(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buckdruckerei Wildbader Taablatt: Verlag und Sckriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
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In Funchal auf Madeira sind alle Vorkehrungen zum Empfang Karls und Zitas von Habsburg getroffen worden.
vtt Der polnische Gesaugte in Moskau wird nach Polen Mnrückkehren, da die Beübungen zwischen Polen und
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st Rußland gegenwärtig gespannt sind.
Die türkische Nationalversammlung in Angora hat beschlossen, nach Frankreich, England und Italien eine Sondergesandtschaft zu schicken, die die Friedensbedin- gungen der Regierung von Angora Mitteilen soll. — Tas türkisch-persische Bündnis ist unterzeichnet worden.
Nach amtlicher Angabe sollen seit dem Eingreifen der Behörden eine Million Beschäftigungslose in den Vereinigten Staaten Arbeit gefunden haben.
Wocherirundschau.
Ter Reichstag ist am 3. November wieder zusam- «getreten. Seit vorige Woche hat sich die parteipolitische Lage nicht verändert, will sagen: nicht verbessert. Die jetzt bestehende Zweiparteienkoalition von Zentrum und Sozialdemokratie ist in einem parlamentarischen System eine Unmöglichkeit und das wird sich bei der Behandlung der neuxn Steuergesetze, die dev Reichstag am ^ A/rvemHer in Angriff genommen hat, alsbald geltend machen. Just aus diesem Grund ist die Negierung in Preußen soeben auseinandergefallen, die sich aus Zentrum und Demokratie zusammensetzte. Bei den Fraktionsberatungen zu Anfang der Woche erklärten die So- ziall.mokraten, sie werden die preußische Regierung im Landtag aufs schärfste bekämpfen, wenn die Fraktion nicht nicht in die Regierung einbezogen werde. Die Demokraten zogen!d!ie Schlußfolgerung daraus und beriefen ihre Mitglieder aus dem Kabinett' zurück, dem nun nichts anderes übrig blieb als der Rücktritte Nun soll das preußische Kabinett durch die drei Parteien Zentrum, Sozialdemokratie und Demokraten auf eine breitere Grundlage gestellt werden, so zwar, daß für den Beitritt der Deutschen Volkspartei die Türe offen gelassen wird, wenngleich die Sozialdemokratie das Zusammenarbeiten mit der Deutschen Volkspartei zurzeit noch für untunlich erklärte. Wie im preußischen Landtag, so wird auch im Reichstag die Verbreiterung der parlamentarischen Regierungsgrundlage als einer geschlossenen Einheit zur zwingenden Notwendigkeit werden.
Hu immer weiteren Kreisen wird das Bedürfnis einer Bereinigung und Annäherung des gespaltenen und zersplitterten Volksganzen wenigstens zunächst durch einheit- uche Formen als Bedürfnis empfunden. Ein nicht uninteressantes Beispiel liefert die Zusammenkunft von Vertretern der Hochkirchlichen Vereinigung, die m voriger Woche in Berlin stattfand. Diese protestantische Gruppe steht Mus dem Standpunkt, daß die evangelische Kirche im Interesse ihres Bestands gewisse „katholische^ Formen annchmen und „einen katholischen Leib mit einer evangelischen Seele" vereinigen müsse. Auf der Berliner Tagung wurde empfohlen: Bischofsamt, reichere Liturgie, besondere Altarkleidung, Ohrenbeichte, Brevier, Klöster, Seelensanatorien und geistliche Hebungen. Ob diese Bestrebungen Aussicht haben, größere Kreise U gewinnen, mag dahingestellt bleiben, aber interessant ist die Beobachtung, daß der Wunsch nach vereinigenden ovrmen sich allenthalben regt.
Vielleicht geht das „badische Musterländle" in parteipolitischer Beziehung wieder mit gutem Beispiel voran. Du badischen Wahlen vom 30. Oktober haben dem Landtag eine in mancher Beziehung veränderte Gestalt gelben. Zahl der Abgeordneten ist, da nun auf je 10000 abgegebene Stimmen ein Mandat entfällt, von 107 auf 86 zurückgeganaen. Von den bisherigen Koa- unonsparteien hat das Zentrum, unter Berücksichtigung der verminderten Abgeordneteuzahl seinen Bestand voll behauptet (jetzt 34 gegen vorher 39); die Mehrheits- ozialdemokraten haben zwar 20 000 Stimmen von den Unabhängigen gewonnen, verfügen aber nur über 20 Mandate gegenüber den 36 des vorigen Landtags; die Demokraten haben 7 Mandate von 25 behauptet. Der Verlust ist daraus zu erklären, daß die Deutsche Volks- partei, die an den Wahlen vom 5. Januar 1919 sich Mt selbständig beteiligt hatte, nun mit eigenen Kantaten vorging, von denen sie iüns in den Landtag
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vrachte,und daß ferner der Landbund (Bund der Landwirte) und die Wirtschaftliche Vereinigung ebenfalls erstmals mit eigener Kandidatenliste auftraten; elfterer brachte es auf 7 Mandate, letztere errang einen Sitz. Die Deutschnationalcn kehren in gleicher Stärke (7) in den Landtag zurück, die Kommunisten erscheinen erstmals mit 3, die Unabhängigen mit 2 Abgeordneten. Um nun der Deutschen Volkspartei den etwaigen Beitritt zur Koalition zu ermöglichen, wird die nach der Landtagsordnung für eine Fraktionsbildung erforderliche Mindestzahl von 7 auf 5 Abgwrduete entsprechend der verminderten Gesamtzahl herabgesetzt.
Am besten wäre es, wenn das ganze deutsche Volk und seine gewühlten Vertretungen einmütig und geschlossen dastünden gegenüber den Dingen, denen wir entgegengehen. Im feindlichen Ausland ist man nun . auch der Ueberzeugung, daß Deutschland seine Ultimatumsver- pflichtuugen beim besten Willen, zumal nach dem Verlust Oberschlesiens, nicht erfüllen kann. Aber anstatt daß der Feindbund den einzig möglichen Weg ginge und die wahnsinnigen Lasten des Friedensvertrags und des Ultimatums kürzte, wurde im englischen Unterhaus allen Ernstes der Vorschlag gemacht, die deutschen Kunstschätze zu beschlagnahmen und zu versteigern. Der Schatzsekretär Horne antwortete, er iverde den Vorschlag der Wiederherstellungskommission in Paris zur Kenntnis bringen. Von da wäre nur noch ein Schritt zur Verpfändung des deutschen Privatbesitzes schlechtweg, von der der Pariser „Temps" bereits träumt. Das britische Schatzamt beschäftigt sich mit der Frage, wie Deutschland dazu gebracht werden kann, alles zu bezahlen, ohne selbst ruiniert zu werden; die Bedingung sei — so meldete Reuter —, das Deutschland die Massenherstellung von Papiergeld eiustelle und dafür mehr Steuern eintreibe. Wird eine Kunst sein. Aber man si.ht: auch England will uns keinen Pfennig erlass n und es unterscheidet sich von Frankreich nur darin, daß es uns angeblich nicht auch noch ganz „ruinieren" möchte. Frankreich aber will uns ruinieren, So verlangt es, daß das grose Industrieunternehmen, „Deutsche Werke" genannt, das in verschiedenen Städten Fabriken hat, von Grund aus zerstört werden soll, weil die Werke einst Kriegsmaterial hergestellt haben. Tie Nicderlcgung der Werke kostet allein 36 Millionen Mark, Hunderte von Millionen gehen mit den Werken zugrunde und 40000 Arbeiter und deren Angehörige werden der Not preisgegeben. Und trotzdem immer neue Steuern! sagt Herr Horne. Der Fcindverband würde davon, zumal bei dem Tiefstand der Mark — der Dollar kostet wieder einmal 200 Mark —, wohl nicht viel abbekommen, denn so ziemlich alle Steuererträgnisse wird der innere Bedars des Reichs verschlucken. Haben doch erst wieder die Beamtengehälter und Zulagen bei der steigenden Teuerung erhöht werden müssen und diese Erhöhung kostet das Reich 20 Milliarden. Nun kommen noch die Arbeiter und Angestellten des Reichs dazu — unter 30 Milliarden wirds also wohl kaum abgehen. Und das alles soll aus neuen Steuern gedeckt werden! Sinkt die Markt weiter — jetzt ist sie noch 2 Hz Goldpfennig wert —, so steigen die Preise, und die Gehälter und Löhne müssen abermals erhöht werden, und das geht so weiter bis — ja bis wohin? Wer das wüßte! Interessant ist, nebenbei bemerkt, die Verschiebung der Ein- iommensverhältn'.sse, wie sie das Statistische Reichsamt feststellt. Im Jahr 1913 betrug das Einkommen der höheren Beamten fast das Sieben ache, das der mittleren Beamten säst das Vierfache des Einkommens des ungelernten Arbeiters; im Jahr 1921 beträgt es nur das Doppelte bzw. Anderthalbfache, das Einkommen des ungelernten Arbeiters hat sich also gegen das der Beamten verhältnismäßig um sehr viel mehr gehoben. Daraus erhellt, wie das Statistische Reichsamt schreibt, der starke soziale Abstieg besonders der höheren und mittleren Schichten der deutschen Bevölkerung, deren Einkommen weit hinter der Verteuerung der Lebenshaltung zurückgeblieben ist.
Sollen wir nun aber dem Verbano weiter Steuern „versprechen"? Das käme schließlich auf das Gleiche hinaus, wie wenn die Sowjetregierung in Rußlano „verspricht", die 20 Milliarden Goldfrancsschulden an Frankreich (Vorkriegsschulden, außerdem hat Rußland 22 Milliarden Goldfranzs Kriegsschulden) „anzuerkennen", wenn die Mächte die Sowjetregierung anerkennen und ihr Hilfe leisten. Niemand bat wohl das Angebot ganz
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ernst genommen, jedenfalls der E.äutuger Frankreich nicht; die 20 Milliarden in Sowjetrubeln ausgcdrückt, ließen sich kaum niederschreiüen. Darum hat auch der Rcichsbankdieektor Haven stein llinen Erfolg gehabt, als er in London eine „banktechnische Vereinbarung" treffen wollte, wie der Versuch einer Kreditanleihe halbamtlich genannt wmde. Die Kredithilfe der deutschen Industrie erschien dem Londoner Rothschild keine ganz ausreichende Sicherheit, da ja die Industrie selbst nicht mehr so recht bei der Sache ist, seit der Reichswirtschaftsrat die freiwillige Kredithilfe in eine zwangsmäßige umgestalten will. Die Industrie befürchtet nämlich, daß das aufzubringende Geld in das Defizit des Reichs hineingesteckt werde; es sei keine Sicherheit gegeben, daß es zur Tilgung der Kriegsentschädigungen benützt werde und daß die freiwillige Anleihe nicht später in der Form von Zwangsanleihen wiederholt werde, bis zuletzt unsere ganze Industrie an das Ausland verpfändet sei. Auch die „Sachleistungen" nach dem Wiesbadener Abkommen scheinen infolge eines Einspruchs Englands, Belgiens und Jatliens gegen die Bevorzugung Frankreichs ins Stocken geraten zu sein.
Für diese Fragen hat Lloyd George jetzt allerdings wenig Zeit übrig, sein Interesse ist ganz von der irischen Frage in Anspruch genommen, die auf Spitz und Knopf steht. Wenn das Unterhaus es mit 449 gegen 43 Stimmen abgelehnt hat, gegen seine Verhandlungsart mit den Iren einen Tadel auszusprechen, so will das für die endgültige Lösungsmöglichkcit noch nichts besagen; die Engländer wollen die Ulsterleute nicht unter die Macht der Sinn Feiner kommen lassen, diese wollen aber die ganze irische Insel unter der irischen Frage begreifen. Auf dieses Kernstück hat sich jetzt die irische Frage zugespitzt.
König Karl und Königin Zita sind aus Ungarn nach Galatz in Rumänien gebracht, von wo es kein Entrinnen mehr gibt, bis die große Reise nach Madeira, dem prachtvollen „Berbannungsort", vor sich gehen wird. „Unter dem Zwang der Verhältnisse" haben Regierung und Parlament in Ungarn die Entthronung aller Habsburger ausgesprochen. Sie werden die Königswahl nun solange aufschiebcn, bis, wie man in Ungarn glaubt, wieder andere Zeiten kommen und mit ihnen — die Habsburger.
Wirtschaftlicher Wochenüberblick.
Geldmarkt.' Unaufhaltsam treiben wir österreichischen Zuständen zu. Das deutsche Valutaelend spottet jeder Beschreibung. Für den Dollar werden wieder bis zu 220 Mark bezahlt. Die Spekulation geht ganz ungestört weiter. Die Stimmen mehren sich, daß der völlige Zusammenbruch kaum mehr aufzuhaltcn sei. Die Schein- konjuuktur, deren wir uns im Geschäftsgang der Industrie erfreuen, ist nur eine Folge des schlechten Markkurses. 100 deutsche Mark notierten am 3. November in Zürich 2.571/z (am 28. Oktober 3.03) Franken; in Amsterdam 1.37 (1.64) Gulden; in Kopenhagen 2.75 (3.10), in Stockholm 2.30 i.2.50) Kronen: in Wien 2422 (2347) Kronen; in London 7.05 (7) Schilling: in Neu- york 0.47 ( 0 . 57 V 4 ) Dollar und in Paris 8/4 (M/Z Franken.
Börse. Der Reichstag hat sich zwar jetzt entschlossen, dem Spekulationstaumel in Devisen einen Riegel vorzuschieben, aber in dieser Woche gingen die Auswüchse des Börsengeschäfts in tollerem Umfang weiter als je Die Banken erliegen fast an der Last der Spckulations- aufträge und übernehmen keine Gewähr mehr für pünktliche Ausführung. Es ist ganz gleich, welche Aktien man kaust, sie steigen alle. Es hat den Anschein, als sollte die Bewegung nicht eher zur Ruhe kommen, als bis sämtliche Papiere zu ihrem normalen Kurs in dasselbe Verhältnis gebracht sind, wie heute der Wert einer goldenen Doppelkrone zu 20 Reichsmark. Tie Kurssprünge setzen sich in rasendem Tempo fort. An den unausbleiblichen Rückschlag scheint niemand zu denken.
Produkteninarkt. Auch hier Hausse auf der ganzen Linie. Es ist kein Halten mehr, obgleich jetzt Regenfälle eingetreteu sind und die Aussichten aus die nächste Ernte sich gebessert haben. Am 3. November notierten in Berlin Weizen 335—342 (-s- 35, innerhalb 14 Tagen -st 75), Roggen 257—268 (-st 30), Sommergerste 355 bis 360 (-st 50), Hafer 264—268 (-st 30), Mais 260 bis 870 (-st 30) Mk. d. Ztr. Me Heu- und Strohpresse sind'