ilummer 234
(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und
für das obere Cnztal.
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Druck der BuchdruckereiWildbader Taablatt: Verla« und Schriftleitun«: Tb. Gack in Wildbad.
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Fernruf 178
Wiläbsä. vonnerstsg öeo 6. Oktober ?921
Fernruf 179
55 Iskrgsrg
Tagesspi-gel.
Ter frühere König L n d t ;, der am Sonntag auf seinen ungarischen Besitzungen Sarvar eingetros- fen war, ist schon am Montag samt seiner Familie von dort wieder abgereist, da die Bandenbewegung in Westungarn weiter nur sich greift.
Wiederausbanminister Tr. Rathenau hat sich nach Wiesbaden begeben zum Abschluß der Verhandlungen mit dem französischen Minister Loucheur über das Wiederaufbauabkommen. — Ter Pariser „Qenvre" bemerkt: Loucheur und Rathenau werden noch einige sehr schwere Aufgaben zu lösen haben, auch wenn die deutsche Reichsregierung den Hauptinhalt ihres Abkommens bereits bestätigt hat. Tas noch unerledigte Zusatzprotokoll wird Schwierigkeiten geben.
Ter englische Vertreter im Völkerbund Fisher ist von Genf abgereist, um Lloyd George einen Vorplan über die Teilung Oberschlesiens zu Überbringer». — Ter Völkerbundsausschutz soll sich für einen Teilnngs- hlan ausgesprochen haben, de? die Mitte hält zwischen de» Forderungen des Polen Korfanty und dem Vorschlag Sforzas. Also jedenfalls ein Raub an Deutschland.
Clemenceau und Noblemaire.
Ter große politische Propagandafcldzutz führender französischer Staatsmänner, angeblich für dre Rechte Frankreichs, in Wahrheit zur Täuschung der Welt, nimmt seinen Fortgang. Nachdem Po ineare und Tardieu die Formel aufgest.llt hatten, Frankreich müsse auch nach Ablauf der Fristen am Rhein stehen bleiben, und Maurice Barr es diese Forderungen, allerdings in ziemlich plumper Weise, unterstützt hatte, nimmt nun der alte Clemenceau das Wort, um gleiche Ansprüche anzumelden. Clemenceau, einst der Abgott Frankreichs, als „Vater des Sieges" gefeiert, ist seit seinem Sturze schärfsten Angriffen seitens eiires großen Teiles einflußreicher französischer Blätter ausgesetzt gewesen. Immer tvieder wurde die Behauptung ausgesprochen, der Versailler Vertrag sei für Frankreich außerordentlich „ungünstig". Clemenceau sei den Briten gegenüber viel zu nachgiebig gewesen; diese hätten die eigentlichen Früchte eines Siegs gepflückt, der im wesentlichen den Leistungen Frankreichs zu verdanken gewesen sei.
Diesen Angriffen gegenüber blieb Clemenceau lange Zeit hindurch stumm. Dafür verteidigte sein treuer Schildknappe Tardieu leidenschaftlich das Werk von Versailles und stellte die These auf: „der Vertrag selbst sieht jedes Recht Frankreichs vor, Gefahren entstehen nur, wenn er nicht rücksichtslos angewendet wird." In der Rede, die Clemenceau am Sonntag bei der Einweihung seines Denkmals in St. Hermine hielt, erhebt er nun gegen seine Nachfolger schärfste Anklagen. Zur Zeit der Erzwingung des Versailler Friedens sei Frankreich der Sieger gewesen, der Deutschland auf die Knie gezwungen habe, heute sei diese Stellung durch das Nachgeben Frankreichs, durch die Aufgabe wichtiger Rechte aus dem Versailler Vertrag erschüttert. Clemenceau bedauert es besonders, daß die Tributforderungeu an Deutschland wesentlich herabgesetzt worden seien. 132 Goldmiliiarden sind dem alten „Tiger" also noch viel zu wenig! Er setzt feinen ganzen politischen Einfluß für das Festhalten am alten Kricgsbündnis ein. Im Einklang mit den Ausführungen Tardieus im „Temps" sucht auch er das Verbleien Frankreichs am Rhein auf dem Umwege über die Bestimmungen des Versailler Vertrags, die bei Nichterfüllung durch Deutschland eine Verlängerung der Besatzungen vorseh.n, zu sichern.
In anderer Weise hat der französische Vertreter vom Völkerbund, Noblemaire, den französischen Zielen M nützen gesucht. Seine Rede über Frankreichs angeb- nche Abrüstungsbereitschaft stellt an Heuchelei und Verdrehung der offenkundigsten Tatsachen wohl das vollste dar, was man bisher von französischen Polinkern erlebt hat. Immerhin handelt er insofern nicht unge- Ichickt, als die Berichte über den Völkerbund, vor allem Erklärungen von Vertretern der maßgebenden Staaten, w alle Welt telegraphiert werden und so eine außerordent- "ch wirksame Verbreitung der französischen Gedankengänge "nt geringen Mitteln ermöglichen. Noblemaire hatte die Stirne, von der Wehrlosmachung Deutschlands als von
einer „Sicherheit für Frankreich" zu sprechen, „derselben Sicherheit, die alle Völker mit Recht fordern". Das ist eine so starke Verdrehung der Wahrheit, daß sie ein besonderes Wort der Kennzeichnung verdient: Frankreich, selbst in Waffen starrend, hat Deutschland fast völlig entwaffnet. Es hat gleichzeitig das ihm tatsächlich verbündete polnische Heer auf eine der deutschen Reichswehr weit überlegene Stärke gebracht; seine Militärüberwachungskommissionen üben nicht nur in Deutschland, sondern ebenso in Polen wie in Tschechien maßgebenden Einfluß aus. In Wahrheit ist also ein fast wehrlos gemachtes Land rings von ihm übelwollenden, bis an die Zähne bewaffneten Staaten umgeben. Das soll nach Noblemaire ein Zustand sein, wie ihn „alle Völker mit Recht fordern!"
Der französische Vertreter beim Völkerbund mischt sich dann auch noch in die inneren deutschen Verhältnisse ein. Er behauptet, in Frankreich sei die moralische Abrüstung im Gegensatz zu Deutschland vollendet.. Diese Behauptung erfolgt gleichzeitig mit Mailrice Barres Forderung nach Ausdehnung Frankreichs auf Grund seines Siegs und mit der haßerfüllten Rede Clemenceaus.
Noblemaire bestreitet dann, daß Frankreich militaristisch sei und fragt, ob es Frankreichs Schuld sei, wenn es „durch die Umstände gezwungen werde, in der ganzen Welt fast allein die Gendarmen der Friedensverträge zu sein." Hier kommt seine Absicht deutlich zum Durchbruch. Briands Wort vom Gendarmen, der Deutschland am Kragen packen werde, hat die brutale französische Politik einigermaßen entlarvt, und selbst in Ländern, die Frankreich sonst gewogen waren, Verstimmung hervorgerufen. Noblemaire soll nun die Rolle Frankreichs als natürlich und im Interesse des Friedens der Wegt liegend darstellcn. Ohne völlige Verdrehung der Tatsachen war das rkicht möglich. Es ist Herrn Noblemaire aber nicht schwer gefallen, seiner Aufgabe durchaus zerecht zu werden.
Die Besteuerung nach dem gemeinen Wert.
Vom Hansabund wird uns geschrieben:
Nach den vom Reichskabinett vorgeschlagenen Bewe''- kungsvorschriften für die neuen Vermögenssteuern sollen zukünftig die zum Grund- oder Betriebsvermögen gehörenden Vermögensobjekte nach dem gemeinen Wert zur Steuer herangezogen werden. . Die Reichsregierung will also die früheren Goldwerte vervielfachen, um zu den heutigen Papierwerten zu kommen und auf Grund dieser Papierwerte die Vermögensabgaben verrechnen. Danach sollen z. B. Wohnhäuser, deren Ertrag heute von den notwendigen Reparaturen und dui sonstigen Lasten aufgesressen wird, zu dem rein fiktiven Papierwert zur Abgabe herangezogen werden.
Soll wirklich ein Haus, das ein Rentner von seinen Ersparnissen mit 60000 Goldmark im Frieden erworben hat und das heute einen „Wert" von 200 000 Papiermark hat, der beim Verkauf auch vielleicht erzielt werden könnte, mit 200 000 Mark zur Vermögenssteuer herangezogen werden? Wie soll der Besitzer eines solchen Hauses die Abgabe bezahlen? Es ist weiter zu fragen: „Soll etwa der Unterschied von 60000 Goldmark zu 200 000 Papiermark als „Vermögenszuwachs" weggesteuert werden?" Nach der grundsätzlichen Annahme des gemeinen Werts wäre das der Fall. Soll der Fabrikant seine Maschinen zum gemeinen Wert in die Vermögenserklärung aufnehmen? Eine Maschinenanlage mit einem Friedenswert von 20000 Goldmark hat heute möglicherweise auch im Zustand fortgeschrittener Abnutzung einen Papierwert von 200000 Mark. Ist das nun steuerpflichtiger Vermögenszuwachs? Im nächsten Jahr muß vielleicht, um den Betrieb den technischen Erfordernissen entsprechend aufrechtzuerhalten, die Maschinenanlage mit einem Aufwand von 300000 Mark erneuert werden. Woher soll der Fabrikant das Geld nehmen, wenn man sein ganzes Betriebskapital einschließlich aller Anlagen zum gemeinen Wert steuerlich erfaßt hat?
Nach der Bekanntmachung der Regierung sollen für die Dauer von 15 Jahren besondere der Geldentwertung angepaßte Bewertungsgrundsätze gelten, mit dem Ziel, die Sachwerte „voll und gcnrz in entsprechender Weise zur Abgabe heranzuziehen". Bei dem Betriebsvermögen soll insbesondere auf Geivinn und Umsatz des Unternehmens. Rücksicht genommen werden. Das alles soll
aber nicht durch Gesetz, sondern durch Verordnung des Finanzministeriums geregelt werden, die daun natürlich jederzeit vom Minister abgeändert werden kann. Eim derartige Nechtsunsicherheit in der Besteuerung ist aber nicht verträglich mit geordneter Volkswirtschaft. Die gesetzgebenden Körperschaften dürften gesetzgeberischen Schwierigkeiten nicht dadurch aus dem Weg gehen, daß sie die Schaffung neuen Rechts in den wesentlichsten Punkten den Verwaltungsbehörden überlassen.
Der Hansa-Bund verlangt dringend das Festhalten an den bisher bestehenden Bewertungsvorschriften, d. h., es ist für den Grundbesitz grundsätzlich von dem Ertrag auszugehen, den er erbringt. Für die B et r iebs - anlagen ist dagegen festzuhalten an dem in Z 139 der Abgabenordnung ausgesprochenen Bewertnngsgrundsatz: „ Ans chaffungswertabzü glich angemessener Abnützung". Es sind nur solche Steuern mit der Privatwirtschaft vereinbar, die aus dem Ertrag gezal/t werden können. Jede andere Steuerpolitik führt zur Verschleuderung des Volksvermögens. Um Steuern zu zahlen, müßten sonst schließlich die Anlagewerte verkauft werden. Kaufen kann sie, da ja jeder Deutsche der gleichen Steuerlast unterliegt, nur der valntakräfttge Ausländer. Der andere Weg: Die Ueberleitung von Vermögensteilen in die Hand des Reichs — Goldwerthypotheken, Jndustrieanteile usw. — würden aber einen so kräftigen Verwaltunas- und Neberwa.chuugsapparat erfordern, daß der Ertrag der Steuern im wesentlichen von der Verwaltung verschlungen würde.
Erregung in Tirol.
Die Anzeichen für eine tiefgehende Volksbewegung in Tirol mehren sich zusehends. Die Zahl der Unzufriedenen ist sehr groß. Die Ursachen dieser Unzufriedenheit sind in erster Linie wirtschaftlicher Art. Die starke Entwertung der Krone und die von Tag zu Tag zunehmende Verteuerung aller Lebensmittel und Bedarfsartikel haben eine panikartige Stimmung erzeugt. Die Währungen der Nachbarstaaten, namentlich die rtalienische Lira und der Schweizersranken, waren in den letzten Tagen ganz ungeheuerlich gestiegen. Die Folge davon war der Besuch von Italienern und Schweizern, welche große Aufkäufe machten und auf diese Weise eine unheilvolle Stimmung erzeugten. Der Einheimischen bemächngte sich tolle Angst, die verfügbaren Kronenweete wurden verschleudert und zu Aufkäufen verwendet, alles, was Geld hatte, setzte dieses in Waren um, deshalb gab es am 28. und 29. September mehrere große Kaufleute in Innsbruck, die vor dem Andrang und teils wegen Mangels an Waren ihre Geschäfte schließen mußten. Inzwischen hat die Landesregierung ein Ausfuhrverbot für Lebensmittel und Bedarfsartikel aus dem Lande erlassen. Es wird auch ein strenges Einreiseverbot für Angehörige valutastarker Länder (Italien, Schweiz) gefordert, desgleichen strengere Ueberwachung des Reiseverkehrs, aber cs ist sehr zu bezweifeln, daß solche Maßrregeln durchzufetzen sind. Ein Aufruf, der bis in die äußersten Täler Nordtirols hinaus verbreitet wurde, fordert die „Rückkehr zu zu den alten Verhältnissen" und die Betätigung „alt- tirolischen Geistes". Die Stimmung gegen Wien ist aus das äußerste gereizt, uird seit die Abstimmung im April d. I. den Willen des Landes zum Anschluß an Deutschland kundgetan hat, ist der Riß zwischen Wien und Innsbruck immer breiter geworden. Es taucht denn auch jetzt wieder der Anschlußgedaure auf, und Landesrat Dr. Steidle, der, um allen unvorhergesehenen Gefahren gewachsen'zu sein, 10 000 Mann der Tiroler Heimatwehren mobilisieren ließ, hat erklärt, wenn die Wiener Regierung Zwangsmaßnahmen gegen Tirol anwende, wenn sie beispielsweise die Mehlzufuhr sperre, so werde Tirol wissen, wo ihm geholfen werde.
Neues vom Tage.
Ter Reichskanzler in Karlsruhe.
Karlsruhe, 5. Okt. Reichskanzler Dr. Wirth ist hier eingetroffen. Gegen 11 Uhr vormittags erschien der Kanzler im Landtag, dessen Mitglied er noch heute ist. Er wurde vom Präsidenten unter lebhaftem Beifall des Hauses herzlich begrüßt. <
Streik der Karlsruher Postbeamtenschaft?
Karlsruhe, 5. Okt. Der Verband deutscher Post- und Telegraphenbeamten, Kreisverein Karlsruhe, und di,