(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt: Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Hummer 233

Fernruf 179

Milädsä, Mittvpoär äeo ö. Oktober 1921

Fernruf 179

5Z leibrgsng

Tagesspieg?l.

Tas de-rtsche Golbanfgeld wird mit Wirkung vom 2V. Oktober 1921 von bisher 999 auf 1999 erhöht.

Tie österreichischen Staatsbeamten sind in eine neue Lohnbewegung ringet-eten. Sie verlangen dieselbe 11n- terstiiünngssuiiimc von 4599 Kronen, die den Eisen­bahnern und Postbeamten bewilligt worden ist.

Tie Griechen haben ihren Rückzug von Eski-Schehir unter empfindlichen Verlusten fortgesetzt. Sie werde» von den Türken verfolgt.

TieQest", das Fahrzeug, mit dem Shakleton seine Forschungsreise unternimmt, ist in der Nähe von Kap Rocea von einem Sturm ersaht worden und hat um Hilfe gebeten. Ein Schlepper ist von Lissabon zu seiner Unterstützung abgegangen.

Das Polnische Gelhelend.

Bei Begründung der Republik Polen, vor noch nicht Mi Jahren, stand die Polenmark der deutschen Reichs­mark gleich, vorübergehend sogar über 100. Februar MO war sie auf 60 gefallen. Anfang Oktober 1920 Amts auf 21, an dem Jahresende 1920/21 auf 10 Md jetzt ist sie l»ereits unter 2 gefallen. Schon hat die die Notierung der Polenmark gestrichen, schon gehen an der amtlichen Warschauer Börse mehr als 6000 Polenmark auf einen einzigen Dollar, im freien Verkehr ist wie immer das Verhältnis noch viel ungün­stiger. Unaufhaltsam treibt die polnische Mark Zuständen zu, die sich von sowjetrussischen kaum etwas unterscheiden.

Die Teuerung hat infolgedessen weiter Angenommen, die Ernte ist nicht so groß gewesen, daß. das Üand sich selbst ernähren kann. Der KrakauerNorod" schreibt, daß die Ernte das Land nur bis Februar ernähre.. Schon kostet der Zentner Kartoffel 3000 Mk., ebensoviel der Roggen neuer Ernte. Die Warenknappheit wird immer größer, die Industrie füllt aus einem Streik in den andern. Die Arbeiter setzen ihre Forderungen auf Er­höhung ihrer Löhne größtenteils durch, die Produktions­kosten steigen, die berühmte Schraube ohne Ende ist da. Nur der Staat erhöht selten oder nie die Bezüge seiner Angestellten. Trotzdem verschlingt das Riesenheer seiner Beamten ungeheure Summen. Die Nichterhöhung der Bcamtengehälter hat die Folge, daß die Klagen über die Unzuverlässigkeit und Bestechlichkeit der Beamtenschaft immer lauter werden.

Der Papiergeldnmlauf nimmt neuerdings in jedem Vierteljahr um rund 20 Milliarden Mark zu und hat bereits die Summe von 130 Milliarden Mark über­schritten. Die Staatsschulden betragen mehr als 700 Milliarden Mark. Unter diesen Umständen ist es für Polen ein Glück, daß Danzig, der durch den Versailler Vertrag geschaffene Handelshafen Polens, seine alte deut­sche Währung beibehält. In demselben Augenblick, in dem in Danzig die deutsche Mark aufhörte, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein, würde der gesamte polnische Han­delsverkehr still liegen. Würde Danzig nicht die deutsche Währung besitzen, so würde es dem polnischen Kaufmann !chr schwer fallen, sich die fehlenden Weltvaluten zu ver­schaffen. Danzigs deutsche Währung wirkt gewissermaßen als Ausgleich. Das ungeheure Uebergewicht fremder De­ssen, insbesondere des Dollars, wird auf dem Umweg "her die deutsche Reichsmark etwas abgeschwächt und M so Polen erst die Möglichkeit, mit Amerika, insbeson­dre Nordamerika, in geschäftliche Verbindung zu treten. ' Gerade Handelsbeziehungen niit Nordamerika könnten Eer dem wirtschaftlichen Chaos in Polen Einhalt tun. Mchanrerika ist dank seines Warenüberflusses in der Lage, Wnd für Polen einzuspringen. England hat zu häufig lerne Gleichgültigkeit an Polens Geschick gezeigt. Frank- ^>ch zeigt, je länger desto deutlicher, daß es in Polen den Kettenhund gegen Deutschland, mit dem Polen eines Tags in engere wirtschaftliche Beziehungen mten muß, sieht und durch uns ans Polen die verlorenen ! Mischen Milliarden wieder holen will.

. Polen befindet sich heute in einem solchen Zustand wirt- Mtlicher Not, daß nur ein Land von einer Macht- lMe, wie sie Nordamerika besitzt, noch helfen und retten Mn. Wohl sind schon vereinzelnd! amerikanische Kapi- Mten in Polen tätig, aber noch fehlt es an den klar «kennbaren' großen Gesichtspunkten, Polen zu einer Höhe

emporzuh elfen, wie sie die Naturreichtünrer des Landes rechtfertigen. Versagt aber die Hoffnung aus Nordame­rika, die letzte Hoffnung, die Polen noch hegt, dann stürzt das Land in anarchistische und bolschewistische Tiefen und Abgründe. ;

Der Wiederaufbau und die Landwirtschaft.

In der Vorvcrsammlung der bayerischen Landesbauern­kammer machte Geheimrat Dr. Heim folgende Mit­teilungen: Beim Reichskanzler fand dieser Tage eine Aussprache zwischen berufenen Vertretern der deutschen Landwirtschaft und des Reichsfinanzministeriums statt. Die Industrie hat sich bereit erklärt, ihrerseits in dieser Zeit der Not dem deutschen Volk ein großes Opfer zu bringen durch Beschaffung der Geldmittel, die Deutschland in den nächsten Monaten benötigt, um das zu erfüllen, wozu wir uns durch Annahme des Londoner Ultimatums verpflichtet haben. Das Programm, das erfüllt werden soll, lautet: Beschaffung der Devisen an die Entente für jetzt und für die Zukunft. Es handelt sich also um eine dauernde Hilfsaktion. Es wird ja am 15. Oktober wieder eine größere Forderung fällig (300 Millionen Goldmark) für die Abgleichnng der sog. 26 Prozent Aus­fuhrzuschläge, am 15. Januar kommt abermals eine Zah­lung von einer halben Milliarde, da wir jährlich einen Zinsendienst auf die bereits gegebenen Schuldbons zu leisten baben. Vollständig ungeklärt ist es bis zur Stunde, woher die. Mittel genominen werden können, um viertel­jährlich eine halbe Milliarde in Gold zu leisten.

: Es ist noch nicht klar, ob das Opfer der Industrie von dem Einzelnen gebracht wird, oder ob die Industrie die Sache verbandsweise machen soll oder auf dem Weg einer gesetzgeberischen Belastung mit vorhergegangener Verständigung zwischen Reichsfinanzbehörden und der In­dustrie. Die Industrie denkt sich die Sache so, daß sie die Devisen beschafft gewissermaßen als Vorausbelastung Mf ihre Steuerschuldigkeit mit dem Recht, die Voraus­leistung ckuf die Steuer anzurechnen. Die Aussprache .in Berlin war durchaus unverbindlich. Ich! möchte daraus Hinweisen, daß der Reichskanzler wörtlich sagte: -,Es Kmwelt sich nicht nur um eine einmalige Leistung der In- hiaWtz,: veS Handels und der Bankwelt, sondern um di« Erschließung einer dauernden Devisenquelle. Diese Garantie muß die Industrie übernehmen." Auch von der Bankwelt war die Rede.

' Und dann kam die dritte Besitzgrnppe: die Land­wirtschaft. Es wurde uns mitgeteilt, daß der Plan noch nicht feststehe, wie die Landwirtschaft herangezogen werden soll. Man wolle der Landwirtschaft selbst Ge­legenheit geben, einen Weg Voranschlägen. Es kommen folgende Wege in Frage: Eine Bür g s ch a ftsl eistun g der Landwirtschaft in dem Sinn, daß für die Zahlungen, die die Industrie leistet, die Landwirtschaft bezüglich des Zinsendienstes, vielleicht auch bezüglich der Heimzah­lung die Garantie auf sich nimmt. Ein anderer Weg wäre der eines zweiten Reichsnotopfers für das nächste Jahr. Einstimmigkeit bestand darüber, daß die Landwirtschaft nach der Natur ihres Betriebs nicht in der Lage ist, selbst Devisen zu beschaffen. Da­gegen wurde davon gesprochen, daß die landwirtschaftlichen Betriebe Hypotheken aufnehmen. Abschließen­des wurde nicht vereinbart.

Ich habe eine abweichende Haltung eingenommen, abweichend sowohl von dem Standpunkt des Reichskanz­lers als auch von den Vertretern der Landwirtschaft. Wir sind zurzeit in Deutschland gezwungen, jährlich um 2 Goldmilliarden Lebensmittel usw. einzuführen. Das sind nach dem heutigen Stand der Valuta 50 Milliarden Papiermark. Das erste Ziel einer richtigen Volkswirt­schaft muß sein, diese 2 Milliarden aus der Einfuhr­bilanz auszuschalten, um damit 2 Milliarden De­visen zu sparen. Ein Eingriff in die Substanz bei der Landwirtschaft müßte doppelt verhängnisvoll sein, weil dadurch der Prozeß, unsere Produktion zu steigern, gestört würde. Es wurde anerkannt, daß seit einem Jahr ein erfreulicher Aufstieg in der landwirtschaftlichen Produktion unverkennbar ist. Ein derartiger Eingriff in das Betriebskapital der Landwirtschaft wäre umso ver­hängnisvoller, weil dank der Erbschaftssteuer, die selbst bei Kindern in der direkten Linie bezahlt werden muß, sich das Besitzbild in der Landwirtschaft vollständig

verschoben hat. Ich habe cs als notwendig erklärt, daß die Rollen so verteilt werden sollen: Industrie De­visen beschaffen, Landwirts chaft Devi sen s p a- renund Arbeiterschaft keine Devisen ver­geuden.

Erste Voraussetzung für das Gelingen des Plans ist, daß nicht einseitig an einem Strang gezogen wird. Es ist notwendig, daß auch die A r b ei te r s ch af t bei diesem großen Rettnngswerk mithilft. So lange es noch fre­velhafte Streiks gibt, solange der unsinnige, scha­blonenhafte Achtstundentag beibehalten wird, ist jedes Opfer des Besitzes ein einseitiges Ziehen am Strang; der Karren wird beiseite gerissen und fällt um. Die Reichsregierung muß den Mut haben, dafür zu sorgen, daß am Strang auf der ganzen Linie gleichheitlich ange­zogen wird.

Wie kann die Landwirtschaft Devisen sparen? Indem wir unsere Produktion so heben, daß wir die Einfuhr von Lebensmitteln einschranken. Der Weg ist schwierig und lang; aber je eher er beschritten wird, desto besser. Bi?her war es der Fleiß unserer Bevölkerung, die sich an die Hebung der Produktion gemacht hat. Die Be- tricbsstätten ans dem Land sind massenweise verbessert ^ worden. Aber die Klarheit müssen wir haben, daß es mit ' einer reinen Privatinitiative nicht getan ist. Man er- ! wartet von der Landwirtschaft ein festes Programm, j Zunächst ist notwendig, die vielen Kräfte, die im Dienst j eines Fortschritts und der Landwirtschaft arbeiten, zu­sammenzuschließen und daß diese Forderung sogar staat­liche Unterstützung in reichstem Maße erfahren muft Die Frage, ob die Arbeit geleistet werden kann, beant­worte ich entschieden mit Ja. Als ein Programm der großen organisatorischen Arbeit betrachte ich die plan­mäßige Verbesserung des Saatguts, die bessere Bodenbearbeitung und Unkrautbe­kämpfung, reichliche Verwendung vonKunst- dünger usw. Ich denke mir, daß die Ausführung in die Hand der berufsständigen Organisationen gelegt wird.

Die bayer. Landesbaucrnkammer erklärte sich mit dem Vorschlag von Dr. Heim einverstanden, daß der Volks­wirtschaftliche Ausschuß die Frage weiter verfolge.

Neues vom Tage.

Das Wiesbadener Abkommen vom Reichskabinett angenommen.

Berlin, 4. Okt. Das Reichskabinett hat gestern nach einem Bortrag Rathenaus das Wiederausbauabkommen von Wiesbaden bestätigt. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags hat das Abkommen heute beraten.

Tie Koalitionsverhandlungen.

Berlin, 4. Okt. Die gestrigen Verhandlungen der Parteiführer mit dem Neichskabinett haben noch zu keinem endgültigen Ergebnis geführt. Zentrum und Demokraten verhalten sich gegen die Aufnahme der Unabhängigen in die Koalition nicht grundsätzlich ab­lehnend. Bezüglich des Steuerprogramms besteht zwi­schen den bürgerlichen Parteien Einigkeit. Es wurde beschlossen, daß der Reichskanzler nochmals mit den Vertretern der Industrie, der Landwirtschaft und des Handels wegen deren Beihilfe zu den Entschädigungs­zahlungen an den Verband verhandeln solle. Auch die Parteiverhandlungen mit dem preußischen Minister­präsidenten Stegerwald sind noch nicht zum Abschluß gekommen.

Zusammenschluß der sozialdemokratischen Angestellte::» und Arbeiterverbände.

Essen, 4. Okt. Der Verbandstag des Allgemeinen Freien Angestelltenbunds (Asa) hat den Vorschlag Her Verbands ieitungen über den Zusammenschluß der Freien Angestelltenverbände mit den Freien Arbeit­gebergewerkschaften bestätigt. Der anwesende Vertre­ter des Deutschen Beamtenbunds Länge-Berlin sagte, er beglückwünsche den Zusammenschluß in der Ueberzeugung, daß die Wege der Freien Verbände auch die Wege des Beamtenbunds sein müssen. l

Einigung im Ruhrbcrghan.

Essen, 4. Okt. Die Verhandlungen zwischen der An­gestelltenorganisation und dem Zechenverband sind ge­stern zum Abschluß gekommen und haben zu einer Eini­gung geführt. _ /