Da« Wüten der französischen Soldateska in Bochum.

Essen, 28. Febr. Die Handelskammer Bochum, die von den Franzosen, wie bereits gemeldet, vollständig zerstört wurde, hat an sämtliche Handelskammern folgendes Rund» s -eiben gerichtet: Im Dunkel der Nacht zum 24. Februar d ' fanzösische Truppen unter Führung von Offizieren d -ichästsgebüude der Handelskammer zu Bochum voll» . ausgeraubt. Was in jahrzehntelanger Arbeit auf- e .daut wurde, hat sinnlose Zerstörungswut in einer. Nacht m nUchtet. Nicht nur das Aktenmaterial, sondern auch die ganze über tausend Bände umfassende Bibliothek und sämtliche Einrichtungsgegenstände, Teppiche, Uhren und aUe Wertsachen wurden mitgenommen: außerdem wurden die Eeldschränke erbrochen und ausgeraubt. In der Hau» de'skammer findet man nur leere Räume, in denen Pa- picrfetzen, zerbrochene Weinflaschen, die aus Privatkellern geraubt wurden, und zertrümmerte Televhonapparate zwi­schen den zerschnittenen Oelbildern der früheren Präsiden­ten der Handelskammer umherliegen. Diese neuerliche Ge­walttat der Franzosen ist so unerhört und das Borgehen gegen eine nur dem Allgemeinwohl und den Interessen von Handel und Industrie dienende Organisation der Kauf­mannschaft so einzig dastehend, daß wir es uns rersagen müssen, ihre Urheber auch nur eines Protestschreibens zu würdigen. Der gesamten zivilisierten Welt überlassen wir das Urteil über einen sol­chen Vandalismus, der nur den Zweck haben konnte, in das Wirtschaftsleben eine gewaltsame Störung hinein­zutragen. Der Geschäftsgang der Handelskammer geht nach wie vor weiter.

London, 28. Febr. DiePall Mall and Elobe" ver­deutlicht eine Meldung des Sonderberichterstatters von Havas in Düsseldorf, worin die Nachrichten über die von den Franzosen in der Handelskammer von Bochum verüb­ten Zerstörungen als Erfindungen bezeichnet werden. Das Blatt stellt jedoch Havas die Meldung des Kölner ^ -chterstatters derTimes" entgegen, worin es heißt, o. g die nach Bochum entsandte französische Expedition eine Orgie der Zerstörung veranstaltet, alle Einrichtungsge­genstände von Wert weggenommen und sie im Lastkraft­wagen fortgebracht habe. Die Telephoneinrichtungen seien zerstört, die Schränke gewaltsam erbrochen, die Papiere und Bilder zerrissen und auf die Straße geworfen, die Bilder 'ismarcks und anderer hervorragender Männer mit dem Bajonett zerstochen, der Weinkeller aufgebrochen und eine Anzahl von Flaschen zertrümmert, andere im Lastkraft­wagen weggeführt worden. Das Telegramm berichte auch über eine französische Strafexredition nach Herne.

Berlin, 2. März. Die städtischen Körperschaften, sämt­liche Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband von Bo­chum erlassen eine Kundgebung gegen die Mißhandlung won Bochumer Schülern und Bürgern, gegen die Ausräu­bung von Gasthäusern, gegen die Verhaftung des Magi­strats und von 18 Stadtverordneten und gegen die Plünde­rung und Zerstörung der Bochumer Handelskammer. Zu den Plünderungen und Verwüstungen in der Bochumer Handelskammer erfährt dasBerliner Tageblatt", daß nach Schätzungen Sachverständiger der Wert der zerstörten und geraubten Gegenstände über eine Milliarde Mark beträgt.

RaubüberfSlle an der Tagesordnung.

Bochum, 2. Mürz. Bis zum gestrigen Abend sind beim Besatzungsamt in Essen 42 Naubüberfälle durch französische Soldaten bekannt geworden. In Eelsenkirchen wurden der Kommanditgesellschaft Dreiringwerke 100 Kisten Seife im Wert von 120 Millionen -K an der Ruhrbrücke in Steele weggenommen.

Französtscker Bericht über die Derkehrs?age.

Paris, 1. Mloz. Havas erhielt aus Düsseldorf die üb­liche Aufzählung der expedierten Kohlenzüge vom heutigen Tag. Acht Züge seien nach der Schweiz, Holland und Ita­lien abgegangen. Auf dem Bahnhof Hamborn sollen acht Waggons mit Koks, fünf mit Kohlen, sechs mit Düngemit­teln und sechs mit Zink beschlagnahmt worden sein, des­gleichen in Glatten zwei Lokomotiven. Die Zahl der im Ruhrgebiet von den Besatzungsbehörden eingestellten Eisenbahner wird mit 11L angegeben. Die Agentur, die diese Ziffer selbst nicht erheblich nennt, entschuldigt sie da­mit, daß die Einstellungen wenig regelmäßig vor sich gin­gen und man dürfe auch nicht vergessen, daß die französi­schen Behörden scharfsiebten"!

Lrutsche Aufklärung für die Negierungen des Auslandes.

Berlin. 1. März. Wie wir hören, hat die Reichsregie­rung an die an demRuhreinbruch nicht beteiligten fremden Regierungen Noten gerichtet, in denen auf den Ernst der Dinge aufmerksam gemacht wird, der durch die immer bru­taler werdende Vergewaltigung der Bevölkerung des Nuhrgebiets, die ständigen Mißhandlungen, die täglichen Fälle von Plünderungen, Straßenraub, Ausweisung und Einkerkerung von Beamten, sowie durch die systematische Drangsalierung ganzer Städte geschaffen wurde. Die Reichsregierung hielt diesen Schritt für notwendig, um der Welt ein zusammenfassendes Bild von dem französischen Vorgehen zu geben und erneut aus die Unerträglichkeit und Gefährlichkeit der dadurch hervorgerusenen Zustände hinzuweisen.

Weitere deutsche Verwahrungen.

Berlin. 2. Mürz. Die deutsche Regierung hat durch ihre Missionen in Paris, London und Brüssel eine Note überreichen lassen, in der sie gegen die Besetzung der Zwi­schenräume zwischen den Brückenköpfen Köln. Koblenz und Mainz durch französische Truppe« und die Ausdehnung der

l Amtliche Bekanntmachung

betr. Erwerbslosenunterstützung.

Der Bezirksrat hat am 19. Februar ds. Js. beschlossen, künftig die jeweils vom Arbeitsministerium im Staatsan­zeiger veröffentlichten Höchstsätze der Erwerbslosenfürsorge der Ortsklassen L, v und L für den Oberamtsbezirk Calw als bewilligt gelten zu lassen.

Bei der Berechnung der Familienzuschläge sollen jedoch wie bisher höchstens 4 Kinder in Rechnung gestellt werden.

Hievon wird den Gemeindebehörden zur gefl. Nach­achtung Kenntnis gegeben.

Calw, den 26. Febr. 1923. Oberamt: Gös.

Zuständigkeit der Interalliierten Nheinlandskommission auf diese Gebiete protestiert, deren Besetzung der Vertrag von Versailles nicht vorsehe. Auch gegen die Verkümme­rung des Versammlung-, Vereins- und Pressewesens durch die Rheinlandskommission wird schärfste Verwahrung ein­gelegt.

Nnerschütterter Abwehrwille

in den besetzten Gebieten.

Berlin, 2. März. Nach einer Meldung desBerliner Tageblatts" aus Hamm erklärte in einer Besprechung mit Pressevertretern der Großindustrielle Dr. Klönne aus Dortmund, die Industrie im Nuhrgebiet denke nicht daran, sich von irgend einer Seite einschüchtern zu lassen. Es gebe keinen Industriellen, der augenblicklich daran denken wollte, mit dem Feinde zu verhandeln. Die Versorgung der Industrie mit Rohmaterial sei bis jetzt noch nicht ge­stört. Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Rhein und Ruhr hätten nur den einen Willen: das Joch der Feinde abzu­schütteln.

Eine sozialdemokratische Antwort auf die französischen Zersetzungshoffnungen.

Berlin, 2. März. Der französische Präsident glaubt in einer Rede des sozialdemokratischen Reichstapsaügeordneten und Parteivorsitzenden Wels auf dem sozialdemokratischen Bezirksparteitag in Berlin den ersten Schritt zu einer Opposition gegen die Politik der Reichsregierung feststellen zu können. Demgegenüber veröffentlicht oer Abgeordnete Wels folgende Erklärung: I« Deutschland gibt es nicht eine Partei, die den Kampf gegen den französischen Mili­tarismus im Ruhrgebiet °o entschieden geführt hat und wei­ter führen wird wie die Sozialdemokratie. Die französischen Hoffnungen» daß die deutsche Sozialdemokratie die Inter, essen des Herrn Poincare jemals fördern könnte, sind des­halb nicht nur falsch, sondern auch trügerisch gegenüber der Bevölkerung Frankreichs.

Die englischeTeil»«' me«

an oem Nnhrunterne^men.

London, 1. März. Im Unterhaus fragte Ponsonby den Premierminister, ob abgesehen von einem besonderen An­gebot bezüglich der Reparationen die deutsche Regierung irgend einen allgemeinen Vorschlag gemacht habe zu dem Zweck, der augenblicklich ernsten Lage im Ruhrgebiet ein Ende zu machen. Bonar Law verneinte die Frage. Mac Neill erklärte auf eine Anfrage, es sei der britischen Ne- gierung bekannt, daß eine Anzahl von deutschen Beamten samt ihren Frauen und Kindern aus dem Nuhrgebiet aus­gewiesen wurde. Derartige Vertreibungen seien durchge- führt worden nicht auf Befehl der Interalliierten Nhein­landskommission, sondern auf Befehl der französischen und belgischen Militärbehörden im Nuhrgebiet.

Englische Stimme« über die Frage der Bezahlung der Nuhraktioa.

London, 1. Mörz. Dem diplomatischen Berichterstatter des Daily Telegraph" zufolge werden aus der Sachverstä.ndigcnkon- ferenz, die heute zur Erörterung der Verteilung der rheinischen Besatzungskosten beginnt, woran sich auch die Vsr. Staaten betei­ligen werden, vielleicht einig« sehr schwierige Fragen amgewor- fen werden. Die Ausgaben für die amerikanischen Be^atzungs- truvpen seien noch nicht erstattet, wöhm-d die Ausgaben fürste alliierten Besatpmgsheere bis zu einem iipnnkt, der nicht weit zurückliege, von den Betrögen, die die Neparationskommilsion von Deutschland erhielt, bestritten worden sind. Es wird, dem Be­richterstatter zufolge, von besonderem Interesse sein, wenn auf der Konferenz von französischer Seite die Frage der Ertrakosten der Besitzung des Nvt-rgebietes aufo-wor'm werden sollte Bo­nar Law betonte erst vor kurzem im Unterhaus grundsätzlich, daß die Kosten der Sonderaktion für die französisch-belgische Besetzung ! des Ruhrgebiets nicht aus der gemeinsamen Kasse der Rcpara- tionskommission gezahlt werden könnten und dag jeder Vorschlag in diesem Sinne sorgfältig erwogen werden müsse. Die Times" berichten ans Paris, es bestehe dort die Neigung, die Ausgaben für d'e Besetzung des Ruhrgebiets als zu Last-m der Kosten für die Tesetzungshesre fallend zu betrachten, da vorge­sehen sei, daß jede weitere Ausgabe, die durch Sanktionen von den Alliierten verursacht sei, Deutschland auferlegt werden solle. Daher entstehe die Frage, ob die Besetzung des Ruhrgebiets eine Sanktion sei, die von den Alliierten auferlegt ist, und eine neue Erörterung werde früher oder später über diesen Punkt statt­finden. Das Ergebnis wird natürlich sein, daß man Deutsch­land die Kosten für die Ruhraktion ebenfalls aufbürdet, denn über den Eharakter dersorgfältigen" Prüfung durch England werden sich bei uns jetzt vielleicht sogar geistig Beschränkte klar sein. _

Zur auswärtigen Lage.

Der deutsche Botschafter beim König von England.

London, 1. März. Der deutsche Botschafter Sthamer und seine Frau haben beim König und der Königin im Buckingham-Palast ein Frühstück eingenommen.

s Prüfung der polnisch-russischen Grenze durch die Entente.

Paris, 1. März. Die Botschafterkonferenz hat heute vormittag beschlossen, die Frage der polnischen Ostgrenzo einer Prüfung zu unterziehen.

Auflösung des spanischen Parlaments.

Paris, 28. Febr. Havas meldet aus Madrid, daß, den Blättern zufolge, die Regierung die unverzügliche Auf­lösung des Parlaments angeorduet und sich Vorbehalten habe, Neuwahlen anzusetzen.

Eine Konferenz der Alliierten zur Rückerstattung der amerrkanrschen Besatzungskoslen.

Paris» 1. Mürz. Heute beginnt in Paris eine interalliierte Konferenz zur Beratung über die Rückzahlung der Besatzungs­kosten an dis Ver. Staaten. Auf dieser Konferenz wird Washing­ton durch den Ilntcrstaatssekretär des Schatzamtes, Elliot Wads­worth, vertreten sein.

Aus Stadt und Land.

Calw» den 2. März 1923.

Wild-Afrika!

* Im Lichtspieltheater imBadischen Hof" wird mor­gen der von der Stadt bestellte wissenschaftlich und bild­lich hochinteressante FilmUn terWilden und wil­den Tieren in Afrika" gegeben. Nachmittags fin­det eine Vorstellung für die Schulen statt, wobei auch die Schüler aus der Umgebung erwartet werden, abends für die Erwachsenen. Die schwedische FirmaSvenska Viograf- teatern" sandte in den Jahren 1919 bis 1921 eine wissen­schaftliche Expedition nach Britisch-Ost-Afrika, um das Le­ben und Treiben in einem der wildesten und ursprünglich­sten Teil« Afrikas im lebenden Bilde festzuhalten. Das Ergebnis dieser Expedition liegt nun in einem Eroß-Film vor. Dem Film ist es gelungen, äußerst eindrucksvolle und lebendige Bilder aus demschwarzen Erdteile" festzuhal­ten, und dem Zuschauer einen überwältigenden Einblick in eine Welt zu geben, die wohl in absehbarer Zeit dem Un­tergang geweiht sein dürfte. Es sind Ausnahmen von einer eigenartigen Größe und packenden Lebendigkeit, die uns ein Stück Tierwelt aus dem Innern Afrikas vor das staunende Auge bringen. Man sieht Leoparden und Löwen. Antilo­pen und Zebras. Nashörner und Büffel, Assen und Giraf­fen sich in der Freiheit tummeln, sieht sie jagen und ge­jagt werden. Die ganze ursprüngliche Wildheit des afri­kanischen Großtierlebens tritt einem entgegen. Ebenso in­teressant sind die Aufnahmen, die in das Leben und Trei­ben der dortigen Urbevölkerung einsühren. Man lernt die Neger kennen in ihrer Kindlichkeit, aber auch wieder in ihrer unbezähmbaren Wildheit. Man sieht sie krokodilbe­lebte Flüsse durchschreiten, beobachtet sie Lei Fischfang und Waffenschmieden, wie auch bei Tanz und Unterhaltung. Jedes Bild, das sich vor dem Auge entrollt, bietet eine neue Überraschung. Der ganze Weg von Mombassa bis zum Victoriasee ist in eindrucksvollen unvergeßlichen Bildern festgehalten. Besonders interessant sind die Aufnahmen von dem Negerstamm der Massai, der ja auch bis in unsere ehemalige Kolonie Deutsch-Ost-Asrika hinein vertreten ist. In allem genommen ist dieser Film eines der größten und kühnsten Werke, das der rastlose Geist des Menschen ge­schaffen hat.

Vortrag im G?orge»iium.

* Tinen hochinteressanten geschichtlichen und doch für die heu­tige Zeit höchst aktuellen Vortrag überIrland" hielt am Mittwoch abend Studienassessor Rüpp. Der Redner gab auf Grund unanfechtbaren Tatsachenmaterials einen Uebe blick über die furchtbare Tragik der irischen Geschichte, wie sie sich in der planmäßigen Unterdrückung dieses Volkes durch England dar- ftellt. Die Geschichte Englands, so leitete der Redner seine nicht nur inhaltlich, sondern auch formell fein durchgearbeiteten Aus­führungen ein, erscheine uns als eine lange Reihe politischer und kriegerischer Erfolge. Was England angcfangen habe, das habe es auch zu seinen Gunsten durchgeführt. Kein Krieg sei in der neueren Geschickte geführt worden, bei dem England nicht irgend­wie die Hand im Spiel gehabt habe, keinen Krieg habe Eng­land geführt, Lei dem es nickt irgend etwas für sich heraus­geschlagen habe und der Erfolg dieser Tätigkeit sei das gewal­tige britische Imperium. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte Englands sei aber die Eroberung Irlands, die für England von gewaltiger politischer Bedeutung sei. Uebcr die älteste Ge­schichte Englands wisse man so gut wie gar nichts. Welche Be­deutung aber schon die Rön^er dieser Insel beigemessen haben müssen, gehe aus dem Hinweis des Geschichtsschreibers Tacitus hervor, Nom solle Irland niederiäinpscn und in Besitz nehmen. Die Bewohner Irlands sind Kelten mit germanischem und ro­manischem Einschlag. Wenn sie sich von den Kelten getrennt haben, sei nicht .zu sagen. Von Irland sei eine Reihe christlicher Glaubensboten nach dem Festland ausgegangen: in der Zeit zwischen W-DIO. Beispielsweise ist das Kloster St. Gallen, das auf die Kulturentwicklung Süddeutschlands großen Einfluß gehabt hat, von dem Iren Gallus gegründet worden. Auch in den folgenden Jahrhunderten hätten gewisse Zusammenhänge zwischen Deutschland und Irland stattgchabt, was namentlich auch aus der Uebertragung des irischen Kirchenbaustils auf die deut'chcn Kirchen hervorgeht. Die ruhige Entwicklung Irlands wurde durch die Einfälle normannischer Krieger seit dem neun­ten Jahrhundert gestört. Heinrich II. von England hatte vom Papst die Erlaubnis der Unterwerfung Irlands erhalten, weil er die Iren als unchristlich und lasterhaft bezeichnet hatte. Wir sehen hier also schon den Anfang der englischen Politik, durch Be-