Rundschau.

Seine Majestät der König ist ge­stern vormittag 9 Uhr 25 Mi», mit Son- Verzug von Stuttgart nach Tübingen abge­reist, um sich nach Bebenhanscn zu begeben. , AUerhöchstderselbe beabsichtigt, den Rest des Monats dort zuzubringcn und Sich von da am 30. ds. Mts. über Ulm, wo Seine Majestät mit Ihrer Majestät der Königin znsainmentreffeu und am Münsterfest teil» nehmen werden, mit Ihrer Majestät zum Sommeraufenthalt nach Friedrichshafen zu begeben.

Bebenhansen, 19. Juni. Seine Maje­stät der König traf heute oormittag 10 Uhr 52 Min., von der versammelten Menge mit anhaltenden Hochrufen begrüßt, mit Extra- zng in Tübingen einjj, nahm daselbst die Mcldnng des Bataillonskommandeurs Ma­jors Slohrer entgegen und, begab Sich so­fort zu Wagen nach Bebcnhausen. Seine Majestät traf in dem festlich geschmückten Ort gegen 11 st- Uhr ein und wurde von dea Forstbeamlen, dem Ortsgeistlichen und den bürgerlichen Kollegien mit begeistertem Hoch empfangen.

Cannstatt, 19. Juni. Das Dienstmäd­chen, dessen Kleider vorgestern in der Wasch­küche Feuer singen und das mit erheblichen Brandwunden in das Krankenhaus kam, be­findet sich auf dem stäten Wege der Besser­ung. Lebensgefahr ist ausgeschlossen.

Geislingen, 18. Juni. Der ledige Pres­ser Knoblauch aus Bohmenkirch, 27 Jahre alt, hatte heute früh in der Würltemb. Me­tallwarenfabrik das Unglück, seinen Arm in eine Presse zu bringen, so daß derselbe zer­quetscht wurde und amputiert werden mußte.

Ehingen, 19. Juni. Das Dunkel des letzten Brandes hat sich nunmehr gelichtet. Der Knabe eines italienischen Arbeiters in der Zementfabrik bettelte im Gasthaus zum Stern ein Glas Bier. Als er dasselbe nicht bekommen, ging er hinters Haus und zündete einen mit Stroh gefüllten Schweine­stall an, von wo sich das Feuer dem Holz­stadel des Oberamtsgebäudcs mittcilte. Der Knabe ist noch nicht 12 Jahre alt, daher ihm keine gesetzliche Strafe zugemessen wer­den kann; dagegen erhielt er Stadtverbot, wonach auch sein Vater von hier abziehen muß. Mit dem Wiederaufbau des Rat­hauses wird energisch vorgegangen; man hofft, dasselbe in 8 Wochen unter Dach zu bringen. Das Rathaus war zu 25,000 in der Brandvei sichernng (viel zu nieder). Die Brandentsckädigung beträgt 13,000

Tettnang, 18. Juni. Gestern abend starb der ins hiesige BezirkskankenhauS ver­brachte Schmicdgcselle Joh. Schaupp, welcher­lei dem Haslachcr Unglück ebenfalls schwer verletzt wurde, im. Alter von 33 Jahren. Es sind nun zwei junge Menschenleben der Unvorsichugkeit znm Opfer gefallen. Wäre eS nicht angezeigt, frägt man sich willkürlich, wenn eine genaue Vorschrift über die Ver­packung beim Verkauf von Pulver gegeben würde?

Im Erdboden verschwunden. Auf den Hohenlohehüttcr Bruchfeldern hüteten, wie man der Köln. Ztg. aus Kattowitz in Obcrschlesien schreibt, zwei Schulknaben Zie­gen, obwohl das Betreten dieser Flächen ver­boten ist. Plötzlich senkte sich die Erde an der Stelle, wo der eine Knabe saß, der, wie der andere erzählt, in der unter donner- artigem Getöse sich bildenden trichterförmigen

Oeffnung versank. Die Leiche wird nicht geborgen werden können.

Ein bayerischer Zentrnmsabgeordnc- ter (vermutlich Orterer) teilt demFremden­blatt" mit, wahrscheinlich stimme das ganze Zentrum für die Militärvorlage, wenn die Regierung bindende Erklärungen auf Ver­längerung der Rekrutenvakanz und Vermehr­ung der Dispositionsbeu'laubungen abgäbe.

Ein teurer Kirschenkern. Aus Köln wird geschrieben: Bei der jüngst hier von H. Lempertz Söhne abgehaltenen Versteiger­ung Nürnberger Altertümer erzielte ein Kirschkern den Preis von 6700 ^ Die Summe erscheint befremdlich in Anbetracht des winzigen Objekts. Wenn man aber er­fährt, daß dieser kleine Kirschkern von der kunstfertigen Hand Peter Flötner's mit ein­hundertdreizehn mit unglaublicher Feinheit geschnittenen Porträtköpfen bedeckt ist, er­scheint der hohe Preis selbst einem Nicht­sammler begreiflich.

Die hohe Ordensauszeichnung des Herrn Reichskanzlers ist das Zeichen der kaiserlichen Anerkennung seiner Verdienste um das Zustandekommen des englischen Ver­trages. Am Dienstag abends 9 Uhr, also an dem zwischen den beiden Regierungen ver­abredeten Zeitpunkte, wo die Grundzüge des Abkommens in Berlin durch denReichs­anzeiger", in London im Parlament zuerst öffentlich bekannt gemacht werden sollten, er­schien beim Reichskanzler auf Befehl des Kaisers der Flügeladjutant Major v. Zitze­witz und überbrachtc demselbenjdie Insignien des hohen Ordens vom Schwarzen Adler. D-r Kaiser ließ dabei seinen Dank für die befriedigende Lösung der Angelegenheit aus- sprechen. Der Kaiser hatte an den Ver­handlungen den lebhaftesten Anteil genom­men.

Der berüchtigste Taschendieb Ber­lins, der Schneider August Doepke, wurde vor wenig Tagen der Strafkammer abermals vorgeführt. Doepke, der jetzt 52 Jahre alt ist, hat außer vielen Gefängnisstrafen nicht weniger als 27 Jahre Zuchthaus hinter sich. Kaum in Freiheit gesetzt, hat er stets sofort wieder sein gemeingefährliches Gewerbe aus­genommen. Die letzte Strafe hatte er am 12. März verbüßt und jetzt stand er wie­derum unter der Anklage zweier vollendeter und 12 versuchter Taschendiebstähle. Der Angeklagte suchte sein Opfer nur unter den Damen, weil dieselben erfahrungsmäßig ihr Geld in wenig vorsichtiger Weise in ihren Kleidertaschen aufzubewahre» pflegen. Der Gerichtshof verurteilte den unverbersserlichen nach dem Anträge zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren und den übl. Nebenstrafcn.

Einen grausigen Selbstmordversuch unternahm in Berlin ein junges Mädchen, nachdem es kurz vorher Streit mit seinem Geliebten gehabt hatte. Es warf sich am Ausgange des Perrons im Stadtbahnhof Alexanderplatz direkt vor der Lokomotive eines einfahrenden ZugcS auf die Schienen. Ein Entsetzensschrei aus Hunderten von Kehlen folgte, die Lokomotive -erfaßte die Kleidung der Selbstmörderin, schleuderte die Letztere gegen die Bordschwelle des Perrons, und hier gingen die Tritlbretter des gesam­ten aus 8 Waggons bestehenden Trains über die bedauernswerte hinweg. Die zur Hilfe Herbeieilenden hoben die Unglückliche, welcher die rechte H. völlig vom Arm abgefahren und beide Beine gebrochen waren, die aber trotz-

vem noch soviel Besinnung hatte, ihre Wohn­ung anzugeben, von den Geleisen, dann wurde die Verletzte nach dem Krankenhaus geschafft.

(Unmenschliche Behandlung eines Dienstboten.) DasN. Wien. Tbl." be­richtet: Der Polizei-Expositur von Penzing wurde verflossenen Sonntag ein wahrhaft grauenhafter, in seinen Einzelheiten fast un­glaublicher Fall von Mißhandlung eines Dienstmädchens z. Kenntnis gebracht. Mehrere Bewohner des Hauses Nummer 5 der Post­straße in Penzing erstatteten die Anzeige, daß die in dem bezeichneten Hause wohnhafte Gemischtwaarenverschleißeri» Anna Herlitschka ihr kaum 16jähriges Dienstmädchen Katha­rina Zeman» in unmenschlicher Weise miß­handle. Der Polizeileiter Herr von Hampel ließ das Mädchen sofort vorrufcn und durch den Polizeiarzt Dr. Fischer untersuchen. Das Resultat der ärztlichen Untersuchung war ein entsetzliches: Der abgemagcrtc Körper des Mädchens war über und über mit Strie­men, Beulen und blutunterlaufenen Flecken bedeckt und kaum eine handbreite Fläche vor­handen, welche nicht eine Verletzung zeigte. Unter fortwährendem Weinen erzählte dann das bedauernswerte Geschöpf, daß Frau Her­litschka, bei der sie seit zwei Jahren in Dien-- steil stehe, sie ausschließlich zur Pflege von drei Katzen verwende, mit den sie schlafen müsse und deren übriggclasscncS Futter ihre einzige Nahrung gebildet habe. Für den ge­ringsten Fehler, den sie sich bei der Pflege der Katzen zu Schulden kommen ließ »ber­auch wenn die Tiere einmal nicht recht bei Appetit waren, sei sie von ihrer Dienstgeberin durch Stockschläge und gänzliche Entziehung der Nahrung gestraft worben. Oft schon habe sic den Dienstplatz verlassen wollen, sei aber immer wieder infolge der Drohung der Herlitschka, daß sie, wenn sie den Dienst­platz verlasse, von der Polizei eingcspcrrt würde, zum Bleiben veranlaßt worden, trotz­dem die Mißhandlungen kein Ende nahmen. Nachdem das Mädchen diese Depositioncn gemacht, wurde sie unverzüglich dem St. Rochusspital übergeben. Degen die Herlitschka wurde die Anzeige beim Gericht erstattet.

Wien, 20. Juni. Es verlautet, Graf Hartenau (Prinz Battenberg) sei zur Ueber- nahmc höheren Kommandos über die Trup­pen in Bosnien oder zum bosnischen Landes­chef designiert, womit seine jüngste Anwesen­heit in Bosnien im Zusammenhang gestan­den sei. Ein in Thorn gewesener öster­reichischer Militärbeamtcr, welcher 43 Pläne an Rußland verkaufte, wurde verhaftet.

(Wieder ein unschuldig Verurteil­ter.) DerThorner Ostdeutschen Zeitung" schreibt man aus Soldau: Der Schmiedc- meistcr M. von hier war vom Schwurge­richt wegen Giftmordversuchs zu einer länge­ren Zuchthausstrafe verurteilt; sieben Monate der Strafe hatte er bereits abgcbüßt, da wurde das Verfahren gegen ihn wieder aus­genommen, und das Schwurgericht zu Allcn- stein erkannte jetzt auf Freisprechung. Unter großem Jubel der Bevölkerung wurde M., auf einem laubbekränzten Wagen sitzend, mit Musik zur Stadt geleitet.

(Verwechslung.) Fremder:Beim Vorübergehen warf ich einen Blick ins Schul­haus; die Zahl der Kinder find' ich im Verhältnis zur Größe des Dorfes nicht be­deutend." Bürgermeister:Ach, da ha­ben der gnädige Herr jedenfalls nur das Wohnzimmer unseres Lehrers gesehen!"