tiger rheinischer Erzeugnisse. Am Sonnabend, als der Dampfer bereits reisefertig war, erschienen die Franzosen an Bord und verlangten die Ladepapiere. Nach kurzer Durchsicht erklärten sie, es sei zur Prüfung zu spät, das Schiff müsse bis Montag liegen bleiben Am Montag forderten die Franzosen dann die Vorlage der Ein- und Ausfuhrscheine. Außer dem wünschten sie die genauen Maße des Schiffes zu erfahren und machten den Kapitän persönlich dafür haftbar, daß das Schiff liegen blieb.
Düsseldorf, 9. Febr. Oberpostsekretär Sehrig, der Leiter des Telegraphenamts, und Telegraphendirektor Neuroth vom Telegraphsnbauamt Düsseldorf, sind von der Besatzungsbehörde verhaftet worden.
Die Bestialität der französischen Soldateska.
Berlin, 9. Febr. Wie die Blätter melden, kam es gestern kurz nach der Besetzung von Wanne durch die Franzosen zu blutigen Zwischenfällen. Ein D-Zug und ein Personenzug wurden von den Franzosen angehalten und das deutsche Eisenbahnperso- »al wurde zum Verlassen der Züge gezwungen. Ein Sljähriger Zugführer wurde dabei von einem französischen Soldaten von hinten mehrmals mit dem Kolben auf den Kopf geschlagen. Der Zugführer brach zusammen und erlag bald darauf seinen Verletzungen. Die Reisenden der beiden Züge wurden von französischen Offizieren, die ihre Revolver gegen die Menge richteten, und von Soldaten, die rücksichtslos mit ihren Bajonetten auf die Reisenden, unter denen sich viele Frauen und Kinder befanden, einstachen, vom Bahnsteig getrieben. Zahlreiche Personen, darunter Frauen und Kinder erlitten Verletzungen. Irgend ein Widerstand der plötzlich überfallenen Reisenden und Beamten ist nicht erfolgt. Ein Postbeamter des D-Zugs wurde durch einen Bajonettstich schwer verletzt, als er sich weigerte, die ihm anoertraute« Gelder herauszugeben. Die Franzosen beschlagnahmten mehrere Kisten mit mehreren Millionen Mark. — In Recklinghausen wurde einem Arbeiter durch einen Kolben'chlag eines Franzosen die Kinnlade zerschmettert. Die Gewerkschaften haben daraufhin einen 8-tstündigen Proteststreik proklamiert.
Die Aushungerung der Bevölkerung.
Berlin, 8. Febr. Ueber die Vorgeschichte der Vorfälle ln Recklinghausen meldet die „Vossische Zeitung", daß durch umfangreiche Ankäufe der französischen Soldaten in den Lebensmittelgeschäften unter der Arbeiterbevölkerung eine große Erregung entstanden sei. In einem Schreiben der Ortsgruppe Recklinghausen der Eisenbabnergewerk- schaft heißt es: „Die Besatzung kauft uns vollständig aus. sodaß wir dem Elend verfallen müssen". Die Kaufleute sahen sich schließlich gezwungen, an Franzosen keine Lebensmittel abzugeben. Daraufhin wurde gestern Mittag von dem französischen Kommandanten die vollständige Schließung aller Geschäfte angeordnet. Das führte dazu, daß sich die vom Hunger bedrohte Bevölkerung auf der Straße versammelte und ihrer Empörung Ausdruck gab. Darauf setzte das bereits gemeldete Vorgehen der Be- sahungsbehörde mit Truppen mit aufgevflanztem Seitengewehr und mit Tanks gegen die wehrlose Menge ein.
Die Folgen des französischen Gewaltakts für die Bewohner der zerstörten Gebiete.
Paris, 8. Febr. Das Ministerium für die befreiten Gebiete teilt mit, eine Anzahl von Geschäften habe eine gewisse Besorgnis gezeigt über das Schicksal der Reparationsbestellnnge» bei deutschen Lieferanten, da die deutsche Regierung am 11. Jan-rar 1S23 jeden Reparationsscheckoerkehr «nd sämtlich« Lieferungen eingestellt habe. Es handle sich um einen Fall höherer Gewalt, in dem die Geschädigten nicht ermächtigt seien, gegen die Mandatare vorzugehen, solange die deutsche Regierung die Lieferungen nicht wieder aufnehmen lasse. Selbstverständlich würden die Geschädigten nicht mit den betreffenden Summen belastet werden, solange die entsprechenden Lieferungen nicht tatsächlich erfolgt seien und zwar auch dann nicht, wenn sie bereits «inen Scheck erhalten hätten.
Die Folge« der Militarisierung der Eisenbahnen.
Bei einem Zugzusammenstoß 28 französisch« Soldaten getötet!
Berlin, 8. Febr. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" meldet aus Düsseldorf, daß auf der von den Franzosen militarisierten Eisenbahrstrecke Düsseldorf—Kettwig zwei französische Militärzüge zusammengestoßen seien, wibei §8 Soldaten getötet worden sein sollen. In aller Stille seien die Verunglückten auf einem Teil des Düsseldorfer Friedhofs beigssetzt worden. Ueber den Zusammenstoß werde von den Franzosen strengstes Stillschwsi"en beobachtet. Auch eine g^-> Ainabl von Schwerverlentzten soll es bei dem Unfall gegeben haben.
Ersetz»«« der Deutschen durch die französischen Eisenbahner.
Paris, 8. Febr. Wie der „Temps" miteilt, wird morgen eine Abteilung von 4590 französi'chen Eisenbahnern, sämtlich Freiwillige, nach dem besetzten Gebiet abgehen. Ferner zieht der Minister für öffentliche Arbeiten in Erwägung, eine Anzahl der anläßlich des Streiks im Jahre 1929 entlassenen Eisenbahner wieder einzustelle« und sie im besetzten Gebiet zu verwenden.
Loucheur will Deutschland auch zur Abgabe von nötigen Maschinen zw.ngen!
Paris, 9. Febr. In der gestrigen Nachmittagssitzung der Kammer, in der die Debatte über die Konvention mit der Badischen Anilin- und SoLafabrik fortgesührt wurde, setzte sich Loucheur für den von ihm . im Jahre 1919 abgeschlossenen Vertrag «in. Nachdem er verschiedene Einwendungen besprochen hatte, erklärte er. daß Frankreich wohl nicht auf den guten Willen Deutschlands zählen könne, weshalb die notwendige Aufmerksamkeit und Wachsamkeit aufgewendet werden müsse. Er, Loucheur, bedauere durchaus nicht, daß der damalige Kriegsminister Lefevrr 2,5 Millionen für die Erwerbung des Verfahrens genehmigt habe. DH.Deutschland di« nötige» Maschine« nicht lies«« >
j werde, sei nicht zu Lesilrchie«, venu die Franzose« stände« ja am Rhein, (!) Frankreich sei heute in der Lage, die Errichtung derartiger Unternehmen in dem erforderlichen Umfang zu entwickeln. Im Verlauf der Debatte trat Loucheur nachdrücklich für die Vermehrung der Kokereien in Frankreich ein. Man habe Koksöfen im Süden und im Zentrum Frankreichs ausgelöscht, um diejenigen im Osten in Tätigkeit erhalten zu können. Das sei ein großer wirtschaftlicher und politischer Fehler. Die Koksöfen müßten in Südfrankreich und in der Normandie errichtet werden. Bei dem vorliegende» Gesetzentwurf handele es sich um einen Versuch, um eine neue Formel, wodurch man Erzeuger und Verbraucher an den Unternehmungen beteiligen wolle.
Ein Beispiel wie es wäre . . .
Essen, 9. Febr. Gestern Nachmittag versuchten die Fran. zosen einen Schupobeamten, der nicht gegrüßt hatte, festzunehmen. Dieser floh. Ein französischer Posten legte auf ihn an. Ein anderer Schupo-Beamter, der in der Nähe war, zog die Pistole und richtete sie auf den Franzosen. Der Franzose schoß nicht. Ein französischer Offizier holte den französischen Posten in die Wache hinein.
Berlin, 9. Febr. Wie die Blätter aus Essen melden, wurde gestern Vormittag das große Schaufenster der französischen Buchhandlung im Hauptbahnhof zertrümmert. Ein französischer Offizier stellte einen in der Nähe stehenden Schupo-Beamten zur Rede und wollte ihn ohrfeigen. Eine rasch zufammengeströmte Menschenmenge entwaffnet« darauf den Franzosen.
Zmmer neue Truppenverftärknnoen.
Essen» 8. Febr. Dem städtischen Besatzungsamt wurde vom Stab der l§8. französischen Infanteriedivision mit-e- teilt, daß in 3 bis 4 Wochen noch ein Bataillon, bestehend aus 3 Jnfanteriekompagnien und einer Maschinengewehrkompagnie von 500 bis 600 Mann und 80 Pferden, aus Frankreich eintreffen würde. Für die Unterbringung im
'"k Bredcney sollten Vorkehrungen getroffen we-den. In Bracke! ist eine Kompagnie Eisenbahntruppen eingetroffen.
Die italienischen Ingenieure bleiben selbstverständlich.
Berlin, 8. Febr. Nach einer Meldung der „Rassischen Zeitung" aus Essen bestätigt sich die Abreise der italienischen Ingenieure aus Essen nicht. Lediglich ein italienischer Ingenieur sei nach Paris gefahren, habe aber vor seiner Abreise erklärt, daß er in kürzester Frist zurückkehren werde.
Die Arbeiterschaft
gegen die Wirtschaftsspionage der Franzosen.
Berlin, 8. Febr. Nach einer Meldung aus Bochum suchten mehrere französische und belgische Ingenieure um die Genehmigung zur Besichtigung der Achsendreherei des Bochumer Vereins nach. Die Genehmigung wurde ihnen verweigert. Da man damit rechnete, daß die Ingenieur« mit Gewalt ein« Besichtigung durchsetzen werden, beschloß die gesamte Arbeiterschaft des Werkes einschließlich der Kommunisten und Unioniston, die Arbeit niederzulegen, falls von der Besatzung irgend ein Gewaltakt unternommen werde.
Die weiteren Absichten.
Trennung Sliddeutschlands von NordLeuLschland. — Die Hoffnung auf die deutsche« Katholiken.
Brüssel, 8. Febr. „Das 20. Jahrh." schreibt: Die Besetzung Ofsenburgs in Baden ist eine neue Sanktion, die die Verbindungen Norddeutschlands mit dem bayerischen, badischen und württembergischen Süden bedroht. Das ist zweifellos die Einleitung zu dem Vormarsch der Franzosen nach der tschechischen Grenze, nach dem Maintal, Würzöurg und Nürnberg. Eine derartige Besetzungslinie würde das deutsche Reich in zwei Teile zerschneiden. Wir würden also hiedurch das ge amte katholische (!) Deutschland in Händen halten, bei dem die Preußen besonders verhaßt sind und das uns am wenigsten feindselig gesinnt ist. (!!)
Der Kohlenraub wird allgemein.
Essen, 8. Febr. Da die Zechen sich andauernd weigern, den Besatzungstrupp-n Kohlen zu liefern, haben die Franzosen erklärt, daß sie die Kohlen beschlagnahmen würden, wo immer sie sie fänden. Tatsächlich sind bereits mehrere Kohlenladungen und auch Deputatskohlen in den Straßen Essens beschlagnahmt worden.
Auch die Lothringer Bergarbeiter streiken.
Saarbrücken, 8. Febr. Der Streik der Lothringer Bergarbeiter ist heute zur Tatsache geworden, nachdem die gestrigen Verhandlungen ergebnislos verlaufen sind. In ganz Lothringen liegen die Bergwerke still.
Um die Anwendung
deutscher chem.jcher Patente »n Frankreich.
Paris, 7. Febr. Im weiteren Verlauf der gestrigen Nachmittagssitzung der Kammer führte der Berichterstatter Leboucqu über den Gesetzentwurf betreffend die Fakrikation von synthetischem Ammoniak im Einzelnen aus, daß das in der Konvention vom 11. November 1919 von den badischen Anilinsabrlken übernommene Haber'sche Verfahren durch eine Konzession einer Gesellschaft übertragen werden soll. In der Gestalt, die der Entwurf in der Kommissionsberatung erhalten hat, sieht er jedoch vor, daß die Gesellschaft auch sämtliche in Betracht kommenden übrigen Verfahren ausbeuten kann. Hauptaktionär der für 99 Jahre errichteten Gesellschaft ist der Staat. Er bringt 5 Millionen Franken und als Betriebsanlage die Pulverfabrik von Toulouse ein, für die jährlich 500 vüü Franken Miete und eine Beteiligung von 10 Prozent am Gewinnüberschuß bezahlt werden sollen. Der Staat übernimmt 250 000 von insgesamt 500 000 Aktien, gleich 23 Millionen Franken; die übrigen Aktie» werden unter da« Publikum, die am
Betriebe tnteressierien landwirtschaftlichen Verbands, hie Verbände der chemischen Industrie, sowie die Arbeiter- gewerkfchaften und Arbeitergenossenschaften verteilt, die sämtlich im Aufstchtsrat vertreten sein werden. Der Berichterstatter trat dem Abgeordneten Prefet, der die Vertagung des Gesetzentwurfs verlangte, mit der Begründung entgegen, daß in Wirklichkeit doch nur das Haber'sche Ver- fahren ausgebeutet werde. Im übrigen erklärte der frühere Krieg-Minister Lefevre, er habe in seiner ehemaligen Eigenschaft als Kriegsminister die Verantwortung übernommen für dis Zahlung von Millionen Franken an die Badischen Anilinfabriken. Man möge ihm nicht mehr von der Nationalität dieses oder jenes Verfahrens reden. Im Krieg habe man von französischer Seite das Faberlche Verfahren größer zu spüren bekommen. Denn ohne dieses Verfahren Hütte Deutschland den Krieg nicht mit der de- kannten Intensität führen können. Im weiteren Verlauf zog Prsvet seinen Vertagungsantrag zurück. Die Fort- setzung der Debatte wurde sodann auf Donnerstag nachmittag vertagt.
ElillükdWsi! a» die Mlerie» ?
Die Türken stellen erneut die Forderung der Ab ahrt der aüuerten Kriegsschiffe ans Smyrna.
Parts, 8. Febr. Stach einer Meldung aus London verlautet dort aus Konstantinopel, der Gouverneur von Smyrna habe dem französischen Konsul mitgeteilt, daß eine neue Frist von 24 Stunden für die Abfahrt der Kriegsschiffe gewährt weise, damit der Gouverneur noch Instruktionen aus Angora einholen könne. — Aus Smyrna meldet Havas, daß die Nacht ruhig verlaufen sei. Der französische Konsul habe dem türtischen Gouverneur mitgeteilt, daß mehrere Mitglieder der französischen Kolonie Smyrna zu verlassen wünschten, und sich heute Vormittag einschisfen würden. Der englische Kreuzer „Couracau" habe Befehl erhalten .nach Smyrna zu gehen. Auf der Reede von Smyrna lägen von französischer Seite ein Kreuzer, ein Torpedoboot und ein Kanonenboot, England sei durch einen Kreuzer, die Vereinigten Staaten (!) seien durch 4 große Torpedoboote und ei» Kreuzer vertreten.
Die Franzosen sind erstaunt, daß die Liirnen »hre Poiftm durchschauen.
London, 8. Febr. Neuter meldet aus Konstantinopel: Der französische Oberkommissar Pellet hat di« türkischen Journalisten empfangen und ihnen seine Verwunderung über die Acnderung des Tones in der türkischen Presse gegenüber Frankreich ausgesprochen. Er hat darauf hinge« wiesen, wellte Dienste Frankreich der Türkei erwiesen habe dadurch, daß es verhindert habe, daß dem Friedensvertragsentwurf die Form eines Ultimatums gegeben wecde. Ueber die Lausanne! Verhandlungen jagte Pellet, die Haltung der türkischen Delegation sei offenbar infolge eines aus Angora eingetrofsenen Telegramms beeinflußt worden.
Die Auffassung in Angora über den Abbruch der Laufanner Konferenz.
London, 8 Febr. Aus Konstantinopel wird gemeldet, oas Blatt „Pen! Gun", das von dem Vorsitzenden des Auswärtige« Ausschusses der Nationalversammlung in Angora redigiert werde, veröffentliche eine zweisellos inspirierte Meldung, wonach die offizielle Tragweite des Bruchs in Lausanne nicht nur die Mudaniakonvent'on, sondern auch das Angora-Abkommen mit den Franzosen ungültig mache. Wenn der Bruch endgültig sei. so werde der Krieg wieder ausgenommen werden. Der „Times" zufolge wird jedoch in Konstantinopel erklärt, die Lau- sanner Konferenz sei nur unterbrochen worden, um den Delegierten zu ermöglichen, ihre Regierungen zu befragen.
NeberMe aus Engländer in Konstantinopel.
London. 8. Febr. Infolge eines neuen Mordanschlags auf einen Engländer hat die britische Behörde für Konstantinopel einen Militärkommissar ern -nitt, Ser die gegenüber solchen Verbrechen notwendigen Schritte ergreifen soll. Der Distrikt, in dem der Uebersall stattsand. ist durch Militär gesperrt. Die Einwohner sind mit schweren Geldbußen belegt worden. — Die Engländer arbeiten mit denselben Methoden in der Türkei, wie die Franzosen im Rheinland. _—_.
Zur auswärtigen Lage.
Eine formell: Verfügung der Uianische« Negierung.
Memek, 8. Fcbr. Die hiesige litauische Vertretung veröffentlicht eine Verfügung der litauischen Negierung, nach der alle Litauer, die nach dem Memelgebiet Ubergetretcn sind, um an den Ereignissen teilzunehmen, bis zum 9. Februar nach Litauen zurückkehren müßten, widrigenfalls rechtliche Schritte unternommen werden. — Bekanntlich haben auch die Polen einmal eine solche Verfüg-,ng erlassen, während man tatsächlich aber Korsanto weiter unterstützt.
Die englische Kriegsschuld an Amerika.
4 Milliarden Dollar.
London, 8. Febr. Reuter meldet aus Washington: Der Bericht der amerikanischen Cchuldenkommission ist. wie be- reits gemeldet, vrn Harding dem Kongreß unterbreitet worden. Er setzt die Hauptsumme der zu fundierenden britischen Schuld mit 4 Ö74 818 VLV Dollar fest. Dis bis zum 15. Dezember 1922 aufgelaufenen und noch nicht bezahlten Zinsen betragen bei einem Zinssatz von 4)L Prozent 629 836 000 Dollar. Hiervon sind abzuziehen die von