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nztalbote
Amtsblatt für Wil-bad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
Hummer 10
Fernruf 179.
r»m Aurr üer kiMiilildieii Kkgiemllg.
Dos Ministerium Leygues wurde von Anfang an wohl kaum als ein Kabinett von Dauer betrachtet, auch von Millerand selbst nicht, der nach seiner Wahl zum Präsidenten der Republik im September 1920 Leygues als Ministerpräsidenten berief. Zunächst wenigstens wollte Millerand die Leitung der französischen Politik, die er bis zum Rücktritt des angeblich geistig kranken Dcschanel als Ministerpräsident geführt hatte, nicht aus der Hand geben und darum fiel seine Wahl auf Leygues, von dem er wußte, daß er keine eigenen Wege gehen und die ihm vorgezeichnete Richtung einhalten werde. Im großen und ganzen dürfte Millerand auch wenig Grund haben, sich über Leygues zu beklagen. Umso schärfere Gegnerschaft erwuchs Leygues dagegen im Parlament von der starken Richtung derer, die man, ohne Rücksicht auf ihre innerpolitische Stellung, als die „Bereinigte Kriegspartei" bezeichnen kann und die als gemeinsames Schlagwort die größtmögliche Stärkung der Macht Frankreichs die die größtmögliche Schwächung Deutschlands hat. Ihre einflußreichsten Mitglieder sind Poincare, Tardieu, Barthou, Viviani, Foch, Lefevre usw. Ihnen war der gemäßigte Leygues von Anfang an unbequem. Er machte ja auch bei der letzten Ministerkonferenz in London wirklich keine gute Figur. Als es da an bestimmte Fragen ging, für die seine mitgebrachten Anweisungen nicht ausreichten, wußte er-sich nicht mehr zu helfen; er kehrte rasch nach Paris zurück, um sich dort Rats zu holen. Diese Unselbständigkeit wurde natürlich von seinen Gegnern weidlich ausgenützt und es wäre wohl schon in den bekannten Kammersitzungen vor den Weihnachtstagen, als der frühere Kriegsminister Lefevre seine Hetzrede gegen Deutschland hielt, zum Sturz des Kabinetts gekommen, wenn man sich nicht geeinigt hätte, erst das Ergebnis der Senatswahlen, aus dem ein Drittel der Mitglieder auszuscheiden hatte, abzuwarten. Die Wahl hat aber im allgemeinen wohl eine gewisse Parteiverschiebung, aber keine Richtungsänderung gebracht; die „Kriegspartei" besteht in alter Stärke fort. Das war das Todesurteil für das Kabinett Leygues. In der Kammer wurden drei Interpellationen, sogenannte Große Anfragen eiugebracht, von denen man wußte, daß die Regierung sie vor der bestehenden Zusammenkunft des Obersten Rats in Paris gar nicht beantworten konnte, denn in der Hauptsache soll ja erst der Oberste Rat über gewisse Fragen entscheiden. Andererseits war d'r „Kriegpsartei" daran gelegen, Frankreich in der Beratung des Obersten Rats durch einen Politiker vertreten zu sehen, der England und Italien zusammen gewachsen und die französischen Ueberforderungen gegen Deutschland, wie seinerzeit Millerand, durchzusetzen in der Lage ist. Die Zeit drängt. Hat man doch soeben von Amerika erfahren, daß dieses die Knebelung Deutschlands nicht mehr mitmacht, ja sie vielleicht, wenn der neue Präsident Harding im Amt ist (im Mai), zu verhindern suchen wird. Ms daher, wie erwartet war, Levgues die sofortige Beantwortung der Anfragen ab- lel'ute und die Vertrauensfrage stellte, beschloß die Kammer mit großer Mehrheit, die sofortige Beantwortung zu verlangen. Damit war das Kabinett gestürzt. Ley- gnes begab sich mit sämtlichen Ministern sofort in den Elisec-Palast zu Millerand, um ihm den Rücktritt des Ministeriums bekannt zu geben.
lieber den Nachfolger' gehen die verschiedensten Gerüchte um. Es scheint sicher zu sein, daß Poincare, Briand, Peret und Arago, der den letzten Stoß gegen Levgues führte, in das neue Ministerium, das am Samstaä odm Sonntag fertig sein sohl, eintreten werden. Voraussichtlich wird aber die Zusammenkunft des Obersten Rats verschoben werden, vielleicht bis in dm Februar Dann müßte aber auch die Wiederaufnahme der Beratringen der Sachverständigen über die Kriegsentschädigung in Brüssel, die nach mancherlei Aenderungen für Ende Januar vorgesehen war, wieder hinausgescho- bm werden.
Wie der Sturz des Kabinetts Leygues in Absicht aus Deutschland zu beurteilen sei? An sich wird in dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich nichts geändert. Auch unter Leygues war die Haßpolitik so schlimm als je. Unter seiner Verantwortung kamen alle dst Noten zustande, die NM die Jahreswende Deutschland mit immer neuen Anklagen wegen angeblicher Vertrags-
Wildbkiö, kreilsg, üen 14. lunuerr 1971
Verletzungen überschütteten und immer neue schärfere Forderungen aufstellten, — man denke nur an das eigenmächtige Vorgehen Frankreichs in der grenzenlosen Ent- lvafsnuug usw. Bedeutungsvoller scheint es zu sein, saß Frankreich, je nachdem die Auswahl des Nachfolgers msfällt, im Obersten Rat wieder die maßgebende Führung übernehmen könnte, die es unter Millerand uubestrit- dm hatte. Mittelbar wird dies natürlich zumeist Deutschland treffen.
Fernruf 179.
SS. ^skrgkmü
Der Kampf um de Weltmeere.
n.
Aber Teile des englischen Weltreichs, Kanada Mio Australien, sind mit der Gegenseite im Bnno! Man sieht, wie das, was sich im Stillen Ozean vorbereitet, am Zusammenhalt des britischen Reichs zerrt. Geht es einmal hart auf hart, und. tritt dabei Englano hinter Japan, so werden Kanada uno Australien sich vermutlich selbständig machen. Es wecke eine der Ironien oer Welt geschickte, wenn Kanada, der erste gwße Preis, oen England 1768 im Kamps um das Atlantische Weltmeer gewann, im Kamps um das Stille Weltmeer wieder verloren ginge. Nebrigens braucht die LoSlösung Kanadas und Australiens aus dem Reichsverband mr England zunächst k in n allzu ernsthaften Verlust zu bedeuten, so wenig es die Loslösnng her Vereinigten Staaten von England bisher bedeutet hat. Anders wickds die Sache erst, wenn .England sich gezwungen sähe, in: IllprnMtstmn^Mnnchim^'Gejjenlä "SffM"MrieH e'gr i- °en. Die offene Feindschaft von fast ganz Nordamerika knd Australien wäre für England, auch im Bund mit Japan, schpier zu ertragen. «Andererseits würde di' offene Feindschaft Japans eine ung-chmre Gewhr für Englands indisches R'sick bedeuten. Spitzen sich die Dinge ein mal zur Entscheidung zu — was ebensogut in 5 wie in 10 oder 50 Jahren der Fall sein kann —, so wird die Versuchung für England groß sein, in Gemeinschaft mit Nordamerika und Australien Javan abznwürgen, seinen besten Helfer gegen den russischen Wettbewerb in Ostasien, wie es Preußen-Deutschland, seinen besten Heller gegen den französischen Wettbewerb, abgewürgt hat. Wah scheiulich wird die englische Staatskunst sich über die Schwierigkeiten des Augenblick? durch das ihr geläufige Doppelspiel hinwegznhel'en suchen, indem sie Kanada und Australien gelassen gegen Japan arbeiten läßt, während das Mutterland, Indiens und des Pangtsetales wegen, solange wie möglich im Bund mit Japan verbleibt. Allerdings wird solch eine Hasiung den Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, der auch ans anderen Quellen dauernd genährt wird — Handelswcttbewerb, Petrolenmkrieg —, nur zu leicht verschärfen. Es scheint in Amerika hinterher doch schon böse verschnupft zu haben, daß England im Krieg, während es in Neuhorl üm eine Anleihe bettelte, heimlich die deutschen Inseln im Stillen Weltmeer an Japan verschachert hat. Und daß England für Japan drei Schlachtschiffe größten Aus- maßes baut, wird ihm von Amerika sehr übel vermerkt.
Sollte der Ring um Japan sich eng und enger ziehen, so würde es in bezug auf Deutschland vielleicht noch dieselbe Erfahrung machen, die wir, in unserem Kampf ums Dasein in bezug auf Japan gemacht haben. Von allen Unsimngkeiten der wilhelminischen Politik war die Behandlung Japans wohl die unsinnigste. Ein Japan, das mit Deutschland so befreundet geblieben wäre, wie es das bis 1895 war, hätte die Einkreisung unmöglich gemacht, weil es einen starken Teil der russischen Macht gebunden hätte. Trotz der deutschen Torheiten von Schi monoseki und Kiautschon, war es aber möglicherwei e ein entscheidender Fehlgriff von Japan, an der Zerstörung der deutschen Weltmacht mitzuarbeiten. Denn die deutsche Macht hätte im Augenblick, wo der Kamps um das Stille Weltmeer entbrannte, die Macht des englischen Mutterlands gebunden gehalten und England stets^ verhindert, im Rmg japanischer Einkreisung den Schlußstein zu machen. Wenn Japan also heute der englischen Willkür bis zu einem gewissen Grad wehrlos ansgeliefert ist und sich ein englisches Doppelspiel schweigend muß gefallen lassen, so dankt es das der Vernichtung des deutschen Machtfaktors im System der Weltmächte.
Vernichtet bis auf weiteres ist auch der Machsiaktor Rußland. Da aber die russischen Revolutionäre sich wohl gehütet haben, ihr Volk seines natürlichen
Machtwerkzeugs, des Heers, selbst zu berauben, so kann Rußland als weltpolitischer Machtfaktor rascher wieder dastehen, als wir heute anznnehmen geneigt sind. Ob es dann aber noch Anwohner des Stillen Weltmeers sein wird? Japan sowohl wie seine amerikanischen Widersacher werden keine Anstrengung scheuen, Ostfiüirien vom Zusammenhang mit dem europäischen Rußland zu lösen und es in rhre Einflußsphäre einznbeziehen. Möglich, f daß hier, weit entfernt von Englands asiatischen Be- j sitzungen, der stille Machtkampf zunächst ausgesuchter: j wrrd. Wobei dann ja die angenehme Zukunftsmöglichkeit ! bliebe, ein wiedererstarktes Rußland auf den sibirischen i Mitbesitzer loszulassen, der England am lästigsten würde! ! Denn Englands Politik denkt m Erdteilen und in Jahrzehnten, was der verflossene „neue Kurs" in Deutschland nie begriffen hat.
Die Besoldungserhöhung.
In der „Nordd. Mg. Ztg." veröffentlicht der frühere sozialdemokratische Staatssekretär Dr. August Müller eine liebersicht der Besoldungserhöhungen, die von allgemeinem Interesse ist, zumal bei den häufigen Aenderungen und der verwickelten Besoldungsweise nach Dienstalter, Familienstand, Ortsklassen, Tcurungszulagen usw. eine weitgehende Unklarheit über die so wichtige Frage — hat doch das Reich allein für Beamte und Arbeiter ohne das Heer jährlich bis jetzt über 16^2 Milliarden aufzubringen — herrscht.
Das in den Verhandlungen vom 7. und 8. Januar getroffene Abkommen erhöht bekanntlich den bisherigen Teurungszuschlag von 50 »/<> auf 70 «/o für Ortsklasse L, auf 65 0/0 in Ortsklasse ich auf 60 «/o in Ortsklasse 6 und auf 55 °/o in Ortsklasse v und L (kleinste Gemeinden). Die gegenwärtige Besoldungsordnung teilt die gesamte Beamtenschaft in 14 Besoldungsgruppen ein. Daraus ergibt sich folgende Aenderung gegen die seitherigen Besoldungsbezüge, wobei als Beispiel ein Beamter der fünften Stufe (jede Ortsklasse ist in 9 Stufen von je 2 Dienßtjah-en eingekeilt), die die personenreichste ist und nach a Dienstjahren erreickt wird, mit Frau und zwei Kindern von 6 bis 14 Jahren (bei mehr Kindern erhöben sich die Bezüge entsprechend) in Ortsklasse F ins Auge gefaßt ist:
Ein Beamter in der fünften Stufe, die nach mehr als acht- bis zehnjähriger Tätigkeit erreicht wird — eine Stufe,, die man als Durchschnittsstnfe betrachten kann —, mit zwei Kindern von 6 bis 14 Jahren erhält unter Berücksichtigung aller Zulagen in der Ortsklasse L folgendes Endgehalt, dem zum Vergleich das bestehende Endgehalt und das Gehalt, das nach den aufgestellten Forderungen erreicht worden wäre, gegenüberaestellt ist:
Be
Gegen
Ge
Verein
soldungs
wärtiges
fordertes
bartes
gruppe
Gehalt
Gehalt
Gehalt
II.
15 150
18 390
16 770
III.
16500
19 650
18 300
VI.
17 250
20100
19 050
V.
18 000
20500
20 000
VI.
19 800
22 600
22040
VII.
20400
22 720
22 7 0
VIII.
22 650
25 270
25 270
IX.
24 300
26 430
27 140
X.
26 700
29 070
29 960
XI.
30450
33195
34110
XII.
33150
35 070
36 990
XIII.
40500
43490
45100
Der Unterschied der Ortsklassen kann sehr erheblich sein, wie folgendes Beispiel aus der fünften Gehaltsgruppe zeigt:
Vereinbartes Gehelt 20 000 182W l6800 15 585 15120
Es sei noch bemerkt: die erste Besoldungsgruppe umfaßt beim Eisenbahnpersonal, das für die Besoldnngs- resorm bei den Verhandlungen zunächst in Betracht kam, nur 6 Personen, fällt also aus; die zweite Amtsgehilfen, Bahnwärter Bahnhofsqehilsen: die dritte
Gegen
Ge
wärtiges
fordertes
Gehalt
Gehalt
18 000
20500
16 800
19150
15 900
18 >50
15150
17 325
14 700
16 800