Der Kampsum eineMillion.
Criminalnovelle von W. Roberts.
Nachdruck verboten.
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Wenn ich ihn dann damit tröste, daß wir einen reichen kinderlosen Vetter hätten, der in seiner großen Güte unserer i» seinem Testamente sicher gedenken werde, so meint Ralph, daß Vetter Burns zu viele Erben besitze und vielleicht auch bereits einen anderen Neffen so in's Herz geschloffen habe, daß er ihn zum Universalerben eingesetzt habe. Was könne da für ihn, den armen Teufel, aus Vetter Burns Testament noch herausspringen. Auf diese Weise quält und martert mein armer Ralph sein Gehirn oft Tag und Nacht, so daß ich befürchten muß, er wird darüber noch den Verstand verlieren, wenn er nicht bald beruhigt wird. Ich bitte Sie daher, liebster Vetter, sagen Sie mir gütigst in Ihrer Testamentssache ein Trostwort für meinen armen Ralph."
Ein feines sarkastisches Lächeln flog bei de» letzten Worten der aufgeregten Dame über das Antlitz dcS Greises und s,er dachte in seinem Innern: Also die Sorge, daß Madame Lockwen und ihr Herr Cohn in meinem Testamente nicht zu kurz kommt, ist dieses langen Rede kurzer Sinn.
„Zu Ihrem und Ihres Sohnes Tröste will ich Ihnen doch einmal eine Abschrift meines Testaments vorlesen, liebe Nichte," sagte dann Allan Burns, und als er sich umwandte, und aus einem geheimen Fache seines Pultes das Schriftstück zu holen, war eS als glitte ein schalkhaftes Lächeln überfein Antlitz.
Klopfenden Herzens erwarten: die habgierige Madame Lockwell die Vorlesung der Testamenisabschrift.
„Die einleitenden Sätze und formalen Bestimmungen übergehe ich," sagte Herr Burns, als er mit dem Schriftstück in der Hand sich auf einen Sessel vor Madame Lockwcll niederließ, „ich verlese nur die testamenlarischen Verfügungen über mein Vermögen, welches ich mir durch ein langes Leben der Arbeit und Sparsamkeit mit Gottes Segen erworben habe.
Da ich nicht wünsche, daß mein großes Vermögen durch gleichmäßige Austeilung an meine vielen Verwandten zerstückelt und, wie es dann der Welk Laus ist, bald in alle Winde zerstreut wird, so setzte ich meinen Neffen Richard Johnson, zur Zeit Student der Rechte, zu meinem Universalerben ein und bestimme, daß meine übrigen Seiten- verwandten folgende Legate empfangen:
Frau Mary Lund in London erhält meine Villa in Oxborne und zehntausend Pfund Sterling und jede ihrer drei Töchter, Elisabeth, Jane und Anna bekommen ebenfalls jede zehntausend Pfund Sterling,
das Ehepaar Oliver Smit in.Edinburgh erhält zwanzigtausend Pfund Sterling,
John Miller in Oxford bekommt zehntausend Pfund,
Frau Katharine Lockwell in London erhält ebenfalls zehntausend Pfund und deren Sohn Ralph Lockwell, Advokat in London, erhält auch zehntausend Pfund."
„Während der Verlesung dieses Testa- mentsauszuges funkelten die grauen Augen von Madame Lockwell in einem unheimlichen Feuer und mehr als einmal schien sie dem
Perarttwortlicher Redakteur: Bern
alten Herrn das Schriftstück aus den Händen reißen und in Stücke zerfetzen zu wollen. Klugheit und List siegten aber bei der bitter enttäuschten Dame über die leidenschaftliche Erregung und ihren Aerger gewaltsam zurückzwingend sagte sie:
„Schönen Dank, Herr Vetter, für die Freundlichkeit, daß Sie auch meiner und meines Sohnes in dem Testamente gedacht haben, nur finde ich, wie cs sicher alle anderen Verwandten auch finden werden, daß Sie, Herr Vetter, in der Auswahl Ihres Universalerben etwas sehr unvorsichtig gewesen sind. Richard Johnson, unser lieber Verwandter, ist leider an allen Universitäten Englands nur als der tollste und leicvt- sinnigste Student bekannt und die vornehme Jugend der Hauptstadt nennt ihn nur den „tollen Richard". Das ist doch wahrhaftig keine Empfehlung für den jungen Mann, der allen anderen Verwandten gegenüber so kolossal bevorzugt werden und fast ihr ganzes Vermögen allein erben soll."
„O, sorgen Sie sich nicht so sehr um den Leichtsinn meines Neffen Richard, er ist ein guter Junge und hat die Gaben zu einem echten Gentleman in sich," erwiderte Herr Burns lächelnd. „Sehen Sie liebe Nichte, guter Wein ist nicht gleich jgut, sondern ist erst überschäumender Most, und wenn er dann erst recht ausgegohren hat und älter geworden ist, dann wird es der beste Wein. So ist es auch mit Richard Johnson. UcbrigeuS darf man ihn nicht mit den anderen Studenten vergleichen, dazu ist Richard eine zu eigenartig angelegte Natur, Alles bewegt sich bei ihm in großen, seltsamen Verhältnissen."
„Ja, zumal feine Ausgaben und — Schulden bewegen sich in großen Verhältnissen," bemerkte Madame Lockwell spöttisch.
„O, das ist nickt schlimm," erwiderte der Greis, „ich habe Richard ein hübsches MonatSgeld bewilligt, welches er fliese» Monat noch gar nicht abgeholt hat, er kann also seine Schulden jeden Tag bezahlen."
Madame Lockwell biß sich wütend auf die Lippen, als ihre aus den verhaßten Vetter Johnson abgeschossenen Pfeile so ganz wirkungslos waren, doch noch verzagte die inlriquante Dame nicht und versuchte ein neues Mittel.
„Ja wissen Sie denn aber auch, lieber Vetter," sagte sie mit gedämpfter Stimme, „was man allgemein für den armen Richard in den Kreisen seiner Bekannten fürchtet? Man hegt die Besorgnis, daß Richard Johnson in Folge feiner Extravaganzen noch verrückt werden müsse, ja, baß er es vielleicht gar schon sei. Eine gewisse tiefe Melancholie, eine haarsträubende Gleichgiltigkeit, die er allen Gefahren, allen beängstigenden Sorgen gegenüber zeigt, lassen fast schon mit Gewißheit darauf schließen, daß die Anfänge einer furchtbaren Geisteskrankheit bei Richard sich zeigen. O, überlegen Sie es daher noch einmal, liebster Vetter, ehe Sie diesen jungen Mann zu Ihrem Universalerben einfetzen, es wäre ja entsetzlich, wenn das große Vermögen an einen halb wahnsinnigen Narren, an einen Mißratenen fiele I Denken Sie doch an meinen Sohn, meinen Ralph, Herr Vetter. Er ist auch ihr Neffe, und ein guter, edler, hochbegabter Mensch, der seine Examina glänzend bestanden hat und zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.
hard Hofmann.) Druck und Verlag von B e
Sie könnten doch bei den bedenklichen Umständen mit Richard Johnson viel eher meinen Sohn Ralph als Ihren Universalerben cinsctzen. Was sind denn zehntausend Pfund Sterling für meine» armen, strebsamen Sohn? Aber mit dem großen -Vermögen seines Onkels würde er auch Großes vollbringen. O, erhören Sie doch meine Bitte, mein lieber Herr Vetter, erhören Sie vor allen Dingen das gemarterte Mutterherz in mir, welches sich um das Schicksal des armen ehrgeizigen Sohnes seit Wochen ängstigt!„
Mit vornehmer Ruhejjhatte Allan Burns anfangs den Redeschwall der ränkevollen Dame angehört, als er aber schließlich vollständig den habgierigen Plan derselben durchschaute, wandte er sich unwillig ab und die Worte: „O diese Schlange! flössen leise über seine Lippen, und als Madame Lockwell wie flehend ihre Hände nach denen des reichen Vetters ausstrccken wollte, bemerkte sie zu ihrem großen Schrecken, daß er ihr den Rücken gewandt halte.
„Ich will solche Worte von Ihnen nicht wieder hören," sagte der würdige Greis darauf streng, „denn es stimmt nicht Alle«, was sie sagten, mik dcrjwahren, aufrichtigen Freundschaft zusammen. Sie wie meine übrigen Verwandten haben mir in meine testamentarischen Bestimmungen nicht hin- einzureden, ich that, was ich vor Gott und den Gesetzen dieses Landes verantworten kann. Das Erbrecht ferner Seitenverwand- ten ist ein beschränktes, weil auf zufällige Umstände beruhendes, es ist hier nicht wie bei dem natürlichen Erbrechte der Kinder an die Eltern. Ich erinnere Sie auch daran, Madame Lockwell, daß Sie erst im dritten Grade mit mir verwandt sind und Ihr Sohn also gar erst im vierten Grade. Wie soll ich da dazu kommen, Ihren Sohn meinem Steffen Richard Johnson, der mir näher verwandt ist und außerdem meinem Herzen nahe steht, vorzuziehen? Ich erinnere Sie auch noch daran, daß ich Ihnen und Ihrem Sohne, sowie den ferneren Seitcnverwand- ten gar keine Legate in meinem Testament hätte auSzusctzen brauchen, gesetzlich bin ich dazu nicht verpflichtet, ich habe nur einer Ehrenverpflichtung genügt und meinen sämtlichen ferneren Anverwandten soviel von meinem Vermögen testamentarisch bewilligt, daß sie vor Mangel geschützt sind. Wer von meinen ferneren Anverwandten mit diesen Lagaten nicht zufrieden ist, dem kann ich nicht helfen. Ich habe vor nun sechzig Jahren meine Laufbahn nickt mit einem Vermögen von zehntausend Pfund Sterling begonnen, sondern habe als armer Commis in Indien meine Laufbahn angrfangen und mir die Erwerbung der ersten tausend Psd. sauer genug werden lassen. Also können meine ferneren Anverwandten mit den ansehnlichen Legaten, die ich ihnen aussetzen konnte, weil meine Ehe kinderlos blieb und meine junge Frau längst dahin starb, wohl zufrieden sein, wenn sie gerecht und ehrbar denken. Sagen Sie das ihrem Herrn Sohne, Madame Lockwell! Und nun leben Sie wohl!"
(Fortsetzung folgt.)
Gedankensplitter.
Der Mensch errötet, wenn sich die Wahrheit nackt zeigt.
rnhard Hosmann in Wildbad. ^
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