ung de- Anwesens mit Steingeröllk ist beinahe unvermeidlich. ES ist ein Glück, daß die Kluft in der Höhe rechtzeitig bemerkt wurde und die Bewohner auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht werden konnten. Dieselben haben dar Hau« verlassen. Der „Unterbergerhos" besteht nachwcirlich seit dem Jahre 1872.
— Mißwirtschaft eine« Armenpfleger«. Im 12. Pariser Stadtbezirk ist ein furchtbares AergerniS ausgebrochen. Der Vorstand deS dortigen WotzlthäiigkeitsamteS, ein gewisser Suire, ist überführt, die Armen, die seiner Fürsorge anvertraut waren, auf dar schamloseste bestohlen zu haben. Eine arme Frau, die sich vor einigen Jahren um eine Unterstützung an ihn wandte, gefiel ihm, da sie jung und hübsch war, und er machte ihr unsittliche Anträge, welche abzuweisen das Weib in seiner gedrückten Lage nicht die Kraft hatte. Sie wurde seine Geliebte und Suire bediente sich ihrer, um seine Gaunereien «uSznführen, Er gab ihr Anweisungen auf Geld, Fleisch, Brod und Arzneien, die ihr an den Gemeindckassen ausbezahlt wurden oder die sic an Geschäfts- und Privatleute verkaufen konnte. Er fälschte Empfangs
scheine über Wohnung-mieten und schrieb zum Bezüge regelmäßiger Unterstützungen seit Jahren verstorbene Personen ein. Da diese Diebstähle sehr leicht zu verüben waren, gab er ihnen eine immer größere Ausdehnung, hielt sich neben der ersten noch einige andere Geliebten und führte ein wahre« Paschalcben. Die-sollte ihm verhängnisvoll werden. Ein« der Weiber, das auf die anderen, mit denen cs Suire« Herz teilen mußte, eifersüchtig war, oder da« vielleicht einfach von Suire nicht so viel bekam, wie c« wohl wünschte, zeigte ihn an und so kam die Sache an den Tag. Seltsamer Weise ließ man ihn noch wochenlang nach der Entdeckung seiner Diebstähle ruhig im Amte und entschloß sich erst, ihn d»rau« zu entfernen, al« ein Stadtverordneter die Sache im Stadtrat an die große Glocke gehängt hatte. Suire ist übrigen« auf freiem Fuße und von gerichtlicher Verfolgung verlautet noch nichts. Bezeichnend ist auch, daß die bestohlenen Armen de« 12. Bezirks seit Jahren bittere Klagen führten, aber nie gehört wurden.
— In Trohes zündeten neuerdings die Anarchisten eine große Meierei unweit der Stadt an. Bedeutende Kornvorräte, sämt-
l liche Stallungen und Gebäude, sowie 600 Schafe sind verbrannt.
^ — Madame Berard in Pari« die Frau
deS ehemaligen Präfekten, wurde vor der Thüre ihres Hause« erschossen. Der Mörder erschoß sich dann selbst.
— Große Aufregung hat, wie aus Chicago gemeldet wird, die Feststellung der Thatsachc hervorgerufen, daß der seiner Zeit wegen Ermordung de« Dr. Cronin von Chicago zum Tode verurteilte O'Sullivan gar nicht hingerichtet, sondern in Freiheit gesetzt worden ist, während an seiner Stelle der Leichnam eines im Gefängnis verstorbenen Sträflings untergeschoben wurde. Die Untersuchung stellte fest, daß der derzeitige Direktor de« Gefängnisse-, selbst ein Irländer, O'Sullivan entschlüpfen ließ und einen falschen Totenschein ausstellte. Niemand konnte aufgefunden werden, der bei der Hinrichtung anwesend gewesen wäre. Die Entrüstung in nicht irischen Kreisen ist ungeheuer. Dr. Cronin, selbst Irländer und Mitglied eines irischen Gehcimbundes, war bekanntlich als Verräter dem Hasse seiner eigenen Landsleute und Bundesgenossen zum Opfer gefallen.
Vergißmeinnicht.
Novelle von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
6 .
W Die nunmehrige Ankunft andrer Gäste bewirkte, daß das Geschwisterpaar von Las- ssw zu denselben hineitcn und Bellarino und Gräfin Lucie sür Augenblicke sich selbst überlassen mußte. Der gewandte und berechnende Bellarino benutzte sogleich diese Gelegenheit, um sich bei der jugendlichen Eom- teß einzuschmeicheln.
„Wie soll ich mein Glück und meine Freude der holden Waldfec über dies Wiedersehen auSdrücken? Und noch dazu diese Huld und Gnade, meine bescheidene Huldig- ungtgabe so zu Ehren zu bringen I" ries er halblaut mit seiner wohlklingenden, seltsamen Stimme.
„Sic haben mir diese Vergißmeinnicht gesandt?" frug Lucie fast verlegen. „Dies geschah ja beinah, ohne mich zu kennen I"
„Nicht doch, gnädigste Grast», denn wer einmal in Ihre Augen geschaut, kann sie nie wieder vergessen. Zudem trage ich die Btümlem, welche mir gesteen ein Wiedersehen verhießen, aus der Brust als TatlS- mann. Ein fahrender Künstler wie ich muß da« Glück ftsthatt'N, Vielleicht entflieh! eS ihm wieder, ehe er rS rcchl geahui."
Allmählich schwand LucienS Befangenheit und sie wulde sehr heiter, denn Bella- rino war sehr schön und verstand entzücken» zu plaudern. Die blauen Augen der Com- trß strahlten, ihr sitderneS Lachen erktang häufig und Albrecht von Lassen,, der viel tn LucienS Nähe war, schaute gedankenvoll in da- liebliche Gesichtchen der Komteß, während ein gewisses Gefühl von Bitterkeit u. Bangen in seinem Herzen aufstieg. Weshalb konnte nicht dies Lachen und Plaudern der Comteß ihm gelten? Sollte seine große, treue Liebe denn niemals Wiederklang finden in ihrem Herzen? — —
Die Gesellschaft setzte sich an den Kaffeetisch. Thekla strahlte vor Lebenslust; sie trug ein dunkelrotjeidenes Kleid, dazu eine
gelbe Rose aus dem Treibhaus im Haar, und wenn sie bei Bellarino vorüberglitt, tauschte sie csquelt lächelnde Blicke mit ihm. Albrecht von Laffow allein von all' den Gästen beobachtete Bellarino. Thekla u. Lucie. Heimlich zähneknirschend glaubte Laffow zu entdecken, daß Bellarino gleichzeitig beiden jungen Damen den Hof machte. Laffow nahm sich daher fest vor, Thekla noch am heutigen Abend zur Rede zu stellen; sie durste sich nicht mit diesem fremden Mann compromitieren. Für Lucie war wohl keine wirkliche Gefahr vorhanden, dachte Laffow. Verstohlen glitt sein Blick zu Lucie hinüber, welche gesenkten Auges dasaß. Doch woher kam dies glückselige Lächeln um ihre rosigen Lippen? Bisher hatte er es nie an ihr bemerkt I Ein eifersüchtiges Weh erwachte plötzlich in seiner Seele.
„Herr Bellarino will so gütig sein, unt ein Lied aus seiner Heimat vorzutragen," sagte jetzt Thekla, „ich werbe sehr gern die Begleitung übernehmen."
Unv sie schritt zum Flügel, öffnete denselben und nahm Platz, während der Künstler seine Geige und Noten holte. Als sie sied, Bella,',» und Tdckta, dann über die Noten beugten, murmelte der erstere teidcn- schattlich, doch sür die Umgebung unhörvar: „Das ist meine GeburtslagSserenade an die schöne Königin beS heutigen Tages I Wir sind ein heißherzigee Vötkiei» dort drunten im Süden und — tieden and,rs als die kühlen Nordländer."
Die rauschenden Akkorde, die Theklas schlanke Finger auf dem Flügel erklingen ließen, erstickte Bellarino's ferneren Worle, doch ihr Lächeln bewies dem Italiener, daß sic ihn verstanden habe und keineswegs über seine Kühnheit zürne.
Lucie saß so, daß sie beim Aufblicken gerade in Bellarino'« Antlitz sehen konnte, und mitten in seinen bald jubelnden, bald schluchzenden Weisen, traf sic sein brennende« Auge, daß sie das ihre senken mußte. Albrecht von Laffow stand mit verschränkten Armen hinter einem Vorhang, doch so, daß ihm die« alle- nicht entging; er war todeu-
bleich, seine Lippen preßten sich fest zusammen, seine Augen flammten.
„Der Schurke," murmelte er heiser, „spielt mit beiden Mädchen I Ich muß wissen, in welchem Zusammenhang die alte Gräfin Bergen die Vergangenheit mit dem Namen Bellarino bringt und dann kommt da» traurige Ende — ich werde dies Doppelspiel zu Hintertreiben suchen I
Bellarino'« Vortrag war beendet, und Thekla schloß mit einem prachtvollen Akkord, und noch ehe sic sich zu ihrem Milipielcr wandte, hatte dieser sich lächelnd vor Lucie verneigt, die in unbeschreiblicher Verwirrung das Köpfchen senkte.
„Wie schön war diese« Lied, Herr Bellarino," rief Fräulein von Laffow bewundernd, „wir müssen Ihnen lehr dankbar sein, denn e« war ein ganz besonderer Genuß."
„O, meine Gnädigste, Sie sind zu gütig," lächelte Bellarino verbindlich. „Wenn ich nun an diese meine bescheidene Leistung an- knüpfcnd eine ergebene Bitte aussprechen dürfte, so wäre eS die, daß Sie uns doch ebenfalls ein Lied gitvähren möchten, gnädiges Fräulein. Die junge Dame errötete leicht, neigte jedoch beistimmend das Haupt und sagte: „Sehr gern, aber was soll ich denn singen?
„Hier diese« wundervolle Lied," entgegnete rer Italiener, ergriff ein Notenhefl und tchiug e« auf. „Ich kann ja diesmal die Begleitung übernehmen."
ES war da- feurige Liebeslied: „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein —" Theklas tiefe Altstimme eignete sich herrlich dafür, und eine lautlose Stille herrschte im Saal während ihres Gesänge«. Als sie geendet, bog sich Bellarino hastig einen Moment nach ihr um, und flüsterte leise:
„Wer wird der Glückliche sein, an welchen Sie diese Worte einst richten werden I O, wenn er doch — Leo hieße I"
Thekla nahm diese neue Huldigung nicht ungnädig, sondern mit einem glücklichen Lächeln auf. —
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag von Beruhard H »smann .in Wtldbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. H »smann.)