gekommen war.

Er fühlte das, und nun schwoll auch ihm die Ader aus der Stirn.

Solche Dinge mußt du wirklich mir und Herrn Bremer überlassen," sagte er verstintmt.Das ver­stehst du nicht, und dazu bist du eben noch zu jung."

Das wird aufhören," sagte sie.Ich will von allem wissen, was mit Parnitz zusammenhängt. Das ist mein angeborenes Recht. Wenn ich Dummheiten sage, so kannst du mich eines Besseren belehren. Aber was ich vorhin sagte, ließe sich ausführen . . . Das weißt du selber ganz genau. Die Kosten für den neuen Backofen decken sich'ohnehin an der ersparten Feuerung mit der Zeit von selbst/ - - ^

Nun lachte er, aber es klang gezwungen.

Dieses junge, übermütige Geschöpf plötzlich ernsthaft von Geschäften reden zu hören, hätte er gern für eine alberne Wichtigtuerei erklärt, aber dahinter stand ihm etwas anderes gegenüber: ein plötzlich erwachter zäher Wille, ihm zu beweisen, daß sie auf festen Füßen auf diesem Grund und Boden stehe und in ihm festere Wurzeln fassen wolle.

Sie können mir ja mal den Grundriß gelegentlich zeige:,,' wandte er sich an Bremer,heute habe ich feilltz Zeit mehr dazu."

Er redete dann noch über den Verkauf des Korns und fragte, wann die Lieferungen zur Bahn gingen. Dann verabschiedete er sich kurz und ritt davon.

Sonst pflegte ihn Gerda noch bis über den Hof an die Landstraße zu begleiten. Heute tat sie es nicht. Erst nachdem er längst verschwunden war, trat sie mit Herrn Bremer aus der Scheune.

Dieser war bemüht, ihr den dicken Staub von den Schultern zu klopfen.

Sie lachte.

Lassen Sie nur, das nimmt mir der Wind nachher draußen aus der Höhe des Lehmbergs von selber wie­der fort . . . Wohin führt Sie Ihr Weg?"

Ich will hinauf zu den Kartoffelmieten und sehen, ob die Leute mir die Dunstrohren auch ordentlich ein- setzen." ...

Gut, da komme ich mit."

Sein Gesicht glänzte.

Gnädiges Fräulein, die Arbeit wird mir doppelt zur Lust, wenn Sie sich von jetzt ab dafür interessieren. Man will doch wissen, für wen man arbeitet."

Ja, ja, es soll vieles anders werden," sagte sie nachdenklich.In einem Jahr bin ich mündig, und das wird gut sein. Bis dahin will ich viel lernen, und Sie werden mir das nicht zu schwer machen, nicht wahr?"

Nein," rief er,mit tausend Freuden will ich das tun. Man ist doch nun schon sechs Jahre hier, da kennt man eben seinen Boden und seine Leute."

Sie lächelte über das Selbstgefühl, mit dem er das sagte.

Und dann gingen sie wohlgemut durch das Dorf un über die Höhe des Lehmbergs, wo man beschäftigt wa, die Kartoffelmieten zu schichten.

Wenn das Menschenherz von unruhigen Gedanken belastet ist, und wenn ungelöste Fragen Tag und Nacht durch das hämmernde Hirn kreisen, so lenkt nichts wohl- tätiger ab. als eme Beschäftigung praktischer Art.

Frau Pastor Haller wußte es allemal, wie es in ihrem lieben Alten aussah, wenn er die Stubenlust nach Möglichkeit mied und sich in Hof, Feld und Garten mehr als nötig zu schaffen machte. Nur so brachte er dann das gärende Blut, das noch immer zu lodernder Flamme werden konnte, zum Schweigen. Daß er sich mit schweren Zukunftsgedanken wegen seines Jüngsten trug, las sie auf seinem Gesicht. Und gerade deshalb, weil kein Wort die schwebende Frage noch seit jenem ersten Abend berührt hatte, wußte sie, daß der Vater noch nicht klar mit sich sei, einen Beschluß zu hören oder zu geben.

In solchen Zeiten der inneren Klärung ging er rast­los seinen Amtspflichten nach. Da suchte er seine Ge- meindekinder noch öfters auf als sonst. Dann war es, als suche die Kraft seiner starken Seele doppelte Arbeit, doppelte Mühe, um zu geben und zu schenken, aber auch, um sich müde zu machen und genug Kraft zu verbrauchen, die vielleicht an anderer Stelle heraus­geplatzt wäre. Aber diese Kraft wurde nicht müde, deren Spannung wuchs, wenn die Aufgaben schwerer wurden.

Eine gewaltige Körper- und Nervenkraft hielt den rüstigen Mann in dieser Frische und Tätigkeit 'des Geistes. Im ganzen hatte er sein heißblütiges Tem­perament gut in der Gewalt. Aber es konnte doch ge­schehen, daß einmal die Funken herausstoben, wenn man ihn allzusehr reizte und auf seine Erfahrung und bessere Einsicht nicht hörte. Er war kein einseitiger oder gar kleinlicher Mensch, aber er hatte seine Grundsätze io gut wie jeder ältere und denkende Mann, und um dieser eingenisteten Grundsätze willen konnte es doch manchmal schwer halten, ihn dazu zu bewegen, andere, namentlich Ansichten jüngerer Leute, gelten zu lassen.

Eine gewitterschwüle Luft war es also doch im Pfarrhaus, die sich von Tag zu Tag schwerer auf die Gepiüter aller legte.

(§o»ts»tzuxg f»lzt.)