Die Küttenkönigin.
Roman auS der Gegenwart v. W- Hogarth.
Nachdruck verboten.
4.
Zuerst ging der Weg des Försters durch Hochwald, dann aber betrat er eine wilde nur mit Gcstrüp und spärlichem Grase bewachsene Fläche. Darauf schritt der Förster wohl noch eine ganze halbe Stunde dahin, bis er in tiefster Einsamkeit vor einem kleinen Wärter-Häuschen, welches v r langen Jahren für die Forstwärler erbaut worben war, aber jetzt nicht mehr benutzt wurde, Halt machte und sich mit dem Gewehr im Arm wir zum Anstande aufstellte. Die Abenddämmerung brach inzwischen langsam herein und die Augen des Försters lugten scharf aus. Da nach ungefähr viertelstündigem Warten näherte sich dem Förster eine dunkele Gestalt, die er mit einem lauten „Haltwerda?" anrief.
Die Gestalt antwortete mit einem fröhlichen „Glück auf!" und in wenigen Sekunden stand ein hochgewachsencr Bergmann neben dem Förster.
„Guten Abend, gnädiger Hirr I" So begrüßte dieser den Bergmann und fügte hinzu : „Ich freue mich herzlich, Sie gesund wtedir zu sehen. Werde auch gleich das Häuschen ausschlicßen und Licht anzünden."
„Ich danke Jdncn, mein lieber Günther," erwiderte der Bergmann und trat mit dem Förster in das kleine, spärlich erleuchtete Wärtcrhäuschen.
In demselben spielte sich nun ein seltsamer Vorgang ab. Der Bergmann legte sein Werktagskleid ab und kleidete sich als schmucker Jäger um. Der Förster Günther übernahm dabei die Rolle eines Kammerdieners, nahm aus einem kleinen Schranke Joppe, Jägerhul, Jagdtasche und Gewehr hervor und reichte es dienstfertig und devot dem i» einen Jäger umgewandellcn Bergmann, dabei denselben immer „gnädiger Herr" titulierend.
In wenigen' Minuten stand statt deS Bergmannes ein stattlicher Waidmann neben dem Först-r, und cs konnte jetzt kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß der Bergmann und junge Baron Ernst v. Rotheck, welcher sich jetzt als Waibmann repräsentierte, eine und dieselbe Person waren.
Der Baron und sein Förster traten alsbald wieder auS dem Wärlerhäuschen und letzterer verschloß dasselbe wieder sorgfältig. Dann schritten die beiden Männer in der Richtung weiter, in welcher Schloß Notheck, über eine halbe Stunde Weg von dem Wärterhäuschen, lag.
„Nun, wie geht's in der Forstwirtschaft, Herr Günther?" frug der Baron unterwegs seinen Förster.
„Es ist Alles in bester Ordnung, Herr Baron, und nichts Besonders vorzcsallcn," erwiderte Günther.
„Nun, das ist schön. Hoffentlich höre ich dasselbe von dem Inspektor über die Guiswirtschast."
„Zu meiden hätte ich allenfalls, daß aus den Baumgarten'schen Forsten in letzter Zeit öfters Hirsche sin ganzen Rudeln zu uns herüber wechseln. Des Herrn Baron von Töppen Forstgehülfe Franz hat cS bemerkt, und hat im Aufträge seines Herrn gebeten, daß wir die Hirsche beobachten lassen sollten, e« ließe sich vielleicht dann in den nächsten
Tage« große Hirschjagd gemeinsam in den Töppen'schcn und Notheck'schen Wäldern veranstalten."
„Sehr schön ausgedacht von den Herren Baronen von und zu Töppen," bemerkte Baron Rotheck, „aber ich werde schwerlich an der Jagd teilnehmen können."
Des Försters Antlitz verfinsterte sich sichtlich bei dieser Antwort seines Herrn, er brummte einige unverständliche Worte in den Bart und schritt stumm und mürrisch neben dem Baron weiter. Dann und wann richtete Baron Rotheck eine Frage an den Förster, welche dieser aber stets nur einsilbig beantwortete. Dieses Benehmen bei dem sonst ziemlich redseligen Förster siel dem Baron schließlich auf und er sagte deshalb zu seinem Begleiter:
„Warum sind Sie so einsilbig u. seltsam, lieber Günther?"
„Eine schwere Sorge bedrückt mich, Herr Baron!" erwiderte der Förster sofort mit fester Stimme.
„Eine schwere Sorge? Sie dürfen sic mir anvertrauen, wenn Sie glauben, daß ich Ihnen helfen kann."
„Sic sind sehr gütig, Herr Baron, aber ich kann meine Sorge Ihnen leider nicht an- verirauen, weil ich Ihre Ungnade dabei fürchte."
„Meine Ungnade?" frug der Baron lächelnd. „Bin ich denn ein ungnädiger Herr?"
„Dies wohl nicht," entgegnete Günther und holte tief Athcm, „aber es wird einem treuen Diener oft sehr verübelt, wenn er es für seine Pflicht hält, seinen Herrn zu warnen."
„Nun ich nehme Ihnen heute keine Warnung übel, reden Sie nur frisch vom Herzen, Sic sind ein braver Mann und man kann Ihre Meinung schon hören."
„Nun ich bitic um Verzeihung, Herr Baron, wenn meine Worte Sic kränken sollten, aber offen und ehrlich eingestaiidcn, ich stade es Ihrer nicht würdig», daß Sie als gemeiner Bergmann arbeiten, aus Gründen, die man* nicht begreifen kann. WaS würde ihr seliger Herr Vater wohl dazu sagen, wenn er noch lebte und erführe, daß sein Herr Sohn das Bergmannshandweik als nebele oder, sagen wir besser, als unbegreifliche Passion treibt I"
Der Förster hielt jetzt mit seiner Rede ängstlich inne, als fürchtete er eine übele Wirkung derselben, aber der Barer erwiderte ruhig und freundlich:
„Nun reden Sic nur weiter, lieber G-, sagen Sie mir Alles, was Sie über diese Passion von mir denken. Sie sind ja einmal zur Hälfte in Mein Geheimnis einge- wciht, und da will ich auch ihre Meinung darüber anhören, vielleicht kann ich Ihnen dann auch die meinige sagen."
„Darf ich wirklich meine Meinung frei aussprechen, Herr Baron, ohne zu riskieren, daß ich deshalb bei Ihnen in Ungnade falle."
„Gewiß, lieber Günther! Sie sind ein alter, treuer Diener unserer Familie und von einem solchen muß man schon in schwierigen Fällen ein offenes Urteil ruhig anhören. Sprechen Sie!"
„Nun, Herr Baron, offen gestanden, ich halte das, was Sie seit einiger Zeit thun, daß Sic gewissermaßen verkleidet und unter fremden Namen als gewöhnlicher Bergmann
in der Johanna-Grube arbeiten, für eine ebenso thörichte als gefährl. Laune. Thöricht ist sie deshalb, weil sie zu keinem vernünftigen Ziele führen kann und jedenfalls am wenigsten zu dem Ziele, welches der Herr- Baron wohl dabei im Auge haben. Denn was für einen Eindruck kann es auf eine stolz-, kaltherzige, steinreiche Dame machen, wenn einer ihrer zahlreichen Freier in einem ihr gehörigen Bergwerke das Berggewerbe lernt? 8ota Kons weiß adcr düse Dame gar nichts von dem an sich heroischen Opfer, das sich um ihretwillen ein vornehmer, reicher Herr auferügt! Die Thorheit dieses Thuns scheint mir also erwiesen, mein verehrter junger Herr!" betonte der Förster mit erhobener Stimme und seltsam rollenden Augen, wie man im Mondenschein deutlich erkennen konnte. „Nun kommt aber noch die gefährliche Seile Ihres Thuns, Herr Baron!" fuhr der biedere Forstmann in strengem Tone fort. „Ist es nicht im hohen Grade lebensgefährlich, täglich neun Stunden tief unter der Erde zu verbringen, in einem Bergwerke, wo schlagende Wetter, Schachicinstürze, durch übermächtige Sprengungen des zähen Eisensteines und andere UnglückSfällc nicht selten sind! Mein lieber junger fHerr, Sie sind der Einzige Ihres Stammes, Sie sind ein guter Herr, ein prächtiger Mensch I Sie leben in recht guten VcrmögenSverhältnissen, die Barone von Rotheck besitzen auch einen hochgeachteten Namen I (Fortsetzung folgt.)
Neueste Nachrichten.
Stuttgart, 4. Oktober. Sk. Majestät der König ist gestern nachmittag 3 Uhr 50 Min. von Dedenhausen mittels Souderzugs hier angekommcn. Ein offizieller Empfang fand auf Allerhöchsten Wunsch nicht statt.
Das heute früh 7'/, Uhr auSgezebene Bulletin über das Befinden Sr. Mas. lautet:
Bis Mitternacht große Unruhe, anhaltende Beschwerden; nach gewährter
' weiterer Hilfe von Mitternacht bis morgens ziemlich ruhiger Schlaf mit erheb, licher Erleichterung.
Dr. Fetzer.
Das im linken Seitenflügel deS Refidenz- schlosses aufliegende Bulletin bedeckte sich im Laufe des Vormittags mit zahlreichen Unterschriften von Personen aller Stände, welche sich nach dem Befinden deS hohen Patienten erkundigten.
Wie man hört, soll noch eine weitere medizinische Autorität zur Konsultation aus
Marburg hierher berufen worden fein.
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Die bisherigen Störungen haben sich in letzter Nackt bis zur vollständigen Harnverhaltung gesteigert, welche die Punktion der Blase noiwindig gemacht hat. Darnach ist nur vorübergehend Erleichterung erreicht, während sich die entzündliche Erscheinung noch weiter ausgebrcitet hat. Kräfiezustand unbcfridigend. Fetzer. Bruns. Burckhardt. Marc.
rnhard Hofman» in Wldbad,
HeratttwsMrcher SleHaktturer ntz a r o Hof«»nn.) Druck und Verlag von tz <