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Num cr 84
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Fernruf 179
Tagesspiegel
Das braunschweigische Ministerium ha! den Major Katt- Haus und den Haupkmann Steeg von der Schutzpolizei des Dienstes enthoben.
In Leipzig wurde am S. April ein internationaler Stu- denkentag eröffnet, auf dem Studierende aus 15 Ländern vertreten sind.
Auf dem Nordbahnhos in Paris soll Lloyd George feinen Kollegen Poinare darauf aufmerksam gemach! Haben, „die Demokratie Englands" würde es nie verzeihen, wenn der Erfolg von Genua durch eine Macht in Gefahr gebracht würde. Poincare möge es sich wohl überlegen, ob er Aeich- gültig bleiben wolle. Poincare soll achfclzuckend gesagt haben, England könne auf die „aufrichtige Unterstützung" Frankreichs zählen, wenn das Abkommen von Douloane eingehakten werde, — d. h. wem» von Erleichterungen für Deutschland nicht die Rede sei.
Papst Pius XI. sandte an den Erzbischof von Genua ein Handschreiben, in dem er die Hoffnung ausspricht, daß die auf der Konferenz versammelten Vertreter der Mächte die traurige Lage aller Völker mit Neigung zu neuen Opfern aus dem Altar -es Gemeinwohls betrachten mögen, nachdem nunmehr der Ariedensvertrag unterzeichnet fei. Auch wenn die EmschädigungsfraZe von der Beratung ausgeschlossen sei, so würde dies doch einen späteren Meinungsaustausch darüber nicht verhindern» der den Besiegten die schnelle Erfüllung ihrer Verpflichtungen erleichtern und auch dem Vorteil der Sieger dienen würde. Der Papst fordert die Gläubigen auf. mit ihm für einen glücklichen Erfolg der Konferenz zu beten.
Der „kleine Verband" (Tschechoslowakei, Südslawien und Rumänien) wollen in Genua einen Block bilden gegen etwaige Versuche der großen Möchte, in ihre wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit sich cinzumischen. — Es scheint sich u. a. um die Frage zu handeln, wer für den Unterhalt der Aamilie Karls IV. auszurommen hat.
Mantelgesetz
Am 5. April im Reichstag angenommen. Hört sich so harmlos an. Viele denken sich darunter eine reme Formalität, einen schützenden Mantel um die 15Steuergesetze, die dem deutschen Volk durch die furchtbare Not der Zeit aufgenötigt werden mußten. Dem ist aber nicht so. Es steckt etwas anderes in diesem Mantel: die Zwangsanleihe. Sie schlüpft mit den vielen neuen Steuern als eine weitere Steuer nur in einer- andern Form, mit herein. Und das ist das Ausschlaggebende und Bedeutsame des Wantelgesetzes.
Zwangsanleihe? Was ist denn das? Einzelheiten darüber sind uns bis jetzt nicht bekannt. Diese neue Anleihe, die zwangsweise von der Vermögenssubtanz der Steuerpflichtigen und zwar von einer be- timmten untersten Grenze aufwärts, erhoben werden oll, ist zunächst, mindestens auf drei Jahre unverzins- oar. Die Regierung wird ermächtigt, eine solche Anleihe bis zur Höhe einer Goldmilliarde aufzuvrmgen.
Das gilt für 1922. Nun müssen wir ja für Heuer nach den Abmachungen von Cannes 720 Goldmillionen in Gold und Devisen und 1450 Goldmillionen in Sachleistungen an die Entente zahlen. Schon 1921 wurde es uns schwer, die erste Goldmilliarde auszubringen. Den größeren Teil mit 650 Goldmillionen konnten wir damals mit kurzfristigen und hochverzinslichen Anlehen knapp zusammenkratzen. Wir haben also schon voriges Jahr ein großes Loch verstopft, gleich daneben aber ein noch viel größeres aufgerissen.
Und wie wird's Heuer gehen? Die unheimlich zunehmende Geldentwertung hat plötzlich neue Teuerungszulagen für unsere Beamten und Hilfskräfte gebracht. Kaum waren sie bewilligt, so standen bereits vor der Türe die Füße derer, die die neuen Milliarden nach dem großen Massengrab hinaustragen wollen. Damit ist der ganze Neichshaushaltplan 1922 innerhalb zwei Monaten über den Haufen geworfen. Man hätte ebenso aut dessen mühsame Aufstellung sich schenken könn°n Und mm dazu jene 187 Milliarden Leistungen an den Feindbund, die selbstverständlich seit der Etatsverabschiedung durch die Geldentwertung um em Viertel znqenommen hat. Wie wollen wir Ress wahnsinnigen Summen aufbringen! Die neuen -steuern sollen 100 Milliarden eintragen. Die Zwangsanlerhe etwa 40-50 Milliarden. Und der Rest? Dr. Hermes dachte im Januar an eine „fremulstge innere Anleibe ,
Wildbad, Montag, den 1V. April 1S22
„vorausgesetzt, daß das Vertrauen in die innere Festig- keit des Reiches im deutschen Volke Angenommen haben werde." Da kam der Eisenbahnerstreik mit 3N Milliarden Sachschaden.
> Demnach ist es sicher, daß die jetzige Zwangsanleihe nicht die erste und die letzte war; sie wird sich nächstes Jahr mathematisch sicher wieder bei uns einsteuen. Muß es tun. Denn 1923 werden die Dings um nichts günstiger liegen. Dafür wird schon Poincare sorgen, und auch, leider Gottes, wie nach seiner letzten Unterhausrede zu schließen ist, sein englischer Kollege Lloyd Georae.
Aber auch das wäre noch nicht das Schlimmste. Die Zwangs an leihe vernichtet, uni es kurz zu sagen, die Unantastbarkeit des Privat- besitzes; also des einzigen und letzten Rechtes, das selbst der sonst so erbarmungslose Vertrag von Versailles für den zusammengebrochsnen „Besiegten" übrig gelassen hat. Nicht um unseres inneren Bedarfs willen macht man diese Zwungsanleihe. Der Zugriff in den Privaibesitz und dessen „Substanz" geschieht um der Entente willen. Kaum war der Gesetzesemwurf über eine Zwangsanleihe in Paris bekannt, so hat die Entschädigungskommission in ihrer berüchtigten Entmündi- gungsnote vom 21. März die freche Forderung gestellt: „daß die Lasten aus dem Friedensvertrag stusenmäßig ansteigend und schnell in die Reichsausgaben Deutschlands ausgenommen werden müßten und zwar in dem vollen Maß, in dem die Einkünfte Deutschlands es gestatten, und daß das Kapital Deutschlands die übrigen Lasten aufbringen müsse, entwederaufdemWegeoerAn leihender derdirekten Besteuerung."
Mit andern Worten — die Entente sagt: Eure Steuern gehören uns, und für Eure eigenen Bedürfnisse habt Ihr Euer Kapital in Anspruch zu nehmen. Formell kann die Entente nun erklären. „Seht, wir handeln vertragsmäßig. Denn Euren Privatbesitz tasten wir nicht an." Aber das ist nur Schein. In Wirklichkeit geht es an diesen. Denn das Reich braucht auch für sich Geld. Es kann nicht von der Luft leben. Wenn aber alle Steuern und dazu noch 60 weitere Milliarden Zusatzsteuern für die Entente geopfert werden, so sind wir naturgemäß genötigt, um unserer eigenen Bedürfnisse willen in die Vermögenssubstanz jedes einzelnen Bürgers zu greifen.
Mit dem Mantelgesetz, und mit der Zwongsanleihe, die in dasselbe eintzehüllt ist, hat der Reichstag in der Zwangslage, m der er sich nun einmal befunden bat, einen bedeutungsschweren Schritt für unsere wirtschaftliche Zukunft gemacht. Ein „Zurück" auf dieser Bahn wird kaum möglich sein. ti.
57. Jahrgang
Fernruf 179
gen. Poincarö werde natürlich fest bleiben. Aber Lloyd George Habs einen zweiten Pfeil im Köcher: Poincarö solle doch Herrn Barthou und die anderen Abgesandten Frankreichs mit den nötigen Vollmachten ausstatten, damit man an der Riviera nicht gleich am ersten Sitzungstage aufsitze. Auch hiergegen habe Poinca r ö eine gesunde Ausrede: Die Kammer! Ihr hat er sein Wort gegeben. Ihr muß er die Treue halten.
Was ist damit verraten und bewiesen? Folgendes: Bar- tbou, den Poincare setzt in Paris seinem lieben Freunde und Konserenzpartner Lloyd Georgs als Prügelknaben vorstellt, wird in Genua bewußt den Störenfried und Spielverderber spielen, indem er bei jedem Beschluß, bei ssder Stimmabgabe, bei jedem Antrag erklären wird: Ja, meine Herren, aber ohne Verpflichtung! Ich bin ohne Vollmacht. Mein Herr und Meister ist zu Hause geblieben, und auch diese* tut nichts ohne das Parlament. „Die französische Delegation? so schreibt der „Petit Parisien" zutreffend, „wird jedenfalls in Genua die einzige sein, die nicht mit Vollmacht versehen ist." Dies aber ist nichts anderes, als di« bewußte und gewollte Sabotage. Man wird es ja erleben!
Der andere Füll von Ausplünderung vor Ohren, die « eigentlich noch nicht hören sollten: die Redaktion der Paris»» Ausgabe des „Newyork Herald" sucht nach einer Erklärung ür die beunruhigenden Mitteilungen, die Lord Curzon dem ranzösischen Botschafter in London gemacht hat, nämll' >aß England auf baldiger Zahlung der fran ischen Kriegsschulden bestehen müsse und kein» dreijährige Stundung mehr bewilligen könne, weil es selber Zinsen für Kriegsschulden zu zahlen habe. Diese neue Rech- nuna war ein böser Schlag für das geizige Franzosenherz, nachdem doch auch neulich Amerika seine Forderungen präsentierte.
Also, was geht denn da vor hinter den Kulissen? Der Londoner Korrespondent des „Newyork Herald" wollte es den Parisern noch kurz vor Beginn der Genua-Vorstellung znflüstern, aber in alle Ohren ist es gedrungen, und nun hängt es an der großen Glocke: England ist drauf und dran, mit den Vereinigten Staaten eine neue Entente, ein Wirtschaftsabkommen zu schließen, das sich auf den Abrüstungsund Ersparnisfordsrungen der Washingtoner Konferenz aus» baut und durch das der französische Widerstand in Genua in Ketten geschlagen werden soll, 'die 4^ Milliarden Dollars englischer Schulden an Amerika werden in Schuldverschreibungen umgewandelt, verzinst und amortisiert. Ebenso müssen die Verbündeten Englands ihre Schulden bezahlen. Auf diese Weise wird Amerika Loch wieder in das Schicksal Europas verwickelt, und England erstarkt kraft feiner Forderungen gegenüber dem französischen Imperialismus. Ein großer Plan, ein feiner Plan! Er ist tatsächlich geeignet, da» ganze Sabotagegebäude Poincarös in Genua über den Haufen zu werfen. Ein Glück, daß für die Pariser Diplomat!» keine Zeit mehr gegeben ist, Gegenminen zu legen. Da» Klingelzeichen ertönt — in Frankreich klopft es immer noch dreimal — und der Vorhang von Genua geht auf.
Vor dem Klingelzeichen
(Von unserem Berliner Mitarbeiter)
Aus Paris über Basel: Die öffentliche Meinung in Deutschland ist über intime Vorgänge im Lager der Entente meist schlecht oder gar nicht unterrichtet. Die Gründe dafür sind bekannt. Es fehlen deutsche Berichterstatter im Ausland, die über große Mittel verfügen. Und selbst wenn die notleidende deutsche Presse di'e Edelvaluta für solche Vertreter bezahlen könnte, bliebe ihnen doch die Türe zu den Geheimnissen der Verbündeten verschlossen. Sogar der Neutrale kommt schwer heran. Es besteht ein Ring der Ententejournalisten, und die amtlichen Stellen in Paris vergewissern sich vor jeder Berührung mit der Presse, ob kein räudiges Schaf dabei ist, das die schmutzige Wäsche der Sieger an das unterworfene Mitteleuropa verrät. Man erfährt deshalb etwas Neues und Wichtiges nur dann, wenn sich die Leute vom Bau verplaudern. Alle Welt blickt gespannt auf den noch geschlossenen Vorhang des Theaters von Genua. Man erwartet das letzte Klingelzeichen. Der Lärm verstummt. Und plötzlich hört man Stimmen, die nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt waren. Der Regisseur streitet mit dem Inspizienten, oder ein Zuschauer macht eins Bemerkung, dis nur der Nachbar vernehmen sollte. Alles lacht und spitzt die Ohren.
So etwas ist jetzt zwei Pariser Zeitungen passiert. Der eine Fall: Im „Echo d« Paris" gibt Pertmaz: der Befürchtung Ausdruck, Lloyd George wolle in der Dreistundenkonferenz, die er auf der Durchreise in Paris mit Poin- cärö abhalte, den Versuch machen, den französischen Ministerpräsidenten dock noch zur Reise nach Genua zu bewe
Deutscher Reichstag
Die No! der Zeitungen und ander«
Berlin, 8. April.
Der Reichstag verabschiedete gestern endgültig das Gesetz über die Versorgung der infolge der Annahme des Ultimatums entlassenen Soldaten des Reichsheeres, sowie das Gese' über die Aenderung der Reichsversicherungsordnung, dur< das auch die Heimarbeiterinnen in die Kranken-, Invaliden» nnd Unfallversicherung einbegogen werden.
Sodann stand der Antrag Löbe (Soz.) auf der Tagesordnung, der, von den verschiedensten Parteien unterstützt, die Reichsregieruna ersucht, mit möglichster Beschleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der Not der Zeitungen auf wirtschaftlichem Gebiet wirksam gesteuert wird. Der Reichstag erwartet den Gesetzentwurf so rechtzeitig, datz die Beratung unmittelbar nach seinem Wiederzusammentritt begonnen werden kann. Präsident Löbe begründet als Abgeordneter den Antrag rrnd Staatssekretär Hirsch erklärte namens der Reichsregierung, daß diese boeit sei, auf den Boden des vorliegenden Antrags zu treten. Bis zur Einbringung der Vorlage sei die Regierung darüber hinaus bereit, die verwaltungsmäßig möglichen Maßnahmen, insbesondere bezüglich der Tarifpolitik und der Heranziehuna der Ausfuhrgewinne beim Papier zur Verbilligung des Papiers im Innern vorzunehmen.
Dann bewilligte das Haus
; die Anforderungen des Rcicbs- Auch das Diäkengssetz für dl«
Ministeriums des Innern. -»
Reichskagsabgeordneken» durch das die Diäten auf 5000 -« monatlich erhöht werden, wurde angenommen.
Eingegangen ist eine Anfrage der Deutschen Volkspartet, ob der Regierung etwas darüber bekannt sei, daß enPlisch- französischs Verhandlungen schweben, die eine Selbständig- mackuna des Rheinlands als Geaenleistuna für dir ZuM.-