l,

(Enztalbote)

Amtsblatt für Wrldbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

krlcüelnt lSglicü, ausgenommen Lonn- u. öelerwgs. kerugspreis monatlich Mk. 4.86. vierkeijäkrlicli 13.50 frei ins kmus gelielerl; ciurct, cüe Post bezogen im lnneräeullcüen Verkekr Mk. 15.00 rinscülieölicb post- bestellgeiä.

Anreigenpreis: Uie e>nlosislge k'eiUzüie oüer gcren kaum 50 psg.. ausvvsns 60 plg.. kek>ame?.eilen 1.50 Mk.. bei größeren /tutirsgen ksbstt nscst Lsrik. äctilus cter ünreigensnnanme: läglicv 8 tltir vor­mittags.

Druck der Buchdruckerei Wildbader Lagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Kummer 93

Fernruf 179

^/ücibsci. 5sm5tgg öen 23. ^pril >u. j

Fernruf 179.

55'nrgsng

Tagesspiegel.

Der württ. Landtag befaßte sich in seiner FreitagS- sitzung mit dem Polizeisperrgesetz, wobei es zu stürmi­schen Austritten zwischen der Sozialdemokratie und Mi­nister Graf kam.

Die amerikanische Regierung hat das Ersuchen der deutschen Neichsregieruna, in der Ent'chädigungsfrage als Schiedsrichter mitzuwirken, abgelehnt.

Die Reichsregierung hat der Entschädigungskommission eine Note zugehen lassen, in der Vorschläge für den Wiederaufbau Frankreichs gemacht ewrden.

Im Reichstag gab Minister Dr. SimonS eine Er­klärung über die Note der Regierung an Präsident Har- ding ab.

- Im preußischen Landtag hat Ministerpräsident Ste- gerwald seine Programmrede gehalten.

Die Verbandskommission in Oberschlesien empfiehlt die Zuteilung der Bezirke P.', Rybnik und Tarnopol mit einer Anzahl weiter vorwiegend polnischer Gemeinden an Polen.

In der englischen Presse wird der Anruf Deutschlands «n Harding als Kniff bezeichnet.

Sonntagsgedanken.

Es wird Frühling.

ES grünt und blüht, es wird Frühling mit jener unfehlbaren Sicherheit, die wir an allem, was sich sonst um uns her begibt, so schmerzlich vermissen. Ist uns nicht allen eben diese unbedingte Zuverlässigkeit der Na­tur draußen jetzt ein besonderer Trost? Jedes sprie­ßende Blättchen, jede schwellende Knospe verkündet: Es gibt doch ein Beständiges unter dem Wechsel. Es gibt eine Wiederkehr alles Lebendigen.

M. Rade.

Wochenrunds chan.

Im Antikentempel beim Neuen Palais in Potsdam ist die verstorbene Kaiserin Auguste Viktoria am 19. April beigesetzt worden. An der Feuer nahmen viele deutsche Fürsten, über 7000 Offiziere des frühe­ren Heeres, darunter Hindenburg, Ludendorff, Macken­sen und andere Führer teil. In dem großen Park, in dem der Tempel friedlich gebettet liegt, sollen nach den Berliner Blättern mehr als 50000 Menschen in an­dächtiger Stille dem ernsten Akt angewohnt haben.

Und drüben in Berlin brodckte unterdessen der Streit in den Parteikesseln weiter. Man konnte sich über die neue Regierung in Preußen nicht einigen, trotz­dem schon wochenlang verhandelt worden war. Ste- gerwald, der am 9. April zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, mühte sich lange vergebens ab, ein Kabinett zusammenzubringen, bald unter die'em, bald unter jenem Gesichtspunkt. Hals alles nichts. End­lich bekam Stegerwald die Sache satt. Er einigte sich mit den Demokraten und bildete ein sogenanntes Kvali- tionsministerium der bürgerlichen Minderheit aus Zen- trum und Demokratie. Dann schrieb er dem preußischen Landtag, daß er wegen der persönlichen Angriffe, denen er bei den Verhandlungen mit den Parteien ausgcsetzt gewesen sei, die Ministerpräsidentschast wieder zur Be­setzung frei stelle. Das war natürlich nur eine Form­sache, denn es war nicht zu bezweifln, daß Steger- wald vom Landtag sofort wieder gewählt werde. Das ist denn auch am 21. April geschehen. Von 371 abge­gebenen .Stimmen fielen 227 auf ihn; er erhie.t albe Stimmen der bürgerlichen Parteien. Aber die Sozial­demokraten wählten ihn diesmal nicht, wie sie es am 9. April getan haften; auf ihren Kandidaten Braun fielen 100 Stimmen. Die Unabhängigen gaben

ihre Stimmen nicht dem Sozialdemokraten, sondern ihrem Mitglied Ludwig, der 21 Stimmen erhielt, die Kom­munisten gaben weiße (ungültige) Zettel ab. Das preuß. Kabinett besteht nun aus 2 Angehörigen des Zentrums, Stegerwald (Präsident und Wohlfahrt), Am Z e h fi­sh off (Justiz) und 2 Demokraten Fischbeck (Handel),

Dominikus (Inneres), von denen die erst n drei iryon im bisherigen Kabinett saßen, ferner aus drei Beamten: Präsident des Landessinanzamts Kassel Sämisch (Fi­nanzen), Ministerialdirektor Dr. Warmbold (Land­wirtschaft) und Staatssekretär Dr. Becker (Kultus).

, Dr. Warmbold war früher Direktor der laudwirtschaft- i lichen Schule in Hohenheim, ist also wie Sämisch Fach- ! mann. Da nun aber das neue Kabinett parteimäßig von ! 428 Stimmen nur 110 hinter sich hat, ist es auf die j Unterstützung derRechten, der Deutschnatlonalen Volks- s Partei und der Deutschen Volkspartei angewiesen, die ihm : wohl auch nicht versagt werden dürste, da Stegerwald 's sich in diesen Parteien großer persönlicher Beliebtheit s erfreut und den Parteien daran gelegen sein muß, end- f lich eine Stetigkeit in der Regierung herbeizuführen. Die ! Sozialdemokratie hat durch ihre Abstimmung Sftger- ^ Wald das Vertrauen entzogen und ist in die Opposition s getreten. Die sozialdMrokratische Fraktion ist aber die s stärkste im Landtag, und wenn auch die bürgerlichen s Fraktionen zusammen eine sichere Mehrheit darstellen, s so wird die Stellung des Kabinetts doch eine schwie- ? rige sein.

? Immerhin ist jetzt doch vorläufig in dem größten s Bundesstaat wieder ein fester Punkt geschaffen und das r wird hoffentlich nicht ohne günstige Rückwirkung aus die l Reichsregierung bleiben, denn auch da ist nicht s alles im Blei. Im Reichskabinett sollen Meinungs- verscüiedenheiten über die Entschädigungs­frage bestehen. Die Vorschläge, die Dr. Simons dem Verband durch eine neutrale Vermittlung machen will, haben nicht ungeteilten Anklang gefunden. Auch die miß­glückte Werbung für eine neutrale Vermittlung soll Be­denken hervorgerufen haben. Die Schweiz und der Vati­kan hätten wopl k.in Bedenken getragen, dem Präsidenten Harding den Wunsch der Reichsregierung, die Ent- schädigungssrage in die Hand zu nehmen, ans Herz zu legen, wenn sie sich nicht vergewissert hätten, daß der Verband jede Einmischung entschieden ablehne. Frank­reich hat das ja auch mit aller Entschiedenheit erklärt. Harding, so heißt cs, wäre für sich nicht abgeneigt, aber er wolle von allen beteiligten Staaten dazu au,gefordert sein.

Da kam nun die überraschende Mittei.ung, daß die Reichsregierung durch den amerikanischen Geschäfts­träger in Berlin, Äresel, sich selbst im Namen des deutschen Volks an den Präsidenten Harding mit der Bitte gewandt habe, die Vermittlung in der Entschädi- ungsfrage zu übernehmen und die Zustimmung der Ver- ündeten herbeizusühren. Die Reichsregierung ver­pflichtet sich im voraus, seinen Schiedsspruch dem ' Wortlaut wie dem Geiste nach zu erfüllen. Das ist ein Schritt von ungeheurer Bedeutung. Wir wissen aus den Berichten des PariserMatin" über die 'Ime- rikarrise des französischen Sondergesandten Viviani, düß dieser sich in Washington zwar eine glatte Absage in bezug auf die französischen Wünsche über die Aner­kennung des.kerbunds, über ein Wafsenbündnis ge- am De'tsch'and, über die Art der Verteilung der deut­schen Kolonien und über die Eiu'etzung eines allgemeinen Arbeitsrats g holt hat, aber Harding und seine Re­gierung habcu das Vorgehen des Verbands g'gen Deutsch­land, die Entschädig engs orderungcn, die Entwaffnung und ebenso die Art der'Beeinflussung Deutschlands durch B setzung und andere Sanktionen, den Raub der deut­schen Provinzen, Schisse usw. durchaus gebilligt. Zwar ist Harding ohne Z ocisel ein ehrlicherer Charakter als Wilson, aber von irgendwelchen freundlichen Regun­gen gegen Deutschland kann bei ihm doch wohl auch keine Rede sein. Darum wäre cs ganz unangebracht, von ihm eine für uns günstige Beeinflussung der Ver­handlung m zu erwarten.

Der Schritt der Reichsregierung hat bei verschiedenen Parteien des Reichstags eine ungünstige Aufnahme gefunden und es ist wohl möglich, daß die Krise da­durch wi der eine Verschärfung eräht. Zum Unstern hat Präsident Harding das Ersuchen der Reichsregierung abgelehnt, mit vielen nichts- sagenden Worten, aus denen aber wenigstens soviel her­vorgeht, daß die Regierung der Vereinigten Staaten keineswegs gesonnen ist, Deutschland irgendwie zu Hilfe > zu kommen, daß sie vielmehr in ihrem Interesse die - Entschädigungsfrage zur Zufriedenheit der Verbündeten baldigst erledigt sehen will und zu diesem Behuf ausrei­chende Vorschläge von Deutschland erwartet. Solche Vor­schläge, soweit sie den Wiederaufbau in Frankreich und

; Belgien berühren, sind übrigens zugleich mit der Note ! an Harding dem Verband bereits übermittelt worden.

, Lloyd George und Briand haben nun, wenn 1 sie sich am 23. April in dem englischen Badeort Hythr . ' treffen, vollkommen freie Hand. Allerdings wird Har- ! ding, um sich aus dem Laufenden zu erhalten, auch ' einen Beobachter hinschicken, der aber nach der Ab­lehnung des deutschen Vermittlungsantrags kein großes Hindernis mehr sein dürfte. Marschall Foch hat mit anderenSachverständigen" die militärischen Sachverständigen spielen die Hauptrolle, seitdem das Wort derSanktionen" für die Gewaltmaßregeln gewählt wor­den ist schon einen Plan ausgearbeitet, wie man nach dem 1. Mai, der letzten Frist, dieNichterfüllung des Friedensvertrags" austreiben kann. Es soll wieder einen fröhlichen Kri g gegen ein wehrloses Volk geben und der Marschall will dazu aus deutsche Kosten natürlich ein Frciwilligenheer von 100 000 Mann auf die Beine bringen. Die neuen Sanktionen kennen wir schon aus den französischen Blättern. Das ganze Jndu- st riegebiet an der Ruhr und weit hinein nach Westfalen wird besetzt. Die Kohlengruben ar­beiten nur noch für den Feind, der bestimmt, wie­viel er von der Förderung noch den Deutschen für ihren Gebrauch überlassen will. Er kann aber für Deutsch­land die Kohftnabg rbr g a n z sperren, wenn es feine VertragSpslichten nicht erfüllt". Obendrein wird auf jede Tonne Kohlen eine Abgabe für den Verband von 5070 Franken gelegt, der Deutsche muß also künftig seine eigenen Kohlen, wenn er sie erhält, um etwa 1.20 Mark für den Zentner teurer bezahlen ohne die Preissteigerung, die wegen der Lohnerhöhung an sich schon eintreten wird. Von dem Betriebsgewinn der ganzen Industrie jener Gegenden wird der Ver­band ferner den größeren Teil für lieh cinstreichen, unbe­kümmert darum, daß das Privatvcrmögen ist, das von zivilisierten Staaten sonst seit Jahrhunderten respe' eiert wurde. Aber freilich, sie haben ja auch im Sommer 1919 die Reichsbank der Hälfte ihres da­maligen Goldbestands, der 2265 Millionen Mark betrug, beraubt, obgleich die Reichsbank ein P r i v a t aktienunter- nehmen ist, und jetzt verlangen sie, daß der Rest des Goldbestands mit rund 1100 Millionen in die Reichs- banftiliale nach Mainz oder Koblenz unter ihreKon­trolle" alsBürgschaft" gebracht werde. Wenn auch dwse Deckung unseres Papiergelds schwände, so kann man sich v'orstellen, was unsere Noten noch wert wären und welche Teuerung kommen mütße. Zur Ergänzung machen die englischen Sachverständigen noch den Vor­schlag, das oberschlesische Industriegebiet als Sonderftaat 30 Jahre lang durch den Verband zuver­walten"; der Verband könne in dieser Zeit etwa 75 Mil- liarden Goldmark für sich aus dem Land Herauspressen und den hungrigen Polen könne man ja auch ein paar Knochen hinwerpn.

Lloyd George ließ durch sein BlattDaily Chronicle" wissen, daß er gegen die sranzö.ischen Absichten nichts cinzuwenden habe. Mit den neuen Sanktionen ist a.so ziemlich sicher zu rechnen. Es bleibt nun beinahe nur noch die Hauptsache eine offene Frage: wird der Ver­band mit den Sanktionen von Hythe mehr Glück haben als mit denen von London? Die 50prozemige Auflage aus die deutsche Aus.uhr hat sich in England schon als ein Fehlschlag erwiesen, der die eng.ischen G-schästslcute fast ebenso schädigt als die deutschen. In den ersten 15 Tagen ist die Einfuhr von Waren, die man in England nicht missen möchte, um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die Zollabsperrung des b.setzten Gebiets vom Reich droht zu einer fürchter.ichen Blamage zu werden, denn schon am ersten Tag ihres Ink afttr tcns, am 21. April, war die Verwirrung so groß, daß der Güterverkehr fast ganz stockt. In einem solch m Verkehrsgebiet kommt man eben nur mit deut­sch m Fleiß und deutscher Pünktlichkeit zurecht, aber nicht mit Schlamperei und Großmäu.igkeit. Wenn es nun die Industriellen, die Ingenieure und die Arbeiter um Ruhrg.biet'ebenso machen wie die Zollbeamten in der Pfalz und den Karren stehen lassen? Herr Foch wird ihn auch mit 200000 Freiwilligen nicht in Gang brin­gen. Man kann ja, wie es die Nheinlandkommis ion, die Vertreterin des Völkerbunds, den deutschen Zollbe­amten gegenüber getan hat die Pchlzer sind beizeiten über den Rhein gegangen, auch die Nuhrleute für