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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt: Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

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Fernruf 179

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t nicht immer über alle Einzelheiten unterrichtet sein.

Tie Versandskonferenz in Brüssel, die über die Bs- saüungskosten beraten soll, ist nach derChicago Tri­büne" bis nach dem 14. Oktober verschoben worden, -a am 14. Oktober erst die Verhandlungen des ame- nkanischen Senats über den Friedensvertrag mit Deutschland beginnen, deren Ergebnis abgewartet wer­ben soll.

Ein Franzose, von dem dieTimes" versichern, er sei einer der größten unter den lebenden Franzosen, erinnert die Engländer in der LondonerTimes" daran, London lasse sich von den schon jetzt existie­renden weittragenden Geschützen von der französischen Küste aus leicht bombardieren und wer im Besitz dieser Küste sei, beherrsche den Kanal.

LautEpoea" ist die diesjährige Znckererzengnng in Italien fast doppelt so groß wie im Vorjahr. Ta- her wird in diesem Fahr beinahe kein Zucker eingesübrt werden. Tie Getreideernte soll so befriedigend sein, . dost die Einfuhr um etwa die Hälfte sinken werde, s Ziese Tatsachen, sagt das Blatt, werden einen Einfluß auf die Valuta ausüben, denn Italien werde 3 Milllio- ^ Pfund Sterling für Zucker und 71Vs Millionen . Lollar für Getreide ersparen können.

! Einer Meldung aus Aserbeidschan zufolge . Wächst der sowjetfeindliche Aufstand in der Republik Merbeidschan. Bei den letzten Gefechten verloren die ^rassischen Roten Truppen 1000 Mann an Toten «nd MO an Verwundeten und büßten 6 leichte Geschütze, 18 Maschinengewehre und alle Vorräte ein.

Poincare irr der Klemme.

DerFranks. Zeitung" wird aus Paris geschrieben: Mit der durch brutale Drohungen erzwungenen Unter­schrift Deutschlands unter das Anerkenntnis seiner Schuld am Krieg hatten die Machthaber von Versailles ge­raubt, die Aussprache über die Frage der Verantwortung ein für allemal schließen zu können. Sie haben sich, >vie in so manchem anderen, auch hierin bitter getäuscht. Geschichte läßt sich nicht mit erpreßten Erklärungen ma­chen, die Wahrheit sich auf die Dauer nicht unterdrücken. Die Kriegslübe erfährt neuerdings eine starke Erschütte­rung durch die Veröffentlichung eines Briefwechsels zwi- s scheu Herrn Poincare und dem Geschichtsforscher Er- M nesteRen aul d, den die PariserLanterne" veröffentlicht: k"l Rencmld hatte in seinem vor kurzem erschienenen Buch 1914/19" im Rahmen einer Untersuchung über die Ursachen des Kriegs neben Wilhelm II. die englisch-fran­zösisch-russische Bündnispolitik und vor allem ihren Ur- heber Poincare selbst für den Ausbruch des Kriegs verantwortlich gemacht. Poincare hatte sich dagegen mit emem Schreiben an den Verfasser verwahrt, und daran anschließend entspann sich ein Briefwechsel, dem zweifellos geschichtliche Bedeutung zukommen wird, lsn dem ersten der Briefe schreibt Renauld:

Die Wahrheit zwingt mich zu glauben, daß die En- Iknte den Krieg gewollt hat und daß vor allem Sie, Herr Präsident (Poincare), zusammen mit einer Gruppe Ihrer streunde ihn gewollt haben. Erstens: Ihre Reisenach Rußland (Juli 1914) war eine an Wahnsinn gren­zt ZMoe Unvorsichtigkeit. Sie war unnötig und sie mußte ^mittelbar nach der Ermordung des österreichischen L ^^usolgers wie eine Herausforderung wirken. Zwei- Sie haben es unterlassen, Serbien zur rechten lWen den Rat zu geben, die österreichische Note in ihrer LMiamhheit anzunehmen, wie es San Giuliano (der .allemsche Außenminister) am 27. Juli 1914 un- I rem Gesandten, das heißt also Ihnen, dringend ange­lten hatte."

seiner Antwort auf diesen Brief schreibt P.oin-

,-Meine Reise nach Rußland war seit dem Monat Ja- ü. w ^schlossen. Ms Oesterreich-Ungarn das Ultimatum ? "O/Igrad übergab, befand ich mich auf hoher See. Ich lw« b.deshalb in den Tagen zwischen dem 26. und 29.

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! lwn Paris aus hat die Regierung dem serbischen , tt die friedfertigsten Ratschläge gegeben und Ser- Leaeb? ^Mßlich im Einverständnis mit Rußland vaH-

Milädsä, kreiwg äen 7. Oktober 1921

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5S Iskrgsng

" Renauld erwidert darauf:

Am 29. Juli waren Sie nicht mehr auf See. Und wenn in Ihrer Abwesenheit die srrgrerung in Paris Serbien geraten hat, nachzugeben, so hat sie ihm doch keineswegs den Rat gegeben, sich voll und ganz den österreichischen Forderungen zu fügen, um den Krieg zu vermeiden. Im Gegensatz zu dem, was Sie schreiben, hat Serbien auch keineswegs sich völlig unterworfen. Sie haben sodann die Tage des 29., 30. und 31. Juli verstreichen lassen, und erst am 31. um 11 Uhr abends, als es bereits zu spät war, haben Sie Serbien geraten, sich zu beugen. Hätten Sie Serbien diesen Rat bereits am 29. gegeben, so hätten wir kei­nen Krieg gehabt. Daraus folgt: entweder, Sie haben den Krieg gewollt, oder, Sie haben eine schlechte Politik gemacht. In beiden Fällen sind Sie einer der für den Krieg Verantwortlichen."

Renauld sagt weiter:Wenn es Ihnen nicht an der nötigen Zivilcourage fehlen würde, würden Sie offen eingestehen:Ja, ich und meine Freunde, wir haben geglaubt, durch die Entente den großen außenpolitischen Fehler der französischen Revolution wieder gutmachen zu können durch die Zerreißung der deutschen Ein­heit. Wir haben die Stunde für gekommen geglaubt, und wir haben die Partie gewagt. Unglücklicherweise hat der Krieg aber nicht die Resultate gehabt, auf die wir ge­rechnet haben, und darum werden wir, selbst wenn Deutsch­land den Vertrag von Versailles, restlos erfüllt, eines Tags den Krieg von neuem beginnen müssen. Das wäre wenigstens eine Sprache der Wahrheit gewesen; sie hätte allerdings direkt zum Schafott geführt, und deshalb fah­ren Sie fort, wie ein Anwalt zu redm, der eine schlechte Sache zu verteidigen hat. Gott, Frankreich und die Ge­schichte werden über Sie urteilen!"

Poincares Antwort auf diese Anklage ist sehr klein­laut. Er schützt die Verfassung vor, wonach das Kabinett und nicht er für die Politik verantwortlich sei. Renauld erwidert, daß es Poincares Pflicht gewesen wäre, bei seiner Rückkehr nach Paris am 29. Juli einzugreifen: Unser ehemaliger Gesandter in Petersburg, Herr Pal eo- logue, hat in seinen Erinnerungen eingestanden, daß Rußland bereits am 29. Juli die allge­meine Mobilmachung insgeheim angeordnet hat. In dem Gelbbuch von 1914 hat Paleologue dagegen er­klärt, daß Rußland erst am 31. Juli als Antwort auf die österreichische Mobilmachung mobilisiert habe, obwohl es dies in Wirklichkeit bereits am Tage vorher getan hat. Also sagt Ihr Gelbbuch keineswegs die Wahrheit. Es lügt... Und was halten Sie von der Wahrhaftigkeit des Herrn Viviani, der am 31. Juli um 7 Uhr abends dem deutschen Botschafter versichert hat, daß er von der russischen Mobilmachung, die bereits am 29. in London und Brüssel bekannt war, nichts wisse?... Sie ver­wechseln Frankreich mit skch selbst und Ihren Mitschul­digen. Frankreich hat sicherlich den Krieg nicht gewollt. Aber Sie und Viviani und die anderen Anhänger der englisch-russischen Bündnispolitik. Sie haben ihn gewollt, oder Sie haben ihn zum mindesten nicht verhindert, was Ihre Verantwortlichkeit in keiner Weise abschwächt."

Renauld schließt sein Schreiben, indem er Poincare eine öffentliche Aussprache über die Ursachen des Kriegs und seine Urheber vorschlägt.

Das Arbeitsnachw-isgesetz.

Zum Arb i'snachwcisgcsttz, das im Herbst dem Reichs­tag zugehen soll, hat der Ärbeitsnachweisausschuß der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände Stellung genommen. Der Ausschuß vermag das Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung der gesamten Arbeitsvermittlung (Arbeiter und Angestellte) nicht anzuerkennen. Er ver­weist auf die Erfahrungen, die man mit der gesetzlichen Regelung in England gemacht hat. Dort beschränkt sich die gesetzliche Arbeitsvermittlung auf ungelernte Arbeiter, und die Errichtung öffentlicher Arbcitsnachwcisämter wird von dem Bedürfnis abhängig gemacht. Der Ausschuß sagt, daß die Arbeitsvermittlung für Angestellte aus dem im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Wege praktisch undenkbar sei. Weiter wird auf die ungeheuren Kosten hingewiesen, die die Durchführung des Gesetzes in der vorgcschlagcnen Form verursachen würde (es ist mit rund 3000 öffentlichen Arbeitsnachweisen, 20 Landesämtern und einem Reichs­amt zu rechnen). Mit Recht dürfe man sich fragen, ob Msere Wirtschaft bei der schon bestehenden Merans hohen

Spannung in der Lage sem wird, diesen neuen Beamten­apparat mit seinen erheblichen Unkosten zu erhalten. Das hmtige Arbeitsamt für Berlin brauche allein schon 10 Millionen Mark Zuschuß, für den Bereich des Zen- ^ tralarbeitsamts Dresden werden die Gehälter und Löhne f 2 Millionen Mark betragen. Für das Reichsamt schätzt ! man die Ausgaben auf 12 Millionen Mark. Für die Landesämter veranschlagt man die Kosten auf 200 Mil­lionen Mark.

Neues vom Tage.

Keine Riicktrittsabsichten des Reichskanzlers.

Berlin, 6. Okt. Die Nachricht eines Berliner Mor­genblatts, wonach sich der Reichskanzler, der z. Z eine längere Reise nach Baden angetreten hat, mit Rück­trittsabsichten trage, werden an zuständiger Stelle als haltlos bezeichnet.

Ter neue amerikanische Botschafter in Berlin.

Berlin, 6. Okt. Es verlautet, William Bohce Thompson, ein Neuhorker Bankier, werde wahrschein­lich zum amerikanischen Botschafter in Berlin ernannt werden.

Steckbriefliche Verfolgung der Kappisten.

Leipzig, 6. Okt. Der Oberreichsanwalt erläßt Steck­briefe wegen Hochverrats gegen den Generallandschafts­direktor Kapp aus Königsberg, den Major a. D. Pabst, den Obersten a. D. Bauer, den Arzt und Volkswirt­schaftier G. W. Schiele aus Naumburg a. S., den Schriftsteller Karl Schnitzler, den Schriftsteller Tre- bitsch-Lincoln, den General der Infanterie a. D. Frei­herr von Lüttwitz und den Korvettenkapitän Erhardt. Die Reichsregierung hat eine Belohnung bis zu 50 000 Mark für den ausgesetzt, der zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Ergreifung eines der ge­flüchteten Angeschuldigten beiträgt.

Streit in der Friedensgesellschast.

Bochum, 6. Okt. Gestern hielt die deutsche Frie- densgesellschaft als Einleitung zum Pazisistenkongreß in Essen ihre Hauptversammlung ab. Professor Quidde äußerte sich über die verschiedenen Strömungen des Pazifismus. Ein Vertreter der Berliner Ortsgruppe brachte einen Antrag ein auf Abschaffung der Reichs­wehr. Herr v. Gerlach trat entschieden gegen den Berliner Antrag auf. Jede Regierung müsse sich auf eine bewaffnete Macht stützen können. Bei der Ab­stimmung über den Antrag ergaben sich 134 Stimmen für den Antrag und 42 dagegen. Professor Quidde er­klärte hierauf, daß er nicht mehr in der Lage sei, nach Annahme des Berliner Antrags die Geschäfte weiter­zuführen. Ihm schloß sich mit der gleichen Erklärung Herr v. Gerlach an. Unter großer Unruhe endete die Versammlung.

Einspruch gegen die Eisenbahntariferhöhung.

Karlsruhe, 6. Okt. Der Badische Jndustrie- und Handelstag hat gegen die geplante neue Eisenbahntarif-Erhöhung um 30 Prozent eindringlich Einspruch erhoben, nachdem erst vor 6 Wochen die Tarife für den Personenverkehr um durchschnittlich 65 Prozent erhöht worden seien. Es werde sich bald zeigen, daß auch die neue Erhöhung den Fehlbetrag nicht zu beheben vermöge, dagegen werde eine weitere Einschränkung des Verkehrs und der Wirtschaft die sichere Folge sein. Eine Rettung aus der Notlage sei nur durch eine planmäßige Umarbei­tung der Tarife und Umgestaltung der Verwaltung, durch zielbewußte Arbeit und Ersparnis an Menschen­material zu erreichen. Die Versammlung beschloß, die Einberufung einer Verkehrskonferenz in Hei­delberg in die Wege zu leiten, zu der die Handels­kammern, die namhaften Verbände des deutschen Wirt­schaftslebens, die Regierungen, Parlamente und die hervorragendsten Eisenbahnfachleute eingeladen wer­den sollen.

Ludendorff über die deutsch-französischen Beziehungen.

Paris, 6. Okt. General Ludendorff hat dem Son­derberichterstatter desOeuvre" in München auf schrift­liches Befragen u. a. erklärt, er glaube nicht, daß die französischen und deutschen Interessen notwendiger­weise entgegengesetzt sein müßten. Beide Nachbarstaa­ten, die voneinander abhängen, namentlich auf indu­striellem Gebiet, haben auch gewisse gleichlaufende Wirtschaftlich? Interessen. Hie antifranzösische Rich-