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Kmsr:

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 236

Fernruf 179.

MÜäbsö, Zsmslug äen 8. Oktober 1921

Fernruf 179

53 Iskrgemg

Die Beisetzung -es Herzogs Wilhelm v. Württemberg.

Der Abschied.

Dsi Wallmhrt an die Bahre des heinigegangenen Kö­nigs im Refektorium des Schlosses Bebenhausen t' bannte am Donnerstag ununterbrochen an. Zn Hunder­ten und'Tausenden kamen die Getreuen aus naher und ferner Umgebung zum Abschied. Um Vs 6 Uhr mar eine unabsehbare Menge versammelt, die an der Einsegnungs­feier teilnehmen wollte. Der beschränkte Raum gestattete aber nur die Zulassung von Abordnungen und Vertre­tern In der Halle nahmen Ausstellung Abordnungen des alten und des neuen Heers, Geistliche, die Professoren der Universität mit dem Rektor an der Spitze, die Vertreter der Studentenschaft von Tübingen und Stuttgart. So­dann nahmen die Angehörigen der herzoglichen Fannlie und die übrigen fürstlichen Trauergäste vor dem Sarg Platz. Nach dem LiedMein Glaub' ist meines Lebens U Uch" sprach Prälat Dr. Hoffmann ergreifende Worte dks Abschieds, worauf der Tübinger Strsiskarchenchor dm Bach'schen Choral sang: Komm Herr Tod, du Wafesbruder. Nach einem Gebet des Geistlichen folgte das Lied: Wenn ich einmal soll scheiden. Nach dem Segen über die Trauerversammlung ertönte aus dem Klo- sterchosdie wehmütig packende Weise: Was ehrt einen allen Soldaten? Drei Salven über sein Grab! Damit war die Feier zu Ende. Die Männer im grünen Rock hielten weiter die Wache am Sarg, während die Trauer­versammlung sich auslöste. Die. Nacht verlief still. Als der Morgen über dem Schönbuch heranfdämmerte, trug man den Sarg des Königs hinaus. Wiederum waren viele Hunderte auf nächtlichem Pfad herbcigeeilt, zumeist Waldbewohner, aber auch viele Tübinger, um Zeuge des Abschieds zu sein und dem geliebten Herrn die letzte Ehre zu erweisen. Hörnerklang kündete den weidmänni­schen Abschiedsgruß. Der Sarg wurde in das Automobu gehoben. Die anderen Kraftwagen füllten sich schnell und dann setzte sich der Zug durch ein großes Spalier von Leidtragenden quer durch den Schönbuch in Bewegung über den Schaichhof Böblingen zu, dann über Vaihingen, das Bontanger Tal an Stuttgart vorbei über Feuer­bach nach Ludwigsbnrg. Ueberall läuteten die Glocken und waren die Häuser mit Trauerabzeichen geschmückt, derweilen die Bevölkerung in andächtigem Schweigen die Vorbeifahrt des toten Königs durch Blumengrüße ehrte.

Die Begräbnisfeier in Ln-Wigsburg.

In überfüllten Sonderzügen und in ganzen Kolon­nen aus den Landstraßen strömten am Freitag schon morgens Tausende der ehemaligen zweiten Residenzstadt Württembergs, Ludwigsburg, zu.

Tie Nebcnnbkommen zir dem Sachleistrmgsvertrag, die sich ans pauschale Ablösung der Entschädiguugs- dechflichtuugen des Friedensvertrags und auf die Re­gelung der Kohlenlicferung beziehen, sind von Loucheur und Rathenau heute in Wiesbaden unterzeichnet worden.

l Nach derNew York World" wird die amerikanische - Verätzung auch nach der Bestätigung des Friedens A "icht aus dem Reiuland zurückgezogen, sondern nur f etwas verringert, um die Besatzuugslasten Deutsch­lands etwas zu mildern.

Ter amerikanische Schahsekretär hat sich gegen die Bezahlung der Schulden der Verbündeten an die Ver­einigten Staaten in deutschen oder österreichischen Schnldreeschreibnngen erklärt.

Tie br.t sche Regierung hat dem amerikanischen Ttaatsamt miteeieilt, das; Lkohd George für die Ab­rüstungskonferenz nicht abkömmlich sei. Die Regierung werde auf der Konferenz das ganze britische Reich rinschließlich der Dominions vertreten.

Lkohd George schlug im britischen Kabinett vor, !ur unmittelbaren Unterstützung Arbeitsloser 315 Mil­lionen Pfund Sterling ans Staatsmitteln aufzuwen- de». Ein Beschluß wurde noch nicht gefaßt.

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Um 10 Uhr wurde das Auto mit der Leiche Köuig Wil­helms erwartet. Lange vor der festgesetzten Stunde zogen Reichswehrtruppen, Schulen, Vereine durch die Stra­ßen nnd ordneten sich zum Spalier. Punkt 10 Uhr setzte das Glockenglläute von allen Kirchen der Stadt ein: der tote König nahte. Ein stilles Grüßen, eine tiefe Bewegung ging durch die Menge. In dem Landhaus Marienwahl, an der Straße nach Eglosheim, war unterdessen alles versammelt, was irgendwie mit dem Fürsten im Leben in Verbindung gestanden hatte: Für­sten nnd Prinzen, Adelige und Minister, die ehemaligen Hofchargcn, die Kammerherrn, die Generalität des alten und neuen Heeres und Offiziere in großer Zahl. Aus dem über und über mit Blumen geschmückten Auto wurde der Prunksarg, überzogen mit rotem Samt und verziert mit Goldleisten, in dem in schlichtem Eichensarg die Leiche des Königs ruhte, auf den Leichenwagen getragen. Die herzogliche Familie und die fürstlichen Persönlich­keiten waren gleichfalls in Autos aus Bebenhausen ein­getroffen. Lange weilte die Herzoginwitwe Charlotte mit des Herzogs Tochter, der Fürstin zu Wied, tiefverschleiert am Fenster des schlichten Landhauses und blickte tiefer­schüttert auf den Sarg.

Wochenrundschau.

Mit einer großenpolitischen Aussprache" schloß der Reichstag seine kurze Tagung. Der den sch- nationale Abgeordnete Hergt rechnete mit dem Reichs­kanzler ab wegen der Ausnahmeverordnung am 29. August und was drum und dran hing, Maßnahmen, die sich ausschließlich gegen die Rechte gerichtet hätten. Reichskanzler Dr. Wirth blieb in seiner Antwort nichts schuldig; wiederum ging er scharf gegen die Rechte vor, ließ seine Rede dann aber in versöhnlichere Töne ausklingen und fast schien es, als ob eine friedlichere Stimmung sich über den Reichstag senken wollte. Da fuhr der Abgeordnete Scheidemann noch einmal mit einem überaus scharfen Angriff gegen die Rechte dazwi­schen. Politische Aussprachen in den Parlamenten füh­ren selten zu etwas Gutein; sie heben vielmehr meist die Trennungslinien zwischen den Parteien stärker her­aus als nötig wäre. Die letzte politische Aussprache scheint die Lösung der innerpolitischen Hauptfrage, der Umbildung der Regierungskoalition im Reich und in Preußen nicht gefördert zu haben. Die Sozialdemokratyche Partei wandte sich an ihre Nachbarin zur Linken, die Unabhängige sozialdemokratische Partei, mit der Anfrage, ob sie bereit wäre, in die Koalition ein­zutreten. Die beiden bürgerlichen Parteien der gegen­wärtigen Koalition, das Zentrum und die Demokraten, hätten gegen die Beteiligung der Unabhängigen an sich

Punkt 11 Uhr setzte sich, unter dem Geläute sämtlicher Glocken, der ungeheuere Leichmzug in Bewegung. Vor­aus ging die evangelische Geistlichkeit des Bezirks Lud­wigsburg. Dann folgte Bischof Dr. v. Keppler mit seinem Ceremoniar, die Beamten- und Dienerschaft des königl. Hofs, die Forstbeamten und hierauf unter Vor­antritt des Oberhofmarschalls Gras Staufenberg der mit sechs schwarzverhängten Pferden bespannte Leichenwagen.. Hinter ihm ging Oberhofprediger Prälat Dr. Hosfmann,, dem sich die männlichen Angehörigen des herzoglichen Hauses anschlossm. Zu beiden Seiten des Leichenwagens bildeten die früheren Kammerherrn und die Generäle des württ. Heeres, alle in großer Uniform, die begleitende Ehrenwache. Von dem fürstlichen Trauergefolge, das dem Sarg folgte, seien genannt: Herzog Albrecht in Generals­uniform und mit dem Fcldmarschallstab, neben ihm der Schwiegersohn des Verstorbenen, der Fürst zu Wied und der Großherzog von Baden, weiter die Fürsten zu Schaum­burg-Lippe, zu Waldeck, Prinz Sigismund von Preußen als Vertreter des Kaisers und weitere zahlreiche fürst­liche Persönlichkeiten. Weiter sah man im Trauerzng die ehemaligen Minister Freiherr Dr. v. Weizsäcker, Tr. von Schmidlin, Dr. v. Habermaas, v. Pistorius und d. Mandry. Die württ. Staatsregiermrg war durch Staatspräsident Dr. Hieber, die Minister Liesching, Graf, Bolz und Schall vertreten, der Landtag durch Präsident Walter und Vizepräsident Roth. Daran schlossen sich an die Abordnungen der ehemaligen Regimenter, der Offi­ziersvereinigungen, der Verbände und OrganisatioiM aller Art, oer Krieg rvereine, zahlreiche Beamte und die Studentenschaft aus Tübingen, Stuttgart und Hohenheim in vollem Wichs. Die Straßen waren vielfach von Kin­dern mit Blumen überstreut. Jungdeutschland war fast vollzählig nach Ludwigsbnrg geeilt.

Mit dem Glockenschlag 12 Uhr begann die Feier auf den: Alten Friedhof. Herzogin Charlotte mit den weib­lichen Angehörigen des herzoglichen Hauses war bereits an dem schlichten Grab eingetroffen. Der Männergesang­verein Ludwigsburg eröffnete die Trauerfeier mit dem Lied: Sei getreu bis in den Tod. Divisionspfarrer Sta­delmann sprach hierauf Schriftworte des Trostes, des Glaubens und der Hoffnung. Prälat Dr. Hosfmann segnete die Leiche ein. Während der Versenkung erklang wieder ein Trauerlied und zum Schluß lourde ein Gebet gesprochen.

Während der gestrigen Trauerfeier waren alle öf fentliche Gebäude auf Halbmast beflaggt und mit Trauer­flor behängt. Ueber die Zeit der Beisetzung um 11 Uhr läuteten sämtliche Glocken.

nichts einzuwenden, sie wollen aver gegen eine allzu weitgehende Verschiebung nach links gewisse Sicherheiten haben. Daher stellten, sie drei Bedingungen: daß die Unabhängigen auf ihre Parteiprogrammfordernng der Diktatur des Proletariats verzichten und sich auf den Boden der Weimarer Verfassung stellen, daß ein genau umschriebenes Koalitionsprogramm aufgestellt werde und daß als Gegengewicht die Deutsche Volks­partei den rechten Flügel der Koalition bilde. Auf diese letztere Bedingung werden nun die Unabhängigen wohl schwerlich eingehen, aber es ist doch ein bemerkenswerter Vorgang, daß sie das Zusammenarbeiten mit bürger­lichen Parteien nicht mehr grundsätzlich ablehnen. Stellt man dem gegenüber, daß die Mehrheitssozialdemokratie auf dem letzten Görlitzer Parteitag sich zur Zusammen­arbeit mit der Deutschen Volkspartei mit großer Mehr­heit bereit erklärt hat, was sie vor einem Jahr auf dem Parteitag in Kassel noch en.schieden verworfen hatte, daß ferner auch die Deutschnauonale Bolkspartei wieder­holt bekundet hat, daß sie ihrerseits dem Zusammen­arbeiten nnt den übrigen Parteien keinen Widerstand ent­gegensetzen würde, so wird man wohl sagen dürfen, daß der Gedanke der Annäherung Fortschritte gemacht hat, und das eröffnet einen Lichtblick für die Zukunft.

Es wird allerdings noch viel Wasser den Bach hinab­laufen, ehe der Gedanke sozusagen Fleisch und Blut ge­winnt. Die Koalitronsverhandlungen der zunächst be­teiligten Parteien untereinander und mit der Reichs-