wcsung übergegangenc Leiche der 74jähri<en Sophie Tretjakow. Die Slepanida Tretja- kow gab den Aerzien aus ihre Fragen die widersinnigsten Antworten. Die Aerzien stellten fest, daß man cs mit einer Irrsinn­igen zu thnn habe.Meine Schwester ist schon im Mai gestorben/ erzählte stk;aber sie bat mich, sie nicht zu beerdigen I Ich werde auch bald sterben, und dann kann man uns zusammen begraben." Es erwies sich des weiteren, wie dieNowosti" noch hinzufügen, daß die Unglückliche zwei Monate lang neben der faulenden Leiche ihrer Schwester geschlafen hat und erst dann in ein anderes Zimmer übersiedelte als die Ratten auch sie anzngreifen begannen. Die arme Wahnsinn­ige wurde ins Irrenhaus gebracht.

Paris, 25. Aug. Gestern wurden 15 unter ckoleraähnlichen Erscheinungen erkrankte Personen in Pariser Krankenhäuser ausge­nommen. Der Gesundheitszustand in Havre ist immer noch schlecht; gestern starben dort 30 Personen mehr als die doppelte tägliche Durchschnittszahl.

Rouen, 26. Aug. 200 choleraartige Er­krankungen sind in Darnetal und Dieppe- dalle, 70 in Oisscl festgestellt; von letzteren

verliefen 20 tödlich. Da- Entstehen der Epidemie wird dem Seinewasscr zugeschrieben.

Vermischtes.

Seine Hochzeitsreise per Luftballon zu machen, ist wohl bisher nicht tagewesen. Vor dem Bürgermeister der Stadt Brüssel erschien der bekannte Brüsseler Lnflschiffer Thiel und Fräulein Madeleine Bailly, um sich bürgerlich trauen zu lassen.Ihr Be­ruf," sagte der Bürgermeister nach der Trau­ung zu dem Ehegatten,setzt Sie über die Sphären dieses Lebens hinweg. Mögen so wenig als möglich Stürme Ihre gewagten Fahrern beunruhigen " Kurz nach der Trau­ung begaben sich die Neuvermählten nach dem alte» Kornmarkte, wo der Riesenballon, Voll­ständig gefüllt und von einigen 30 Männern gehalten, die Häuser überragte. Im Hoch­zeitskleid und mit einem großen Blumen­strauß in der Hand stieg die junge Luft­schifferin lächelnd in den mit Blumen und Kränzen geschmückten Korb.Auf Wieder­sehen Schwiegerpapa! Adieu Schwiegermama l Alles los?" rief der Luftschiffer und maje­stätisch erhebt sich der Ballon mit dem jungen Ehepaar in die Lüfte.

(Glückliche Gerber.) Von verschie­denen Gerbern wird behauptet, daß von den vorhergegangen Cboleraepidemien die Loh­gerber verschont geblieben stich. Es wird n. A. darauf hingnviefen, daß unt r der in den fünfziger Jahren in Lüttich in er­schreckender Weise ausgetretenen Cholera k-iu Gerber gelitten hat, daß ferner i» Konstan- tinopel das ganze Gerderviertel von der Pest unbehelligt geblieben ist. Ueber die Ursachen dieser merkwürdigen Erscheinung ist man in Gerberkreisen, wie leicht erklärlich, keiner über­einstimmenden Meinung. Es wird einmal auf die desinfizierende Wirkung des bei der Gerberei verwandten Kalkes hingcwiescn, ein besonderer Wert aber auch dem Sauerloh beigcmeffen, der die Luft erfrische und reinige. Es dürfte angebracht sein, wenn von ärzt­licher Seite dieser merkwürdigen Erscheinung, die von so vielen Seiten bestätigt wirb, einige Aufmerksamkeit zugewendct würde.

Fortschritt.

Was haben die Menschen schon Alles erdacht, Und scheinen weit mehr noch zu wittern l Am weitesten haben sie's darin gebracht,

Das Leben sich selbst zu verbittern.

In Sturm und Drang.

Novelle von C. Western.

(Nachdruck verboten.)

7.

Findest Du das wirklich, Papa?" er­widerte Eduard und errötete.

Allerdings, mein Sohn! Aber eins ge­fällt mir nicht, Du bist zu ernst zurückge- kehrt I"

Ich bin älter geworden, Papa I"

Hm, hm, da wird es Zeit, an eine pas­sende Verheiratung für Dich zu denken, Eddi I"

Eduard errötete nochmals und schwieg.

Was denkst Du von Fräulein von Sei­litz auf Rankow? Ihr Vater w>rd nicht nein sagen!" fuhr Herr Reichart fort.

Eduard lächelte und sagte ruhig:

Verbildet, Papa, klassiert, eine Mädchen ohne Seele, ist diese Josephine von Seltitz I Ich mag sie nicht."

Du hast Recht, mein Sohnl" fiel hier Frau Reichart ein.Ich mag dieses hoch­mütige, klassierte Fräulein auch nicht als Schwiegertochter."

WaS meint Ihr zu Fräuleiu Helene Pisander, unseres Pfarrers Tochter? Sie ist seelenvoll, häuslichI" fuhr der alte Herr unerbittlich fort.

Aber sie ist ein Blaustrumpf l" erklärte Eduard kurz.

Ist Dir denn so viel d'ran gelegen, mich rasch verheiratet zu wissen? Ueberlaffe es mir doch selbst, eine Frau nach eigenem Geschmack zu suchen I"

Ich möchte Dich nur vor einer Thor- heit bewahrt wissen I" bemerkte Eduard« Va­ter jetzt streng.

Vor einer Thorheit, Papa?" rief der junge Mann und wurde bleich.

»Ja, vor einer Thorheit, mein Sohn, »nd Du wirst die Thorheit begreifen, wenn ich Dir den Namen Martha Voß nenne."

Ach ich merke, Papa, Herr Moths hat geplaudert."

Gieb die Thorheit mit dem Mädchen auf, Eduard. Die Familie ist ja ehrenhaft,

der Vater in unfern Diensten zu Tode ge­kommen, aber die Brüder unsere Arbeiter. Das ist doch keine Partie für Dich I"

Frau Sophie horchte betroffen auf, Fräu­lein Clelia verzog hochmütig den Mund.

Eine Liebschaft mit einer Arbeitertsch- ter, Eduard ?" bemerkte sie dann spitz.Du hast Dich sehr vergessen."

Wir leben von den Arbeitern, Clelia; Arbeit entehrt nicht!" gab er ernst zurück, die schöne Schwester aber zuckle verächtlich die Achseln.

Martha Voß ist ein schönes Mädchen und brav obendrein, die Familie voll An­sehens unter unseren Leuten I Du hast doch keine leichtsinnige Liebschaft mit ihr, Eduard? Es wäre schändlich!"

Eduard schwankte einen Augenblick; der Moment der Erklärung war gekommen.

Mama," antwortete er bedrückt,Ma­ma, Du wirst mich verstehen I Es ist keine leichtsinnige Liebschaft, es ist eine ernsthafte Neigung! Im Sommer schon habe ich an Martha Voß mein Herz verloren, wir ha­ben uns ewige Liebe geschworen und das ist nun nicht mehr zu ändern."

Der alte Herr Reichart kniff die Lippen zusammen. Frau Sophie aber schritt aus Eduard zu, streichelte ihm das lockige Haar und entgegncte sanft:

Mein lieber Sohn, Du kannst doch im Ernst die Martha Voß nicht heiraten wollen. Sieh, dir Standesunterschied ist doch zu groß. Eine Mißheirat würde Dir Viel Schaden zu­fügen, ja vielleicht Dein ganzes Lebensglück ruinieren I Uns, Deine Eltern, würdest Du unsäglich kränken, wenn Du auf Deinem Willen bestehen wolltest."

Eduard standen die Thränen in den Augen, denn er war ein guter, weichherziger Mensch und wollte seine Eltern nicht be­trüben.

Siehe die Geschichte als einen Jugend­traum an und gieb den Gedanken auf," sagte jetzt sein Vater.

Sie betrügen? O, Vater, das forderst Du von mir?"

Geh auf Reisen I" fuhr sein Vater fort.

Du wolltest ja gern Italien sehen I Da lernst Du vergessen und überwinden."

Und sie bliebe vom Gram zerknickt zu­rück ? Nein, Papa, ein Reichart hält sein Wort I"

So denkst Du im Ernste an eine Hei­rat mit Martha Voß?" frug der Vater streng.

Ja, Vater, gewiß und wahrhaftig!"

Und ich sage nein und abermals neinl Eduard, denke nicht weiter a» diesen Plan! Du bist mein Sohn, Du wirst mir ge­horchen !"

In jedem anderen Punkte ja, in diesem nicht, Vater I"

So bist Du mein gehorsamer Sohn nicht mehr?" brauste Herr Reichart auf.

Jetzt hielt Frau Reichart dem heftig ge­wordenen Gatten die Hand auf den Mund, denn ein eleganter Cavalier trat ein. Es war Siegfried von Arnberg, Clelia's Ver­lobter.

Er küßte seiner Braut die Stirn, seiner Schwiegermama die Hand, reichte die behand­schuhte Rechte dem Fabrikherrn und nahm dann Eduard gegenüber, auch diesem die Hand bietend, in einem Fauteuil Platz.

Wir haben soeben ein interessantes The­ma vor," bemerkte Clelia.Rate einmal, Siegfried!"

DaS HochzeitSihema; es ist ja bei den Damen das beliebteste!"

Sie lachte laut auf und rief:

Getroffen , getroffen I Was sagst Du aber, Siegfried, zu der Streitfrage? Wenn Du auch nicht adelig wärest, würdest Du als Mitglied einer vornehmen Familie wohl der Tochter eines Arbeiters die Hand reichen?"

Wozu die Frage, Clelia? Du weißt doch, Laß ich nie in diese Verlegenheit kom­men würde!" erklärte Siegfried stolz.

Clelia blickte Eduard bedeutsam an, der wie träumend vor sich hinstarrte.

Die Vorsehung," so erklärte Herr von Arnberg weiter seinen Standtpunkt,hat selbst einen Zaun zwischen den einzelnen Ständen aufgebaut; ihn zu brechen wäre ja Sünde I" (Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wtldbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. H «fmann.)