Rundschau.
Stuttgart, 13. Mai. Oberrcchnungs- rat Widenmeyer von der Ober-Rechnung«- kammer ist wegen Irrsinn« in cink Heilanstalt gebracht worden. Dabei versetzte er dem begleitenden Arzte Wildermuth zwei Stiche in die Brust, die aber nicht lebensgefährlich sind.
— Am vorigen Dienstag übergab da« 11 jährige Töchtcrchm des Bahnwärter« G. in Bückingen dem Schuilhetßenamt dort ein in der Nahe des Heitbronner Bahnhofes gefundenes Geldtäschchen mit 460 ^ Inhalt, Der Verlierer hal sich noch nicht gemeldet.
Wangen, OA. Cannstatt, 13. Mai. Eine hiesige Weingärtnerfamilie wurde gestern nachmittag in jähes Unglück versetzt. Vater und Mutter wohnten mit ihren Kindern der Hochzeitsfeicr eines Bruders der Frau bei. Während derselben hat sich nun ein drei Jahre alter Knabe in einem unbewachten Augenblick von seinen Eltern entfernt, sich an der nebenan befindlichen sogenannten „Weile" zu schaffen gemacht, au« weicherer von einem vorübergehenden tot herausgezogen wurde. Das Bedauern mit den so schwer geprüften Eltern ist allgemein.
Vom schwarzen Grat, 11. Mai. Gestern feierten zu Eisenharz der kaih. Lehrer Ege und dessen Gattin da« Fest ihrer gold. Hochzeit. Dabei hatte da« Jubelpaar da« besondere Glück, vom eigenen Sohne, dem Direktor de« Wilhelmstifter zu Tübingen, eingesegnet zu werden. Die beiden Landesbischöse hatten durch Präfekt Schnell den bischöflichen Segen üb-rbringen lassen. Herr Ege ist 77, seine Gattin 76 Jahre alt; die Zahl ihrer Nachkommen beträgt 40, worunter 9 Kinder.
— Bei der am Donnerstag stattgehabtcn Schultheißcnwahl in Jlsfeld baden 385 Wahlberechtigten 363 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Gewählt wurde Schultheiß Fifcher von Auenstein mit 190 Stim. und zwar nicht auf sechs Jahre sondern auf Lebentzcit. Weitere Stimme« erhielten: Etadtschultheißcnamtssekretär Gackle in Eßlingen 82, Stadtfchultheißenamirassistent Theurer iuLauffen 49, Gerichtsschreiber Kalm- bach von Besigheim 42.
— Eine entsetzliche That fetzle die Bewohner des Ortes Obcrschüpf bei Tauber- bischofsheim in große Aufregung. Der an Influenza erkrankte Landwirt Nie« versuchte im Fieberwahn seiner ebenfalls schwer erkrankten Ehefrau den Halz abzuschncide» und verletzte dieselbe tatsächlich so schwer, daß der Tod nach wenigen Stunden eintrat. Nach vollbrachter That schnitt sich Ries selbst mit einem Rasiermesser den Hal« ab und war sofort tot.
Forbach, 11. Mai. Die Forbacher Ztg. weiß eme kleine hübsche Geschichte zu erzählen von einem Manne, der nicht ganz auf der Höhe der Bett-Kultur zu stehen scheint. Ein Reisender kam — so meldet der betr. Berichterstatter — vor einiger Zeit in ein hiesiges Gasthaus und übernachtete dort. Am Morgen befragt, wie er geschlafen, rühmte er die gute Unterlage, tadelte aber die leichte Bedeckung, unter der er nicht warm habe werden können. Der Wirt ließ sich das näher auScinandersetzen und erfuhr zu seinem großen Erstaunen, daß der Reiseonkel unter dem mit großen Sternen und weiten Oeffnungen gehäkelten Bettüberwurf gelegen hatte. Böse Zungen wollen wissen,
daß er sich auf die Weisung de« Wirtes, sich künftig tieferfzu betten, am andern Abend unter die Sprungfedermatratze gelegt habe und dann erst auf sein klägliche« Rufen vom Wirt halberstickt hervorgezogcn worden sei.
Fulda, 11. Mai. Ein fürchterlicher Waldbrand vernichtete am Sonntag Nachmittag auf dem „Stoppelsberg" bei Rhina ca. 60 Hektar gleich 300 Kasseler Acker prächtigen Buchen- und Fichtenbestand. Der Schaden, den dadurch der Königliche Forstfiskus erleidet, wir» aus 20 000 ^ geschätzt. Der Brand soll durch einen Reisenden dadurch veranlaßt sein, daß er nach dem Anzünden seiner Pfeife da« brennende Streichholz in den dürren Waldpolster warf; er ist verhaftet worden.
Lahr, 7. Mai. Die Reichswaisenhaus- Rechnung wird amtlich geprüft und dem großh. Ministerium des Innern ein Auszug daraus vorgelegt. Au« der Rechnung für da« Jahr 1891 teilen wir hier Folgende« mit: Die Einnahmen betrugen^ 105940 44. Die Ausgaben betrugen ^ 20 907.06. Das Vermögen stieg auf 420 902.87 , da«- selbe betrug am Schlüsse des Vorjahres 377.147.85-/A, Vermehrung also 45 755.02 Mark. Da« Haus hatte in Pflege und Erziehung am 1. Januar 1891: 61 Zöglinge; eS gingen zu im Laufe des Jahre« 75; es gingen ab im Laufe de« Jahre« 13, so daß sich am Jahresschluß noch 69 Waisenknaben im Hause befanden. Auf Ostern haben wieder 22 Knaben nach Vollendung ihres schulpflichtigen Alter« da« Hau» verlassen, um Lehrstellen »nzutreten, die ihnen, entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten, von der Verwaltung deS Hause« unter freundlicher Mithilfe von Fechtginossen angeschafft worden sind.
— Bei der militärischen Besichtigung in Spandau befahl der Kaiser am Dienstag den Ausfall de« Schulunterricht«, damit die Kinder dem Exerzieren beiwohnten. 5000 Schulkinder umgaben den Exerzierplatz. Da« Versuch-bataillon für zweijährige Dienstzeit hat sich vortrefflich bewährt.
— Auf dem Bahnhöfe Schwarza bei Rudolstadt war dieser Tage die Frau eines Feldwebel« aus Jena mit ihrem älteren Kinde in einen Eisenbahnwagen eingestiegen, während die Schwiegermutter mit dem jüngeren Kinde noch auf dem Trittbrett stand und doS Kind hineinreichcn wollte. In diesem Augenblick stieß die rangierende Maschine auf den Zug und infolge der starken Erschütterung stürzte die alte Frau mit dem Kinde herunter. D«S Kleine geriet dabei unter die Räder, die den Kopf vom Rumpfe trennten, die Frau, die da« Kind retten wollte, büßte eine Hand ein.
— Au« Sagan wird der Voss. Ztg. gemeldet: Die große Balkcsche Oelfabrik ist mit sämtlichen Maschinen und Vorräten niedergebrannt.
-- Ein eigenartiger Schwindel hat, so schreibt man der „Voss. Ztg." au« Paris, ein gewisser Moritz Guttmann betrieben. Obwohl erst 19 Jahre alt, Hst er sich schon mehrfach, einige rechnen 36 mal, taufen lassen, bald bei Katholiken, bald bei Protestanten, wie sich eben Gelegenheit bot und sich Personen befsnden, denen er unter diesem Vorwände Unterstützungen entlocken konnte. Zusammen soll er dadurch 8 bis lO OOO Frc«. sich verschafft haben. Al« er dieser Tatze
wiederum im Begriff stsnd, sich taufen zu lassen, enilockte er d>m betreffenden Priester 50 Frc«., womit er eine Freundin bewirtete, sie aber dann ihrer Schmucksachen beraubte. Da« Gericht erkannte ihm 5 Jahre Zuchthaus zu.
— Einen schlechten Scherz beabsichtigte ein Einwohner au- Bratenstcin in Ostpr. dadurch zu machen, daß er aus dem Fenster seiner im zweiten Stockwerk belegenen Wohnung. einem vor dem Hause im Flüsterton sich unterhaltenden Liebespaar eine kalte Douche bereiten wollte. Schon hielt er den mit kaltem Wasser gefüllten Eimer zum Fenster hinaus, als er plötzlich da« Gleichgewicht verlor und mit dem Eimer auf das Strsßen- pflaster hinabstürzte. Besinnungslos wurde der Verunglückte von dem nicht wenig bestürzten LiebeSpärchcn aufgehoben und in seine Wohnung gebracht.
— Aus Hotzenplotz in Oesterreich, 11. Mai, wird gemeldet: Der Stellmacher Brückner ermordete seine Frau und seine zwei Kinder.
Fünskirchen, 14. Mai. Gestern abend ist über die nahe gelegene Gemeinde Somogy ein furchtbarer Wolkcnbruch »icdcrgegangen, dem zahlreiche Menschenleben zum Opfer sielen. Große Wsssermassen drangen in den Schacht eines Kohlenbergwerks ein, in welchem sich gerade viele Arbeiter befsnden; hievon sind 21 ertrunken. Hente noch steht das Wasser 70 w tief im Schacht. Auch im SzabolcSer Bergwerk richtete derselbe Wolkenbruch rin ähnliches Unglück an. Die Zahl der dort Ertrunkenen ist noch nicht fcstge- stellt.
— In Metz entstand zwischen Soldaten de« 130. Infanterie Regiments in einer Wirtschaft ein blutiger Streit. Ein Soldat wurde getötet, ein anderer erheblich verwundet; der Hauptschuldige ist entflohen.
— In Leipzig hat sich ein talentvoller Schüler der Oberprima, der jüngst zu einer Stunde Karzer verurteilt worden war, weil er bei einer schriftlichen Arbeit teilweise ab- geschrteben hatte, in einem nahen Walde erschossen.
— Zeitungs-Expeditionen machen oft die unangenehme Erfahrung, daß gefälschte Anzeigen aufgegeben werden, ohne daß die Annahmestelle in der Lage ist, selbige auf ihre Echtheit zu prüfen. Nach einer erst kürzlich erfolgten ReichSqericht-Enlscheidung ist nun erkannt worden, daß ein Anzcigen- Bestellzettel als eine Urkunde im Sinne des Gesetzes zu betrachten ist. Wer also eine gefälschte Anzeige aufgiebt, macht sich einer Urkundenfälschung schuldig. So wurde der Auftraggeber, der sich mit einer gefälschten Anzeige nur einen Scherz machen wollte, trotz Annahme mildernder Umstände wegen Ulkundenfäischung zu einem Monat Gefängnis verurteilt.
— Au« Oberbozen wird dem Tiroler Volksblatt geschrieben: Der „Unterbergcrhof" in Oberbojen ist dem Untergang nahe. Ein Bergsturz droht denselben samt Wohn- und Fntterhau« zu vernichten. Ein teilweistr Absturz gewaltiger Felsmassen hat unter don- ncrähnlichem Gekrache schon stattgesunden, wodurch die Felder oberhalb des Gebäude« bereit« unter dem Schutte begraben wurden. E« steht jedoch stündlich der Absturz der Hauptmasse bevor, da sich eine große Kluft aufgethan hat und fortwährend Felsstückc in die Tiefe rollen. Eip.e tzänzliche Ucberjchüil-