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Mittwoch, den 24. Dezember 1890.
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Nun wiederum ist aufgegangen von Bethlehem der hehre Stern:
Ihn schaut in seinem Wunderglanze die Christenheit in Nah und Fern' —
Weithin wohl über alle Lande wirft heut' er Hellen Gnadenschein,
Es dringen seine gold'nen Strahlen in jedes Herz verklärend ein.
O sei gegrüßt, du Stern der Liebe, die nimmer hört zu spenden auf,
O sei gegrüßt, du Stern der Freude, die rein im Herzen steigt herauf,
Gepriesen sei, du Stern deS Friedens, der seinen lichten Bogen spannt
Zu Christi frohem Jubelfeste von Meer zu Meer, von Land zu Land!
«achten!
Wie duftet durch des HauseS Räume deS Christbaums holdes Tannengrün —
Er zaubert uns zu Winterszeiten dm Frühling in die Stube hin;
Wie leuchtet er im Lichterschmucke in die geweihte Nacht hinaus :
ES ist, als schwebt auf seinem Schimmer ein Engel still von HauS zu Haus!
Und leise steigt in unsrer Seele empor der Kindheit sel'ger Traum,
Der sich in tausend bunten Fäden knüpft an den hehren Weihnachtsbaum —
Und unter den geschmückten Zweigen ersteht auf's Neu das Märchen bild,
Da» einst mit seinem Zauberglanze das Kinderherz so tief erfüllt!
O Weihnachtsfest, so duftumflossen, du schöner Lenz zur Winterzeit,
Du Fest der Liebe und der Gnade, du Fest der frohen Kindlichkeit -- O, lass in deinen Strahlen sonnen sich Reich wie Arm und Jung wie Alt,
Und in Palästen wie in Hütten herrsch' deines Zaubers Allgewalt l P. Berthold.
Die barmherzige Schwester.
Weihnachtserzählung von F. v. Limpurg.
Nachdruck verbaten.
5 .
„Edith, komm mit in mein Arbeitszimmer, ich habe mit Dir zu reden."
Da begann plötzlich das Herz des jungen Mädchens ungestüm zu pochen, in den Augen blitzte ein heißer Glücksstrahl auf und um die Lippen zuckte eS wie ein seliges Lächeln. Verwundert den Kopf schüttelnd, blickte die Gräfin dem Gatten und der Tochter nach. „Was soll das heißen? Papa sch,int auffallend zornig und Edith ganz glücklich zu sein. Sollte da etwa gar wieder die alte, ewig neue Geschichte im Spiele sein?"
„Ja, die Gräfin hatte richtig geraten. In seinem Arbeitszimmer stand Graf Rhaden, finster die Tochter anblickend, welche heiß errötend einen Brief laS, den ihr der Vater gegeben. Es war eine elegante, kraftvolle Männerhand, die ihn geschrieben, und eine Stelle des Briefes lautete ernst und herzlich:
„Wenn es auch nur ein bürgerlicher Arzt ist, Herr Gra?, der mit der Bitte um die Hand Ihrer Tochter vor Sie hin- lritt, so hoffe ich dennoch, daß Sie durch kein Standesvorurteil mein Glück und dasjenige Ihrer Tochter, Cvmteß Edith, vernichten lasten, sondern daß Sie den Wunsch zweier Menschen, deren Herzen sich gefunden haben, großmütig erfüllen."
„Davon hast Du uns kein Wörtlein gesagt, Edilh, daß Du mit dem „Herrn" Dr. Volkmar dich verlobtest. Ist da- wohl recht?"
Er legte genau denselben geringschätzenden Ausdruck auf das „Herr" Volkmar wie zuerst auch Edith, und daS junge Mädchen fuhr deshalb auch nicht beleidigt in die Höhe sondern ergriff demütig bittend des Vaters Hand.
„Ich will Dir alles beichten, Papa," sagte Edith im stehenden Tone. „Ich wußte eS ja selbst erst in der Stunde meiner Abreise, baß ich den Doktor Volkmar so sehr, sehr liehet"
Lange, lange saßen Vater und Tochter so beisammen und sprachen über diese ernste Angelegenheit. Graf Rhaden wollte sich mit dem Herzenswünsche Ediths gar nicht befreunden, zumal die gräfliche Besitzung ein Majorat war und der einzigen Tochter nur dadurch erhalten werden konnte, daß sie den erbberechtigten Vetter heiratete. Schließlich breitete der alte Graf seine Arme aus und sagte, während Thränen in seinen Bart rannen: „Ich kann Dir nicht zürnen, mein Liebling, daß Du nach Deinem Herzen wählen willst, aber Du begreifst, daß ich dies schöne Besitzthum und Deinen Rang und Stand nicht ohne Weiteres wegen Deiner Herzens- Neigung zu einem bürgerlichen Arzte preiS- geben kann."
„O, Du wirst doch noch „ja" sagen, liebster Papa, Du wirst mich glücklich werden lasten," flehte Edith, „o, versprich eS mir, bitte, versprich es mir —"
„Nein, Edith, ich verspreche nichts," sagte der Graf und erhob sich, „vielmehr verlange ich von Dir Dein Wort, nichts in der Angelegenheit zu unternehmen, ehe Du von mir da» Ergebnis einer Unterredung, die ich mit Doktor Volkmar haben werde, erfahren hast."
„Mein Wort darauf, Papa I sagte Edith. Du weißt, daß Deine Edith Dir voll kindlicher Liebe vertraut, aber Dir zugleich auch erklärt, keinen andren Mann als Doktor Volkmar heiraten zu wollen."
— Weihnachten kam heran, mit Schneegestöber und flimmernden Christläden. Alle Welt hatte mit xn Festvorbereitungen zu lhun. Groß und Klein strahlten beim Gedanken an das hcrannahende Fest, nur Com- teß Edith stand »ft mehmütig am Fenster des Schlosses und fühlte keine rechte Festfreude iu ihrem Herzen.
Sie hatte keine Silbe mehr gehört v«m Vater über den Geliebten und seine Verlobung. Schwester Gertrud schrieb neulich und erwähnte beiläufig, wie leid eS ihnen allen wäre, Doktor Volkmar, der seine Stelle am Krankrnhause aufgebe, zu verlieren, doch au-
welchem Grunde dies geschehe, erwähnte Schwester Gertrud nicht, und das junge Mädchen zergrübelte sich den Kopf über den möglichen Grund. Hatte Papa Volkmars Werbung rundweg adgelehnt, weil ihm ein Wappenschild und ein alter Name fehlte? Edith seufzte tief und faltete leise die Hände: „O, mein Gott, gieb ihv mir — Arno!" kam eS leise über die zuckenden Lippen.
„Wahrscheinlich haben ' wir Besuch zu Weihnachten," meinte Gräfin Rhaden eines Tages bei Tisch, „Tante Margarethe wird kommen, sie schrieb eS heute."
„Sol" erwiderte Edith zerstreut, obschon sie die Schweller ihres Vaters, Gräfin Margarethe Rhaden, eine »»verheirate ältere, sehr liebenswürdige Dame, herzlich lieb hatte.
Graf Rhaden saß mit undurchdringlicher ernster Miene da und spielte mit Messer und Gabel, dann warf er eine Bemerkung über da» Wetter hin und erhob sich.
Am heiligen Abend wurde, a s es schon begann dämmrig zu werden, ein Wagen zur Bahn gesandt, die Tante zu holen. Edith, welche erst mitfahren wollte, mußte jedoch wegen heftiger Kopfschmerzen zurück bleiben. ES kam immer mehr eine tiefe Schwermut über sie, gegen die sie vergeblich ankämpfte. Nun war wohl allesaus für sie! Glück und Hoffnung auf den Besitz des geliebten Mannes, und die Weihnachtslichter brannten für sie nicht, eS blieb dunkel und trostlos in Ediths Herzen. Als der Wagen unten .vorfuhr, der die Tante und die Eltern von der Bahn brachte, erhob sich Edith hastig, trocknete die Augen und eilte hinunter, wo sie die Tante und die Elternschon im Hausflur traf. DaS Wiedersehen mit der Tante Dar ein herzliches, wieder und wieder umarmten sic sich und die lebhafte Gräfin rief einmal nach dem andern: „Meine kleine, mutige Johanniterin.I Edith, ich bewundere Dich!"
Aber Edilh zuckte zusammen bei dieser Anrede und plötzlich brach ein Strom heißer Thränen aus ihren Augen, denn es war ihr gewesen, als höre sie eine tiefe, vibrierende Männerstimme murmeln: „Schwester Com- tchchen j"
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