Rundschau.
Stuttgart. (Allgemeiner Deutscher WirtS- kongreß.) Der Gesetzentwurf, die Bekämpfung geistiger Getränke betreffend, hat bei allen Wirten im ganzen Dentscben Vatcrlande Befürchtungen in großem Maße erregt u. haben ei dieselben als ihre Pflicht erachtet, sofort und entschieden gegen diesen Entwurf, ehe er zum Gesetz wird, Stellung zu nehmen. Aus diesem Grunde hat der Centralausschuß auf Mittwoch, den 7. Oktober ds.Js. einen Allgemeinen ,Deutschen Wirtskongreß nach Stuttgart m den Stadtgartcn, Beginn Vormittags 11 Uhr, cinberufen, um über die Mittel und Wege zu beraten, welche Ungeschlagen werden sollen, um diesem drohenden Schaden zu begegnen.
Um nun diesem Wirtskongreß diejenige Bedeutung zu verleihen, die derselbe unbedingt haben muß, um auch Wirkung auS- zuüben, so ist das Erscheinen einer recht grogen Anzahl von Wirten aus dem ganzen Lande dringend erfordeilich, ob dieselben nun einem Wirtsver-in ongehörcn oder nicht und namentlich diejenigen Wirte, welche bis jetzt den immer mehr sich Bahn brechenden Bestrebungen der Wirtsvercine noch ferne stehen, in ihrem eigensten Interesse aufgcfordert, am 7. Oktober in Stuttgart anwesend zu sein.
Hauptaufgabe dieses Kongresses muß sein, mit den Herrn NeichStagsabgeordueten Verbindungen anznknüpfen und dieselben über die speziellen Schädigungen, welche den Wirten aus diesem Gesetze erwachsen, aufzuklären.
In diesem Bestreben Aufklärung zu vcr- schaffen hat die Wirte die gesamte deutsche Presse seit Erscheinen des Entwurfes aufS kräftigste unterstützt und hegen dieselben die feste Ueberzcugung, daß kein württcmbergischer ReichslagSabgeordnetcr für dieses Gesetz in dieser Fassung stimmen wird; es wäre denn, daß es ihm gleichgiltig, ob ein so hervorragender Gcwerbszweig wie der Gastwirtbestand, auf dem ein mittelalterliches Ausnahmegesetz, Steuern, Sporteln und Abgaben in Menge tasten, zu Grunde gerichtet wird, das kann und darf einem Vertreter des Volkes nicht gleichgiltig sein. Er darf nicht zusttmmen, wenn dem Gastwirtcstand immer neue Bedrückungen und Verpflichtungen auf« erlegt werden, und er so dem sicheren Ruin enlgegengesührt wird.
— In Ofsizierskreisen verlautet, General V. Wölckcrn habe für den nächsten Herbst dem Armeekorps ein Kaisermanöver in Aussicht gestellt, wobei das Württemberg. Armeekorps gegen das badische operieren werde.
Psalzgrafenwcilcr, 30. Sept. Gestern schoß sich ein junger Mann von 20 Jahren im Bette mittels einer mit Wasser geladenen Pistole in den Mund. Infolge der hiedurch erhaltenen schweren Verletzungen starb er nach einigen Stunden. Der Unglückliche hatte in letzter Zeit als Wagnergeselle gearbeitet und sollte nun in den nächsten Tagen bei einem Ulanenregiment eintreten, um seiner Militärdicnstpflichl zu genügen. Der Wunsch, diesem dreijährigen Dienste zu entgehen, soll nach Aeußcrungen, die der unglückseligen That gewesen sein. Als ältester Sohn ist er seiner Mutter und seinen zahlreichen Geschwistern schon seit mehreren Jahren eine wackere Stütze gewesen. Der Vater hat die Familie schon vor 10 Jahren verlassen und weilt in Amerika.
— Ein Dienstmädchen aus Jagstzell bei
Ellwangen schob ihr ncuzcbvrenes Kind in
den Ofen, um solches zu verbrennen. Durch das Schreien des Kindes aber wurde eine Kellnerin aufmerksam, und man konnte die Rabenmutter au der Ausführung ihres schändlichen Verbrechens hindern. Das Dienstmädchen wurde verhaftet.
— Ein netter Herr „Doktor." Ans Wörishofen schreibt man der „Acrztlichen Rundschau.": Bekanntlich ist vor Kurzem der angebliche „Doktor" Zapf, erster Badearzt und allmächtiger Vertrauter deS Herrn Pfarrer Kneipp, wegen Unregelmäßigkeiten in der Kassasührung verhaltet und bei dieser Gelegenheit als ehemaliger Kutscher erkannt worden, der nicht dir geringste Ahnung vom medizinischen Studium hatte. Diese That- sachc gewinnt dadurch n»ch mehr an Bedeutung, daß der angebliche „Doktor" als solcher vor Gericht eidlich vernommen wurde und als sachverständiger Arzt seine Aussagen abgegeben, mithin sich noch weiter schwerer vergangen hat. Wir fragen nun: Wie kam es, daß die zahlreichen ärztlichen Beistände deö Pfarrers Kneipp niemals in ihrem Verkehr mit ihrem „ärztlichen Vorgesetzten" dessen Vergangenheit als Rossclcnker erkannten? ES ist ja richtig, daß in einem Wiener Krankenhause sich auch einmal ein Kaufmann als Arzt cinschmuggelte, aber er wurde bei der ersten ihm anoertrauten Krankenunler- suchung erkannt und entfernt, auch hatte er nur die Stelle eines Volontärs inne, der um eine Meinung nicht gefragt wurde. Hier aber war eS der erste „Badearzt," welcher nicht nur von Aerzten Patienten, sondern auch von Behörden als solcher respektiert wurde.
— Wie aus Frankfurt a. M. berichtet wird, trat am Mittwoch abend beim Betriebe der Lauffeuer Kraftübertragung eine kleine Störung ein, indem ein Teil der Lampen des Schildes plötzlich erlosch. Der Grund lag in folgendem: Während deö Betriebes wurden in Lausten die anderen Turbinen des Zementwerkes unerwartet abgestellt. Dadurch nahm der Wasserdruck auf der bei der Kraftübertragung benutzten Tyrbine so stark zu, daß die Tourenzahl derselben und damit die der Dynamo, trotz raschen Regu- licrens, erheblich wuchs. Die Spannung stieg infolgedessen in Frankfurt von den regulären 60 Volt auf über 90 Volt, und ein Teil der für 60 Volt bestimmten Lampen des großen Schildes brannte infolge der hohen Spannung von 90 Volt durch. Die Lampen waren Donnerstag früh sämtlich durch neue ersetzt und der Betrieb wieder in gewohntem, ordnungsmäßigem Gange.
— In Mainz hat der 22jährigc Dach- deckergehilfe Buckler, ein gewaltthätiger, rauflustiger Bursche, der wegen Körperverletzung schon verschiedene Strafen verbüßt und erst in jüngster Zeit wieder 6 Wochen im Gefängnis zugebracht hat, am Tage seiner Ent- laßung, am letzten Dienstag, einen gewissen Taglöhner Gallert, mit welchem er schon lange verfeindet war, überfallen und ihm mit seinem Dachd-ckcrhammer den Schädel zertrümmert, so daß der Unglückliche tödlich verletzt niedcrstürzte. Der Thätcr ist verhaftet.
— Der deutsche Kaiser, welcher noch in Ostpreußen weilt, wird am 3. Oktober nach dem neuen Palais bei,Potsdam zurück- kehrcn. Die Kaiserin ist mit ihren drei ältesten Söhnen von Schloß WilhelmShöhe bei Kassel bereit« daselbst emgetrvsten.
Berlin, 28. Sept. Vier Offiziere und elf Unteroffiziere gehen als Ersatz nach Ostafrika.
— ZuchlhanSdirektor Strosser in Münster (i. W.) wurde von einem Sträfling beim Betreten der Zelle angefallen und mit dem Wasserkrug zu Boden geschlagen. Der Sträfling l>eß von seinem Opfer erst ab, als Wärter ihrem Vorgesetzten zu Hilfe eilte» und den Angreifer knebelten. Der Zustand des Beamten, welcher mehrere Wunde» am Kopfe davontrug, ist besorgniserregend.
— Fast ein Drittel deS waldeckischen Dorfes Lütersheim (mit etwa 350 Einwohnern) ist niedergcbrannt.
— Der Zimmermann Kochannek in Oppeln (Schlesien) erschlug seine 67jährigc Mutter mit einer Kartoffelhakc. Der Mörder, der seit Jahren tieffinnig ist, entfloh in den Wald und ist nicht mehr zurückgekehrt.
Cielmitz, (Oberschlesicn). 30. Septbr. Eine Feuersbrunst äscherte 39 Gebäude ein; 20 Familien wurden dadurch obdachlos.
— Infolge eines telegraphischen Ersuchens der französischen Regierung ließ die belgische Regierung alle Schriften Boulangers versiegeln; dieselben werden nach Paris gesendet.
— Ein grauenhafter Mord ereignete sich vor einigen Tagen auf dem Jahrmarkt von Temesvar. Zwei Bettler, der blinde Juon David und der einbeinige Jakob Marlin, zogen seit Jahren gemeinschaftlich von Markt zu Markt und,machten, wie es scheint, dabei gute Geschäfte, so daß der Blinde ein eigene« Gefährt besaß, auf welchem er in Gemeinschaft mit sciner jungen Frau und dem lahmen Martin seine Geschäftsreisen unternahm. Vor einigen Tagen aber gingen der Lahme und die Frau mit dem Wagen durch und ließen den Blinden hilflos zurück. Letzterer wußte, daß in TemeSvar Markt war, ließ sich dorthin führen und fand endlich seine» Nebenbuhler in einer Schenke, wo er ihn an der Stimme erkannte. Er schlich sich an Marlin heran und stach ihm sein Messer in den Unterleib, so daß der Tod sofort eintrat.
— In Avcsmes (Frankreich) sind von 6000 Einwohnern über 700 am Typhus erkrankt, von 750 So>datcn 355. Nach dem Berichte de« vr. Thvinet ist das unreine Trinkwosser schuld.
— Das Gaiety Theater in Liverpool ist am Freitag vormittag niedergcbrannt.
— Auf der Eriebahn stieß nach einer Meldung aus New-Aork ein Lastzug mit einem Personrnzug zusammen. Vier Personen, darunter der Maschinensührer, sind tot, dreißig verwundet.
Allerlei von der Schwiegermutter.
„Du bist traurig, mein Freund."
„Ich komme vom Friedhof."
„Hast Du einen Familienangehörigen verloren ?"
„Ja . . . meine Schwiegermutter."
„Ich nehme den innigsten Anteil . . ."
„O, nicht daS betrübt mich. Die Rede deS Geistlichen hat mich erschüttert."
„Was hat er den» gesagt?"
„Er sagte: Weinet nicht, eS giebt ein Wiedersehen im Himmel . . ."
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— Gedanke eines Schwiegersohnes: „Die Schwiegermutter ist ein Scheidungsgrund, den die Gerichte endlich doch anerkennen
werden."