(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

Crlckicint täglick, ausgenommen 5onn- u. feiertags, Lerugspreis monatlicn Mk. 5.00, vierteljäbrlicb 15,00 frei ins kjaus geliefert: äurcki äie polt bezogen im inneräeutläien Verkekr Mk. 16.50 einlwiieLIick polt- bestellgelä.

Anreigenpreis: ciie einspaltige petitreile oder äeren kaum 75 pfg., auswärts 85 pfg., kekiamereilen 2.50 Mk., bei gröberen Aufträgen Rabatt nack dank äcbluö äer Anreigenannabme: tägiick 8 Ulm vor­mittags.

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt: Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

WW

llommer 257 Fernruf 179, Mil ä bei ä, äen 2. llovernber l9Zl

Tagesspiegel.

In München sind fünf Personen verhaftet worden, sie im Verdacht stehen, am Anschlag gegen den Ab­geordnete» Ancr beteiligt gewesen zu sein.

Reuter glaubt zu wissen, daß die Regierungen der Kleinen Entente benachrichtigt worden sind, daß dis Großmächte jede aktive Intervention gegen Ungarn im Augenblick mißbilligen.

In Lipto Szent Miklos soll ein Sohn des karlisti- schen Ministers Stephan Rakowsky verhaftet worden sein.

Im belgischen Ministerrat erklärte der Minister für Industrie, das; die Zahl der Arbeitslosen nur noch 13V Wv gegen 2V5WV im Mai dieses Jahres betrage.

Ter Streik der Textilarbeiter in Lille, Roubaix und Tonrkoing (Nordfrankreich) ist beendigt Tie Arbeit ivird am Mittwoch bedingungslos wieder ausgenommen.

Ter PariserJntransigeant" berichtet von einer Wtkonserenz der irischen Rasse, die am 21. Januar IW in Paris stattfinden soll.

Tie russische Abordnung, die mit der amerikanischen Regierung über die Hilfeleistung bei der Hungersnot verhandeln soll, ist in Washington eingetroffen. Nach dem PariserMatpw- wird Staatssekretär Hughes mit ihr nur unter folgenden Bedingungen verhandeln: 1. Tie Sotvjrtregierung hat sich jeder Gewalt- und Blnt- herrschast, sowie der Wühlerei im Ausland zu ent­halten; 2. es ist eine geordnete politische und wirtschaft­liche Verwaltung wiederherzustellcn, mit der man ver­handeln kann; 3. es ist Bürgschaft zu geben, daß diese Berwaltung dauernd ist uul^daß sie das Privateigen­tum schützt.

Die Abrüstungskonferenz.

Tie gedrückte Stimmung, die zurzeit in der amerika­nischen öffentlichen Meinung herrscht, hat auch die Ur­teile über die für den 11. November geplante Hardingsche Konferenz getroffen. AlsAbrüstungs- und Ostasien- Konserenz" wurde das Kind seinerzeit aus der Taufe ge­hoben. Jetzt spricht man amtlich nur noch von derKon­ferenz zur Beschränkung der Rüstungen". Dazwischen liegt eine kurze Zeit, in welcher amerikanische Zeitungen die Washingtoner Konferenz eineNeue Friedenkonserenz" nannten. Man hoffte, angeregt durch Senator Borahs Reden, Laß Amerika seine Gläubigerstellung dazu benutzen kmde, die den Vereinigten Staaten stark verschuldeten europäischen Staaten zu zwingen, ihre Rüstungen aufzu­geben.

,Alle diese Hoffnungen sind jetzt ernsten Zweifeln ge­wichen, seitdem Präsident Harding selbst erklärt hat, die bereinigten Staaten könnten ohne eine stehende Hee- resmacht nicht auskommen. Marincsekretär Edwin Denby berlangt nach Unterseebooten zum Schutz des Landes. sOMmcr mehr häufen sich von amtlicher Seite die War­nungen, daß man von der Konferenz nicht eine völlige Abkehr von der Politik des Wettrüstens als des besten Schutzes gegen feindliche Anschläge und wirksamsten Mit­tels zur Erhaltung des Friedens erwarten dürfe. Ja, es sei fraglich, ob sich etwas anderes erreichen lassen würde, als eineFestlegung von Richtlinien für die Zukunft".

Ausbau und ihre praktische Verwertung würden dann natürlich weiteren Konferenzen Vorbehalten sein. Man sst allmählich klar geworden, daß die Washingtoner Kon- streng als letzter Akt der Tragödie Weltkrieg hinsichtlich oer einst so geräuschvoll verkündeten Ideale des Friedens und des Aushörens der Kriege ein ebensolcher Fehlschla

werden muß, wie die PäriserFriedenskonferenz". Äw nicht eine Zeitung in Amerika erwähnt heute noch, naß Deutschland, wenn auch nur mittelbar, Änen Urteil, geschweige denn eine Erlösung von dieser Kon­stanz zu erwarten habe.

Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten steht der Konferenz und ihren Zwecken heute völlig kühl gegenüber. Mau hat genug mit den wirtschaftlichen Nöten lm eigenen Lande zu tun, die allerdings schlimm genug stnd und in den Fragen der Arbeitslosigkeit mit ihren drohenden bolschewistischen und anarchistischen Gefahren und in einem alles Dagewesene übersteigenden Anschwel- wn des Vcrbrecherwesens wurzeln.

>-ünd doch besteht eine Abrüstungs- und Friedenspropa­

ganda, nur nicyr in den Regierungskreisen Washingtons, sondern in privaten Vereinigungen, die Farmerverbände, Frauen-Vereinigungen, kirchliche Organisationen der Pro­testanten und Katholiken, die Quäker usw. in sich schließen. Auch dieAmericcan Federation os Labor", der mächtigste amerikanische Arbeiterbund, tritt für eine Friedens- und Abrüstungspropaganda ein.

Eine entschiedene Stellung gegen die Washingtoner Konferenz haben die Hearstschen Zeitungen genommen. , Sie treiben eifrig Propaganda gegen Japan und England, s gegen diegelbe Gefahr" und diebritische Weltherr- > schaft". Sie erhalten damit in den Amerikanern eine s nervöse Kriegsspannung wach, die eine Besserung der § wirtschaftlichen Lage von einem Krieg mit einem oder s beidenErbfeinden" dunkel erhofft. Als ein Zeichen der f Zeit darf es auch angesehen werden, daß die in Lon- ' don abgehaltene Methodistischa Welt-Konferenz am 12. § September eine Entschließung angenommen hat, die im Namen von 32 000 000 Bekennern des Methodismus der Ueberzeugung von der absoluten Notwendigkeit internatio­naler Abrüstung und der vollständigen Abschaffung der Kriege Ausdruck gegeben hat. Zur Beurteilung solcher und anderer Einzeläußerungen muß auf die eigentümliche Geistesverfassung' der Änglosachsen hingewiesen werden. Ihr Kops ist stets voll von hohen sittlichen und politi­schen Theorien, bei praktischen Fragen aber entscheidet in erster Linie immer das eigene wirtschaftliche und nationale Interesse.

Die großen Geschäftsleute in Amerika sehen in der Washingtoner Konferenz den letzten dramatischsten Akt der gewaltigen Tragöddie der Menschheit, die als poli­tisches Unternehmen ebenso mißlingen wird wie der Welt­krieg, die Pariser Verhandlungen und der Völkerbund. Vertreten wird diese Anschauung auch von der Zeitschrift The Freeman", Neuyork. Durch Entwicklung sollen an die Stelle der Staaten wirtschaftliche Organisationen tre­ten. Diese Tendenzen klingen an das an, was Hugo Stin- nes einem amerikanischen Korrespondenten erklärt hat, ^ nämlich, daß an Stelle militärischer Bündnisse wirtschaft­liche Verbände treten müßten, welche das Weltg.schäft , regeln könnten.Ich glaube", sagte er,daß die einzig praktische und dauernde Entente eine wirtschaftliche Entente ist ein Wirtschaftsbund der Nationen." §

Von ganz besonderem Interesse ist daher das Urteil, ^ das die ZeitschriftThe Freeman" über Herrn Hardings Konferenz fällt, das an Nüchternheit nichts zu wünschen übrig läßt. Es heißßt:Herrn Hardings Abrüstungskon­ferenz wird sich, wie sich von Tag zu Tag klarer heraus­stellt, als eine Konferenz, schlechtweg gesagt, über die Fragen des Stillen Weltmeers entpuppen, die unter dem Deckmantel rührender und volkstümlicher Reden über Abrüstung verhandelt werden wird. Die Fragen des Stil­len Ozeans sind ebenso wie die schlesische Frage, die Ma­rokkofrage, die ägyptische und die indische Frage einfach die Frage, wie ein ausbeutbares Land (in diesem Fall China) am besten ausg plündert werden kann, ohne daß dabei großer Lärm entsteht. Das allein wird die Ge­müter der Anwesenden beherrschen; alles aber, was bei diesen Verhandlungen über die Abrüstung gesagt wird, wird eitel Blendwerk sein. UndThe Freeman" dürste hinsichtlich des Ergebnisses von Herrn Hardings Ab­rüstungskonferenz den Nagel aus den Kopf getroffen haben.

Kein Str ikrecht der Beamten. !

Auf die Kleine Anfrage des Abg. Nesper (Soz.) über das Recht der Beamten, sich einer freigewerk­schaftlichen Organisation anzuschließen, hat der württ. Finanzminister Lisching erwidert, daß auf Grund des Art. 130 der Reichsverfassung allen Beamten die Vereinigungsfreiheit und damit das Recht, sich einer freigewerkschaftlichen Organisation anzuschließen, ge­währleistet sei. Vorgesetzte, die den Beamten dieses Recht schmälern wollten, würden zur Verantwortung gezogen; der Regierung seien indessen Klagen nach dieser Richtung bis jetzt nicht bekannt geworden. Aus f dem Recht der Beamten, nach freier Wahl sich einer i Organisation anzuschließen, kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß den Beamten auch das aewerk- s schaftliche Mittel des Streiks zustehe. Das aats- ; Ministerium muß auf Grund der klaren und unzweifel- ( haften Bestimmung des württ. Beamtenrechts unbe- , dingt daran festhalten, daß den Beamten in Würt- ! temberg ein Streikrecht nicht gegeben ist. Ein Beamter, der ohne vorschriftsmäßigen Urlaub vom Amt ,

Fernruf 179 55 läklgkn g

wegbleibt, geht nicht nur des Diensteinkommens für die Zeit der unerlaubten Entfernung verlustig, sonder», er hat außerdem Disziplinarbestrafung (Ord­nungsstrafe oder Entfernung vom Amt) verwirkt. Es kann auch nicht anerkannt werden, daß nach Reichs­recht, etwa nach Art. 130 Abs. 2 der Reichsverfassung, den Beamten der Länder ein Streikrecht gegeben wäre.

Die irische Frage im Unterhaus.

London, 1. Nov. Im Unterhaus brachte Gretton eine Entschließung ein, in der erklärt wird, daß das Unterhaus mit ernster Besorgnis die Verhandlungen der Regierung mit den Abgeordneten Südirlands ansehe, die sich eidlich der irischen Republik verpflichtet und die Autorität der Krone verneint hätten.

-Lloyd George erklärte, es liege der Regie­rung daran, zu wissen, was' die Ansicht des Unterhauses über die irische Politik sei. Die Sinn Feiner tun ihr Bestes, um die von ihnen gegebenen Versprechen bezüg­lich des Waffenstillstands zu halten. Es seien z. B. feste Garantien gegeben worden, nachdem die Regierung Be­weise erhalten hatte, daß Vorbereitungen für eine Was- fenlandung in Irland getroffen wurden. Keine Ueb^er- ernkunft, die im Verlaus der irischen Verhandlungen ern- gegangen werden sollte, solle ohne die Ermächtigung des Parlaments in Kraft treten. Das Unterhaus müsse ent­weder seinen Unterhändlern vertrauen oder sie durch andere ersetzen. Er und seine Kollegen wollten wissen, ob das Unterhaus wünsche, daß sie versuchten, den Frie­den herbeizuführen. Wenn das Unterhaus das nicht wolle, so gebe es einen Mann, der froh sein würde, zu seinem König gehen zu können und ihm zu sagen: Ich überreiche Ihnen hiermit meine Portefeuille. Wenn die gesamten Fragen im Unterhaus erörtert wür­den, so würde das das Ende der Konferenz bedeuten. Das Haus sei auf keine der Bedingungen verpflichtet, über die man in der Konferenz beraten werde, sondern könne sie verwerfen, wenn sie ihm nicht paßten. Er gebe zu, daß sich alle Sinn Feiner für die Republik erklärt haben und daß alle Sinn Feiner die Autorität der Krone verwerfen. Wenn man aber aus diesem Grund nicht mit den Sinn Feinern verhandeln wolle, so gebe es niemand in Irland,, mit dem man verhandeln könne. Der einzige Punkt, den das Unterhaus entscheiden müsse, sei der, ob man überhaupt eine Konferenz stattfindcn lassen wolle. Sollte die Konferenz abgebrochen werden, so würde die Regierung das Haus ersuchen, die Streit­macht der Krone beträchtlich zu verstärken. Er müsse jedoch ausdrücklich sagen, daß jetzt nicht die Zeit dafür sei. Wenn die Sicherheit Englands bedroht, wenn der Thron nicht anerkannt wird, wenn das britische Reich zertrümmert und England zu einem fremden Staat wer­den sollte, wenn Englands verwundbarste Flanke die Freiheit erhielte, mit den Feinden Abmachungen zu treffen, und den britischen Handel zu bekämpfen, und wenn der britische Handel Angriffen an der irischen Küste ausgesetzt werden sollte, ohne daß Großbritannien das Recht erhalte, die Küste Irlands zu seinem eigenen Schutz zu benützen, wenn auf Abmachungen bestanden würde, die den Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protesten bedeuten würden, dann würde Großbritannien die notwendigen Opfer bringen, um solches Unheil ab­zuwenden.

Asquith gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß die Regierung endlich eine Politik eingenommen habe, für die die Opposition von Anfang an eingetreten sei. Seine Partei werde die Regierung dabei unter­stützen. Die Beratung der Regierung mit den Sinn Feinern müsse streng privat und vertraulich sein. Es dürfe jedoch keine Regelung ohne das Kabintc erfolgen. Wenn die Verhandlungen neu abgebrochen werden soll­ten, so werden sich beispiellose Schwierigkeiten und Ge­fahren ergeben.

Das Unterhaus hat den Tadelsantrag gegen Lloyd George mit 439 gegen 43 Stimmen abgelehnt.

Neues vom Tage.

Die Gehaltserhöhung der Beamten. Berlin, 1. Nov. Zu der Verständigung über die Neu­regelung der Beamtenbesoldung erfährt dasAcht-Uhr- Abendblatt": Durch die Erhöhung der Grundgehälter ökträgt jetzt das Gehalt der Beamten 5er untersten Gruppe