W e k e H r 1.
Novelle von F. Stockerl.
Nachdruck verboten.
10 .
ES war einer jener linden Herbsttage, in welche» uns die weiche Luft fast so schmeichelnd wie Lenzesgrnß umfächelt. Der rote Wein in der alten Stadtmauer leuchtete in der glühendsten roten Farbenpracht, über die Wiesen spannen sich die zarten weißen Fäden des Altweibersommers, und sogar ein paar verspätete Schmetterlinge flatterte darüber hin. Ringsumher herrschte tiefe Stille. Born erinnerte sich, wie Dora einst die armselige Natur hier gepriesen, und er gestand sich jetzt, daß die Umgebung der Stadt allerdings nicht ohne Poesie sei, nur müsse man den Blick und das Verständnis darüber haben. Auch die Haide mußte ja jetzt in jener Farbenpracht leuchten, wie sie Dora^damals beschrieben. Die Haideblume blühte noch, und die Sonne begann allmählich im röter» Licht des Abends zu leuchten. Born schlug daher den einsamen Weg nach der Haide ein, bald lag sie vor ihm, unv die verglühende Abendsonne gab der weiten rosigen Fläche jene eigentümliche rotgelbe Farbenpracht, welche so entzückend auf alle empfänglichen Gemüter wirkt. Es glühte und strahlte auf der Haide, als wäre Alles, Erde u Himmel in ein Flammenmeer getaucht.
Born stand lange wie versunken in diesem fesselnden Anblick. Da tönten plötzlich durch die klare Luft menschliche Stimmen an sein Ohr. Erstaunt ließ der .Assessor seine Blicke umher schweifen, und entdeckte bald, hinter einer verkrüppelten Haidcjöhre, eine Männcrgestalt. Als er schärfer hinsah, erkannte er in derselben Herrn Leonhard. Zu Born's noch größerem Erstaunen saß auf dem Stein unter der Kiefer eine Dame, deren braunseidenes Kleid ihm sehr bekannt erschien. Jetzt warf die Dame den Kopf ein wenig zurück, welche Bewegung den spähenden Ass ssvr lebhaft an Dora erinnerte. Ja, Sie war cs, jetzt sah er cs ganz deutlich. Dora's Hut mit der wallenden weißen Feder hing an ihrem Arm, und auf ihrem Arm, und auf ihrem braunlockigen Haare zitterten die Sonnenstrahlen, und ließen es fast goldig erscheinen- Er war sehr blaß geworden bei dieser Entdeckung. Das Gerücht, daß Dora Herrn Leonhard einen Korb gegeben, konnte unter.diesen Umständen unmöglich wahr sein, sie mußte im Gegenteil auf einem sehr vertrauten Fuß mit flnem Herrn stehen, wenn, sie hier, auf einsamer Haide, ihm ein Stelldichein gab. Jetzt trennte sich Leonhard mit einem verbindlichen Gruße von Dora und ging stolz erhobenen Hauptes graben Wegs auf den Asstssor zu. Eine strahlende Röte lag auf Leouhard's schönen Zügen, jedenfalls ein Zeichen des Herzensglücks nach der Begegnung mir Dora.
„Köstlicher Tag heute!" rief Leonhard fast übermütig und indem er Born begrüßte. „Habe soeben ein kleines Stelldichein gehabt,
ja
„Liebe schweift auf allen Wegen!" sagt ja wohl schon Gölhe. Die Eroberungen werden unser Einem heutzutage sehr leicht gemacht. Finden Sie es nicht auch so, Herr Assessor? Nun, wir sind ja auch keine Unmenschen solchen liebcgirrenden Täubchen gegenüber."
Voll innerem Ingrimm hörte Born diese Reden des aufgeblasenen und taktlos über ein Stelldichein schwatzenden Menschen mit an.
„Warum verlassen Sie aber Ihre Dame," fragte Born dann Plötzlich, mit einer vor Erregung bebenden Stimme und fügte nun auch seinerseits spöttisch hinzu: „Sehen Sie, dort lächelt.der Mond, jetzt erst naht die Stunde, die Liebenden so hold ist." — Leonhard schien über diese Anspielung etwas verlegen zu sein und suchte nach einer passenden Antwort, Born jedoch überhob ihn derselben, indem er sich kurz empfahl und den schmalen Heimweg nach dem Flusse zu einschlug. —
Dora hatte zu dem Ball am heutigen Abend Toilette gemacht, und stand vor dem Spiegel mit prüfenden Blicken dieselbe musternd. Das cremc-farbene, reich mit Spitzen garnierte Seidenkleid schmiegte sich prächtig um die zierliche Gestalt, einige dunkle Rosen leuchteten in dem Haar, und ein prachtvoller Brillantschmuck funkelte an Hals und Armen. Die junge Dame blickte spöttisch auf all diese Eleganz.
„Ein wenig wird ja meine unscheinbare Erscheinung dadurch gehoben", murmelte sie, „allerdings wäre es lohnender, wenn dieser kostbare Diamantenschmuck einer Schönheit diente, dann wäre cS mir vielleicht möglich, ein verlorenes Herz durch die Allgewalt der Schönheit wieder z» gewinnen, da man aber auch mit allem Gelbe sich kein liebendes Herz erkaufen und damit den Glauben gewinnen kann an Liebe und Treue, so werde ich au der Macht des Goldes zweifeln, bis an mein Lebensende." —
Sie trat jetzt zurück von dem Spiegel und nahm einige Haideblumen vom Tische, die sic an ihrem Gürtel befestigte.
„So, wenn er die Blumensprache versteht, dann mag er darauf ersehn, daß ich auf der Haide war und seiner Worte gedachte — bis der alberne Herr Leonhard mich rauh aus meinen Träumen rüttelte "
Sie lachte hell auf bei dieser Erinnerung.
„Die Eitelkeit schöner Männer grenzt doch ans Lächerliche!" spöttelte sie. „Zu glauben, ich harre dort seiner, und spähe von diesem Platz aus nach ihm und seinen wohlbestellten Feldern, das ist doch etwas sehr stark von Herrn Leonharb, auch wenn er ein schöner Mann und 'reicher Rittergutsbesitzer ist! — Und dann sein verblüfftes Gesicht, als ich über diese überspannte Vermutung seinerseits in ein schallendes Gelächter ausbrach, und wie er dann mit hochrotem Antlitz so graviätisch von dannen schrillt, cS war wirklich z Totlach-n! Ich fürchte, trotz meiner deutlichen Rede und meines Hohngelächters, habe ich ihn doch noch nicht vyn seinem Wahne geheilt und er wird trotz alledem wieder mit mir tanzen, und sich dabei geberden, als thnc er mir die größte Ehre an.
Unter diesem Selbstgespräch hatte sich Dora zum Fortgehen gerüstet, und ging hinunter, nach der Tante ihrem Zimmer, wo schon die Frau Apotheker ihrer harrte, unter deren Schutz Dora den Ball besuchen wollte, da die Tante wegen Kränklichkeit dem Ballscste nicht beiwohnen konnte.
Die Saison sollte mit diesem Vergnügen eröffnet werden, und die Gesellschaft in dem
hellerleuchteten Casinosaal warsehr zahlreich vertreten. Allem Anschein nach schien es ein flotter, glänzender Ball 'zu werden, die Herren zeigten, was nicht immer der Fall, eine riesige Tanzlust, und Dora hätte sich gewiß, da sic eine gesuchte Tänzerin war, sehr gut amüssiert, wenn sie sich unbefangen dem Vergnügen hätte hingeben können, aber daS war ihr nicht möglich; eine fieberhafte Unruhe hatte sich ihrer bemächtigt, seit ihr Blick, beim Eintritt in den Saal, auf des Assessor Borns blasses und ernstes Antlitz gefallen war. Und diese Unruhe steigerte sich merklich, als Born bei einem Conire neben Dora stand. So nahe hatten sie seit jener Wasserpartic nicht nebeneinander gestanden.
Born hatte seitdem jede Begegnung mit Dora vermieden, und heute vollends zeigte er ihr eine fast verächtliche Kälte. Für ihre zarte Blumensprache schien er durchaus kein Verständnis zu haben, und Dora errötete jetzt fast über diese kindische Idee ihrerseits. Als der Contre vorüber war, und die Paare auseina',-.vergingen, wollte es der Zufall, daß sich Born mit einem Fuße in die lange spitzcnbesetzte Schleppe DoraS verwickelte und einige Spitzen dabei abtrat. Dora bückte sich, bei diesem fatalen Zwischenfall einen Moment, und dabei entfiel ihr der Blumenstrauß aus dem Gürtel.
Born der jetzt einige förmliche Worte der Entschuldigung zu Dora sagte, hob den Strauß auf.
„Jedenfalls ein teures Andenken," sagte er spöttisch lächelnd, indem er ihr die Blumen überreichte. „Ich sah die Haide heute zum ersten Mal in der malerischen Beleuchtung des Abendrots, und in diesem flammenden Licht bemerkte ich ein glückliches Paar unter einer alten Kiefer."
Dora wurde dunkelrot.
„Ein glückliches Paar schwerlich," stotterte sie niit bebenden Lippen.
„Nun ein unglückliches schien cs mir auch nicht, der schöne Freier kreuzte wenigstens mit glückstrahlendem Antlitz nachher meinen einsamen Pfad, und freute sich, daß uns Männern heutzutage die Eroberungen so leicht gemacht würden, er sprach sogar von girrenden Täubchen, denen gegenüber man kein Unmensch ist."
„Schändlich!" rief Dora, „und Sie glaubten wirklich, Sie glaubten ich — ich
„Ich glaubte, was ick sah, und daö war ein Stelldichein auf einsamer Haide, und nun sehe ich zarte rosafarbene Haideblumen an Ihrer Brust!
Dora schleuderte die Blumen weit von sich. Fortsetzung folgt.)
Liebesfrage.
Ich weiß nicht, was mich quälet, Jst's Trauer, ist es Lust?
Fühl froh ich mich beseelet,
Wühlt Schmerz mir in der Brust?
Ich gehe in der Irre,
Im dunklen, wilden Wald,
Der Weg ist wüst und wirre;
Naht die Erlösung bald?
Ja im Gebüsch dort ferne,
Dort winkt sie meinem Lauf,
Und sieh, zwei braune Sterne Geh'n mir als Sonne auf!
Verantwortlicher Redakteur -Bernhard Hos mann.) Druck urrd Verlag von Bernhard Hofmann in Wildhad.