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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.

Num er 85

Fernruf 179

Wildbad, Dienstag, den 11. April 1S22

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Fernruf 179

57. Jahrgang

Tagesspiegel

Die deutsche Reichsregierung wird, wie alle Großmächte, in den Sitzungen der Konferenz durch fünf Mitglieder ver-' treten sem, nämlich durch den Reichskanzler Dr. Mrlh, Slutzenrninister Dr. Rakhenau, Finanzminister Dr. Hermes, Wiederaufbauminister Schmidt und Reichsbankpräsident Ha- venstein.

Echo de Paris" schreibt, die Unterredung Lloyd Georges mit Pomcure in Paris bedeute einen vollen Erfolg für die französische Politik. DerMalin" sagt, Lloyd Georges Rück­zug sei ein vollständiger.

Aach einer griechischen Meldung sollen türkische Streit- Kräfte in Stärke eines Bakaillos mit Maschinengewehren am 6. April an der Front von Eskisckrr (Kleinasien) den Ab­schnitt bei Kiss angegriffen haben. Die Türken mußten sich infolge eines griechischen Gegenangriffs zurückziehen.

Die rumänische Kammer hat die Bereinigung Befsara- biens mit Rumänien bestätigt.

Das belgisch» Königspaar ist unbekannt in Versailles an­gekommen, um dort die Osterfeierkage zu verbringen.

Reichstag und Zeitungsnot

Vor den Osterferien hat sich der Reichst'ag noch ein­mal zu einer Lat aufgerasft, irkdem er einstimmig einen Antrag fast aller Parteien angenommen hat, worin die Reichsregierung aufgefordert wird, mit größter Be­schleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die schwere Not des deutschen Zeitungsgswerbes wirk­sam bekämpft wird.

Aber mit der Annahme des Reichstags bleibt die Sache nicht getan. Es wird auch nötig sein, daß mit derselben Heftigkeit der Reichstag über die Durch­führung seiner Forderungen wacht, denn wer sich bi5her mit dieser Sache beschäftigen mußte, der weiß nur zu gut, wie viele Amtsstellen hierbei überhaupt in Frage kommen und wie sie alle aus möglichst kleinlichen Gesichtspunkten heraus sich um eine großzügige Re­gelung dieses Notstands herumzudrücken wissen. Cs kommt nicht nur darauf an, daß die Regierungen der einzelnen Länder, wie in der Begründung des Antrages mit Recht gefordert wurde, Holz für die Papier­fabrikation zu erträglichen Preisen zur Verfügung stellen wobei ja auch zu berücksichtigen ist, daß der Reichstag auf die Länderregierungen ohne unmittel­baren Einfluß ist, sondern es gibt da noch eine ganze Anzahl von Hebeln, die in Bewegung gesetzt werden müssen. Dabei kann es nicht unerwähnt bleiben, daß der Reichstag selbst erst noch kürzlich ein Verschul­den gegen den Geist seines heute angenommenen An­trags begangen hat, indem er noch durch die Sonder­strafbesteuerung des Zeitungsinserats im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des selbständigen, unabhängigen Zei­tungsgewerbes vermehrt hat. Unter der unhaltbaren Vorspiegelung, als sei das Zeitungsinserat gewisser­maßen ein Luxus, während es doch eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist, hat man es mit einer von einem Prozent bis vier Prozent gestaffelten Umsatzsteuer be­legt, während für andere Umsätze der Höchstsatz nur zwei Prozent beträgt.

Was in der Hauptsache zu fordern ist, das ist eine ver­nünftige Regelung der für das Zertungswesen in Be­tracht kommenden Tarifierungdur ch die Post und durch die Eisend ä h n. Das ist weiter eine Berücksichtigung der Herstellung des Zeitungsnapiers in der Belieferung mit verbilligter, mindexbesteuerter Kohle, das ist die teilweise. Verwendung der durch die Ausfuhr von deutscher Kohle und Zellulose erzielten Uebergewinne auch für eine Senkung des Pa­pierpreises, und ebenso eine Verwendung der durch die Ausfuhr von Papier erzielten Ausfuhrabgaben zu oleichem Zweck, sofern nicht überhaupt die Papieraus­fuhr so lange zu verbieten ist, als nicht der drin­gende Bedarf für das deutsche Zeitungsgewerbe selbst gedeckt werden kann. Wie notwendig es sit, den sich überstürzenden Preissteigerungen auf dem Papiermarkt Einhalt zu gebieten, mag die Tatsache oelsgen, daß em Waggon'Zeitungspapier, der im Frieden 2100 Mark kostete, heute den ungeheuerlichen Preis von 128 828 Mark hat! Eine Verteuerung also um mehr als das

Sechzigsache. Ein Bogen unbedrucktes Fremvenblail- papier kostete vor dem Krieg einen halben Pfennig, heute muß er mit 32 Pfennig bezahlt werden. Weiter ist zu fordern und ist möglich, eine bessere Gestellung von Güterwagen durch die Reichseisenbahn für die Zwecke der Papierfabrikation und -lieserung, die in erheblichem Maß durch die Verkehrsabdrosselungen be­einträchtigt wird. Daß es auch Aufgabe der Reichspost­verwaltung ist, dm Zeitungsnachrichtendienst auf alle mögliche Weise zu erleichtern und zu verbilligen, ist ein Verlangen, das ebenso selbstverständlich wie dringlich ist. Dis derzeit herrschenden Verhältnisse haben bereits die Gefahr einer Ueberfremdung der deut­sch e n P r e s s e in greifbare Nähe gerückt, es liegt aber auch eine nationale Gefahr hier überhaupt vor. Solche Gesichtspunkte werden es denn auch gewesen sein, die die einstimmige Annahme des Antrages Löbe durch eine alle Parteien umfassende Einheitsfront her­beiführten, ein seltenes Ereignis, von dessen Eindring­lichkeit man nunmehr doch noch einiges Gute erhoffen darf. . j

Bor,cyafter m Rom der Konferenz nicht fern bleibt, sondern schon die ersten Sitzungen in Genua selbst als Hsrchposten i beobachten wird.

, Das größte Interesse wendet sich der russischen Abordnung i zu. Wird sie die Bedingungen von Cannes annehmen? Man s hofft, daß sie sich nicht von vornherein auf einen ablehnenden j Standpunkt stellen wird, der sofort die ganze Konferenz auf- j fliegen lassen würde. Vielmehr ist onzunehmen, daß die Sowjetmänner einen Mittelweg einschlaaen und sich bereit ' erklären, die Richtlinien von Cannes als Grundlagen der j Genueser Verhandlungen anzuerkennen, ohne damit sich an i Bedingungen zu ketten. Der französische Iustizminister i Barkhou wird in dieser Suppe' zwar ein juristisches Haar - finden, aber Poincare wird in diesem Augenblick in Paris j wohl kaum schon auf den Knopf drücken wollen, der die ge- j legten Minen zur Entladung bringt. Ist die Konferenz von ' Genua über die ersten Klippen hinweg, so kommt sie wohl : in besseres Fahrwasser.

Konserenzbeginn

cr. Achkundzwanzig Völker des Erdballs, wozu noch die britischen Dominions kommen, sind nach der amtlichen Liste in Genua zur Konferenz versammelt. Die Spannung ist aufs höchste gestiegen. Welchen Verlauf werden die ersten Sitzun­gen nehmen? Von ihnen hängt voraussichtlich alles ab. Heute oder morgen muß ein Platzregen von Pressemeldungen aus den Konferenzbüros einsetzen. Aber werden sie das Wesentliche bringen? Wesentlich ist die Frage geworden, wer Einberufer und wer Gast der Konferenz ist. Bisher galt Italien als der einladende Staat. Aber die Politik Frankreichs hat es dahin gebracht, daß man unterscheiden muß zwischen den führender: Ententemächten und allen ande­rengeführten" Staaten. In der Anordnung der grünen Tische soll dies bereits zum Ausdruck gebracht sein. Natür­lich wird eine solche Ueberraschung nicht ohne Widerspruch bleiben. Denn Frankreich, dessen leitender Staatsmann zu Hause bleibt und dessen Vertreter, weil sie keine Voll­machten haben, sich selbst im Zorn alsBriefträger" bezeich­nen, dieses Frankreich hat wirklich kein Recht, auf einem Vorstandsstuhl zu prangen. Lloyd George soll von der letzten Kammerrede Poincares aufs peinlichste berührt worden sein, aber bei der Zusammenkunft im Zug zwischen den Pariser Bahnhöfen ist wieder manches anscheinend in die Reihe ge­kommen.

Die italienische Regierung hak in einem dreistündigen Ministerrat die von Facta und Schanzer ausgestellten Richt­linien gukgeheißen. Italien wird vermutlich vorschlagen, daß alle'künftigen Handelsabkommen mit Rußland die Meist- begünstigungsklasel enthalten sollen. Die frühere Absicht von Rußland, die Errichtung internationaler Gerichtshöfe zu verlangen, ist fallen gelassen. In der Entschädigungsfrage hält sich Schanzer an das Schweigegebot der BoUlogner Be­schlüsse. Aber er wird nicht verhindern können, daß die nach Genua beorderten Arbeikerverkreker, zu denen sich auch der neuesiens zum Sozialisten bekehrte d'Annunzio gesellt, mit Ueberraschungen aufwarken. Die Ialiener möchten, wie man hört, am liebsten die Deutschen reden lassen, wie es ihnen ums Herz ist. Sollte die mündliche Erörterung der Wiedergut­machungsfragen von französischer und englischer Seite nach Kräften unterdrückt werden, so kann man doch den deutschen Vertretern nicht verwehren, durch schriftliche Anträge auf die übrige Welt zu wirken. Ebenso erwartet man von den fünf neutralen Staaken, daß sie die Entschädigungsfrage in irgend einer geschickten Weise aufs Tapet bringen, jeden­falls so, daß den Franzosen dadurch keine Gelegenheit ge­geben wird, beleidigt das Lokal zu verlassen.

Ganz ohne diplomatische Waffe tritt ja Deutschland das schwere Spiel nicht an. Es handelt sich um folgendes. Nach den Richtlinien von Cannes und den Bedingungen von Bou- logne darf über den Völkerbund gesprochen werden. Dem Völkerbund ist sogar die Rolle des Retters in letzter Not zugewiesen, wenn die Arbeit von Genua stecken bleibt. Man wird Deutschland in kritischer Stunde nahelegen-, in den Völkerbund einzutrelen. Dr. Wirth und Dr. Rathenau haben dann eine Trumpfkarte oder vielmehr zwei: Ober- schlesisn und Amerika. Nach der ungünstigen Entscheidung über Oberschlesien hat Deutschland keine Veranlassung, sich dem Völkerbund anzuverträuen. And waruni soll es in eine Organisation eintreten, die von Amerika nicht freundlich be­urteilt wird, von Amerika, von dessen Hilfe doch in letzter Stunde das deutsche Schicksal abhängt? Es wird bereits als nunktiae« Vorzeichen anaesehen, daß der amerikanische

Die Deutschen in Genua

Genua» 10. April. Der öeutsche Sonderzug mit dem Reichskanzler und der übrigen Abordnung für die Konferenz traf am Samstag abend 8.10 Ahr in Genua ein. Auf dem Bahnhof befand sich der italienische Handelsminister Rosst und der deutsche Geschäftsträger in Rom, Frhr. v. Neurath zur Begrüßung. Ministerpräsident De Facta und Außen­minister Schanzer waren noch nicht anwesend, angeblichweil der Sonderzug vorzeitig eingetroffen war. Dis beiden Mlni- . ster besuchten bald darauf den Reichskanzler und Rathena» im Edenhokel.

Die ersten Sitzungen in Genua.

I Genua, 10. April. Am Sonntag vormittag 11 llhr be­gann im königlichen Palast die Vorbesprechung, die drei ^ Stunden dauerte. Anwesend waren die Führer der fünf einladenden" Mächte, England, Frankreich, Italien, Belgien ^ und Japan. Zunächst wurde der Arbeitsplan für die Konfe- renzsitzungen, die Wahl der Versammlungsorte und Ein­setzung von Ausschüssen usw. geregelt. Die Hauptarbeit soll in den Ausschüssen, die ihre Tätigkeit sofort aufnehmen, geleistet und die Zahl der Vollsitzungen möglichst beschränkt werden. Die Dauer der Konferenz ist auf vier Wochen be­rechnet, nur der Ostersonntag wird frei bleiben. Vorläufig , werden vier Ausschüsse gebildet: ein allgemeiner Ausschuß ein Wirtschaftsausschuß, ein Finanzausschuß und ein Ver- , kehrSausschnß. Deutschland wird dazu im ganzen zwei Mit- ^ glieder abordnen.

Bei der Eröffnungsfeier wird derBaker" der Konferenz nach der Begrüßung durch den Ministerpräsidenten De Facta seine Planrede halten, worauf der französische Vertreter Barthou sprechen wird. Poincare ist nicht anwesend.

Die Abordnung des Völkerbunds ist in Genua eing«- troffen. ^

Ein englischer Schwarzseher

London, 10. April. Zu der Eröffnung der Konferenz vAI Genua schreibt Garvin imObserver" aus Genua, es könnte möglich fein, daß Lord George nach Genua komme mit Händen, die durch die Entente und durch sein Bündnis mit den Konservativen so gebunden seien, daß er keinen eneroi- s scheu und überraschenden Schlag wage. Loyd Georges poli­tische Erfolge haben in den letzten 2 Monaten so abgenommen, daß er einen großen Erfolg erringen oder gestürzt werden müsse. Europa sei zu sehr enttäuscht, um sich noch einmal irre­leiten zu lassen. Die gesamte Genueser Konferenz drehe sich um die russische Frage. Man sei der Ansicht, daß die Eröff­nung der Konferenz von Genua behrrscht sein werde durch den Vorschlag, den Frieden auf einen Zeitraum von minde­stens 10 Jahren auf der Grundlage der Festlegung der gegen­wärtigen Grenzen festzulegen.

Die Russen wollen brav sein

Genua, 10. April. Die russische Abordnung wurde von Facta und Schanzer in einstündiger Unterredung emp­fangen. Es wurde über dieHaltung" gesprochen, die im allgemeinen Interesse den Erfolg der Konferenz sichere. Die Verhandlung nahm einen befriedigenden Verlauf.

Daily Expreß" schreibt aus Genua, daß Rußland berest sein werde, sein großes Heer abzurüsien. Wenn Frankreich ebenfalls einer Abrüstung zu Lande zustimme, so werde dis Sowjetregierung die Vorkriegsschulden anerkennen und volle Anerkennung fordern.