ad er Tagülatl

(Enztalbote)

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Nummer 25

Fernruf 17»

Wildbad, Dienstag, den 31. Januar 1922

Fernruf 17»

56. Jahrgang

Tagesspiegel.

Die demokratische Reichstagsftaktion hat im Reichs» ! tag einen Antrag eingebracht, den 11. Angnst, an dem die neue Reichsverfassung in Kraft getreten ist, znm alleinigen Nationalfeiertag zu erklären. ,

Nester die Konferenz in Genua hat die französische ' Regierung den Regierungen der Verbündeten eine Denkschrift zugestellt, worin sie ihre Beteiligung für die Beratung des Wiederaufbaus Europas zusagt mit dem Bemerken, daß sie eine Besprechung der Ent» schädigungsverpflichtungen Deutschlands nicht Anlassen werde.

Nach derBerk. Ztg.« hat die Türkei amtlich bei de« verbündeten Regierungen den Wunsch ausgedrückt, an der Konferenz von Genua teilnehmen zu dürfen.

Am 1. Februar beginnen* in Paris unter dem Vor­sitz Poincares die Besprechungen der Außenminister Lord Cnrzon (England), Poineare (Frankreich) und Torretta (Italien).

Tagung der den scheu Land- . Wirtschaft. !

Dresden, 30. Jan.

Die vom Reichsausschuß der Deutschen Landwirtschaft für Freitag nach Dresden einbernfene Tagung der Deut­schen Landwirtschaft gestaltete sich zu einer außerordentlich eindrucksvollen und würdigen Kundgebung aller schaffen­den Stände in unserem Vaterland für das große Hilfs­werk der deutschen Landwirtschaft. Den Riesenbau des Zirkus Sarrasani füllten über 6000 Teilnehmer, an die der Präsident des Reichsausschusses und des Sächsischen Landeskulturrates Dr. Mehnert herzliche Worte der Begrüßung richtete. Er stellte zunächst fest, daß dem Reichsausschuß l8 die größten landwirtschaftlichen Orga­nisationen mit Millionen von Mitgliedern angehören, und daß deshalb die heutige Tagung mit vollem Recht dieTagung der deutschen Landwirtschaft" genannt wer­den könne. Er begrüßte im besonderen die Vertretungen des Deutschen Städtetags, des Reichsbunds der Datschen Industrie, des Reichsbunds des Deutschen Handwerks, des Deutschen Industrie- und Handelstags, des Deutschen Gewerkschaftsbunds, der christlichen Gewerkschaften, der Landmaschinenindustrie, d.s Deutschen Mittelstandsbunds, des Zentralverbands der Landarbeiter, die Vertreter der Handels- und Gewerbekammern, des sächsischen Hand­werks, des Sächsischen Jndustrieverbands und des Ver- > bands Sächsischer Industrieller. l

Oberbürgermeister Blüher (Dresden) entbot der Ver- ^ sammlung den Gruß der Stadt Dresden und des Deut- , scheu Städtetags. Auch die deutschen Städte würden l bereit sein, die Hand zur Mitarbeit an dem Hilfswerk der Landwirtschaft zu bieten. Durch ernste gemeinsame ! sachliche Arbeit solle gegenseitiges Verstehen herbeigesührt ^ werden. Für den Reichsbund der deutschen Industrie ^ sprach Reichstagsabg. Dr. S o r g e. Tie Industrie werde i sich für das Hufswerk auch ihrerseits mit allen Kräften f einsetzen. Geschäftsführer Dr. Brand sprach für den l .Deutschen Industrie- und Handelstag, in dessen Namen er für die Absicht einer starken inneren Bedarfsdeckung durch die deutsche Landwirtschaft die besten Wünsche zu f überbringen habe.

Ministerpräsident a.D. Stege rwald, der als Ver­treter des Deutschen Ge.rerkschastsbunds erschienen war, erklärte, daß die zur Beratung stehende Angelegenheit eine Lebensfrage für das deutsche Volk sei. Wenn das deutsche Volk jemals wieder eine Rolle in der Welt spielen wolle, dann müßten wir uns abkehren von den früheren Zuständen gegenseitiger Gehässigkeit. Zusaminenarbnt zu einer einzigen großen Tat für unser dmtsches Vater­land müßte die Hauptaufgabe sem, der sich auch dre An­gehörigen des deutschen Gewerkschaftsbunds anfchlreßen

Namens des Reichsbunds des deutschen Handwerks er­klärte dann noch Obermeister W r tz s daß auch das Handwerk freudig bereit sei, mit der Landwirtschaft zu­sammen ganze Arbeit zu leisten.

Hierauf sprach der Präsident des Reichswirtschaftsrats Edler von Braun über das Hrlfswerk der deutfchen Landwirtschaft- Der Redner betonte, daß unser Volk

fetzt nicht'genügend arbeite, sei der tiefste Grund unserer wirtschaftlichen Nöte. Das landwirtschaftliche Hilsswerk solle das deutsche Volk wenigstens unabhängig machen in seiner Ernährung. Die einheitliche Front müsse sich aber nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern darüber hinaus auf alle Berufsstände erstrecken. Wenn uns das große Werk gelänge, dann würden jährlich 2Hs Goldmilliarden für Lebensmitteleinfuhr gespart und damit unsere Han­delsbilanz ins Gleichgewicht gebracht. Das landwirtschaft­liche Hilfswerk will die Errungenschaft der Wissenschaft, Technik und Praxis ausdehnen bis auf den kleinsten Bauernhof, durch Unterstützung und Belehrung, durch Beispielversuche, erhöhte Ausnützung des Bodens durch Maschinen und Düngemittel. Zur Durchführung des ganzen Plans bedarf es der ungeheuren Mittel von mehr als 20 Milliarden Papiermark. Die Landwirtschaftskammern und sonstigen landwirtschaftlichen Organisationen müßten durch Gesetz das Recht bekommen, die Säumigen zu zwingen, mitzugehen. Durch das Hilss­werk solle das deutsche Volk vor Zuständen bewahrt werden, wie wir sie in Rußland und Deutschösterreich sehen. Der Redner sprach die Hoffnung aus, daß im nächsten Monat bereits die Gesetzgebungsarbeiten begon­nen werden, die auch die Säumigen heranziehen soll. Ebenso soll der Kreditverband in Angriff genommen werden. Zur Unterstützung sei aber dringend nötig die vielfach verstärkte Erzeugung von künstlichem Dünger, weiter ein geordneter Eisenbahnverk hr. Auf das nach­drücklichste müsse aber Protest dagegen eingelegt werden, daß das deutsche Wirtschaftsleben durch wilde Streiks derartig gestört wird, wie das jetzt in Sachsen geschehen ist. Weitere Voraussetzung sei, daß Industrie und Hand­werk die Landwirtschaft versorgen durch Vermehrung der maschinellen und technischen Hrl smittel, die bei dem im­mer größer werdenden Arbeuermangel in der Landwirt­schaft dopp lt nötig sind.

Der Präsident des deutschen LandwiNschaftsrats Frei­herr von Schorlemer forderte als Vorbedingung jedes Wiederaufbaues: sparen und arbeiten.

Mit großem Beifall empfangen betrat dann der baye­rische Bauern'ührer Geh imrat Dr. Heim den Redner­pult. Wir müßten, so führte der Redner aus, es vor allem zu Wege bringen, daß das deutsche Volk nur deutsches Brot ißt. Das gestellte Ziel sei bei gutem Willen unbe- di.^ zu erreichen. Die Landwirtschaft hat nicht gestreikt, ncht demonstriert, sie habe die Scholle immer bearbeite. während des Kriegs, während der Revolution bis zur C nde. Wehe dem deutschen Volk, wenn es ein­mal anbei käme. Zum Schluß ermahnte er dann zum Zusammenhalt.

Der Vorsitzende der Vereinigung der Dem schen Bauern­vereine, Freiherr von Kerkerink, und der Direktor der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaft, Landes­ökonomierat Hohenegg-München, sagten ebenfalls alle nur denkbare Unterstützung des geplanten Hil.swerks zu. Dann sprach der Vorsitzende des Reichsgrundbeiitzer- verbandes Fürst zu Ilsenburg - Birstein, der be­tonte, daß die von ihm vertretene, jüngste landwirtschaft­liche Organisation der Großgrundbesitzer sich dem Hilfs­werk freudig anschließe.

Stürmisch begrüßt betrat dann Freiherr von Wan­genheim, der Vorsitzende des Reichslandbunds, das Rednerpult, der diese Stunde als Deutschlands Schick­salsstunde bezeichnet, von der es abhängt, ob das deutsche Volk noch einmal zum Leben komme.

Hierauf empfahl Dr. Mehnert die Annahme folgen­der Entschließung, die einstimmig erfolgte:

Die vom Reichsausschuß der deutschen Landwirt­schaft nach Dresden einbernfene Tagung der deutschen Landwirte bekennt sich einmütig zu dem am 15. Dezem­ber vom Reichsausschuß beschlossenen Hil's.verk der deutschen Landwirtschaft. Die deut che Landwirtschaft ist geeinigt in dem festen Willen, das Hilfswerk aus eige­ner Kraft und unter Aufbringung der dazu erforder­lichen Opfer in vollem Umfang zur Tat werden zu lassen. Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die in dem Ultimatum übernommenen Verpflichtungen ein unüberwindliches Hindernis für die Aufrech e «Haltung und Vermehrung der landwirtschaftlichen Erzeugung und für die Durchführung des großen Hilfswerkes bil­den, fordert die Landwirtschaft den zielbewußten Abbau der Entschädigungsleistungen und deren planmäßige Anpassung an die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft."

Schmarotzer.

Die ZeitschriftDer Junggeselle" enthält nebenpi­kanten" Bildern und Anekdoten merkwürdigerweise auch einen wirtschaftlichen Teil. Er läuft unter der Rubrik Was sich die Börse erzählt" und wird von einem Herrn mit dem bescheidenen NamenArgus" ver'aßt. Man höre, was sich die Junggesellen-Börse am 8. Januar 1922 erzählt:

Also wenn das Jahr 1922 nicht schlechter aussalftn wird als der Jahrgang 1921, so können wir alle noch reichlich zufrieden sein. Ter böse Dezember hätte nicht kommen dürfen, er verlief eigentlich ganz unprogramm­mäßig, und wenn er nicht gewesen wäre, so wäre daS verflossene Jahr einfach beispiellos gut gewesen. Wahr­haftig. Aber auch so muß man zufrieden sein, und nach soviel Monaten der schönsten Hau'se kann auch einmal eine Zeit kommen, in der man nichts verdient. Das ist nicht allzu tragisch und vor allem bleibt uns ja die angenehme Hoffnung, daß auch das neue Jahr nicht schlecht sein möge. Geld zu verdienen ist an der Börse immer, einmal mehr, einmal weniger, aber letzten Ende- gibt es kaum ein Jahr, in dem nicht während einiger Monate wenigstens ein schöner Gewinn mitzunehmen ge­wesen wäre. Also hoffen wir auch diesmal das Beste. Auch an der Wiege des Jahrs 1921 hat niemand ge­sungen, daß es das größte für die Börse werden würde, das man jemals erlebt hat. Im übrigen können wir seit 1915 bereits eigentlich nicht klagen. Jedesmal gab es einige Wochen, in denen es böse, manchmal sehr böse sogar aussah, und jedesmal endete die Sache noch recht befriedigend. Also brauchen wir auch dem Jahr 1922 nicht allzu ängstlich entgegenzugehen, und wenn auch niemand wissen kann, ob es uns eine andauernde Hausse bringen wird, so werden ein paar gute Monate gewiß nicht fehlen, und wenn man sie ausreichend wahrnimmt, so genügt es ja. Man braucht nicht allzu unbescheiden zu sein."

TieSüdd. Sonntagsztg." bemerkt dazu:

Harmlosen Lesern muß man einen Kommmtar geben: Ter Dezember war deshalbunprogrammäßig" und böse", weil die Mark wieder gestiegen warnachdem sie im November beinahe bis auf den Wert eines Gold­pfennigs gefallen war. Nach dem Programm hätte der Sturz weltergehen, der Dollar auf 400, 500 und sv weiter steigen müssen. Zwar wären dann in Deutschland ein paar Tausend Menschen mehr verhungert, aber nur solche, die nicht wissen und verstehen, was sich die Börse erzählt. Nun, auch so konnten die Junggesellen, die mit der Börsearbeiten", reichlich zufrieden sein. Sie hof­fen, daß auch das neue Jahr nicht schlecht sein, d. hl. daß es Deutschland auch im neuen Jahr nicht besser gehen möge: am liebsten wäre ihnen natürlichan­dauernde Hausse", d. h. andauernde Mark-Baisse, voll­ständiger Ruin unserer Währung nach österreichischem Vorbild. Dann könnte man Himer Spiegelscheiben mit parfümierten Huren auf dem Schoß erst recht die Pfrop­fen knallen lassen. Das Pöbelvolk würde allerdings mas­senhaft verrecken, weil es kein Brot mehr kaufen könnte.

Neues vom Tage.

Kundgebungen in Berlin.

Berlin, 30. Jan. Die Verbände der Rhein- und Saarländer veranstalteten g stern imRheingold" eine riesige Kundgebung gegen die Dranwale ihrer Hei­mat, bei der Abgeordnete aller Parteien die Treue ihrer Stammcsgenossen zum deut chen Vaterland be outen.. Im Zirkung Busch fand eine Ostmark«.: Kundg bung der deutschnationalen Jugend statt, b i der der an­wesend« Großadmiral von Tirpitz Geg mst nd lebhaf­ter Huldigungen war. Im S oripalast d monf.rierten die Kommunisten für dieInternationale". Der H u t- reduer war d.: französische Abgeordnete Cach in, der gegen den französischen Militarismus und die unsin­nig n Entschädigungsforderungen sprach. Sämtliche Kund- -r, bringen verliefen ohne S örung. .

Eisenbahnerstreik?

^Berlin, 30. Jan. Die Reichsgewerkschaft der Eisen­bahner hat auf den 1. Februar den erweiterten Vorstand nach Berlin berufen, um über den etwaigen Streik Be­schluß zu fassen.

Der Präsident der Eisenbahndrrektron Berlin weist in einem Aufruf an die Eisenbahner auf die heftigen Erschütterungen und schweren Folgen hin. die ein Streik